Beschreibung
Eine kleine Geschichte über einen Kundenberater der besonderen Art.
Wir hatten in unserem Haus einen Wasserschaden und durften uns eine neue Küche aussuchen. Nachdem wir nun die Freigabe von der Versicherung erhielten, eine neue Küche zu kaufen, klapperte ich einige Küchenstudios ab, um mir für die Versicherung einen Kostenvoranschlag zu holen. Die Kosten sollten ja für die Versicherung im Rahmen bleiben.
Auf meiner Odyssee durch die Hauptstadt der Republik lernte ich viele fleißige Verkäufer kennen.
Nette, grummelige, mehr oder weniger verkaufstüchtige, eben typisch Berlin.
Die Preise pendelten zwischen einem guten Gebrauchtwagen und einem prächtig ausgebauten Wochenendgrundstück.
Nach oben ist ja bekanntlich immer alles offen.
Übermütig legten wir der Gutachterin erst einmal die Kostenvoranschläge vor, die preislich etwas höher angesetzt waren.
Hätte ich auch nur im Geringsten geahnt, dass sie gleich Schluckbeschwerden und Atemnot bekommt, wäre aus Gründen der Nächstenliebe natürlich der „gute Gebrauchte“ unsere erste Wahl gewesen.
Sie fing sich aber recht schnell, sie hatte wohl doch eine stabilere Psyche, als befürchtet.
Nach zähen Verhandlungen pendelten wir uns auf einen Preis ein, der für beide Parteien erträglich war.
Das Geld wurde recht zügig überwiesen und nun konnte es losgehen.
Küche kaufen.
Es gibt wirklich wunderschöne Modelle, allerdings auch zu wunderschönen Preisen.
Aber ich, als unser Inneneinrichter, hatte auch meine bestimmten Vorstellungen.
Und denen wurde irgendwie keine der Fertigküchen gerecht.
Tiefviolett sollte sie sein.
Eine Kochinsel sollte sein.
Und Platz für Freunde war sehr wichtig.
Auf Anraten einer guten Bekannten fuhren wir zu einem deutschlandweit aus Funk und Fernsehen bekannten Einrichtungshaus, dessen Name hier aus rechtlichen Gründen keine Erwähnung findet.
Das Küchenstudio dieses Hauses, so versprach die Werbung, lockte mit schier unglaublichen Preisen.
Wir also hin.
Empfangen wurden wir von einem sehr charmanten Chefverkäufer, der uns allerdings gleich mitteilte, dass das heute nichts mehr wird.
Für einen Küchenkauf sollte man sich Zeit nehmen.
Der Meinung waren wir auch und so vereinbarten wir einen Termin für den nächsten Tag.
Er fragte uns noch nach unseren Daten ab, Familienname, wie viel wollten wir ausgeben und so weiter.
Der Küchenverkäufer, der uns am nächsten Tag betreuen sollte, musste schließlich vorbereitet sein.
Aufgeregt fuhren wir tags darauf pünktlich zum festgelegten Termin und wurden zu einem Beratungsplatz geleitet, an dessen Tisch ein junger Mann saß.
Unser Verkäufer begrüßte uns mit den Worten:
„Guten Tag, Familie…?“
Nanu, was geschehen?
Wollte er sich nicht vorbereiten?
Ich nannte höflich unseren Familiennamen und seine zweite Frage war:
„Zu trinken wollten se nischt?“
Hach, warum kommt in solchen Augenblicken immer der leise Rebell in mir durch?
Aber auf eine solch ungezogene Frage zu Beginn eines Verkaufsgesprächs kann ich einfach keine seriöse Antwort geben.
Also setzte ich zu einem verbalen Schlag in die Magengrube an.
Ich sagte lächelnd:
„Doch, bitte zwei Pina Colada auf Eis, mit etwas mehr Ananas - Saft, als üblich.“
Kerstin hatte eine kleine Träne im Augenwinkel und stand kurz vor einem Lachkrampf.
Sie kannte ja meinen Humor, der unseren Verkäufer offensichtlich überforderte.
Verwirrt schaute er mich an und ich berichtigte:
„Nein, war Spaß, gerne zwei Käffchen. Weiß, ohne Zucker.“ … um die Antwort auf die nächste Frage gleich vorwegzunehmen.
Der Kaffe wurde von einem dienstbaren Geist gebracht, wir nahmen Platz und unser junges Verkaufstalent kümmerte sich um seinen Computer.
Wir waren ab sofort nicht mehr existent.
Vielleicht wurde es ja von uns überbewertet, aber wenn man das Wort Kundenberater analysiert… .
