Romane & Erzählungen
Engel der Sehnsüchte - Kinderdramaerzählung

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"Engel der Sehnsüchte - Kinderdramaerzählung"
Veröffentlicht am 25. März 2013, 192 Seiten
Kategorie Romane & Erzählungen
© Umschlag Bildmaterial: Detlef Doletzky
http://www.mystorys.de

Über den Autor:

Autorenbiografie von Detlef Doletzky. Mit Beginn der Einschulung 1969, prägte der 7 jährige Junge bereits, in den ersten 4 Schuljahren sein kreatives malerische können mit fantasievoller farblichen Bildgestaltung aus. Im frühen Alter von 12 Jahren ermöglichte der Schüler Detlef Doletzky (Jahrgang 1962), geboren in Bad Freienwalde, der Oberschule Oderberg im Jahr 1974 den 1. Platz der Kinderkreismeisterschaft für hervorragende ...
Engel der Sehnsüchte - Kinderdramaerzählung

Engel der Sehnsüchte - Kinderdramaerzählung

Engel der Sehnsüchte

Neu Überarbeitung mit schnellen Lesefluss 12 August 2017 Einleitung "Engel der Sehnsüchte", Ist ein Kinderschicksalsdrama, das ausschließlich aus der Sicht eines Kindes erzählt und geschrieben wurde. Durch Kindheitsträume zur Wahrheit: Erzählt eine spannende fantasievolle Geschichte eines 6-jährigen, lebhaften Jungen, mit dem Namen Dominik Berger. Eine Kinderbucherzählung, zum Teil aus wahren Erlebnissen einer eigenen

Kindheit mit Happy End. Sein ständiger Wegbegleiter, ein kleiner imaginärer goldener Engel führt den Jungen durch einen schweren Familienabschnitt voller Ängste. Durch die verursachten Probleme seines Vaters Tobias Berger, der jegliche Interessen an seiner Frau Alice Berger und seinem Sohn Dominik verloren hatte, versucht der Vater seine Familie mit in den Abgrund zu ziehen. Mit der Deutsch/ Deutschen Wiedervereinigung nach 1989 verlor Tobias seinen jahrelangen Arbeitsplatz und die familiären Perspektiven. Er veränderte sich drastisch zu einer negativen Person und endete somit im Chaos. Ein besseres Leben und eine heile

Familie wünschte sich der kleine Junge von ganzem Herzen. Durch Höhen und Tiefen verlief seine Reise zu seiner Traumerfüllung. Mithilfe seines Engels schaffte er es, seine Träume wahr werden zu lassen. Erst nach schweren Verlusten, viel Mühe, Not und Leid konnte er seinen Herzenswunsch von einer heilen Familie wahr werden lassen. Nur durch seinen festen Glauben an seinen Kindheitstraum, in ständiger Begleitung seines Engels, der ihm den Weg bahnte. Nur so überwand der Junge alle Hürden für ein besseres Leben, für sich und seiner Mutter und führte sie ins Glück. Eine fantasievolle, spannende Erzählung über Liebe und Not, Intrigen

fein verstrickt zu einem Werk das sich lohnt zu lesen. Erwähnungswert ist die Umschreibung der häuslichen Familiären Situationen, welche auf wahren Ereignissen aus dem Frühjahr 1970, der ehemaligen DDR basierten. Ansprechwertig sind auch die Gedankenflüsse des kleinen Jungen "Dominik", wie er auf bestimmten Familiären Situationen reagiert und darüber unverblümt denkt. … Es war für mich ein Tag wie jeder andere in meinem bisherigen jungen Kinderleben. Meine Geschichte begann kurz nach der Deutsch/Deutschen Vereinigung im Jahr 1990, wo es den Staat der DDR nicht mehr gab und begann Anfang April in

einer kleinen Stadt, Namens Chorin, in der Nähe von Berlin. Dort begann mein Schicksal seinen unentwegten Lauf zu nehmen ohne zu dieser Zeit den Sinn zu erkennen. Ein Lauf, den ich mir so wie er verlief nie im Leben vorstellen konnte. Chorin ist eigentlich ein größeres Dorf und besaß im Kernpunkt einen größeren, schön bewachsenen Badesee. Hohe Weiden, Erlen und viel Schilf umsäumten diesen See. Schon vor vielen hunderten von Jahren Lebten hier in einem Kloster Mönche der Katholischen Kirche. Heut existiert von diesem Kloster nur noch eine Ruine mit vereinzelte Konzerten, Vorstellungen oder verschiedener Volksfeste. Daher pilgern zwei Mal im

Jahr sehr viele Menschen aus Deutschland und weiter hier zu einige dieser Veranstaltungen. Dieser See teilte dennoch unser Dorf in zwei verschiedener sozialen Schichtgruppen von Menschen. Zu der einen Seite lagen die kleinen, zum Teil heruntergekommenen Ein bis Zweifamilienhäuser und zur anderen Seite lag ein Villenviertel, bis an das weite Ufer herangezogen. Es wohnten meist wohlhabende Menschen aus den Bereichen Berlin, Potsdam und Frankfurt/Oder, Westdeutschland in diesem Villenviertel. Überwiegend waren es Doktoren, Rechtsanwälte und hohe Regierungsbeamte sowie Baulöwen von

Großunternehmen. Allerdingst schafften sie hier keine Arbeitsplätze sondern nur Minijobs wie meine Mutter mal erzählt hatte. Sie schotteten sich jedoch von der anderen Kleinstadt oder Dorfbewohnern ab und führten soweit ihr eigenes unabhängiges Leben in Saus und Braus. Viele Schleichwege führten durch diese Kleinstadt und um den einst begehrten See herum. Nur an dem Reichenviertel konnte man nur noch schwer vorbeikommen. Diese Wege wurden zugepflanzt und sind kaum noch zu durchdringen. Stachlige Schlehensträucher sowie Dornenbüsche bewucherten die Uferzonen. Zum großen Teil wurden hohe undurchsichtige

Fassadenzäune errichtet. Nur einzelne Anlegeflächen hielt man für die Jachten sauber und gepflegt. Viele Steganlagen ragten bis in den tiefen See hinein wo Boot an Boot ankerte. Chorin war zu dieser Zeit mit einem großen Waldgebiet umsäumt, in dem viele Buchen, Eichen, Linden und zum Teil auch Kiefern standen. Einzelne Bergkuppen ragten aus den Laubwäldern zum Himmel empor. Eine breite Landstraße schlängelte sich zur nächsten Großstadt kurz neben den See vorbei, mitten durch unsere alte Kleinstadt. Unser Haus lag unweit vom See entfernt, während die Vorderseite von der Durchgangsstraße und einen kleinen Vorgarten lärmmäßig beherrscht

wurde. Ein kleiner Weg am hinteren Gartenende führt mitten durch unsere Fliedersträucher dann zum kühlen dunkelgrüngefärbten See. Optisch gesehen war es für mich ein riesiger See, der es einen schwer machte hinüber zu blicken. Vor allem wenn der Tag sehr trübe bis neblig begann. Dort gabelte sich der feuchtnasse Weg mitten im Schilf und führte zu den zugewucherten Wegen der schönen Villen. Und Entgegengesetzt führte der Fard zur Badestelle und in den dunklen Wald hinein. Meisten kannte ich diese Schleichwege schon durch meine Mutter, wenn sie im Hochsommer mit mir zum Baden oder spazieren an den See ging.

Sie sagte mal, dass man früher zur DDR-Zeit ganz einfach um den ganzen See herum wandern konnte, ohne gemieden zu werden oder auf Blockaden zu stoßen. Meine Eltern, Alice und Tobias Berger, beide zwischen Mitte und Ende zwanzig, befanden sich gerade in unser Wohnhaus. Sie stritten sich mal wieder, wie so oft in letzter Zeit, im Untergeschoss unseres kleinen, veralteten Häuschens um dieses oder jenes Problem, während ich mich wie immer, in meinem spärlich eingerichtetes Kinderzimmer verkroch, um diese Streitigkeiten meiner Eltern aus dem Weg zu gehen. Manchmal wurde es so laut, dass ich mir meine Ohren zuhalten musste. Selbst die Gesamte

Nachtbarschaft bekam des Öfteren diese heftigen Streitereien mit und begann zugleich über uns zu tratschen. Offenbar mögen diese Leute uns nicht, wie ich selbst schon oft feststellen musste. Mit mir wollte keiner reden oder spielen, stattdessen verwiesen sie mich nur. Unsere altmodisch, nach dem DDR-Maßstäben eingerichtete Küche befand sich genau unter meinem Kinderzimmer. Die Fenster wiesen zur Hof- und Gartenseite und ließen kaum Licht in die Küche. Ein großer Apfelbaum von der Nachbarseite versperrte die Sicht zur Sonne. Meine Mutter machte gerade den Rest Abwasch fertig, während mein Vater mit einer Bierflasche am alten

viereckigen Küchentisch saß und ständig herum diskontierte. Oftmals bekam ich nicht mit um was diese Unterredung mit meiner Mutter ging. Ebbend Themen der Erwachsenen die mir wohl nichts angehen sollten. Eine halb verglaste Küchentür führte direkt zum kühlen dunklen Flur hinaus. Rechts den Gang entlang, am Schlafzimmer meiner Eltern vorbei, führte eine Tür zur Nähstube des Vorderseitenbereichs meiner Mutter. Am anderen Ende des Flurs, gleich links neben meiner alten braunen Holztreppe, zum Boden und meinem Zimmer führend, war noch eine dunkelbraun gestrichene halb verglaste Hintertür, welche dann exakt zum Hinterhof hinausführte. Der

Flur und der Küchenboden wurden mit blaue und weiße Fliesen in Schachmuster verfliest. Die Fugen wurden in Laufe der Jahre schon dunkelgrau, fast schwarz durch das viele aufwischen. Unsere Küche hatte eine doppelte Neonlampe an der Decke und war einfach primitiv mit DDR Möbeln ausgestattet. Im Hausflur hing eine milchglasgefärbte Kugelglas-Wandlampe, die unseren Flur und das Treppenhaus nicht sonderlich ausleuchtete. Die Küche befand sich zur Nordwestseite und war daher nicht sehr hell am Tage. Während das Schlafzimmer meiner Eltern zur Westseite angeordnet war, lag die Nähstube meiner Mutter zur warmen Südseite des Hauses und zur

Straßenseite mit einer separaten Eingangstür. Mein Zimmer lag also zur Hälfte über der Küche und ein Teil über der Nähstube. Am schönsten jedoch lag das Schlafzimmer, denn da standen keine Bäume vor dem Fenster und es bekam am Nachmittag so gar noch Sonnenstrahlen ab. Von vorne rechts führte ein Hoftor an unseren Hausgiebel zum Hof hindurch. Oben an der Giebelseite befand sich dann ein kleines Fenster, welches auf unseren Dachboden mit der Eule hinwies, aber die Glasscheibe war schon seit langem kaputt. Unser Dach war mit alten, grauen Betondachziegeln bedeckt, welche an einigen Stellen schon Moos angesetzt hatten, wodurch im Laufe der

Jahre das Regenwasser an einigen Stellen durchdrang. Da ich ohnehin durch die Schwierigkeiten und Krisen meiner Eltern zu einem Einzelgänger wurde, umhüllte ich mich immer bei solchen Situationen mit einer riesigen Mauer des Schweigen und Vertrauenslosigkeit anderen Menschen gegenüber. Diese Mauer ist im Laufe meiner knapp sechs Jahren immer höher geworden, um alles von mir abzuschotten, was seelische Schmerzen bringt. Mein Name ist Dominik Berger und mein junges Leben war gerade mal 6 Jahre und mein Begleiter, ist ein kleiner Fantasieengel, oder für die Erwachsenen ein imaginärer Engel ohne Namen. In Laufe meiner schwierigen Situation stieß

er irgendwann in mein Leben. Dieser Engel half mir über so manchen schwierigen Hürden meines Lebens hinweg. Er sorgte für meine schönen Nachtträume, die mir zum Teil auch am Tage erschienen. Er wies mir immer einen Weg, für mich und meiner Mutter, ohne das sie es ahnte. Mein goldener Engel leuchtete so hell wie die Sonne, wenn er erschien und trat immer nur dann in meinem Leben, wenn mir Gefahren drohten oder ich einen kindlichen Rat benötigte. Ich war ein zierlicher und zurückhaltender Junge mit fast hellblondlockigem Haar, das über meinen hellblauen Augen gewuschelt hing. Meine kleine Nase passte sich der

Mundform zu einem zarten Kindergesicht an. Die Leute sagten immer, „ich sei zum Reinbeißen süß, aber viel zu ruhig für mein zartbetuchtes Alter“. Die letzten Worte meines Vaters, die mir an diesem Tag in den Ohren dröhnten, lauteten: „Dass ich mich geistig auf meine bevorstehende Einschulung vorbereiten sollte, dann hört endlich das faulenzen auf!“ Solche Worte warf er mir oft am Kopf, obwohl ich die meisten gar nicht verstand. Mein Vater war ein junger, strenger und zugleich jähzorniger Mann, Ende zwanzig. Er trug zu dieser Zeit mittelblondes, kurzgeschnittenes Haar und hatte eine strenge, leicht bierbauchartige Figur. Mit der Deutschen

Wende, änderte sich auch sein Leben zum Negativen. Er verlor, zum Dank seiner Beteiligung an den Demonstrationen für eine Wiedervereinigung, gleich seinen Arbeitsplatz in dem einzigen, großen Betrieb hier bei Ort. Das machte ihn zugleich noch Wütender und frustrierter. Mein Vater war viele Jahre als anerkannter Betriebsschlosser tätig. Durch diesen Verlust ging es nach und nach mit ihm bergab und er fand in unserer Region keinen Arbeitsplatz mehr, womit er uns ernähren konnte. Diese Arbeitsstelle wurde abgewickelt und geriet schnell in Vergessenheit und vom Arbeitsamt bekam er kein Geld, weil

meine Mutter selbstständig wäre. Wenn diese Themen von meiner Mutter angesprochen und vertieft wurden, gingen die Streitigkeiten wieder los. Meiner gut aussehenden mittelblondhaarigen Mutter, Mitte zwanzig nahm in dieser Hinsicht auch kein Blatt vor den Mund und das machte meinen Vater zornig. Er wurde dann zu einen kolleriger und brauste schnell auf 180 hoch. Ich sah meinen Vater kaum arbeiten, er war etwas sprunghaft und arbeitete hin und wieder schwarz als Bauhelfer bei verschiedenen Firmen oder Bekannten. Das was er verdiente, brachte er meistens wieder zu den Nachtklubs, Kneipen und den ganzen

Frauen, die er dann begehrte. Er trank dann bei jeder kleinen Gelegenheit und zankte nur noch mit meiner Mutter herum. Dass ich diese schlimmen Ereignisse in unserem Haus auf Dauer nicht vertrug machte sich schnell bemerkbar. Ich verschloss mich meiner Umwelt gegenüber immer weiter und machte dadurch oft ins Bett. Heimlich schlich ich mich in unser altes kaltes Bad und versteckte meinen feuchten Schlüpfer zwischen die schmutzige Wäsche, so dass man sie nicht gleich findet. Gleichzeitig zog ich mir saubere Unterwäsche an. Da ich ohnehin nur einen sehr kleinen, spärlichen, alten Schrank in meinem Zimmer hatte, fand

ich schnell die entsprechenden Sachen die ich benötigte. Selbst mein Bett bezog ich klamm heimlich, da sich meine Bettwäsche ebenfalls in meinem Zimmer befand. Vielleicht hätte ich meine Mutter davon unterrichten können, weil sie mich sehr liebte, aber ich verschwieg ihr diese Missgeschicke. Es kam oft vor, dass mein Vater sehr späten am Abend auch mich, aus irgendeinem Grund anschrie und schnell auf mich einschlug. Oft geschah es ohne das Beisein meiner Mutter. Damit mir nichts Ernsthaftes geschieht, hielt ich immer meine schützenden Hände vors Gesicht, da die meisten Schläge meines Vaters immer schmerzhafte Wunden

hinterließen. In diesen Fällen kam meistens gleich meine Mutter angerannt, schrie meinen Vater an und streichelte mir tröstend mein blondwelliges Haar. Dann gingen erst recht die Streitigkeiten los. Meine Mutter schrie in ihrer Wut: „Lass Dominik in Ruhe und rühr ihn nie wieder an! Nur Frauen und Trinken hast du im Kopf, statt was Vernünftiges zu arbeiten, dass dein Sohn wenigstens etwas zu essen hat.“ Meine Mutter war eine sehr hübsche, arbeitsame, ehrgeizige und fürsorgliche Mutter, im Gegensatz zu meinem schlecht geratenen Vater. Sie hat solch einen schrecklichen Mann, wie mein Vater nicht verdient, hörte ich mal von einer Nachbarin zur

anderen sagen. Meine Mutter hatte in unserem hoch verschuldeten Häuschen von meiner Oma, eine kleine Nähstube im vorderen Hausbereich eingerichtet. Dort nähte und reparierte sie tagein, tagaus überwiegend Kindersachen, Umarbeiten, Gardienen und so weiter, um so unseren Lebensunterhalt zu erwirtschaften. Der Verdienst war nicht sehr hoch, aber sie hatte viele Stammkunden aus der Großstadt. So kamen wir eigenermaßen über die Runden. Gleichzeitig musste sie mit diesem Geld die Hypotheken und Betriebskosten für das leicht verfallende Haus ihrer verstorbenen Eltern mitfinanzieren. Nebenbei wollte mein Vater auch noch Geld für sich

beanspruchen, dass er im selben Atemzug wieder in der Kneipe oder am Kiosk versäuft. Weil unser Haus schwer reparaturbedürftig war, mussten kostspielige Arbeiten am Haus liegen bleiben. „Weil einfach kein Geld dafür da ist“, versuchte meine Mutter mir so gut wie möglich zu erklären. „Aber mit der Nähstube hatte es auch seine Vorteile“, sagte sie bescheiden, während sie mich tröstend in den Armen hielt. „So hast du für dich immer vernünftige Sachen von den Leuten und die sind noch wie neu. Immerhin bringen sie mir zusätzlich Sachen, die ihren Kindern nicht mehr passen.“ Fügte sie noch hinzu. Sie schaute mich dabei sanft lächelnd an.

