Nach dem Essen zieht es mich ins Grüne. Irgendwann werde ich an Maschinen angeschlossen und von Neonlicht beleuchtet sterben. In diesem Punkt mache ich mir nichts vor. Deswegen versuche ich jeden Tag mich zu vergewissern, dass dieser Zeitpunkt noch nicht gekommen ist. Muriel begleitet mich und ich bin über ihre Gesellschaft sehr glücklich. Sie bleibt in meiner Nähe. Die meisten alten Menschen, fühlen sich in der Nähe von sterbenden Artgenossen unwohl. Ich kann es ihnen nicht verübeln und so versuche ich, sie durch meine Anwesenheit nicht zu sehr zu belasten. Doch Muriel ist anders. Ich spüre, dass ihr meine Krankheit nichts ausmacht. So alt bin ich auch gar nicht. Meinen siebzigsten Geburtstag, werde ich wahrscheinlich nicht mehr erleben. Doch jemand, der sich seines Endes bewusst ist wirkt alt, selbst wenn er das nicht ist.
Der Grund warum ich diese Worte zu Papier bringe, ist eine lang verdrängte Erinnerung. Vor einer Woche habe ich zum ersten Mal in 30 Jahren diese Erinnerung, versteckt in den dunkelsten Ecken meines Unterbewusstseins, wieder ans Tageslicht geholt. Sie war da, nach all den Jahren. Die Erinnerung an eine Zeit, die ich ausgeblendet hatte. Die Freude und der Schmerz. Vermutlich liegt es daran, dass ein letzter Lebensfunken in meinem Körper sich dagegen sträubt, meinen Geist erlöschen zu lassen, bevor dieses Andenken gerettet ist. Der Auslöser ist eine Person. Die besagte Person heißt Muriel, sie ist vor zwei Monaten als neuer Dauergast in dieses Senioren-Wohnheim gezogen, wo ich gezwungen bin meinen Lebensabend zu verbringen. Man glaubt es kaum, aber im Gengensatz zu meinen anderen Mitbewohnern, die mit ihren TV-Shows und Boulevardblättern ihren Tagesbedarf an Kultur schon überspannt haben, ist Muriel eine Literaturliebhaberin. Und ich spreche von echter Literatur, nicht von billiger Pulp-Fiction. Es liegt quasi in ihrer Familie, denn ihrem Neffen gehört ein Verlagshaus. Wir kamen schnell ins Gespräch. Ich bin für diese Abwechslung von meinem trostlosen Alltag, sehr dankbar. Die Langeweile ist der größte Feind des Menschen, denn sie verstärkt Leid und mindert Glück. Ohne Langeweile, ist alles plötzlich viel angenehmer. Die Pfleger kommen mir freundlicher vor und die Luft wärmer. Und ab und zu kommt es auch vor, dass ich auf dem Gesicht eines Besuchers echte Sympathie für seinen Angehörigen sehen kann und nicht nur die Frustration darüber, seine Freizeit auf diese Weise zu verschwenden. Und manchmal entdecke ich nun auch echte Trauer, wenn einer der Heimbewohner das zeitliche segnet und seine Angehörigen kommen um sich zu verabschieden. Ob auch jemand bei mir trauern wird? Meine Tage auf diesem Planeten sind gezählt, ich leide an Krebs. Er wurde diagnostiziert, nach dem ich, wegen immer häufiger auftretenden Magenschmerzen den Arzt aufsuchen musste. Mein Großvater ist auch an dieser Krankheit gestorben. Momentan kann ich die Angst kontrollieren. Doch sollten die Schmerzen weiter ansteigen, dann wird das nicht mehr der Fall sein. Gelegentlich spiele ich auch mit dem Gedanken mir das Leben zu nehmen, um so die Leidensphase ein wenig zu verkürzen. Doch in meinem Alter ist das auch nicht mehr so leicht. Und seit den Pflegern bekannt ist woran ich leide, haben sie ein besonderes Auge auf mich geworfen, als könnten sie Gedanken lesen.