Seine Kernkompetenz bestand offensichtlich darin, die arme Tastatur vor ihm zu malträtieren.
An der Wand hinter ihm befand sich ein großer Bildschirm, auf dem, Stück für Stück, eine Küche entstand.
„Ähem“, räusperte ich mich leise.
Ich wollte ihn ja nicht erschrecken.
Wie in einem Kaspertheater erschien sein Kopf plötzlich über seinem Monitor.
Huch, da sind ja Kunden!
Ich fragte vorsichtig:
„Was wird das, … da … hinter ihnen?“
Er verkündete stolz:
„Ihre neue Küche. Und nur zu ihrer Information, wir sind jetze bei unjefehr 9000 Euro.“
Da man ja junge Menschen in der Blüte ihrer Entwicklung nicht allzu sehr vor den Kopf stoßen sollte, machten wir ihm vorsichtig und mit einfachen Worten klar, dass sich das Gebilde auf dem Monitor nicht ganz mit unseren Vorstellungen deckt.
Leicht beleidigt baute er die Küche wieder ab und meinte:
„Also ick fand die schön, aba wat hamse sich denn vorjestellt?“
„Preislich wollten wir nicht mehr, als fünf bis sechs Tausend Euro ausgeben, die Küche sollte eine „L“ – Form haben, Backofen in bequemer Höhe und die Kochinsel sollte einen Wandanschluss mit verlängertem Tresen haben, so dass vier Personen bequem dran sitzen können.“
Er sah mich an, als hätte ich mit fremden Zungen gesprochen.
„Sowat hamwa nich, aba ick probier mal wat.“
Sein Kopf verschwand wieder hinter seinem Monitor.
Besser für ihn, hätte er noch länger so geschaut, ich hätte ihn in den Schwitzkasten genommen und ihm langsam meinen nunmehr kalten Kaffe übers Haupthaar gegossen.
Hinter ihm entstand auf dem großen Monitor eine Küche, die ansatzweise unseren Vorstellungen entsprach und er redete zwischendurch sogar mit uns.
Zum Schluss meinte er:
„Nur dit mit den Tresen, dit kriegn wa nich hin.“
Rhetorische Fehlleistungen verursachen bei mir Kopfschmerzen und seine Grammatik war das Grauen.
Ständig verwechselte er dem und den.
Gelegentlich setzte er auch ein „die“ an die falsche Stelle.
„Dit mit die Hängeschränke kann man ja ooch anders machen.“
Dass der Dativ dem Genitiv sein Tod ist, wissen wir spätestens seit Bastian Sick.
War das Taktik?
Wollte er uns weichkochen?
Verkauft man so Küchen?
Trank er gar heimlich?
Traditionell sind ja die deutsche Grammatik und steigender Promillegehalt in gewisser Weise durch eine Art Symbiose miteinander verbunden, aber das war hier an seinem Arbeitsplatz sicher nicht der Fall.
Plötzlich ein kleines „Stups“ an meinem linken Knie.
Ich schaute herunter, war etwa unsere Inka da?
Nein, Kerstin machte mir klar, was ich schon einige Zeit dachte: Hier kaufen wir gewiss keinen Küche.
Wir baten ihn, sich die Daten abzuspeichern, da wir es noch einmal überschlafen wollten und verließen fast ein wenig fluchtartig das Gelände.
Wie man eine Küche kauft
Wir verließen das Geschäft mit dem Schwarz – roten Logo und stiegen ins Auto ein, um nach Hause zu fahren.
Nach wenigen Metern kam mir einen Idee.
Auf meiner „Odyssee der Kostenvoranschläge“ kam ich auch an einem kleinen Ein – Mann - Küchenstudio vorbei.
Der Mann war sehr nett und machte einen äußerst kompetenten Eindruck.
Ich holte die Visitenkarte heraus und bat Kerstin, dort mal anzurufen.
Eine halbe Stunde später saßen wir in seinem Minibüro am Rande von Berlin.
Herr S. war noch ein Küchenverkäufer vom alten Schlag.
Er arbeitete mit Bleistift und Millimeterpapier.
Nach knapp drei Stunden hatten wir unsere Traumküche zusammengestellt und auch preislich sind wir nicht enttäuscht worden.
Unsere Extrawünsche stellten für ihn überhaupt kein Problem dar, er hatte für alles eine Lösung.
Am gleichen Abend bekamen wir noch per E – Mail die Küche als 3D – Animation zugeschickt.
Drei Monate später wurde die Küche fachgerecht und schnell aufgebaut.
ENDE