„Komm nun lächel doch ein wenig.“ Sprach sie mit vertrauter stimme. Am Vorderhaus, wo ein alter, gepflasterter Bürgersteig entlang verläuft, führte eine sehr verkehrsaktive Straße vorbei, wo sich auch die Eingangstüre der Nähstube befand. Ein Raum vorn und nach hinten waren das Wohnzimmer, Schlafzimmer, Küche, Flur und ein Bad. Mein Zimmer führte über eine gebogene, alte Holztreppe nach oben, gleich neben dem gruseligen Dachboden, in dem sich immer eine Eule und die Sperlinge für den Winter eingenistet hatten. Die Tapeten im Hausflur und Treppenhaus waren schon genau so alt und vergilbt wie in meinem

Zimmer. Einzelne, verblasste Wasserflecken befanden sich wohl schon jahrelang an den oben liegenden Decken. Die braunen Farben vom Treppengeländer zu meinem Zimmer waren spröde und platzten mit der Zeit schon ab. Das gleiche Spektakel war mit meinen einfach verglasten Fensterfarben, die einst mal weiß strahlten. Die alten Schalter und Steckdosen im Flur und in meinem Zimmer stammten schon aus der tiefsten DDR-Epoche. Sie konnten den neusten Standard vom Weltniveau, mangels Finanzen nicht erneuert werden. Da ich nur einen einfachen Teppich im Zimmer hatte, einen Tisch mit Stuhl und mein altmodisches Kinderbett, erschien

mein Zimmer sehr kalt und beängstigend. Gleich auf dem schwarzen Nachtisch meiner Oma befand sich eine alte Messing-Nachtischlampe und mein Lieblingskuscheltier, in Form eines Bären, saß darunter. Meine Malstifte hatte ich immer auf dem alten Fensterbrett abgelegt, während verschiedene nicht bemalte und buntbemalte Zeichenblätter auf meinem Tisch, vor dem Fenster lagen. Meine Zudecke war aus Daunen und unter meinem Kopfkissen lag immer eine alte, blaue Taschenlampe, mit der ich meinen Engel bei Nacht anleuchten wollte, aber in dem Moment löste er sich durch das schwache Licht meiner Taschenlampe

wieder auf. Mein Fensterblick deutete zur Hofseite nach hinten, wo meine alte Schaukel stand und die fast laublosen Fliederhecken umsäumten unser verwildertes Grundstück. Unser Gartengrundstück war nicht sehr groß und ungepflegt, bescheiden mit einer braunen Schaukel, die nur noch mit einem Seil bestückt war. Im Frühjahr wenn der lilafarbende Flieder blühte, konnte man sich in den hohen Hecken sehr bequem verstecken. Auch das Ansehen von unserem Garten war dann frühlingsgeschmückt schöner, wie im Herbst oder Winter. Im Sommer ließ ich dann mein Zimmerfenster weit geöffnet stehen, dass die warme Sommerluft hin

eindringen konnte. Das Fenster quietschte dann ein wenig, wenn es sehr windig wurde. Aber meine kleine Fenstergardine wedelte dann schön sanft im Sommerwind. Fünf Dachziegelreihen zählte ich mal von meinem Fenster bis hin zur alten, undichten Dachrinne. Aber ich traute mich nicht, aus dem Fenster zu steigen, wie einer meiner Nachbarjungen, der dann abstürzte. Unser Haus war ohnehin nicht so hoch gebaut, aber vielleicht hielt mich auch mein Engel von diesem gefährlichen Versuchsexperiment fern. Unser Haus war teilweise unterkellert und er roch schon modrig, wie alte Kartoffeln. Nur ein einziges Mal spielte

ich dort unten, bis ich von meiner Mutter erfuhr, dass dort unten, außer Kohlen und Kartons, auch Mäuse wohnten. Seitdem ich davon erfuhr, ging ich selbstverständlich nicht mehr in diesen Keller spielen. Vor allem bröckelte von den Wänden schon der Putz unaufhaltbar ab. Die einzelnen Putzbröckel waren schon nassgelblich verfärbt und rochen stark nach kalk. Alte Abflussrohre hingen haltlos an den spröden Wänden und durch zwei winzige Kellerfenster fiel das schummrige Tageslicht ein. In jeder dunklen Ecke vielen mir riesige Spinnengewebe auf, wie ich sie schon auf unserem gruseligen Dachboden erkennen konnte. Dicke, fette

schwarze acht beinige Spinnen lauerten darin, um Fliegen oder Mückenbeute zu machen. Manchmal saßen sie Tagelang unbeweglich, wie in einer katatonischen starre an ein und derselben Stelle. In unserer alten Küchenspeisekammer, rechts neben der Küchentür, hatte meine Mutter öfters die Spinnengewebe entfernen müssen. Da mich dieser düstere Anblick verängstigte und mir nicht geheuer vorkam, mied ich des Weiteren diese Räumlichkeiten zu betreten. Das alte Haus war nicht sehr gut isoliert, so war es im Sommer sehr warm und im Winter sehr kalt in den gesamten Wohn- und Arbeitsräumen. Ich hatte mich an diese Situation schon lange

Jahre gewöhnt, da es mein Geburtshaus war. So fragte ich oft meinen goldenen Engel, der für andere nicht sichtbaren war, warum mein Vater so böse zu uns ist und mich immer schlägt. Es soll wohl mein Schicksal sein, zum Geburtstag und Weihnachten keine Spielzeuge zu bekommen. „Wenn ich wenigstens einen Freund in meinem Alter hätte?“ „Dominik“, sagte mein weiser Engel. „Dich trifft ganz gewiss keine Schuld am Gemüt deines vom Schicksal geplagten Vaters, denn er ist seines Glückes eigener Schmied. So wird er immer den schwachen übermächtig, weil er die Schuld für sein Versagen bei den anderen sucht.“ Sanftmütig lächelte er mich mit

den tröstenden Worten entgegen. „Nur deine Hoffnungen, deine Träume geben dir die Kraft, für dich und deine Mutter ein besseres Leben zu schaffen.“ Mit diesen Gedanken schlief ich meistens ein, während sich im Untergeschoß meine Eltern gegenseitig zerfetzten. Ich träumte meist oft von Dingen, die ich mir zwar wünschte, aber nie erhalten würde. Manchmal kam meine Mutter am späten Abend in mein dunkles Dachzimmer, um mir eine Gutenacht-Geschichte von meinen Großvater vor zu lesen. Von denen haben wir nach seinen Tod das Haus geerbt. Sie erzählte mir von einem alten Liedertext, den meine Großmutter von ihrem jüngsten Bruder

Fritz als Karte bekam, der aber im 2. Weltkrieg gefallen war. Mit sanfter Stimme las sie mir diese ganz alte Postkarte vor, während ich in ihren Armen lag. „Gute Nacht, Mutter, gute Nacht! Hast an mich jede Stunde gedacht. Hast dich gesorgt, gequält um deinen Jungen, hast ihm abends ein Schlaflied gesungen. Gute Nacht, Mutter gute Nacht! Hab dir Kummer und Sorgen gemacht. Du hast verzieh’n, Mutter, du hast gewacht, gut Nacht, Mutter, gute Nacht! Heut kam ein Brief den du mir schriebst, nur ein paar kurze Zeilen, nur ein paar kurze Zeilen, von Mutterhand, dass du mich liebst, kam über tausend Meilen.

Plötzlich warst du mir so nah, saß ich dir zu Füßen, plötzlich war die Heimat da, mit tausend lieben Grüßen. Nun ist es spät, du bist so müd, schwer waren Müh und Sorgen; dein Sohn ist da, singt dir ein Lied, schlaf nun ein bis morgen. Heut kam ein Brief, den du mir schriebst, den deine Träne netzte, von Mutterhand, dass du mich liebst, vielleicht war es der letzte. Dieser Brief war bitterweh: las aus jeder Zeile, dass ich kaum dich wiederseh’, und wenn ich noch so eile. Weil diesen Brief, den du mir schriebst, dir eine Träne netzte, fühl’ ich: diese Worte, dass du mich liebst, diese Worte waren wohl die letzten, die du mir schriebst.“

Ich dachte dabei an die vielen Abendstunden, an denen mir meine Mutter bei Kummer und Krankheiten zur Seite saß, mit all unseren Sorgen und leise vor sich hin betete. „Oh Herr, gib uns die Kraft, dass unsere Familie wieder Frieden und Hoffnungen findet!“ Oftmals hörte ich dann bis spät in die Nacht, das leise Summen der alten Nähmaschine, aus der unter meinem Zimmer liegenden Nähstube. Nicht selten hörte ich auch leise weinende Geräusche, wenn mein Vater mal wieder Tagelang fern blieb und seine Familie allein mit ihr Schicksal und Sorgen ließ. Nur zu diesen nächtlichen Stunden fand meine

Mutter die Zeit und Ruhe, die viel liegen gebliebenen Näharbeiten zu vollenden. Während ich dann den Geräuschen lauschte versank ich in meine sorglosen Traumwelten. Es gab auch Zeiten, an denen ich mich weinend in den Schlaf wiegte, in Sorge, meine Mutter zu verlieren und dann mit meinem Vater ganz allein zusammenleben zu müssen. Es war Ende August 1990, als mein großer Tag in einen Neuen Lebensabschnitt anbrach. Ein Tag, an den ich mich noch sehr lange erinnern sollte. Meinen ersten, neuen Einschulungsanzug überreichte mir meine Mutter voller Stolz und Freude. Den sollte ich dann zu meiner Einschulung

mit Freude tragen. Die Zeit war nun heran gestrichen und meine lang ersehnte Einschulung in die erste Klasse stand bevor. Unsere einzige Grundschule im Ort wurde festlich geschmückt und viele Eltern traten mit ihren Kindern zum Fest an. Die Rosenbeete vor dem Schulgebäude fingen schon leicht zu welken an. Dieser Tag wurde nicht so schön, wie ich es mir zu meiner Einschulung erhoffte. Hingegen blühten die Astern in voller Blütenpracht und verbreiteten einen lieblichen süßen Blumenduft auf den Gesamten Schulhof. Zu mindestens erhellte es unsere kindlichen Gemüter doch noch etwas Gutes vom Tage ab zu verlangen.

Leichter Nieselregen fiel ununterbrochen aus den trüben Wolken und benässte den sandigen Schulhof. Allerdingst durchweichten allmählich unsere schick angepassten Schulanzüge. Einige Eltern hielten einen Regenschirm über die Köpfe ihrer Sprösslinge, als wollte man sie vor irgendetwas Bösen schützen. Aber dennoch war die Stimmung untereinander sehr aufgemuntert und festlich, wie es sich an solch einen Tag gehörte. Selbst einige der Grundschullehrer machten humorvolle Späßchen mit uns kleinen Schuleinsteiger und brachten uns manchmal selbst zum Lächeln. Mein Vater hatte zu dieser Zeit für zwei Wochen einen Job als Bauhelfer in

Schwerin bekommen und konnte daher an meiner kargen Einschulungsfeier nicht teilnehmen. Die Einschulung seines einzigen Sohnes schien ihm ohnehin nicht am Herzen zu liegen oder gar zu interessieren. Aber er ließ sich schon einige Wochen zuvor kaum noch bei uns blicken. Also war es für mich auch nicht so sonderlich wichtig gewesen, dass er hier erschien. Im Gegenteil lebten wir zu Hause ein wenig ruhiger und ohne Ängste. Nicht einmal eine kleine Einschulungskarte bekam ich, als würde es mich überhaupt nicht geben. Dachte ich bei mir, während sich meine Mitschüler reichlich amüsierten. Aber das war mir in diesen Moment so etwas

von egal, dass ich schlechthin kein verlangen an Freundesgesten hatte. Meiner Mutter standen die Tränen in den Augen als sie mich, ihren über allen geliebten Sohn in einem hellbraunfarbigen Einschulungsanzug und der Schultüte erblickte. Aber sie erkannte auch meine unerfüllten Erwartungen, die mir gerade durch die Gedanken strömten. Sie fühlte schnell, wenn ich mich unbehaglich oder zurückgesetzt fühlte und das machte ihr traurig. Ich sah die anderen Kinder mit ihren glücklichen Gesichtern und zufriedenen Familien, Omis und Opis um mich herum posieren. Die leuchtend strahlenden Gesichter und ich musste es

so hinnehmen. Sogar die Tanten und andere Verwandte waren zu diesem großen Anlass der Erstklässler-Einschulung gekommen. Sie Gratulierten ihre Enkelkindern, Neffen oder Nichten und verschenkten noch mehr Pakete und Tüten. Das schmerzte sehr und ließ mich weiter abstumpfen. Es traf mich sehr, diesen Anblick zu realisieren, da meine Großeltern, in mein Babyalter verstarben, und Tanten oder andere Verwandte hatte ich leider nicht. Mein Vater stammte aus dem hohen Nordosten, bei Warnemünde, der ehemaligen DDR, Deutsche Demokratische Republik genannt. Ein eigener Staat, der sich 1961 eingemauert hatte, um keine anderen Menschen aus

dieser sozialistischen Republik weder rein- noch raus zu lassen. Schon im Jahr 1949 wurde dieser von Deutschland abgetrennter, eigenmächtiger Staat feierlich gegründet, erzählte mir mal mein Vater, als er zu viel Alkohol getrunken hatte. Aber dann wurden die Arbeitsnormen immer höher geschraubt und es kam dann im Juni 1953 zum Aufstand. Seine eigene Familie hatte sich schon vor Jahren von meinem Vater abgekapselt. Sich von ihm aufgrund seines schlechten egoistischen Charakters abgewandt. Seine Familie wollte mit ihm, aber auch mit uns nichts mehr zu tun haben. Schon mal weil meine Mutter mit meinem Vater wegen

mir zusammen geblieben war, obwohl sie einen anderen Mann liebte. An mich hatte keiner zur damaligen Zeit gedacht und die Liebe, die mir meine Mutter entgegen brachte, half unserer kleinen Familie auch nicht. Innerlich freute ich mich auf meine Einschulung, obwohl meine Mitschüler sozialschwache Kinder aus ihren Kreisen von vornherein ausschlossen und nicht anerkannten. Das störte mich aber nicht weiter, denn ich hatte meinen Engel und kam auch ohne die anderen Klassenkameraden ganz gut zurecht. So musste ich tagein, tagaus meinen Schulweg alleine gehen, ohne einen guten Freund an meiner Seite zu haben. Außer

mein Engel der war stehst an meiner Seite und hielt wacht. Wenn mir dann auf meinem Heimweg Gefahren durch andere Kinder drohen, wies er mir einen anderen Weg, um die reichen Prügeljungen herum. Eine große Einschulungsfeier gab es allerdings nicht, obwohl ich das einzige Kind meiner Eltern war und es mir so sehr erhoffte. Aber meine Mutter hatte in den letzten Monaten schon kaum noch Geld zum Leben, da mein Vater für seine Kneipentouren immer mehr Geld erpresste. Die erste Schulzeit verlief unwahrscheinlich schnell, so dass die Spätherbsttage sich von einen Tag zum anderen Tag mehr und mehr verkürzten.