Das Wohnheim liegt unmittelbar neben einem Park. Hier stehen wunderschöne Kirschbäume. Seit so vielen Jahren, habe ich keine Kirschbäume mehr gesehen. Wenn ihre Blüten herabfallen wirkt es fast, als würde es schneien. Der Sommer ist wunderschön. Es ist warm und die Temperatur verändert sich kaum. Oft laufen Muriel und ich zu den Ententeichen, oder zu einer alten Kapelle mitten im Park. Ich bin zwar getauft, aber ich bin kein besonders religiöser Mensch. Mich als Agnostiker zu bezeichnen, trifft wahrscheinlich am ehesten zu. Fundamentalisten sind verrückt. Atheisten aber auch. In all meinen Jahren auf diesem Planeten habe ich eins gelernt. Egal wie sicher man sich mit etwas ist, man sollte immer die Möglichkeit des eigenen Irrtums berücksichtigen. Und wenn ich denke, dass mich niemand sieht und Muriel abgelenkt ist, dann schließe ich meine Augen. Ich bitte um Vergebung für die ganzen Fehler, die ich in meinem Leben begangen habe. Dafür, dass ich meiner Frau nie gesagt habe, wie viel sie mir bedeutet und ich denke an Erik. Ich bete nicht aus Gewissheit sondern in der Hoffnung, dass es irgendjemanden oder irgendetwas gibt, das mich hört. Vielleicht jemand der mir helfen kann, oder dem zumindest meine Worte etwas bedeuten. Oft kommen wir aber gar nicht bis zur Kapelle. Meistens bleiben wir einfach auf einer Bank unter den Kirschbäumen sitzen. Viele Familien kommen mit ihren Kindern hier her. Es ist einer der wenigen Orte, an denen man die Freiheit spürt, in dieser Welt in der immer dickere und höhere Mauern errichtet werden.
Es ist ein besonders heißer Tag. Ich bin alleine im Park. Muriel ist zu erschöpft um mich zu begleiten. Aber ich habe mir fest vorgenommen, es heute bis zur Kapelle zu schaffen. Am Anfang sieht es gut für mich aus. Doch nach zwei Kilometern, bekomme ich Seitenstechen. Ich denke mir nichts dabei und gehe weiter. Doch der Schmerz steigt immer höher in meine Brust und ich fange an, verschwommen zu sehen. Ist das ein Herzanfall? Werde ich jetzt sterben? Ein paar Spaziergänger haben anscheinend bemerkt, dass mit mir irgendetwas los ist.Ich kann ihre besorgten Gesichter sehen, als sie den Hügel hinab gerannt kommen. Dann sehe ich gar nichts mehr.
Als ich in meinem Bett erwache, habe ich einen Infusionsschlauch im Arm. Draußen regnet es. Ich spüre die Wärme einer anderen Hand, die auf meiner liegt. Ich drehe den Kopf und sehe in Muriels lächelndes, trotz ihrem Alter faltenloses Gesicht. „Du hattest einen Schwächeanfall. Der Arzt sagt, du kommst wieder auf die Beine.“ Mit meinem Herzen ist also alles in Ordnung. „Wie lange habe ich geschlafen?“ Während ich das sage, mache ich eine erklärende Kopfbewegung zum Fenster. „Nicht lange. Eine Nacht. Das Wetter hat gestern Abend überraschend gewechselt.“ Dann wandert ihr Blick ebenfalls aus dem Fenster und ihre Augen werden nachdenklich. „Du hast im Schlaf geredet Robert und man hat gesehen, dass du nicht angenehm geträumt hast. Wer ist Erik? Du musst es mir nicht erzählen. Aber ich sehe, dass dich etwas belastet und es hat mit dieser Person zu tun. Auch wenn du denkst, dass dich niemand dabei sieht, ich weiß was du in der Kapelle machst. Willst du nicht mit irgendjemandem reden? Nicht unbedingt mit mir, aber mit irgendwem?“ Ich sehe in ihrem Blick wie sehr sie sich Sorgen macht. Jetzt ist die Gelegenheit gekommen, die Geschichte zu erzählen, die erzählt werden muss. Nun öffne ich das Tor, zu einer längst vergangenen Zeit.