Bei meinem Vater setzten derweilen die Depressionsphasen ein, die er durch seinen übermäßigen Alkoholgenuss noch mehr anschürte. Meiner Mutter fielen die letzten Arbeitstage in der Nähstube immer schwerer, da mein Vater mal wieder keine Arbeit hatte. So nahm er noch mehr Geld in Anspruch, ohne auf uns Rücksicht zu nehmen. Ich verbrachte hingegen die trüben Herbsttage in meinem Zimmer oben im dunklen Dachgeschoss und malte wie meistens ein paar Bilder. Das Laub an den Bäumen verfärbte sich bereits, in rotgelben Glanz und unser Hof wurde für mich unbehaglich zum Spielen. Die alten Fliedersträucher am hinteren defekten

Gartenzaun, bei dem schon einige Latten brüchig waren, verloren ihre Blätter in diesem Jahr fiel zeitig wie sonst. Auch der große See am Choriner Villenviertel wurde immer unansehnlicher, während die Wildgänse und Graureiher den Weg in Richtung Süden suchten, um dort zu überwintern. Das Wasser sah sehr trübe und kalt aus, als würde es leicht gefrieren wollen. Einzelne Fische schwammen ziellos der Restsonne des kalten Abends entgegen und verschwanden wieder im Dunkel des Sees. Hier und dort ertönte das Gezwitscher einzelner Blaumeisen, die unentwegt nach den letzten Insekten Ausschau hielten. Aus dem unweit

entfernten, Bundverfärbten Laubwald ertönten die Rufe der Eichelheere, wie sie sich um ein Nachtquartier stritten. Hier und dort verirrten sich noch Libellen, während die Frösche bereits das Weite suchten. An den heißen Sommertagen konnte man im See noch richtig baden und das Schilf war noch saftig grün. Die Sonne brannte so auf meiner Haut, dass mich meine Mutter mehrmals am Tage eincremen musste, um keinen Sonnenbrand zu bekommen. Im Föhnwind der warmen Sommerlüfte konnten wir das Gezirp der Grashöpfer vernehmen und im Einklang mit dem Gesang der Lerchen hoch am Himmel den Froschgesängen lauschen. Nun waren die

eins grünen Weiden an der Uferböschung grau wie die Nacht verfärbt und ruhen erstarrt in der kalten Herbstnacht. Vereinzelt schwammen noch Enten auf dem nebligen See in der Nähe der hochgepflegten Villen, wo die teuren Boote im Wasser hin und her wippten und dabei leichte Wellen schlugen. Der kalte Wald wurde immer schwärzer zwischen den Bäumen und deutete unübersichtlich auf die herannahende Nachtdämmerung hin. Der Abend neigte sich dem Ende zu und die kalte Herbstnacht bahnte sich ihren weg. Ich dachte mir einen Plan für den nächsten Tag aus, um meine Langeweile zu vertreiben. So gestaltete ich mir diese

trüben Herbsttage ein wenig abenteuerreicher. So zeichnete ich auf einem großen Blatt Papier den gesamten Choriner See, mit den dort angrenzenden Villen und markierte die Geheimen Schleichwege rings um die Uferzonen mit besonderer Farbe. Dieser Plan sollte so genau gezeichnet werden, dass selbst ein Erwachsener diese Wegekarte beherrschen und befolgen könnte. Mein Licht auf dem Nachtisch hatte keine helle Leuchtkraft für mein Zeichnen, so schob ich den Tisch näher an meiner Nachtischlampe heran. Meine einzige Deckenlampe gab ihren Geist schon vor einigen Wochen auf, so ließ ich meiner Phantasie einen freien Lauf

Problemsituationen zu lösen. An diesen Abend konnte meine Mutter mich nicht wie gewohnt ins Bett bringen. Sie hatte zuvor einen größeren Auftrag erhalten, der spätestens bis zum drauf folgenden Vormittag erledigt werden musste. In letzter Zeit nahm sie sehr viele an, unter andere auch schwierige Näharbeiten, um das Geld für die Hypothek aufzubringen. So blieb ich an diesen Abend länger auf, um meinen geheimnisvollen Plan zu vollenden. Draußen war es bereits stockdunkel und in meinem Zimmer wurde es schon feuchtkalt. Meine einfach verglasten Fenster beschlugen und das Kondenswasser lief unaufhaltbar an den Glasscheiben hinab. Zu Teil floss

das Wasser auf mein Fensterbrett, auf dem sich meine Probeentwürfe befanden. Schnell riss ich die wichtigen Pläne fort und sicherte sie in der untersten Schublade meines Nachtschrankes. Ich froh ein wenig, mein hellblauer Frotteeschlafanzug hielt nicht sonderlich warm und der alte Dauerbrandofen mit der defekten Stahltüre wurde nur im Winter beheizt. Manchmal wünschte ich mir, dass meine Eltern wie die anderen Kindeseltern mehr Geld hätten. Auch mein Vater sollte nicht so viel von dem Geld meiner Mutter ausgeben. Ich nahm meine Daunenzudecke und warf sie mir über die Schultern. Heimlich nahm ich hinter meinem Schlafzimmerschrank, der

wegen den Scheuerleisten nicht direkt an der Wand stand, eine alte rote Wachskerze hervor. Ein Feuerzeug hatte ich bereits länger unter meiner Bettmatratze versteckt. Das nutzte ich immer bei Stromausfällen oder wenn Gewitter drohte. In solchen Situationen kam mein Engel oft nicht. Die brennende Kerze loderte vor sich hin und mein Vater war zum Glück schon ein paar Tage lang nicht zu Hause. Am leisen Summen der Nähmaschine konnte ich erkennen, dass meine Mutter unten arbeitete. Ich überflog nochmals meine Pläne und musste feststellen, dass sie für einen fast siebenjährigen Jungen fantastisch waren. Nebenan auf dem

Dachboden raschelten mal wieder die erst kürzlich eingezogenen Mäuse. Aber das macht mir schon lange keine Angst mehr. Vereinzelte Käuzchen rufe ertönten von draußen, während die alte Turmuhr vom Dorf 22:00 Uhr schlug. Mein Bauch Kneift leicht, als müsste ich doch noch im kalten herunter zur Toilette. Es konnte aber auch sein, dass die einseitige Ernährung und das zu wenige Essen daran schuld waren. Meine Furcht, über das kalte dunkle Treppenhaus nach unten zu gehen, war schon immer groß gewesen. Vor einem halben Jahr schlich ich mich mal in der Nacht herunter und konnte meinen Vater im Dunklen nicht wahrnehmen, als er betrunken durch den

Hintereingang trat. Er dachte wohl, ich sei ein Einbrecher und schlug mir voll ins Gesicht. Meine Nase begann gleich zu bluten und meine Mutter war so entsetzt, dass sie meinen Vater sehr heftig schlug. Erst im Krankenhaus wurde ich dann wieder wach. Am Tag danach waren genug Polizei und das Jugendamt im Haus. Mein Vater bekam eine mächtige Verwarnung vom Jugendamt und der Polizei. „Sollte das noch mal vorkommen, … dann müssen wir ihren Sohn Dominik ins Kinderheim mitnehmen!“, rief eine ältere Frau vom Jugendamt meinem Vater zu. Ich verstand nur noch das letzte Worte „Kinderheim“ und zuckte bereits

zusammen. Dieses Wort hatte in unserer Stadt einen sehr schlechten Ruf, dass für Kinder eine ewige Trennung von den Eltern nach sich zieht. Aber die Zeit geriet schnell in Vergessenheit und ich konzentrierte mich wieder auf meinen Ursprungsplan. Ich stellte fest, dass meine Kerzen weniger wurden und musste somit haushalten. Meine alte Taschenlampe musste dann für den Rest der Nachtzeit hinhalten. Kerzen wurden wegen mir sehr gut im Haus versteckt und ließen sich nur sehr schwer auffinden. Offenbar kannte meine Mutter mich sehr genau, wenn es um Kerzen und Feuerzeuge ging. Durch das starke Rauchen meines Vaters wurde ich schon

frühzeitig an solche Dinge, wie Feuerzeug, Streichhölzer herangeführt und fand sie faszinierend zum Ausleuchten meines Zimmers. Ich prägte mir über Nacht jeden einzelnen Schritt meines Planes sowie die Wege ein. Dazu alle Sträucher und Schlupfwinkel als Rückzugsplan ganz besonders. Das sollte meine erste große Expedition nach meiner Einschulung werden. Ziel meiner Operation war es, die reichen Villenumgebungen genauer unter Beobachtung zu nehmen, wie die Menschen dort ohne Probleme leben. Vielleicht würde ich dort irgendetwas Neues Interessantes entdecken, womit ich in meiner Klasse prahlen könnte und

vielleicht so ein Freund zu bekommen. Jedoch riet mir mein Engel von derartigen Experimenten ab. Allerdingst kümmerte mich diesmal nicht der gutgemeinte Rat meines Engels. Ich wurde nach einer Weile müde und wollte erst mal eine Nacht darüber schlafen. Meine Plandurchführung hatte sich auf Grund neuer familiärer Situationen um ein Weilchen verschoben. … Es war bereits Ende November 1990 und sehr kalte Tage bahnten sich ihren Weg zu unserer Gegend. Da ich ohnehin keine Freunde hatte, verwirklichte ich nun nach einiger Zeit meine Expedition, die ich schon lange zuvor geplant hatte. So wollte ich mal sehen, wie die reichen

Leute an der anderen Seite vom See in ihren Villen lebten und wanderte mit meinem kleinen Engel in Gedanken zum anderen Seeufer. Meine Wünsche und Hoffnungen, eines Tages ein richtiges Familienweihnachten zu haben, bestärkte meinen Plan, die anderen Familien bei ihren Weihnachtsvorbereitungen zu beobachten. Immer, wenn ich mit meiner Mutter in die nächste Großstadt fuhr, freute ich mich schon, in der Abenddämmerung, kurz vor der Weihnachtszeit, die bunten Lichterketten in den einzelnen Fenstern zu bewundern. Unser Häuschen wurde zur Weihnachtszeit noch nie beleuchtet und schön für das Fest geschmückt. Zum

einen wollte mein Vater solch einen Kitsch nicht am Haus haben. Zum anderen hatten wir dafür auch kein Geld, somit wurden zu Weihnachten auch kaum Geschenke oder Süßigkeits- Teller vergeben. Für ein Kind in meinem Alter war diese Vorstellung sehr hart, um es zu verstehen. Aber dennoch verschwanden meine harmonischen Weihnachtsgefühle, als ich am Vorabend meiner geplanten Wanderung über unser Treppenhaus erfuhr, dass sich meine Eltern so schnell wie möglich scheiden lassen wollten. Tränen voller Erleichterung quollen aus meinen großen, blauen Augen. Dennoch wusste ich nicht, wie es mit uns weitergehen sollte.

Gefühlvolle Gedanken kamen mir im Sinn, dass es meiner Mutter und mich dadurch viel besser gehen würde wie bisher, wenn sie sich wirklich scheiden ließ. Mein goldener Engel schaute mich erleichtert an, während ich meinen letzten Tränen nachgab und aus meinem rötlichen Gesicht wischte. Mein Engel er erkannte die innere Ruhe, die sich um meinen Körper ausbreitete, aber er sah auch meine Ängste, die in mir zerrten. Der Gedanke vom Vater getrennt zu werden, erhellte meine rot gewordenen Augen. Mein Engel mit den lockigen Haaren, wie aus dem Weihnachtslied „Stille Nacht, heilige Nacht“, gab mir immer da Trost, wo meine Mutter es

nicht schaffte. Nach kurzer Abschweifung meiner Gedanken konzentrierte ich mich wieder auf meinen ursprünglichen Plan. So setzte ich diesen in der Realität um. Mein Vater war ohnehin wieder auf Kneipentour und meine Mutter arbeitete in der Nähstube Nähaufträge von unserer Kindergarten ab. Es war ein sehr nasskalter und verregneter Spätherbsttag, an dem schon zeitig der Nebel aus den finsteren Ecken der Wiesen und Felder kroch, um einen düsteren Tag anzukündigen. Ich zog mir meine kleine braune Jacke und einen Schal über. Nahm meine selbst gestrickte braune Pudelmütze die ich von meiner Mutter bekam und stopfte mein

blondwelliges Haar darunter. So konnte ich mich vor dieser harten Kälte schützen. Zu dieser Zeit ließ meine Mutter meine Haare immer etwas länger wachsen, um nicht im Winter zu frieren. Ich konnte es nicht leiden, wenn meine Haare immer nass wurden, da sie fast schulterlang waren. Leise schlich ich mich am Nachmittag unbemerkt durch den kalten Flur zur Hintertür auf den Hof. Dann kletterte ich durch unseren alten Fliederstrauch zwischen ein paar fehlenden Zaunlatten vom Grundstück. Dort führte ein kleiner unwegsamer Pfad in Richtung See, wo sich dann die von Weiden umwachsenen Wege zu dem Villenviertel und den der alten

Landstraße, in Richtung Großstadt, gabelten. Das war für mich der richtige Weg, auf dem ich dann rechts einbiegen musste. Meine halbhohen schwarzen Lederschuhe von der Einschulung waren nicht richtig zugeschnürt und trieften schon vor Nässe. Nach einigen Metern laufen, auf dem nasskalten, schlammigen Weg näherte ich mich diesem so genannten Villenviertel. In der Ferne ragten bereits die Spitzdächer der Villen über die Baumkronen der Weiden und Kätzchen hinweg. Die halb gebogenen Fenster der Villenhäuser waren mit Weihnachtsbeleuchtungen bunt üppig erhellt und widerspiegelten sich auf den feuchten Rasen der gepflegten

Villengrundstücke. Ein weihnachtlicher Lebkuchenduft breitete sich über die naheliegenden Uferränder aus. Um näher an die Gebäude heranzukommen, musste ich durch die dichten, stachligen Schlehenhecken einen geeigneten Durchgangsweg finden. Es war bereits sehr kalt geworden und ich froh am ganzen Körper. Langsam wurde es auch Schummrig und noch nebliger wie bis her. Einzelne Zimmer strahlten eine heimische, Wärme aus, welche ich nie zuvor kennengelernt hatte. Alte, kunstvolle Möbel, Gemälde gestalteten die großen Wohnräume der Villen. Zu mindestens konnte ich derartige Kostbare Antiquariate von meinen Standort leicht

erkennen. Prunkvolle Terrassen banden die riesig erscheinenden Wohnzimmer zur Seeseite ein und erbrachten dadurch eine zusammenhängende, architektonische Meisterleistung. Der gepflegte Rasen und die Blumenrabatten auf den hinten anliegenden Wassergrundstücken deuteten auf gärtnerische Fachangestellte hin. Wie sie ins einzelne Detail angelegt und gehegt wurden. Die prachtvollen detaillierten Verzierungen an allen Fenstern, Türen wiesen auf sehr viel Familienvermögen hin. Selbst die sechs großen Runden Marmorsäulen von mindestens 4 Metern Höhe auf der hinteren Terrassenseite brachten mein Herz zum erstaunen. Auch die großen,

halbrund geformten lang gezogenen Terrassentreppen, erschienen mir wie in einen Märchenschloss. Noch nie zuvor habe ich derartiges aus solch einer Nähe gesehen, wie an diesen späten Nachmittag. Das waren für mich völlig fremde Welten, die ich nur aus meinen Träumen kannte, erwähnte mein Engel, als er den Glanz in meinen Augen sah. Große Fenstergardinen aus kostbarer Seide zierten die groß wirkenden Panoramafenster und sie waren so prachtvoll mit Weihnachtslichtern ausgeleuchtet, dass ich richtig neidisch auf diese Leute wurde. Ich konnte das für mein Alter nicht begreifen, wie die eine Menschengruppe soviel besaß,

während die anderen fast gar nichts besaßen. Ich sah für einen fast siebenjährigen Jungen richtig drollig aus, aber hatte es den Leuten gegenüber faustdick hinter den Ohren. Zu mindestens behaupteten es so unsere Nachbaren. Meine kessen und kindlichen Ausdrucksformen und den Gesten brachten schon so manch einen Erwachsenen zur Weißglut. Aber sie konnten mir nicht immer böse sein, da ich auch gute, kindliche Charaktereigenschaften besaß, die sich so manches Elternpaar von ihrem Kind gewünscht hätten. Vor allem sprachen auch nicht alle Menschen schlecht über meiner Mutter und mich. Es gab in

Ausnahmefälle auch gute Nachbaren die mit uns mitleid hatten und uns manchmal finanziell unterstützten, wenn absolut kein Geld da war. Ich war, bis auf meine Verschlossenheit Menschen gegenüber sehr lebhaft, aufgeweckt mit ein paar pfiffigen Gedanken im Kopf. Also man könnte auch meinen, dass ich für mein Alter sehr einfallsreich und klug war. Das war aber das entscheidende an meiner Einschätzung, im Vergleich zu anderen Kindern meines Alters. Viele Menschen mögen meine Offenheit und Ehrlichkeit, denn ich habe niemals gelogen. Wenn die gewünschten Elternverhältnisse gestimmt hätten, wäre mein Vertrauen anderen Personen

gegenüber viel stärker ausgeprägt. Mein Engel sagte zu mir, während er sich leicht über die Uferzone sichtbar zeigte: „Dominik, gehe bitte nicht weiter durch diese Schlehensträucher, denn es könnte dein Schicksal verändern!“ Ich konnte mir nicht vorstellen, was mein Engel damit zum Ausdruck bringen wollte. Da ich keine gegenwertige Gefahr sah oder verspürte, ignorierte ich prompt seine Warnung. Obwohl mir nicht ganz wohl bei dieser Sache war, setzte ich meine Mission fort. Meine ehrgeizige Neugierde trieb mich immer weiter durch diese fast undurchdringlichen Dornensträucher, geradewegs auf das Grundstück. Als ich die stachligen Sträucher bezwungen und

hinter mich ließ, kam ich in die Nähe eines Geräteschuppens, der auffällige Holzschnittverzierungen um Fenster und Tür hatte. Die waren Meisterhaft schön gefertigt und stießen mir gleich ins Auge. Ein warmer, orangefarbiger Farbton, gab dem Gartenhäuschen ein sehr harmonisches Ansehen. Auf einmal sah ich einen gut aussehenden jungen Mann, der Mitte dreißig sein musste. Still und nachdenklich saß er auf seinem Schaukelstuhl und schaute zur Blumenrabatte. Er schien unglücklich zu sein und genauso verschlossen wie ich. Ganz vertieft war er in seinen Gedanken versunken und starte regungslos vor sich hin. Er lauschte aufmerksam dem

Abendgesang der Meisen, welche sich noch in den Baumkronen befanden und schien diese Ruhe zu genießen. Im selben Moment hörte ich ein energisches Hundegebelle in meine Richtung ertönen. Mein Herz rutschte mir gleich in die Hose und wollte sich nicht mehr beruhigen. Hätte ich mal nur auf meinen Engel gehört, stieß mir durch den Sinn und stürmte aufgeschreckt, wie ein junges Reh, in Richtung Schlehensträucher zurück. Aus weiter Ferne hörte ich nur noch ein gedämpftes Rufen: „Wer ist da? schert euch von meinem Grundstück“ und es verstummte im Einklang mit dem Gebelle der aufgebrachten Hunde. Zum Glück war

ich unbeschadet auf sicherem Territorium gelandet. Panikartig musste ich Luft holen und hechelte wie ein Hund nach Wasser. Vor Schreck inspizierte ich gleich meine zerrissene Jacke, die sehr beschädigt war. Wenn der böse Mann mich gesehen hätte, dann wahrscheinlich nur meine braune Pudelmütze. Selbst die könnte man bei diesem Nebel gar nicht erkennen, redete ich mir ein. Die Hände auf den Knien gestützt überlegte ich meinen nächsten Schritt, wie es strategisch weiter gehen soll. Meine Beine und Arme brannten wie Feuer an jeder Schnitt- und Schürfverletzung, die ich mir während meinem abrupten Rückzug zugefügt hatte. Geschunden

von meiner Abenteuerreise kam ich am späten Abend daheim an. Im Haus schien alles ruhig zu sein und meine Mutter arbeitete noch immer in der Nähstube, was ich dem lauten Rasseln der Nähmaschine entnehmen konnte. So schlich ich mich auf Schuhsohlenspitzen nach oben in mein wenig beheiztes Zimmer. In der Regel konnte ich oft alleine auf unserem Hinterhof oder vor dem Haus spielen. Hin und wieder kam es auch vor, dass ich zum Außen Weg, hinterm Zaun lief und Erkundigungstouren machte, von denen meine Mutter wusste. Es dauerte nicht lange, bis meine Mutter angelaufen kam, um nach mir zu sehen. Meine Mutter

hatte mit mir noch nie ernsthaft schimpfen müssen und sagte kaum etwas, da sie mich vertraute. Nach einer Weile sah sie auch meine leichten Verletzungen an den Beinen. „Na Dominik, hast wohl eine ganz schönen Spieltag gehabt, sonst würdest du nicht so verkratzt aussehen“, fragte sie mit einem leichten schmunzeln im Gesicht. „Aber du hast noch mal Glück gehabt!“ Wollte sie noch wissen und begutachtete mein Gesicht. Liebevoll wie immer drückte sie mich und gab mir ein fürsorgliches Küsschen auf den Mund. Anschließend verschwand sie genauso wie sie kam aus meinem Zimmer. Nachdenklich blieb sie an der Stubentüre

stehen und sagte: „Bleib nicht so lange auf, denn es ist schon ganz schön spät!“ und schloss die Türe. Mit aufgesetztem Schmollmund rief ich hinterher. „Nein Mutti, ich mach gleich das Licht aus und drehe mich um.“ Das war immer mein berühmter Schmollmund, damit konnte ich sie immer friedlich stimmen. So bekam ich meine Mutter herum, wenn ich mal richtigen Ärger hatte. Wie ich es zum Beispiel einmal vor längerer Zeit vergeigt hatte, versehentlich die gerade gebügelte Wäsche der Kunden beim Spielen umwarf. Ich konnte manchmal sehr übermütig werden, fing auch schnell an zu weinen, dass lag aber an der familiären Vorgeschichte, mit der ich

offensichtlich nicht fertig wurde. In meinem Bett, ließ ich diesen abenteuerlichen Tag noch mal Revue passieren, um Einzelheiten in meinen Träumen zu verarbeiten. „Warum ist unser Haus nicht so schön geschmückt wie bei den Villen?“ Fragte ich meinen bescheidenen Engel, der mir im Gold leuchtendem Licht erschien. „Jedes Kind sollte Träume haben und wenn sie fest daran glauben, werden diese Träume wahr. Nur dein fester Glaube wird dir den Weg weisen, der dir deinen Wunsch näher bringt. Gib immer acht auf die Zeichen.“ Gab er mir zu verstehen und löste sich zugleich auf. … Ich war ein bescheidener Junge, träumte

viel von einer heilen Familie und passte mich schnell den jeweiligen Familiensituationen an. Ich hatte einen Vater der keinerlei Interesse an mir zeigte und mich mit dieser Feststellung noch konfrontierte. Mit mir nichts unternahm und seine Alkoholkonsum mir gegenüber vorzog und bestärkte. Für mich war das eine sehr schwere Bürde, auch wenn meine Mutter alles daran setzte, es mir leichter zu machen. Das ich nicht all soviel von diesen hässlichen Dinge mitbekomme. Aber man konnte mich nicht vor allem schützen, auch wenn man es so sehr wollte. Ein Kind in diesem Alter ist sehr sensibel, aber es kann auch sehr vieles verkraften, wenn

es genügend Zeit zur Verarbeitung dieser Ereignisse bekommt. Dabei fiel mir eine Erfahrung mit meinem Vater ein, die nur sehr schwer zu Verarbeiten war: Eines Nachts kam mein Vater sehr spät stockbetrunken nach Hause. Ich wurde von dem lauten Lärm in der Nähstube wach und konnte einen heftigen Streit meiner Eltern durch meinen Fußboden hören. Sehr schlimme Worte fielen im Wechsel und meine Mutter fing plötzlich an, heftig zu weinen. Ich schlich mich neugierig durch das kalte Treppenhaus nach unten. Es war gerade Ende November 1989 und in den Nächten fielen die Temperaturen auf minus 5 Grad. Unten im Flur

brannte das schummrige Licht. Die Schlafzimmertüre neben der Küche stand zur Hälfte offen, als ich zur Nähstube schlich. Ich öffnete mit leicht verschlafenden Augen die Türe und sah auf einem Blick die verwüstete Nähstube meiner Mutter. Die ganzen fertigen Näharbeiten lagen kreuz und quer im ganzen Raum herum und meine Mutter wischte sich gerade die Tränen aus den Augen. Mein Vater hatte einen stoppligen, ungepflegten 3-Tage-Bart sowie ein puderrotes Gesicht, als er gerade zum schlag ausholte. Ich schrie kurz auf, „Papa hör auf!“, worauf er mich erst richtig wahrnahm und wütend zu mir stürmte. Vor Angst zuckte ich

gleich zusammen und hielt mir meine Hände vors Gesicht um seine harten Schläge abzuwehren. Während meine Tränen schon rollten, stürzte meine Mutter wie ein schützendes Tier dazwischen und rief entsetzt, „Dominik lauf in dein Zimmer und verschließ die Tür!“ Kurz darauf hörte ich den Streit im Untergeschoss abklingen und laut schlug die Haustüre ins Schloss. Darauf hin rief meine Mutter weinend vor meiner verschlossenen Zimmertür. „Dominik mein kleiner lass mich rein, Papa ist fort.“ Mit Tränen in den Augen öffnete ich zutiefst verängstigt meine Türe, während sie mich gleich erleichtert in die Arme nahm. Ihr langes, Haar

umschlang dabei meinen ganzen Kopf. Sie sah in dieser Nacht sehr verletzt aus und ich wusste nicht, wie ich sie trösten konnte. Ich sagte nur mit ruhigen Worten, „Ach Mama!“ und drückte sie ganz fest an mich heran. Daraufhin traute ich mich an manchen Abenden nicht mehr nach Hause, weil sich mein Vater dermaßen veränderte und dem Kapitalismus die Schuld an seiner Lage gab. Er wurde zu uns immer gehässiger und schlug uns in seiner Verzweiflung viel öfters als sonst. Viele Kunden meiner Mutter rieten ihr zur Scheidung, aber meine Mutter traute sich noch nicht. So musste ich vorerst mit leiden und stets hoffen, wie mein Engel es

sagte. „Das schnelle unabwendbare Veränderungen eintreten werden.“ Dem ich sehr vertraute. Ich schlief schnell ein und versuchte von einer besseren Familie zu Träumen, wie diese in den Villenviertel. Im leichten Dämmerschlaf vernahm ich meine Eltern beim streiten. Es deutete alles daraufhin, dass mein Vater wieder zurück kam. Und wenn er mal kam, wollte er von meiner Mutter nur noch Geld ohne ein einziges Mal an uns zu denken. So wachte steht’s mein Engel bei diesen schweren Zeiten, Nacht für Nacht an meinem Bett, während ich schlief. In letzter Zeit verhielt ich mich so, dass ich allem aus dem Weg ging. Ich

versuchte dadurch, direkte Konflikte mit meinem Vater zu vermeiden. Nicht einmal von dem bevorstehenden Weihnachtsfest hatte ich erzählt, um mich meinen Traum, von einem schönen Fest nicht zu zerstören. Ohnehin war ich in der letzten Zeit oft auf mich allein gestellt, weil meine Mutter, gerade wegen meinen Vater weniger Aufmerksamkeiten für mich aufbringen konnte. Die Arbeit und die Scheidungsvorbereitung, Schulden zerrten sehr an meiner Mutter und ich stand weinend dazwischen und konnte sie nichts trösten. Oft weinten wir uns in den Schlaf, um unsere Qualen für einen Moment zu vergessen. Qualen die wir beide durch meinen Vater am ganzen

Körper erleiden mussten. Nur noch wenige Wochen bis zum Heiligen Abend und von meinen Träumen hatten sich bis langen noch nichts verwirklicht. Dennoch tröstete mein Engel mich darüber hinweg und gab mir immer wieder neuen Mut und Kraft, über diese schweren Zeiten hinweg zukommen. Mir fiel in letzter Zeit auf, dass ich mich immer einsamer und alleine gelassen fühlte, wie wahrscheinlich meine Mutter. Doch wir konnten uns nicht näher aussprechen, denn sie kannte meine Gefühle und Gedanken nicht, die in meinen Körper hin und her zerrten. Nur ein einziges Mal konnte mein Engel mich nicht vorwarnen. Ich brütete kurze Zeit

nach meiner Einschulung eine Erkältung aus. Als ich im September 1990 wie so oft alleine zur Schule lief, fingen mich drei große Jungen, im Alter zwischen 12 und 13 Jahren ab und wollten mein Geld und mein Schulessen. Als ich mich weigerte, schlug der ältere Junge mit den langen, braunen Haaren mir voll ins Gesicht und drohte mir, alles herauszurücken, sonst gibt es noch mehr Dresche. Ich gab weinend, eingeschüchtert nach und überreichte dem Jungen was ich hatte. Zwei der Jungen schubsten mich trotz dem in eine Pfütze am Straßenrand, kurz vor der Schule. Viele andere Kinder liefen verängstigt mit gesenktem Kopf an uns

vorbei, ohne etwas zu sagen. Das Wasser war eiskalt als ich in voller Montur hineinflog. Meine ganzen Sachen waren klitschnass und verschmutzt, während die Jungen lachend fortliefen. Ich traute mich an diesem Tag nicht nach Hause, weil ich auch nicht wusste, ob mein Vater zu Hause war. In solchen Fällen gab er mir erst recht noch Dresche, weil ich mich nicht gewehrt hatte. Ich schwänzte also die Schule an diesem Tag zum erste mal und verkroch mich in einem alten Bootsschuppen, in der Nähe der Villen. Um mich mit einer gefundenen Kerze und Streichhölzern meine Sachen zu trocknen fing fast der Schuppen an zu brennen. Es gelang mir aber das Feuer zu

löschen. Allerdingst konnte ich meine Sachen nicht trocknen und lief Nass nach Hause. Kurz darauf wurde ich sehr krank und lag 2 Wochen mit einer Lungenentzündung im Bett. Meine Mutter hatte mir verziehen und half mir, über diese schweren Wochen, mit über 39 Grad Fieber hinweg. Die Folgen waren ein schulischer Abfall meiner Leistungen, erfuhr ich dann über meine Klassenlehrerin Frau Barts. An dem Sonntag der darauffolgenden Woche waren meine Dornensträucher Verletzungen gut verheilt. Meine Mutter holte mich am frühen Morgen aus meinem Bett, um sich auf die Arbeit in der Nähstube vorzubereiten. Selbst am

Sonntag musste sie arbeiten, um ihre Privatkunden nicht zu verlieren. Schon am Vorabend freute ich mich darauf, weil sie mich dann zum spielen mit in ihrer Stube nahm. So verbrachten wir wieder mehr Zeit miteinander. Mein Vater Tobias, wie ich ihn seit Neustem nannte, war mit dem letzten Schmuck meiner Mutter durchgebrannt und ließ sich tagelang nicht mehr blicken. So versuchte es meine Mutter im Wesentlichen zu erklären. „Ich muss heute mehr wie sonst arbeiten“, sagte sie und strich mich dabei übers Haar. „Aber du kannst, wenn du willst, mit in die Nähstube kommen und da ein wenig spielen! Beim Mittagessen kochen kannst

du mir ja auch ein wenig helfen!“, fügte sie interessant hinzu. Das waren die Worte auf die ich bereits wartete und lächelte ihr scharmant entgegen. Für mich war so ein Angebot immer eine Herausforderung, mich so richtig auszutoben. Zu mindestens in Maßen, weil ich nichts durcheinander bringen wollte. Es lagen viele Stoffreste und alte Sachen in der Nähstube herum. Aber auch ganz neue zu bearbeitende Bekleidung, wie Herrenanzüge oder Gardienen. Es war warm in dieser Stube und es roch nach frisch gebügelter Wäsche. An den Wänden hingen vereinzelte Familienbilder. Überwiegend von mir und meiner Einschulung,

Faschingsfotos vom Kindergarten. Ich fand großes Interesse an den Sachen und konnte mich damit so richtig einkuscheln. Meine Mutter kam dann meistens nicht dazu, irgendeine Arbeit fertig zustellen. Daher nahm sie schnell zu fertigende Sachen in Angriff. Sie warf mir immer unverhofft Wäschestücke über den Kopf und amüsierte sich über meine Mimiken und Gesten. So verkroch ich mich tief unter den riesigen Wäschebergen, dass meine Mutter es schwer hatte, mich in dem Gewirr wiederzufinden. Danach lief ich zwischen den ganz großen Regalreihen umher, welche voller fertiger Wäscheteile waren. Einer der Gänge lag

ziemlich weit hinten in der letzten dritten Reihe versteckt. Einige Pappkarton standen übereinander gestapelt an der hinteren Wand. Dieser enge Gang führte dann direkt zum großen Schaufenster des Ladens. Die großen Regale schienen ziemlich hoch zu sein und wurden an der Decke verschraubt. Dieses Fenster zeigte zur Vorderstraße und wurde durch eine große Ladeneingangstüre von dem anderen großen Schaufenster getrennt. Eine breite vierstufige Betontreppe führte dann direkt in unseren Laden. Ich beobachtete von der letzten Reihe, nahe am Fenster gepresst, die Leute, wie sie eilig mit ihren Regenschirmen den Bürgersteig auf und ab liefen. Ich dachte

bei mir, der Tag meint es heute nicht so gut mit den Leuten, denn es regnete schon seit heute Morgen wie aus allen Kannen. Das schummrige Tageslicht spiegelte sich auf den nassen Straßen und in den vielen Pfützen wieder. Am Bordsteinrand der Straße lief unaufhaltsam das angestaute Regenwasser in die Abflussschächte. Vereinzelt fuhren ein paar Autos ziellos die Straßen entlang und einige Pfützen spritzten bis auf den Bürgersteig. Die meisten der Autos fuhren bereits mit Licht durch die Straßen. Der warme Atem der Fußgänger wurde bei der Kälte sichtbar und stieg langsam dem Himmel entgegen. Aber ich wandte mich dann

wieder meiner Mutter zu, die gerade einige Wäscheteile zusammenlegte. Sie lächelte mir an und lief rüber zur Küche. Unerwartet rief sie aus der Küche. „Dominik, kannst du uns ein paar Kartoffeln aus dem Keller holen?“ Sie war gerade beim Mittagessen machen. Ein stummer Blitz schlug in meinen Gedanken, als ich das Wort „Keller“ wahr nahm. Ein wenig Angst fuhr mir bei diesen Gedanken in den Nacken. Als wollten sich alle Haare im Nacken auf beugen, aber ich hatte keine Alternative in petto. Die Kellertreppe führte auf der anderen Seite des Flurs, direkt unter meiner Bodentreppe, hinab in den dunklen Keller. Da Gruselte es mir immer

seit dem ich die dicken Spinnen beobachtet hatte. Denn ich war schon einmal dort unten zum spielen. „Mutti kannst du nicht mit runter kommen?“ Fragte ich leise nach. Obwohl ich mit meinen Alter schon viel verzapft hatte. Aber in diesen Keller traute ich mich nicht ab zusteigen. „Dominik“, rief meine Mutter aus der Küche. „Ich dachte, du bist ein großer Junge, wie du mir gesagt hast“, fügte sie erbarmungslos hinzu und machte mir zumindest das Kellerlicht an. Sie ließ unsere Küchentür ganz weit geöffnet, so dass sie mich hören konnte. Was für ein Trost, während ich mutig die Treppe hinabstieg, rief ich ihr zu. „Wo liegen

denn die Kartoffeln?“, um so mit ihr im Kontakt zu bleiben. „Unten, gleich rechts neben der Türe.“ „Ah“, ließ ich nur verlauten. Im selben Moment entdeckte ich einen alten Schuhkarton mit vielen Zeitungsartikeln von einem Mann namens Joachim von Sternberg? Den Namen musste ich erst Buchstabieren, nur so erkannt ich flink die Wörter. Aber das sollte keiner in der Schule wissen. Darüber schwieg ich in der Öffentlichkeit, selbst meine Mutter wusste nichts von dieser Gabe. Diese Sammlung enthielt alte, sowohl auch neue Zeitungsartikel und einige alte Fotos. Offenbar schien sich meine Mutter für diesen Mann zu interessieren.

Einen der älteren Zeitungsausschnitte, mit einen Bild von diesem Mann, steckte ich mir heimlich in die Tasche meiner Hose, um diesen in meinem Zimmer zu verstecken. Vielleicht war es meine Neugierde, die mir dazu verleitete oder sogar mein Engel, beschloss ich und zockte mit der Schulter. Ich zog meine rutschende Jeanshose hoch, griff mir ein paar große Kartoffeln und rannte zur Küche hoch. „Dominik, die drei Kartoffel schaffst du ja allein und was Esse ich?“ Schmunzelte sie mich an. „Ups, dann flitz ich noch mal runter.“ So brachte ich gleich mehr mit. Ich fragte spontan, während sie die Kartoffel schälte. „Mutti können wir nicht auch unser Haus so

schön Weihnachtlich beleuchten, wie die anderen bei dem Villenviertel?“ Meine Mutter schaute mich verwundert an. „Dominik, ... es ist nicht immer einfach, das weißt du ja. Die Arbeit und das Geld, dein Vater. Es reicht nicht vorne und auch nicht hinten. Der Strom ist teuer geworden und unsere Schulden für die Haushypothek häufen sich von Monat zu Monat!“ Ich überlegte einen Moment und kratzte mich meine Stirn. „Und wenn wir wenigstens unser Wohnzimmerfenster ein bisschen beleuchten?“ Bat ich hilfeersuchend, mit traurigem Blick, dass meine Mutter vielleicht doch noch irgendeine Idee in Petto hätte. Mit leicht verträumten Blicken stellte ich mir unser

weihnachtlich geschmücktes Haus vor. Aber meine Traumbilder von unserem Häuschen erschienen mir sehr weit, in dunkler Ferne zu liegen und wollten nicht fruchten. „Das Haus, in dem wir wohnen ist noch von deiner Oma. Selbst, wenn wir einen Fünfer im Lotto hätten, könnten wir uns solche Träume, wie du sie hast, nicht erfüllen. Unser ganzes Geld würde für die Reparaturarbeiten und den Krediten draufgehen! Also müssen wir sparen, wo wir nur können!“ Eine ganze Weile sagte meine Mutter nichts und sortierte die Wäsche im Nähzimmer. „Vielleicht bekommst du nach der Scheidung einen großen Kundenauftrag?“ Versuchte ich zu

erklären und half ihr bei der Arbeit, was sie mir eigentlich verboten hatte. „Dominik, das hört sich alles niedlich an, wie du es sagst. Aber es bleiben Träume und wenn du sie hast find ich das in Ordnung. Ein Junge in deinem Alter sollte Träume haben.“ Diese Worte erinnerten mir gleich an meinen Engel, denn der sagte das gleiche. Viel mir in diesen Moment in den Sinn. „Na ja“, mummelte ich ein wenig vor mich hin. Im Allgemeinen verging der restliche Tag mit meiner Mutter ziemlich lustig zu Ende. Solch einen schönen Tag hatten wir beide schon lange nicht mehr erlebt. Am späten Abend saß ich in mein Kinderzimmer und überlegte mir,

vielleicht eine eigene Holzbude in den alten Fliederbüschen zu bauen. So konnte ich mich ein wenig ablenken und mein eigenes Weihnachten feiern. „Die Bude könnte ich denn Schmücken.“ Meinte ich zu meinen Engel, der aber nicht erschien. „Na ja er kommt eigentlich nur bei gefahren“, redete ich mir ein. Manchmal kam er aber so unverhofft wie er auch wieder verschwand. Ich war soweit Bettfertig und malte mit meinen Schulstiften noch ein paar Bildentwürfe meine Bude. „Ich hoffe ja, dass ich wenigstens zu Weihnachten ein bisschen bekomme“, fragte ich bescheiden meinen goldenen Engel. „Das Leben für ein Kind wie du es bist, hat etwas Gutes im

Verborgenen gehalten. Es ist noch etwas verschleiert, aber er löst sich allmehlig und offenbart sein Geheimnis. Du muss nur fest daran glauben.“ Antwortete mein Engel sehr weise und vertraut. Ich war ein wenig verwundert, fühlte mich aber überzeugt von seinen mystisch klingenden Worten. „Also gibt es noch Hoffnung für mich?“ Fragte ich mich nachdenklich. „Wie wohl diese Überraschung gemeint sei?“ Meine Gedanken schweiften mal wieder ab, zu einem Ereignis mit meinem Vater. Ich konnte mich noch ganz genau an diesen Abend erinnern. Mein Vater schimpfte mit mir wegen irrgendeiner Sache. Es war unten in der Küche und

meine Mutter war nicht da. Er roch stark nach Bier und Tabak, wie das ganze Haus. Außer in meinem Zimmer und der Nähstube, da durfte nicht Geraucht werden. Er schüttelte mich in seiner Wut so heftig, dass ich noch zwei Tage danach starke Rückenschmerzen hatte. Er bereute diesen damaligen Abend und schenkte mir zur Entschuldigung einen kleinen Teddybären. Das war aber das einzige und letzte Mal. Danach verschlechterte sich alles um uns herum. Weder mein Engel noch meine Mutter konnten mich an diesem Abend schützen. Im selben Moment als ich diesen Gedanken beendete, hörte ich lautes Gebrüll im Haus. Mein Vater schien stock

betrunken zu sein und führte laute Selbstgespräche die über das ganzen Treppenhaus hallten. Dann knarrten schon die Treppenstufen aufwärts tönend. Ich zog schnell meine Decke über den Kopf, als die Zimmertür aufgestoßen wurde. Mein Vater stand Betrunken in der Tür, mit einer Pistole in der Hand. „Ich werde uns alle töten!“ Schrie er, vor sich hin, während ich bleich erstarrte. Vor Schreck Pullerte ich mich gleich in die Unterhose. … Er zielte mit der Waffe auf mein Bett, auf die Richtung wo ich lag und schoss einmal in die Luft. …Er fing heftig an zu weinen und verließ lautlos mein Zimmer.

… Es knallte dann ganz laut im unteren Wohnungsbereich, über die Flurtreppe, bis in mein Zimmer. Der Knall dröhnte richtig laut durch meinen zusammengezuckten Körper, als hätte ich beim ersten Schuss unter Schock gestanden ... Meine Nachttischlampe schimmerte mir ins Gesicht und ich hielt mir wimmernd die Hände vors Gesicht. In aller Eile verkroch ich mich zwischen meinem Wäscheschrank und dem Bettende. In meinen Feuchten Schlafanzughose saß ich zusammengekauert. Ich hatte die Knie an meinen Körper herangezogen und die Tränen flossen mir durch die

Augenlieder. Ich traute mich nicht, die dunkle Treppe hinunterzusteigen, weil es totenstill war. Die Tränen glitten mir durch meine Hände. Ich riss mich Ängste zusammen und wusste nicht was ich tun sollte. Leise schlich ich mich die Treppe hinunter und sah, dass alle Zimmertüren offenstanden. Mein Gesicht war schon klitschnass, genauso wie die Ärmel meines Schlafanzuges. Ich hörte aus unserer Küche ein leises wimmerndes Weinen meiner Mutter. Erregt und verängstigt betrat ich diesen stillen Raum. Mein Herz schlug mir in der Kehle, als ich etwas grauenvolles erblickte. Dort neben dem Küchenschrank lag mein regungsloser

Vater den ich hasste, blutüberströmt auf dem Boden. Sein lebloser Kopf lag in einer großen Blutlache. Seine Füße lagen verwirrt übereinandergeschlagen. Der rechte Arm war weit vom Körper, durch den Schuss geschleudert worden und lag am Stuhlbein. Der Küchentisch stand voller leerer Bierbüchsen und genauso roch unsere ganze Küche. Einzelne Dosen lagen umgestoßen und tropften lehr. Meine Mutter hockte dicht an meinem Vater und weinte lautlos. Als sie mich wahrnahm, umschlang sie meinen ganzen Körper und küsste mich voller Glück, während ich in meines Vaters Richtung schaute und in seiner Hand meinen Teddybären erblickte. Seine

Augen glänzten nicht mehr so wie zuvor. Sie waren trübe und matt verstummt. Selbst seine Haut verfärbte sich bereits in einen blaugrau schimmer. Einige Haarsträhnen hingen ihm über dem stoppligen Bart und wedelten von der Zugigen Luft umher. Meine Mutter rief wohl schon die Polizei und brachte mich schweigend in mein Zimmer, damit ich nicht noch mehr von diesem tragischen Ereignis mitbekam. Ich bekam in diesem Moment von meiner vertrauten Umgebung nichts mehr mit und hüllte mich in ein einsames Schweigen. Einzelne Bildfragmente erschienen mir von meines Vaters aus gute Zeiten. Die sich aber in meinen Gedanken zersetzten.

Meine Mutter sagte nach einiger Zeit. „Dominik, dein Vater ist tot!“ und drückte mich fester an sich. „Er hat sich einfach erschossen! Ich hatte doch kein Geld mehr“, versuchte sie sich zu rechtfertigen. „Ich hatte doch kein Geld!“ Ich glaube, dass sie riesige Angst um mich hatte. Nach einer kurzen Weile hörte ich schon die Sirenen der heranfahrenden Polizeifahrzeuge. Ich rührte mich kein bisschen aus meinem Bett. Die Polizei übernahm die Untersuchung der Zusammenhänge, die an diesem schrecklichen Abend bei uns passierten. Noch in derselben Nacht wurde mein verstorbener Vater von weiß gekleideten Gerichtsärzten

abtransportiert. Die Aufräumarbeiten und Reinigungen übernahmen die Herren der Medizinischen Untersuchung. Eine Woche später war dann schon die Beerdigung meines Vaters, auf dem städtischen Friedhof. Im Nachhinein erfuhren wir über Kontaktleute der Polizei, dass mein Vater riesige Spielschulden bei einigen Kredithaien hatte. Er hatte sich dann wohl aus purer Verzweiflung selbst erschossen. Seit einigen Tagen schlief ich schon unten bei meiner Mutter im Ehebett. Eine Woche lang traute ich mich nicht in die Küche, weil dann die Erinnerungen wieder zurückkamen. Auch in mein Zimmer war ich seit her nicht mehr

gewesen. Das Einschussloch in der Decke hatte man inzwischen wieder zugegibst. Man sagte zu meiner Mutter, dass Projektil steckte zu tief in den Deckenbalken, aber er wurde Begutachtet und für stabil befunden, es bestehe keine Instabilität der Decke. Ich verstand es nicht warum er sich das antat und grübelte viele Tage darüber nach. Während der ganzen Bewältigungszeiten, erschien mir mein Engel kein einziges Mal im Sinn. Aber durch die Hilfe einer Kinderpsychologin, meiner Mutter und den Lehrern in der Schule, überwand ich nach einer Zeit das Trauma ein wenig. Nun waren seither knapp drei Wochen

vergangen und das Weihnachtsfest nahte bereits. Während ich meinen wöchentlichen Badetag hatte und mich abschäumte, kam mir der Gedanke auf, eine erneute Wanderung zum Villenviertel vor zunehmen. So wollte ich unbedingt herausfinden, wie dort das Weihnachtsfest vorbereitet wird. Unsere alten weiß blauen Fliesen um die Wanne, endeten genau an unserem gelben Badeofen, der vor Wärme fast glühte. Das Kondenswasser lief an den kleinen Glasscheiben auf die Fliesen herab und sammelte sich auf dem kalten Fliesenboden. Unser brauner Spiegelschrank war voll beschlagen und triefte vor sich hin. Um das alte

Ofenrohr herum war es so heiz, dass mein Spritzwasser zischte und zugleich verdampfte. Bei der geplanten Wanderung waren meine einzigen Bedenken die bellenden Hunde, welche ich unbedingt umgehen müsste. … Ich erfuhr durch meine Mutter, dass Kinder über die Feiertage in eines der Villen Gastierten. Diese Kinder wollte ich genauer unter die Lupe nehmen. So wollte ich meine Neugierde befriedigen, weil sie zu dem Mann gingen, den ich letztens auf der Terrasse sitzen sah. Laut Info meiner Mutter, handelte es sich um den Onkel der zwei Kinder. Da meine erste Expedition an meiner Angst scheiterte, wollte ich bei

dieser Observation klüger herangehen. So machte ich mich an jenem Tag auf meine alten Spuren. Die ersten Schneeflocken begannen zu tänzeln und der Himmel war grau durchwachsen. Es war an diesen Nachmittag sehr kalt, als ich meine alt so bekannten Schlehensträucher bei den Villen erblickte. Meine Vermutung mit dem Besuch, hatte sich zu meinem Glück bewahrheitet. Vielleich wäre es ansonsten unattraktiv gewesen, nur die Villen zu bewundern. Zwei etwa 11-jährige Mädchen saßen draußen auf der Terrasse und unterhielten sich über Jungen, Reisen und Geschenke. Was sie sich zum Weihnachtsfest wünschten und

all solche Dinge waren scheinbar sehr wichtige Themen. Ich versuchte mich mit ein wenig Geschick, um das bunt gestrichene Gartenhaus herum zu pürschen. Meine braune Pudelmütze zog ich weit ins Gesicht, dass man meine hellblonden Locken nicht gleich erkennen konnte. Die bellenden Hunde schienen diesmal nicht da zu sein, außerdem hätte sich dann mein Engel gezeigt. Von diesem Punkt konnte ich nur die Weihnachtsdekorationen in den einzelnen Fenstern erkennen. So brauchte ich einen effektiveren Plan, um näher am Geschehnis heran zukommen. Ein lieblicher Duft von Weihnachtsplätzchen lag in der Luft und vereinte sich mit den

herum tänzelnden Schneeflöckchen. Eine himmlische Weihnachtsfreude breitete sich in meinem Herzen aus und wurde zugleich übertüncht von öden Gedanken meines Vaters. Aber auch deswegen, weil wir nicht einmal unser Haus Weihnachtlich beleuchten konnten. … In letzter Zeit trug meine Mutter nur noch schwarze Bekleidung auf ihrer Arbeit und war wohl die jüngste Witwe die ich kannte. Das machte mich sehr Traurig, aber ich konnte ihr nicht trösten. Vielleicht war ich auch noch zu klein und sehr verletzlich. In ihrem Herzen war sie sehr still, ausgewogen und nicht mehr so verängstigt wie in den Wochen zuvor. Aber ich konnte

feststellen, dass sie sich seit neusten wieder hübscher machte und zum Friseur ging. Wir hatten das Leben zuvor nicht verdient und wurden durch den Tod meines Vaters emotional sehr verletzlich. Aus diesen Teufelskreis heraus zukommen, war für uns beide eine sehr schwierige Hürde geworden, über diese schrecklichen Ereignisse Herr zu werden. Nur durch mich hatte meine Mutter eine Lebensaufgabe, ihrem einzigen sehr jungen Kind Schutz in Zukunft zu bieten. Aber seit her konnte ich auf meine hübsch gepflegte Mutter Stolz sein. So waren wir beide wieder Glücklicher, wie eins vor den Tot meines Vaters.

Ich konzentrierte mich wieder auf meine eigentliche Beobachtung, um nicht noch erwischt zu werden. Oder etwas vom Geschehnis zu verpassen. Aber ich wollte im Falle das man mich erwischt nicht als Herumtreiber betitel werden. Während sich die Mädchen glücklich und sorgenfrei benahmen, waren meine Gefühle bedauernswert. Ich konnte den Mann von damals erkennen und eine attraktive Frau, Mitte dreißig, mit rotbraun gefärbten Haaren. Sie betrat die Terrasse und betrachtete die beiden jungen Mädchen mit leicht verachtendem Blick. Der Mann, mit seinem maßgeschneiderten Anzug schien mit den

beiden Mädchen gut zu harmonieren. Teilweise lächelte er sie an und amüsierte sich über ihren kindischen Gesten. Nachdenklich verglich ich den Mann mit dem alten Zeitungsausschnitt, welchen ich im Keller fand. Er war es eindeutig, stellte ich an Hand des Vergleichs fest. Man könnte davon ausgehen, dass er seine Nichten gut kannte, was man von der eingebildeten schlanken Frau nicht behaupten könnte. Der Onkel ging bemerkenswert mit seinen beiden Nichten um. Joachim von Sternberg und seine Gattin Bianka von Sternberg, so hießen diese Leute, waren von Seiten Herrn von Sternberg, Onkel und Tante der beiden

Mädchen. Meine Mutter erzählte es mir schon vor längerer Zeit, denn sie war nicht gerade begeistert von dieser Bianka von Sternberg. Die Frau Bianka von Sternberg war sehr arrogant, geldverschwenderisch, liebte nur sich selbst und flirtete mit jedem reichen Mann herum der sich ihr anbot. So bekam sie für alle Partys der Reichen Gesellschaft ihre Einladungen kostenlos. Sie hatte keinen Skrupel und startete eine Intrige nach der anderen um an das Geld von Herrn von Sternberg zu gelangen. „Dabei müsste sie es doch eigentlich kennen, kein Geld zu haben. Sie kam doch auch aus einer armen Familie.“ Meinte meine Mutter verbos. „Diese

Bianka kannte ich schon aus der Schulzeit. Seit drei Jahren ist sie schon verheiratet und kam nur durch Intrigen an Herrn von Sternberg heran.“ Sagte sie, während ich Bilder in der Nähstube malte. „Der Herr von Sternberg hatte vor lauter Liebe, die Masche ihrer Intrige gar nicht mitbekommen. Das waren nur Vorgaukeleien, mit dem ungewollten Schwangerschaftsabbruch. Herr Joachim von Sternberg war das Gegenteil von dieser Bianka. Sie konnten dann, durch eine vorgetäuschte Fehlgeburt vor zwei Jahren, keine Kinder mehr bekommen, was den Herrn von Sternberg sehr wehtat. Bianka hingegen setzte mit ihrer Mitleidstour alles daran, den Herrn von

Sternberg an sich zu binden. Nur so konnte sie ihn des Geldes aus den Taschen ziehen. Er entzog sich seither jeglicher Öffentlichkeitsämter und lud hin und wieder seine zwei Nichten, Sabrina und Franziska, zu bestimmten Feierlichkeiten, wie Weihnachten oder Ostern ein. Seine beiden Nichten stammten von seiner einzigen, jüngeren Schwester Lilly von Sternberg ab. Sie blieb unverheiratet und lebte ohne ihren Exfreund in der Nähe von Münster. Seine Schwester hatte es nicht einfach mit den beiden Mädchen gehabt, so finanzierte er die Schulausbildung und Feierlichkeiten für die Mädchen, was der Bianka von Sternberg wie ein Dorn im Auge war.

Bianka konnte es zum Tode nicht ausstehen, nur einen Pfennig an seiner Schwester zu verlieren. Sie würde am liebsten das Weihnachtsfest für die Mädchen streichen, erwähnte sie ihrem Mann gegenüber und schlug vor, das Geld in eine Bootsjacht zu investieren, aber das ließ der Herr von Sternberg nicht zu.“ Beendete meine Mutter das damalige Gespräch in der Nähstube. Frau von Sternberg steckte sich eine lange, braune, dünne Zigarette auf der Terrasse an und stieg die 10 langen, halb gebogenen Treppenstufen hinab. Sie stolzierte, sehr verärgert und gelangweilt zu den bereits zugeschneiten Blumenrabatten Beeten. Sie mummelte

irgendetwas vor sich hin, was ich nicht verstehen konnte. Dann stammelte sie in den Schnee in Richtung meines Versteckes. Vor Schreck sah ich Alarmstufe Rot im Sinne. In diesem Moment schien es mir angebracht, meinen Rückzug in Richtung Schlehensträucher anzutreten, um nicht in die Fänge dieser Person zu gelangen! Meine Ungeschicklichkeit zwang mich ausgerechnet über eine alte verzinkte Blechwanne zu stolpern. Diese Wanne gab während meiner Flucht einen unüberhörbaren Klang von sich. Darauf erschraken gleich die beiden Mädchen. Sie schauten zu mir herüber, um mich zu erkennen. „Halt!“, rief plötzlich Frau

Bianka von Sternberg unerwartet, worauf die anderen aufmerksam wurden. Alle stürmten gleichzeitig in meine einzige Fluchtrichtung. „Bleib stehen du Dieb!“, rief Bianka zornig. „Joachim, tu doch etwas!“, rief sie Herrn von Sternberg zu, der sich ihr näherte, während ich bei den Sträuchern angelang war. Unerwartet verfing ich mich in den Dornensträuchern. Nicht einmal mein Engel konnte mich aus dieser misslichen Lage befreien. Egal, wie schwer ich an meinen Sachen zog, der Schlehenstrauch wollte mich nicht freigeben. Ich war verzweifelt und schrie laut wild um mich, verängstig und voller Tränen in den Augen. Die Angst saß mir im

Nacken, während der Herr von Sternberg sich mir beängstigend näherte. Dabei wollte er mich nur aus meiner misslichen Lage befreien. „Lassen sie mich los!“, rief ich entsetzt, mit einem Schmollmund und zog meine Pudelmütze tiefer ins Gesicht. Er hob mich trotz meiner gegenwähr vorsichtig, mit beruhigenden Worten heraus und stellte mich behutsam auf den verschneiten Rasen. Schmunzelnd zog er mir meine braune Pudelmütze vom Kopf, die ich noch heftig festhielt. „Wen haben wir denn hier unter der Pudelmütze gefunden.“ Er betrachtete mich von oben bis unten, während ich mir die letzten Tränen aus den Augen rieb und mein Haar zu Recht

rückte. Mir fiel vor Schreck der alte Zeitungsartikel aus der Hosentasche und landete direkt vor seinen Füßen. Herr von Sternberg schaute mich verwundert an, nahm den Artikel hoch, warf einen kurzen Blick darauf und steckte ihn in seine Manteltasche. Er schien vom Thema abzuweichen als er mich anlächelte. „Ein kleiner, niedlicher Junge verbirgt sich unter der Pudelmütze. Wie heißt du mein Junge?“, fragte er mich Neugierde, während Frau von Sternberg an der Seite der Mädchen stand und konterte. „Ist wohl ein Ausreißer vom Kinderheim, die sind hier ja überall!“ „Ich bin kein Kinderheimkind und mein Name ist Dominik Berger und nun

möchte ich nach Hause“, rief ich neckisch ihr entgegen, während ich meine Nase hochzog und am Ärmel abrieb. Ich wollte den Mädchen gegenüber mutig dastehen, da sie mich ohnehin schon fragwürdig anschauten. „Gut Dominik, dann verrate mir mal, was du hier wolltest?“, entschloss sich Herr von Sternberg mich auszufragen und schaute mir in die Augen. „Vielleicht wollte er hier was stehlen!“, widersprach Frau von Sternberg und verwies mich, unverzüglich des Grundstückes. Während die Leute herumrätselten und nach Lösungen suchten, machte ich einen spontanen Abgang. Durchdrang die

Dornensträucher und erreichte das sichere Territorium der anderen Seite. Aus sicherer Entfernung staubte ich meine Jeanshose ab, wobei mir erschrocken auffiel, dass meine braune, Pudelmütze fehlte. Aus weiter Ferne hörte ich nur noch der Frau von Sternberg sagen. „Das Kind sollte man anzeigen und den Behörden melden.“ Die beiden Mädchen protestierten dagegen. „Er war doch nur ein kleiner Junge.“ Herr von Sternberg schaute mir nur Lächeln nach und meinte. „Mut hatte der Kleine, dass muss man ihm lassen.“ Aber er hüllte sich wieder in Schweigen und kehrte wohl zur Terrasse zurück. Dieser Tag war für mich endgültig gelaufen,

allerdings verschwieg ich dieses Abenteuer meiner Mutter und erzählte ihr nichts von der verschwundenen Pudelmütze. Mein 7. Geburtstag stand an und meine Mutter bereitete mir eine kleine Torte, mit einer Sieben aus Zuckerguss. Für die Schule bekam ich ein paar neue Hefte und ein großes Puzzlespiel. Ansonsten konnte wegen der vielen Arbeit nichts weiter unternommen werden. Aber es war für mich nicht so schlimm, als hätten wir überhaupt nichts gefeiert. So verlief dieser Tag schnell wie der Wind. Fünf Tage nach dem katastrophalen Besuch beim Villenviertel hatte ich meine Zeit damit verbracht, meine Bretterbude

am hinteren Gartenende zu bauen. Das Baumaterial entnahm ich von unserem alten, zerfallenden Holzschuppen. Von der Tageslichtzeit hatte ich nicht viel Auswahl, da ich noch zur Schule musste. Während meine Mutter mit den Hausarbeiten und der Näharbeiten beschäftigt war, wegen der Kredite, war ich für eine Weile auf mich selbst gestellt. Mit meinen 7 Jahren fehlte es mir nicht am Ideenreichtum, um meine kleine Weihnachtshütte zu erbauen und auch weihnachtlich zu gestalten. Durch meine Geschwisterlosigkeit hatte ich den Gesamten Spielraum für mich, ob wohl ich mir ein Geschwisterlein gern wünschte. Freunde hatte ich keine und

während die anderen Kinder an ihre Computerspiele hangen, nutzte ich mein Natürliches Spieltalent. Da wir unser Haus in diesem Jahr nicht schmücken konnten, wollte ich mir eben mein Weihnachten selber erschaffen. Mit einem kleinen Herd aus ein paar alten Mauersteinen konnte ich mir sogar in einer alten Gemüsebüchse eigene und selbst gemachte Bratkartoffeln zubereiten. Die entsprechenden Zutaten, wie Kartoffeln, Fett und Zwiebeln, organisierte ich mir aus unserer Küche. Das wenige Lebensmittel fiel nicht so auf. Hin und wieder blickte meine Mutter zur Hintertür heraus, um zu schauen, was ich so in unserem verschneiten

Garten anstellte. Sie hatte nichts dagegen, wenn ich mir eine Bude baute, nur vom Feuer durfte ich nichts erzählen und verschwieg diesen Teil. Bunte Kerzen dekorierten das kleine Fenster an der Vorderseite meiner Hütte. Mit Silberpapier aus altem Schokoladenpapier dekorierte ich meine kleine 1-Meter hohe, selbst geschlagene Kiefer, aus dem nahe gelegenen Wald. Aus meinem kleinen Fenster konnte ich das Hinterhaus mit der Türe und den zwei finsteren Fenstern erkennen, die mir öde entgegen starrten. „Was gäbe ich drum, wenn wir ein schönes Weihnachten in unserer Familie hätten“, fragte ich bedrückt meinem Engel und setzte mich

in die Ecke meiner kleinen Bude. Schulterzuckend sah ich zu meinen Engel, der mir Geduldsamkeit riet. Draußen fiel unaufhörlich der Schnee und bedeckte die kargen Flächen des Gartens. Die winterliche Nachmittagsdämmerung setzte ein und die feuchtkalten Nebelschwaden traten aus dem Boden empor. Mein Vater geriet in Vergessenheit, da ich von ihm nur schlechte Erinnerungen hatte. Hin und wieder sah ich ein paar zufriedene Kunden meiner Mutter am Vorderhaus dem Bürgersteig entlanglaufen. Zum Teil sah man sie mit Regenschirmen und zum Teil so warm eingekuschelt, dass man kaum die

Gesichter im Laternenlicht erkennen konnte. Ich lief aus meiner Bude um zu sehen, wie bei der Abenddämmerung meine Kerzen leuchten. Vor lauter Freude streckte ich beide Arme den fallenden Schneeflöckchen entgegen. Mit meiner Zuge versuchte ich einige der Flocken zu erwischen. Meine kleine Hütte erinnerte mich ein wenig an das Villenviertel, wo ich den eigentlich netten Herrn von Sternberg mit seinen Nichten kennenlernte. So musste ich im Stillen hoffen, das mein Engel mit seinen Worten recht behält und sah mein Häuschen hell erleuchtet vom Kerzenlicht. Einen Tag später erschien bei uns in der

Nähstube ein sehr gut bekleideter junger Mann, mit einem großen Eilauftrag, der bis Heiligabend fertig werden musste. Ich hingegen stand versteckt hinter der Flurtür zur Küche und erkannte gleich auf Anhieb den Herrn von Sternberg. Schon die Art, wie er Hochdeutsch redete, ließ vermuten, dass er aus einer wohlerzogenen Familie herstammte. Dabei stellte ich fest, dass mein Dialekt mehr nach einem Berliner-Jungen klang, was wohl mit unserer Umgebung zusammenhing. Sie redeten über dies und das, zwischenzeitlich hörte man ein leichtes Lächeln durchdringen, als würden sie sich schon Ewig kennen. Mir kam es vor, als würden sie miteinander

flirten, denn was das bedeutet, hatte mir meine Mutter mal erklärt. Sehr interessiert fragte er meine Mutter im Laufe des Gesprächs. „Wären Sie in der Lage, bis Heiligabend 20 braune Pudelmützen und Schals für das städtische Kinderheim Berlin anzufertigen?“ Er würde sehr gut bezahlen, konnte ich im Verborgenen verstehen. „Ich würde Ihnen für jede Mütze 50,-- DM und für jeden Schal 30,-- DM bezahlen“, schlug er vor und wartete auf ihre Antwort. Dabei schmunzelte er ihr charmant entgegen. Einen Auftrag, in Höhe von 1.600,-- DM, dachte wohl meine Mutter. Sie könnte damit einen großen Teil der ausstehenden

Hausschulden, sowie die Hypothek begleichen und vielleicht noch ein wenig für unser Weihnachtsfest haben, dachte ich in meiner Träumerei. „Würden Sie diesen Auftrag annehmen? Bitte, es ist für ein sehr guten Zweck.“, fragte Herr von Sternberg bittend. „Wie lautet eigentlich Ihr Name?“, fügte er bescheidend hinzu. „Alice ist mein Name“, stellte sie sich vor. „Aber natürlich möchte ich diesen Auftrag gerne übernehmen“, bestätigte sie seine Frage und präsentierte einige Mustermützenentwürfe. Die vorgelegten Muster sagten dem Herrn von Sternberg nicht zu. Er kramte in seiner Manteltasche und legte ihr eine kleine,

braune Kinderpudelmütze, mit liebevoll gestrickten Mustern vor und sagte interessiert: „So eine handgestrickte Pudelmütze hätte ich gerne.“ Alice musste ein wenig schmunzeln, denn die Initialen darin kannte sie zu gut. Diese kleine Pudelmütze kam ihr sehr wohl bekannt vor und drehte sich zur Flurtür herum. „Ist in Ordnung Herr von Sternberg, ich werde mich gleich an die Arbeit machen, um rechtzeitig zum Fest mit dem Auftrag fertig zu werden, “ lenkte sie ein. Sie schwieg leicht verwundert, verriet aber kein Wort davon, wem diese Mütze wirklich gehörte. Dazu legte er noch Lächeln meinen eingesteckten Zeitungsartikel

ohne ein Wort auf den Ladentisch. Leicht peinlich ertappt nahm meine Mutter den von mir gefundenen Zeitungsartikel und legte ihn eilig in die Schublade. „Kommen Sie Alice, ich lasse Ihnen mal diese Pudelmütze als Muster hier. Sie werden schon wissen, wie man dieses schöne Strickmuster hinbekommt. Ich werde mich dann rechtzeitig melden, um den Auftrag zu holen, “ sagte er und verließ schmunzelnd die Nähstube. Draußen klappte er wegen der Eiseskälte seinen Mantelkragen hoch. Er drehte sich kurz zur Schaufensterseite um, wo der Namen der Inhaberin in goldener Kursivschrift stand. Inhaberin: Alice Berger, Nähstube für Kinderbekleidung,

konnte man dort lesen. Nach kurzer Besinnung schmunzelt er und lief unbehelligt zu seiner silberfarbenen Limousine. Das Weihnachtsfest 1990 war angebrochen und aus dem Radio erklangen festliche Weihnachtslieder. Ich saß mal wieder in der Nähe und malte Bilder fürs Fest, während sie die letzten paar Pudelmützen für das Kinderheim beendete. Für den 24.12.1990 wurde der Abgabetermin vereinbart und mir schien es so, dass sie sich auf den Besuch von Herrn von Sternberg riesig freute. Ausgerechnet an Heiligabend kam ein sehr wichtiger Brief. Die Bank meiner Mutter rebellierte wegen die letzten drei

Hypothekenzahlung für das Haus. „Wir sollte bis zum 31.01.1991, 1500,-- DM an die Bank überweisen, sonst würde man uns das Haus wegnehmen, “ las sie mir aus diesem Schreiben vor „und wir würden dann vielleicht auf der Straße sitzen.“ Sagte sie verzweifelt. ... Nach dieser Nachricht waren meine Mutter und ich sehr deprimiert und wussten nicht was wir machen sollten. Meine Aussichten auf ein schönes Weihnachtsfest sanken immer weiter in den Keller hinab. So musste ich mich wohl damit abfinden, dass meine Weihnachtsträume immer mehr von der Realität ins Ungewisse abschweiften. Am Mittag vor dem Heiligabend erschien

bei uns der Herr von Sternberg, um seinen Bestellung für das Kinderheim ab zu holen. Dieses Kinderheim, für das sich Herr von Sternberg so einsetzte, lag südlich von Berlin und unterstand der Berliner Behörde. Also von unserer Stadt sehr weit entfernt gelegen und nur schwer erreichbar. Es war das einzige größere Patenprojekt des Herrn von Sternberg. Sehr viele Instandsetzungsmaßnahmen und Renovierungen hatte er aus eigenen Vermögen finanzierbar gemacht, daher hatte er auch einen sehr guten Ruf bei der Landesheimbehörde. Aber auch seine Geschäftsbeziehungen reichten sehr weit in mehreren Baubranchen hinein. Er

schien verzweifelt und verloren zu sein, als er die Nähstube betrat, wie ich es aus meinem Sichtwinkel erkennen konnte. Denn so neugierig wie ich als Kind war, wollte ich alles genauer auf den Grund gehen. So hockte ich mich klamm heimlich hinter der leicht geöffneten Nähstubentüre, um einige Wortfetzen zu erhaschen. Die Türe ließ meine Mutter im Winter öfters auf, dass der Flur wegen mir ein wenig durchgewärmt wurde. Das lauschen waren Kindeseigenschaften, die fast alle Kinder in meinem Alter hatten. Meine Mutter sah an diesem Tag auch nicht gerade glücklich aus, als sie sich beide erblickten. Herr von Sternberg bezahlte

seine Rechnung ohne Beanstandung und sehr höflich prompt in bar. Ein Glücksmoment für meine Mutter und sichtliche Erleichterung im Herzen war die Auswirkung dieser Zahlung. Sie wurde ruhiger und ausgeglichener und steckte mit ihrer Freude offensichtlich den Herrn von Sternberg mit an, der nebenher meine Mütze auf dem Kassentisch sah. Herr von Sternberg schien mit der Arbeit meiner Mutter sehr zufrieden zu sein und beglückwünschte sie im Namen der Heimleitung. Er konnte sich nicht mehr zurückhalten, seine Sorgen mit zu teilen. „Er erfuhr kürzlich eine sehr schlimme Angelegenheit mit seiner Ehefrau.“ Fing er an zu erzählen,

während meine Mutter in vertrauen zusicherte. „Er habe seine Ehefrau Bianka mit einem anderen Mann, mitten in seinem Ehebett erwischt.“ Erzählte er was ihm wohl sehr nahe ging. „Durch diesen Mann erfuhr er, während eines heftigen Streit, dass seine Frau kerngesund war und überhaupt keine Fehlgeburt vor 2 Jahren hatte. Und sie habe schon seit zwei Jahren eine geheime Beziehung mit diesem Mann. Zu dieser damaligen Zeit der Fehlgeburt war sie in Mallorca bei ihren Geliebten. Sie hätte sich nur an ihn herangemacht, um an sein Vermögen zu kommen. Das waren ihre ganzen Absichten und Kinder konnte sie zum tot nicht ausstehen.“… Nach

diesem Gespräch musste meine Mutter sich geschockt setzen. Sie ahne es ja schon länger und ergänzte in einem zwei Stunden Gespräch, ihre Erfahrungen mit meinem verstorbenen Vater. Während meine Mutter ihren neuen Lebenswandel mit Herrn von Sternberg teilte, knurrte mir bereits der Magen vor Hunger. Sie schien über ihre eigentlichen Probleme hinweg gekommen zu sein. Bemerkte ich gleich an das gemeinsame lächeln. Ich rief leise vom Flur, zu meiner Mutter, in der Hoffnung dass mich der Herr nicht verstand. „Mutti ich habe Hunger!“ Dadurch konnte ich zu mindestens vermeiden, dass ich in die Nähstube müsste. Die Befürchtung und die Angst,

dass der Herr von Sternberg mich wiedererkennen könnte, waren doch sehr groß. „Dominik, ... komm mal bitte hier rein, ich möchte dich jemanden vorstellen, “ rief sie mir mit stolz zu, um so ihren einzigen Sohn zu präsentieren. Ich zögerte ein wenig, nahm aber meinen ganzen Mut zusammen, um mich der Verantwortung zu stelle, die mich hinter dieser Tür erwartete. Während ich sehr zögernd in die Nähstube eintrat, musste der Herr von Sternberg schmunzeln, als er mich erblickte. „Ich wusste, dass du hier hin gehörst!“, sagte er sicher zu meiner Mutter. „Ich habe mich dahin gehend nicht geirrt, du brauchst keine

Angst zu haben. Ich tu dir nichts Böses. Meine beiden Nichten, Sabrina und Franziska, haben noch tagelang von dir gesprochen, “ fügte er hinzu und schmunzelte meine Mutter entgegen. Meine Mutter fragte verwundert nach. „Wenn sie von der Pudelmütze meines Sohns Dominik wussten, .... warum haben Sie denn diese Bestellung für das Kinderheim aufgegeben?“, fragte sie und strich mich übers Haar. „Ich habe in den letzten Zwei Jahren viel zu wenig für die öffentlichen Einrichtungen getan und dadurch wollte ich es wieder gutmachen. Noch heute gehen alle Mützen und Schals an das Kinderheim, dass sie zur Bescherung da sind. Der eigentliche

Grund war, sie und ihren Sohn Dominik kennenzulernen. Wie Sie ja wissen, habe ich kleine Kinder und von meiner Exfrau keine zu erwarten.“ Rechtfertigte er sich und wusste vor lauter Wiedersehensfreude kein Wort mehr. Die Zeit wurde knapp, um seinen Termin mit der Kinderheimleitung rechtzeitig wahrnehmen zu können. Dennoch verabredete er sich kurzerhand mit meiner Mutter zu einem anderen Zeitpunkt. Er hatte noch sehr viele Geschäfts- und Anwaltstermine in Sachen seiner Scheidungsangelegenheiten vor zu bereiten. Meine Mutter schaffte es an diesem Nachmittag doch noch, mit mir in die Großstadt zu fahren. So kaufte sie

kleine Weihnachtsgeschenke und Zwei Lichterketten fürs Haus und einen kleinen Baum den wir gemeinsam schmückten. So bekam ich zum ersten Mal eine kleine elektrische Eisenbahn, mit einem beleuchteten Bahnhof, von ihr geschenkt. Dazu hatte ich einen kleinen, bunten Teller mit einem großen Weihnachtsmann bekommen und meine Mutter genehmigte sich seit sehr langer Zeit ein hübsches Kleid. Zwanzig Kinder aus dem städtischen Kinderheim erfreuten sich an diesen Heiligabend ihrer neuen Pudelmützen und Schals. So verabschiedete sich das Jahr 1990 genau so schnell, wie es kam und das neue Jahr 1991 brachte neuen

Hoffnungen und Wünschen, wie es mein goldener Engel mir vorher gesagt hatte. Bereits am Anfang des neuen Jahres überrollte uns eine große Grippewelle und traf mich, sowie viele Schüler der 1. Klassen. Dadurch vielen Lehrer aus und Stunden fielen weg. Von 2 Klassen bekam man gerademal eine Klasse zusammen. Über 39°C Grad erreichte mein Fieberthermometer und ich lag den ganzen Tag Flach, niedergeschlagen in meinem Bett. Meine Mutter konnte 1.400,-- DM für die Hypothek an die Bank zahlen, erfuhr ich später. „Dadurch erreichten wir zumindest eine Fristverlängerung bis zum 31. März, um den Rest und die neuen Raten

aufzubringen!“ Erklärte mir meine Mutter, um meine verwirrten Gedanken zu beruhigen. Mein hohes Fieber quälte mich 14 Tage lang, während mein schützender Engel sich aus meinen Träumen herauslöste. So verließ er mich während meiner schweren Erkrankung und ließ mich schließlich allein. Er hinterließ mir noch folgende Geheimen Worte, dass sich meine Träume demnächst erfüllen werden. Aber auch diese Krankheit fand ihr ende und der normale Schulalltag lief seinen gleichen Lauf wie immer. Mittlerweile wurde es Frühling 1991 und die Vögel zwitscherten aus allen Rohren den ganzen Tag lang ihre Lieder.

Hingegen kamen meine Mutter und Herr von Sternberg sich immer näher und verstanden sich mit derweilen sehr gut. Da sie sich seit längerem duzten, verstand ich sie auch ganz gut, bis auf kleinere Eifersüchteleien. Es lief so weit gut, bis Einestages meine Mutter erfuhr, dass Joachim von Sternberg in ein Krankenhaus eingeliefert wurde. Er hatte einen schweren Herzinfarkt erlitten und lag seither im Koma. „Mit der Scheidung und uns beiden wurde es in der letzten Zeit zu viel für Joachim“, erklärte mir meine Mutter im Nachhinein und gab mir behutsam den Rat, mich nicht so sehr an Joachim zu binden… Daraufhin hielt ich mich von allem sehr zurück. So redete

ich mir ein, dass ich am Herzinfarkt von Joachim Schuld sei, wollte aber nicht mit meiner Mutter darüber redet. Tagelang war ich sauer und verbrachte die Freizeit im Zimmer oder auf dem Hof bei meiner Bude. So ging ich meiner Mutter zu liebe aus dem Weg, dass sie mehr Zeit für Joachim hatte. Ohnehin war ich sehr eifersüchtig auf Joachim von Sternberg, weil ich ahnte, dass zwischen meiner Mutter und ihm etwas laufen könnte. So war ich oftmals sehr abweisend und gehässig zu Joachim geworden, weil ich glaubte, er würde sich zwischen mich und meiner Mutter drängen. So ließ ich vor lauter Eifersucht die Luft aus den Reifen seiner

Limousine. Es war mir nicht schwer gefallen, mit einen Nagel in das Ventil des Reifen zu piken - und schon war die Luft abgepfiffen. Das Auto stand vor unserer Tür und sie wollten beide zum einkaufen fahren. Zum mitfahren hatte ich keinen Bock und spielte stattdessen auf den Hof. Allerdingst hatte ich nicht an das blöde Ersatzrad gedacht, das er Kurzerhand Montierte und mich dabei noch siegessicher anlächelte. Meine Mutter schaute mir etwas wütend ins Gesicht, stieg aber komischerweise lächelnd zu Joachim ins Auto. Wegen meiner Sturheit hatte sie ohnehin schon wenig Zeit für mich genommen. Sie musste dann immer zum Krankenhaus

fahren und die Arbeiten durften auch nicht liegen bleiben. Joachim konnte mir nicht böse sein und verzieh mir immer wieder meine Streiche. Er unternahm sehr viel mit mir alleine, was mein Vater nie machte und das gefiel mir an ihn. Ich baute dann Stück für Stück eine Bindung zu Joachim erneut auf. So beschäftigte ich mich im Zimmer oder draußen im Garten und träumte von meinem verlorenen Engel. Das alles kam der Bianka von Sternberg zugute, während meine Mutter tagtäglich am Krankenbett von Joachim betete. Versuchte Frau von Sternberg, trotz der Scheidung, mit aller Macht und Intrigen an das Vermögen von Joachim heranzukommen. Meine Mutter

kümmerte sich derweilen ab und zu um das Villenhaus von Joachim. Eines Tages ertappte meine Mutter die Frau von Sternberg mit ihrem Geliebten, wie sie gerade den Tresor vom Joachim plündern wollte. Nur durch den Mut meiner Mutter, gelang es ihr mit Hilfe der Polizei, diesem Treiben ein Ende zu setzen. Nach dieser Aktion mussten Frau Bianka von Sternberg und ihr Geliebter Komplize nach einer Verurteilung für drei Jahre ins Gefängnis. Meine Mutter schien nach dieser Sache in Joachim von Sternberg verliebt zu sein, was ich mir für sie gewünscht hatte. Nun konnte ich meinen verschwundenen Engel verstehen, was er mit seinen

Abschiedsworten meinte. „Ich hätte bald meinen sehnsüchtigen Traum erreicht.“ Verzweifelt lange Tage mit Schulbesuchen, Krankenhaus und Arbeit kamen auf uns zu. Das war eine ganze Weile unser beider Tagesrhythmus für einige Wochen. Tag ein, Tag aus zu bangen, dass Joachim aus seinem Koma unversehrt erwachen. Meine Mutter in die Arme nimmt und sie Seite an Seite durchs Leben gehen. Mit der Weile wurde aus dieser Freundschaft eine stabile Liebesbeziehung. Die Ärzte meinten zu der Schwester, Lilly von Sternberg, dass der Herr Joachim von Sternberg, mit Sicherheit bald aus dem Koma erwachen würde. Meine Mutter

verstand sich seither gut mit Joachims Schwester. Sie waren sich in vielen Dingen ähnlich und kamen sich in den letzten Wochen näher. Selbst für mich hatte Frau Lilly von Sternberg und ihre Töchter immer ein offenes Ohr, wenn sie uns besuchten. Sie ersetzte fast meinen kleinen goldenen Engel. Nun neigte sich der letzte Märztag 1991 dem Ende zu und der letzte Zahlungstermin für die Hypothek wurde fällig. Sollte nun Omas Haus und mein Geburtshaus für immer verloren sein, wenn meine Mutter diese wichtige Zahlung nicht begleichen kann? Mein goldener Engel war nicht mehr bei mir, den ich sonst um Rat fragen konnte. Der

mir immer zur Seite stand, nun konnte ich niemand mehr fragen? Ich schaute in den Spiegel des Badezimmers und fragte mich, wann meine Mutter ihre Ruhe finden würde. Im Krankenhaus war noch keine Veränderung in Sicht, also spielte ich oft in unserem verwilderten Garten an meiner Bude. So konnte ich mich zu mindestens ein wenig ablenken. Ich versuchte einige Schmetterlinge für meine Sammlung ein zu fangen, was mir aber nicht gelang. Meine alte Schaukel funktionierte auch nur mit einem Seil, da das anderen in Laufe der Jahre verwitterte. Ein älterer Herr, im schwarzen Anzug und grau meliertem Haar betrat unser

Gartengrundstück. Er war ziemlich beamtenmäßig bekleidet und hatte einen strengen Blick an sich. Er kam mir unheimlich vor und trug unter seinem Arm einen Aktenordner mit sich herum. Meine Haare waren zu dieser Zeit schulterlang und leuchteten blondwellig in den Sonnenstrahlen. Streng und überfordert rief er zu mir. „Mädchen ist deine Mutter zu Hause?“ und begutachtete unser Haus und Grundstück genauer. Ich schaute mich verwirrt um und rief ihm beleidigt entgegen. „Ich bin ein Junge und meine Mutter ist im Krankenhaus bei ihrem Freund… und der liegt in Koma!“ Fügte ich entsetzt hinzu und lief dem Fremden Mann entgegen. Er

betrachtete erneut unser altes Haus von allen Ecken und machte sich dabei mehrere Notizen auf einem großen Blatt Papier. „Junge, hast du auch einen Vater?“, fragte er mich neugierig mit mürrischem Blick. „Nein ... mein Vater ist im vorigen Jahr gestorben, er hatte sich erschossen“, beantwortete ich seine Frage, worauf er nachhakte. „Das sieht ja katastrophal aus!“ Äußerte sich der Mann und betrat einfach unser Haus durch den Hintereingang. „Mein Gott!“, rief er im Raum und wischte seine Hände an einem Tuch sauber, obwohl unsere Wohnung einigermaßen sauber aufgeräumt war. Verängstigt lief ich dem wütenden Mann hinterher und machte

mir große Sorgen, was er hier wollte. „Bist du hier allein, ... passt denn keiner auf dich auf und wie alt bist du überhaupt? Bombardierte er mich mit Fragen, worauf ich keine Antworten fand, um nicht was Falsches zu sagen. „Ich bin hier alleine und 7 Jahre alt und meine Mutter ist im Krankenhaus. Das habe ich ihn vorhin schon gesagt.“ Beantwortete ich seine Fragen, so gut wie möglich, und fing leicht an zu weinen. „Sage mal Junge, kommt es oft vor, dass deine Mutter dich ohne Aufsicht hier alleine lässt?“ Hackte er nach und schüttelte leicht den Kopf. „Meine Mutter ist öfters im Krankenhaus und arbeiten muss sie auch noch. Ich

wollte heute nicht mit in das Krankenhaus und meine Mutti wollte auch gleich wiederkommen!“, Stammelte ich vor mich hin. Unbemerkt wischte ich mir die Nase am Hemdärmel ab. „ Was wollen sie eigentlich hier? Beklagte ich mich. „Habt ihr hier auch ein Telefon?“, fragte er und mummelte vor sich hin. „Es steht da vorne in der Nähstube“, sagte ich und führte den Mann dort hin. Die Nähstube war zu dieser Zeit nicht gerade aufgeräumt, fiel mir auf. Ich bekam mächtig Angst und wimmerte vor mich hin. Vorsichtig versuchte ich die schweren Wäschestücke zusammenzulegen, dass es ordentlicher wirkt. Verärgert nahm der Mann den

Hörer in die Hand und wählte irgendeine Nummer. „Musst du hier öfters arbeiten?“, fragte er, während er am Hörer wartete.“ „Nein, ich darf hier nicht alleine rein!“ Und nun konnte ich meine Tränen gar nicht mehr aufhalten. In meiner Verzweiflung schaute ich zu einem Bild an der Wand, worauf meine Mutter und ich abgelichtet sind. Was soll ich nur tun mein Engel? Aber der Engel hörte meinen Hilferuf nicht. Der Mann zeigte auf mein Weinen kein Mitgefühl und telefonierte endlos mit dem Jugendamt, dass man mich gleich hier abholen möge. Mein ganzer kleiner Körper zitterte vor lauter Ungewissheit und keine Hilfe in Sicht. Diese

Ungewissheit trieb mich erst recht zum Weinen. Ich hockte mich in einer Ecke der Nähstube und hoffte, dass jeden Moment meine Mutter zur Türe hereinkommt. Werde ich nun von meine Mutter weggenommen, fuhr mir spontan durch meinem Kopf. Der Mann war ein Gerichtsvollzieher der Bank und als mich eine unbekannte Frau vom Jugendamt an die Hand nahm sagte sie. „Du brauchst keine Angst zu haben, es dauert nicht mehr lange, dann bist du an einem Ort, wo viele nette Kinder auf dich warten.“ Ich kannte diesen Ort, von dem diese Frau sprach durch meine Mutter und fing heftig an zu weinen. Es handelte sich dabei um das städtische Kinderheim, wo

Kinder hinkommen die keine Eltern mehr hatten oder ausgestoßen wurden. Als wir unser Haus verließen, drehte ich mich verzweifelt zurück, um das Haus im Herzen zu bewahren, das ich an jenem Tag verlor. Mein einziges Zuhause und geliebte Mutter. Im Inneren meines Herzens schrie ich nach Hilfe und musste unseren Bürgersteig entlang in eine ungewisse Zukunft laufen. Jeder Schritt, den ich mich weiter entfernte, tat mir umso mehr im Herzen weh. ... Das Kinderheim lag sehr weit von meiner Mutter und unserem Zuhause weg. Es war nur schwer zu erreichen und für meine Mutter, ohne einem Fahrzeug überhaupt nicht. Zwei Nächte lag ich

weinend im Kinderheim, mit Kindern, die alle doppelt so alt waren wie ich. Und während dessen kämpft meine Mutter wie eine aufgebrachte Löwin mit den Behörden. Kein Kind wollte etwas mit mir zu tun haben. Immer, wenn ich etwas geschenkt bekam, nahmen mir die großen Kinder alles weg. In diesem Heim wurden meine Sehnsüchte und Bindungen zu meiner Mutter erst recht gestärkt und ich fing an, dieses Kinderheim zu hassen. Schon zweimal war ich während meines Aufenthalts in diesem Heim ausgerissen und wollte nur noch nach Hause. So lange hielt man mich hier schon fest. Aber ich kannte mich in dieser großen Stadt nicht aus, so

versuchte ich per Anhalter nach Chorin zu kommen. Jedes Mal, wenn ein Auto anhielt und ich mit meinen sieben Jahren fragte, ob sie nach Chorin fahren, lachte man mich nur aus und sagten, „Junge es sind über 95 Kilometer bis Chorin!“ Kurz darauf fuhren sie einfach weiter. Ich schaffte es gerademal 30 Km mit dem Zug schwarz zu fahren. Daraufhin wurde ich gleich erwischt und aus dem Zug geworfen. Ein älteres Ehepaar fragte mich dann aus, hielte mich fest bis die Polizei eintraf. So schrie ich heftig laut, „lasst mich los!“ Ich riss mich im selben Moment los und rannte so schnell ich konnte fort. An der nächsten Kreuzung griff man mich wieder auf. Die Polizei

brachte mich dann zu einem nahegelegenen Polizeirevier, um mich aus zu fragen. Aber ich schwieg wie ein Grab und ließ keinen Ton über meine Lippen weichen. Durch einen kurzen Anruf erfuhren sie alles und aus welchem Heim ich ausgerissen war. Man hatte wohl zeitig eine Vermisstenanzeige aufgegeben, worauf eine Kinderfahndung eingeleitet wurde. Sie waren verwundert, wie ich es über 30 Km weit geschafft hatte, ohne in die Fänge von Verbrechern zu geraten. Nach vier Stunden landete ich wieder in diesem verhassten Kinderheim. Meine Mutter war ziemlich verzweifelt, weil sie mich auf Anordnung eines

Familiengerichts nicht sehen durfte und das Haus sollte sie auch noch räumen. Ich wünschte mir so verzweifelt, dass mein Engel wieder zurückkehrt. ... Im selben Moment, als ich diesen Gedanken aussprach, erschien mir wieder mein über alles geliebter Engel im sanften goldenen Gewand. Mein Gesicht strahlte vor kindlicher Freude, ohne dass die anderen Kinder etwas ahnten. Nur er konnte mich helfen, hier heraus zu kommen, um meine Träume zu verwirklichen. Am nächsten Tag erfuhr ich durch eine nette Erzieherin, dass Herr Joachim von Sternberg aus dem Koma erwacht sei. Sie verriet mir, dass sie den Herrn von

der letzten Weihnachtsfeier kannte und er viele Pudelmützen und Schals für die Kinder mitbrachte. So glaubte ich, dass mein Engel mit diesen schönen Neuigkeiten etwas zu tun hatte. Nun war ich mir auch sicher, dass alles wieder gut wird. Von nun an wartete ich auf den Tag, an dem meine Mutter kommt und mich hier herausholte. In der Zwischenzeit hatte man mir meine blondwelligen Haare, bis auf zwei Fingerbreiten abgeschnitten. So konnte man die Heimkinder erkennen, wenn sie mal wegliefen, erklärte mir eine Erzieherin. Ich wollte mich damit nicht abfinden, weil mein niedlicher Gesichtsausdruck flöten ging. Damit

konnte ich immer die Erwachsenen um den Finger wickeln. Nur noch meine blauen, großen Augen und mein Schmunzelmund blieben als kläglicher Rest übrig. Das machte mich sauer. Im Nachhinein stellte sich heraus, dass durch die Ermittlungsarbeiten der Heimaufsichtbehörde viele Fehler unterlaufen waren. Es hätte gar nicht soweit kommen dürfen, ein Kind in ein Heim zu bringen, ohne dass Verdachtsmomente einer Misshandlung vorlagen. Weiterhin wurde festgestellt, dass der Gerichtsbeamte sehr bestechliche Kontakte zu Frau Bianka von Sternberg hatte und die Situation absichtlich provoziert wurde. Er wurde

sofort aus dem Dienst entlassen und musste hohe Strafgelder an die Gerichtskasse Berlin zahlen. Während meine Mutter alles in die Wege leitete, um mich zurück zubekommen, hatte sich der Herr von Sternberg von seinem Herzinfarkt erholt. Noch eine Woche, versprach mir meine Heimerzieherin, Frau Junge, dass ich dann wieder zu meiner Mutter nach Hause dürfte. „Ist das nicht eine gute Nachricht.“ Verkündigte sie mir und lächelte. Wir schliefen zu acht, in einem der oberen Kinderzimmer, kurz unter dem Dach, streng getrennt von den Mädchen. Am frühen Morgen hörten wir schon laut die Amseln und Meisen in den

Baumkronen zwitschern. Unsere Betten waren in Vierergruppen rechts und links vom Fenster angeordnet, während dazwischen unsere Nachttische standen. Die Kleiderschränke standen an der Türseite. Bilder oder Tapeten waren keine an den kahlen Wänden. Eine verzierte Stahltreppe von früher führte von der oberen Etage durch die mittlere, nach unten in den Korridor. Von außen erschien das Kinderheim wie ein großes Gymnasium, umwachsen mit alten Lindenbäumen und Efeurangeln an der rechten und linken Klinkermauer. Im vergitterten Erdgeschoss lagen die Waschräume, Toiletten, Küchen, Freizeiträume und Speisesäle der

verschiedenen Altersgruppen. Alle Kinder wurden zwischen Jungen und Mädchen extra von einander getrennt, betreut und durften nicht zusammen spielen. Unsere Eichenholztüre mit Holzschnitzereien konnte nur von innen geöffnet werden, dass keine fremden Menschen in das Kinderheim gelangen konnten. Aber es gab immer wieder Schlupflöcher aus denen wir dennoch heraus konnten. Nun war ich schon über 30 lange Tage in diesem Heim einquartiert und musste jede Nacht an meine besorgte Mutter denken. Wenn schon die Frau von Sternberg Beamte bestach, dann hatten diese alle Fäden so fein gezogen, dass es für meine Mutter allein sehr schwer war, mich

zurück zubekommen „Die bürokratischen Mühlen arbeiten so langsam, dass es noch eine Weile dauern wird, bist ich hier entlassen werde!“, sagte mir heimlich eine Erzieherin. Herr Joachim von Sternberg versprach meiner Mutter, nach seiner Genesung, alles daran zu setzen um mich, so schnell wie möglich aus diesem Kinderheim zu holen. Er sagte weiterhin zu meiner Mutter, dass er über die Heimleiterin einiges über mich erfahren hatte und ging ins Detail. ... „Dominik habe seit langer Zeit im Heim nichts mehr von mir wissen wollen und ging den Fragen der Erzieherin zu meiner Person vollkommen aus dem Weg, weil er sich große Vorwürfe wegen

meines Infarktes machte. Er glaubte, dass er Schuld an meinem Koma hätte, weil er sich unbedingt einen richtigen Vater wünschte. So klammerte er die erste Zeit sehr. Wo ich das gehört habe tat der Kleine mir leid, das er sich niemanden anvertrauen konnte und allein mit seinen Problemen fertig werden musste. Wobei ich in Wirklichkeit den Herzinfarkt meiner Exfrau zu verdanken habe!“, fügte er energisch hinzu und hüllte sich in Schweigen. Meiner Mutter gefielen diese sanften, liebevollen Worte aus dem Mund von Joachim und sie fühlte sich dadurch erleichtert und geborgen. So wusste sie nun, dass er sie wirklich liebte und nichts gegen Dominik

hatte. „Er könnte sich ein Leben ohne uns beiden gar nicht mehr vorstellen und dass ich ihn als Vater sehe, stört ihn überhaupt nicht. Im Gegenteil, das machte mich Stolz.“ Ofenbarte Joachim seiner Liebsten. Nachdem er sich so offenherzig mit meiner Mutter ausgesprochen hatte, begab er sich in das Arbeitszimmer und führte einige Telefonate mit sehr hochrangigen Persönlichkeiten aus seinen Geschäftsbereichen. Nach einen halben Tag telefonieren und Kontakte knüpfen hat der Herr Joachim von Sternberg beim Amtsgericht eine einstweilige, Verfügung erwirkt, um mich unverzüglich aus dem Heim zu entlassen. Gleichzeitig wurde

meiner Mutter das Sorgerecht, mit sofortiger Wirkung zurück übertragen. Meine Mutter war darüber so erleichtert und Glücklich, als sie das abgestempelte Schriftstück in den Händen hielt. Mit Tränen in den Augen rannte ich aus der großen Heimeingangstüre meiner wartenden Mutter und Joachim entgegen. Am Auto sprang ich beiden in den Armen. Joachim hatte inzwischen von meiner Mutter während meines Kinderheimaufenthalts die ganze Wahrheit über die Zeitungsartikelsammlung erfahren. Meine Mutter sprach sich mit Joachim aus, da sich beide so sehr liebten fiel es ihr auch nicht so schwer. Noch dazu wollten sie

baldmöglichst heiraten. Meine Mutter wollte ohne Geheimnis oder schlechtem Gewissen in diese bevorstehende Ehe treten. Sie beichtete ihm das einzige Geheimnis, das sie schon seit fast sieben Jahre mit sich herumtrug. „Dominik, ist nicht der Sohn von Tobias. Als wir uns vor sieben Jahren unter einem anderen Namen kennenlernten und nur kurz was mit einander hatten, entstand unerwartet dein Sohn Dominik.“ Sie rieb sich mit sichtlicher Erleichterung die Tränen aus dem Gesicht und fuhr fort. „Zu dieser Zeit war ich mit Tobias noch nicht richtig zusammen, liebte aber dich von ganzem Herzen. Sein Vater redete mir ein, dass sich Leute von Sternbergs sich

nicht auf mich einlassen würden. Ich gab meine Hoffnungen auf und sammelte all deine Artikel und versteckte sie unten im Keller vor Tobias. So ist wohl Dominik an den Zeitungsartikel gelangt. Als ich dann von Bianka erfuhr, dass ihr beide geheiratet hattet, brach in mir eine Welt zusammen und ich verschwieg dir deinen einzigen Sohn. … Es tut mir sehr leid, dass du es auf diesem Weg erfahren musstest. Aber Dominik ist noch sehr klein, du hast mit ihm noch viele gemeinsame Jahre, wenn du noch willst? Mit den Zeitungsartikeln wollte ich später Dominik die ganze Wahrheit von dir, seinen leiblichen Vater erzählen.“ Joachim nahm Alice fest in seinen Armen

und freute sich mit ihr über das schönste Geständnis, dass er je im Leben gehört hatte. Ein paar Tage später redeten beide mit mir und erklärten es so, dass ich es auch verstehen konnte. Darüber freute ich mich so sehr und dachte dabei an meinen kleinen Engel. So erfüllte sich doch noch die große Prophezeiung und das Geheimnis wurde gelüftet. Es verging einige Zeit, wo wir alle zusammen viele Dinge unternahmen, an die ich nie im Leben gedacht habe. Joachim hatte sich gegen Ende Mai 1991 mit meiner Mutter verlobt und hatte auf dem Villengelände eine große Verlobungsfeier gegeben. Joachim von Sternberg bezahlte die

Gesamten Hypotheken der Bank und ließ das Haus wieder herrichten. Sogar eine richtige Heizung bekam unser Haus und die Gartenanlage ließ er über seine Gärtners wieder schön gestallten. Meine Mutter machte aus ihrer kleinen Nähstube ein kombiniertes Kinder- und Erwachsenbekleidungsgeschäft, mit kleineren Ausbesserungsarbeiten. Der Umsatz lief ganz gut und das Zusammenleben mit uns Dreien wurde immer schöner. Anfang Juni 1991 bin ich durch meine gesammelten Erfahrungen so richtig älter geworden. Selbst viele Freunde fand ich, die über meine Erfahrungen alles wissen wollten. Alle waren auf meiner

achtjährigen Geburtstagsparty, auf dem neuen Hinterhof, von meiner Omas Häuschen. Bis in die Nacht hinein feierten wir und die größte Überraschung war ein nagelneues Kinderfahrrad, worüber ich mich riesig freute. So ein schönes Geschenk hatte ich in meinen ganzen 8 Jahren nie bekommen. So verging eine glückliche gemeinsame Zeit miteinander und meinen kleinen goldenen Engel sah ich immer weniger. Er sagte eines Tages mit sanfter Stimme. „Es ist noch nicht alles erreicht in deinem Kinderleben, aber du kannst mir glauben, der Rest deines Traumes geht auch noch in Erfüllung!“ Ich konnte mir nicht vorstellen, was noch in Erfüllung

gehen sollte, denn ich hatte doch alles. „Meine Mutter ist mit Joachim, meinem Vater glücklich verliebt und Schulden haben wir auch keine mehr. Was sollte mir denn noch fehlen?“, fragte ich bescheiden meinen Engel, der mir nur entgegen lächelte. „Du wirst es bald erkennen, habe nur Geduld!“ Fügte er seinen Worten hinzu und verabschiedete sich für immer von mir mit den Worten. „Dominik, für mich ist hier alles getan. Ich habe dich in all den schweren Zeiten zur Seite gestanden. Auch wenn ich für dich nicht immer sichtbar war, bin ich dir nie von der Seite gewichen. Es ist nun Zeit, ein kleines Mädchen ist in einer ähnlichen Notlage, wie du es einst warst

und es braucht nun seinen Engel.“ Im selben Moment, löste sich mein Engel in tausend, leuchtende Sternchen auf und schwebte der Sonne entgegen. Ich trauerte ihn noch lange nach, aber wurde durch die ganzen Familienveränderungen abgelenkt. Im Laufe der Zeit einigten sich meine Eltern und Planten den Zusammenzug in die großen Villen. Ich bekam ein riesiges, helles Kinderzimmer voller Spielsachen und mit Blick auf den großen geliebten See. Selbst einen kleinen Hund durfte ich mir wünschen, den ich „Jerry“ nannte. Mein Geburtshaus wurde an eine junge Familie mit einem kleinen Mädchen vermietet. Die Mutter von der kleinen Antonia war

Modeschneiderin und konnte das Neue Geschäft gut führen. Ich fühlte mich so richtig wohl und geborgen, als ich von meiner Mutter erfuhr, dass Joachim von Sternberg sie im August 1991 heiraten will und wir dann eine richtige Familie werden. Nach unserer großen Hochzeitsfeier fuhren wir alle das erste Mal in den warmen Süden von Spanien. Wir verlebten dort schöne zwei Wochen Urlaub und ich wurde von Kopf bis Fuß komplett modern eingekleidet. Das war unser erster Auslandsurlaub, den wir mit Joachim verleben durften. Neun Monate später erfüllte sich die letzte Vorhersage meines Engels. So wurde mein schönster

Traum von einer heilen Familie doch noch wahr und drei neue von Sternbergs wurden geboren; Meine Mutter, Alice von Sternberg, meine kleine neugeborene Schwester, Sophie von Sternberg und mein stolzer Name lautete von nun an Dominik von Sternberg, der sich nichts mehr wünschte, als eine heile Familie. The End

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Hörbuch

Über den Autor

Doletzky
Autorenbiografie von Detlef Doletzky.
Mit Beginn der Einschulung 1969, prägte der 7 jährige Junge bereits, in den ersten 4 Schuljahren sein kreatives malerische können mit fantasievoller farblichen Bildgestaltung aus. Im frühen Alter von 12 Jahren ermöglichte der Schüler Detlef Doletzky (Jahrgang 1962), geboren in Bad Freienwalde, der Oberschule Oderberg im Jahr 1974 den 1. Platz der Kinderkreismeisterschaft für hervorragende Schattierungsaquarelle im Zeichnen und Malen. Bereits im Jahr 1978 gewann er den Jugendbezirksmeisterschaftstitel für malende DDR Kunst für seine Lehrausbildungsstätte in Eberswalde. Seine ersten Bilder wurden 1981 und 1982 im DDR-Fernsehen veröffentlicht und bewertet.
Im Jahr 1988 und 1989 wurden in Potsdam und Umgebung über 80 Ölbilder seiner ersten Staffel ausgestellt. Mit der Deutsch/Deutschen Vereinigung im Jahr 1990 geriet die Kunst des Malens in Vergessenheit und begann erst im Zusammenhang mit der Kinderbucherzählung "Der stählerne Weg" 2007 einen neuen Anfang.
Im Jahr 2009 wurde das 1 Buch "Der stählerne Weg" durch den Wagner- Verlag veröffentlicht und im Frühjahr 2010 auf die Leipziger - Buchmesse präsentiert. Gleichzeitig stattete 2010 bis 2011 die zweite Buchszenenmalerei Staffel, mit 4 Großrahmenbildern von über 100 einzelne Ölbildszenen aus den Erzählungen, "Der stählerne Weg" und "Die Kinder der Vergangenheit" in Oderberg, Eberswalde, Bad Freienwalde und Angermünde.
Die Kinderdramaerzählung, "Die Kinder der Vergangenheit", "Kinderheim der Hoffnung" und "Engel der Sehnsüchte" zu lesen auf der Internetseite "myStorys" Doletzky, wurde als Buch vertraglich zurückgezogen.
Die Romanerzählung mit den Titel: "Kindheitstrauma" wurden aus gesundheitlichen Gründen, vertraglich 2012 beim Wagner- Verlag aufgelöst, womit alle Rechte an den Autoren zurückübertragen wurden.
Seit 2013 beschäftigte sich der gesundheitlich angeschlagene Autor, Kunstmaler und Frührentner mit ehrenamtlichen Tätigkeiten aus dem Zivil und Sozialrechtssystem. Seine größten Stärken und Interessen liegen dennoch im journalistischen Bereich der Vergangenheitsforschung und Historik, vor allem aus dem Themenbereichen Menschenschicksale und mysteriösen unaufgeklärten Fällen.
Mai 2013...

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