Ich studierte 1963 im ersten Semester Germanistik. Ich hatte die feste Absicht, später in den Lehrberuf einzutreten. Doch nicht der Wunsch Lehrer zu werden, bewegte mich zu diesem Studium. Vielmehr war es eine tiefe Leidenschaft, zur deutschen Literatur. Meine Versuche selbst auf den Olymp der großen Dichter zu steigen waren gescheitert. Also hatte ich beschlossen, zumindest im Dienste jener zu arbeiten, die sich schon dort oben befanden. Ich konnte nicht ahnen, wie nahe ich dieser Welt doch noch kommen würde. Mein Semester hatte ich voll froher Erwartungen und Eifer begonnen. Damals war ich mit einem Mädchen liiert, an dessen Namen ich mich auch bei angestrengtem Nachdenken, nicht mehr erinnern kann. So viele Erinnerungen an damals habe ich wieder entdeckt, nur dieser Name ist mir immer noch verborgen. Dennoch schaffte sie es, als sie mich damals verließ, meine ganze Motivation zu zerschlagen. Und nun konzentrierte ich mich nicht mehr auf die Universität, sondern viel mehr darauf, mit meinen Kommilitonen in den Kneipen der Stadt meine Gedanken zu betäuben. Ich dachte nicht mehr an meine Träume. Dieses Mädchen wurde zu allem. Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Ein Leben ohne sie, konnte ich mir damals nicht vorstellen.
Ein regnerischer Abend. Ich bin allein. Ich habe den Kontakt zu meinen Saufkumpanen verloren. Ich setze mich auf eine nasse Parkbank. Mir ist schwindelig. Zeit vergeht. Ob Minuten oder Stunden, kann ich nicht sagen. Eine Stimme stellt mir Fragen. Ich weiß keine Antworten. Ich werde an eine fremde Schulter gestützt und zu einem Auto getragen.
Ich öffne die Augen in einer fremden Wohnung. Muskel- und Kopfschmerzen, sind die einzigen Spuren der letzten Nacht. Jemand hat meine schmutzige Kleidung, gegen einen warmen Pyjama getauscht. Trotz des Katers, lasse ich mich von der Neugier über den Besitzer dieser Wohnung und dem Geruch von Rührei und gebratenem Speck in die Küche locken. Koch und Gastgeber scheint ein junger Mann, ein paar Jahre älter als ich, zu sein. Er hat ein Wettergegerbtes Gesicht. Doch in seinem Blick liegt Freundlichkeit. Obwohl er so jung ist, finde ich darin eine Lebenserfahrung, die ich bisher nur Menschen im hohen Alter zugetraut hätte. Auf dem Tisch steht ein einzelner Teller und eine Tasse Kaffee, sowie Milch und Zucker. Auf die Frage, ob er nichts essen wolle erwidert mein Gastgeber, dass er schon gefrühstückt habe und dass der Teller für mich bestimmt sei. Dankbar verzehre ich das Frühstück und kämpfe dabei gegen meine Alkohol-bedingte Übelkeit an. Mein Gegenüber beginnt eine Pfeife aus Bruyère-Holz, mit einem recht groben Tabak zu stopfen. Als er den Tabak im Pfeifenkopf anzündet, macht sich ein süßlicher Duft bemerkbar, der nach und nach den ganzen Raum füllt. Er mustert mich nachdenklich und dann entwickelt sich langsam ein Gespräch. Er stellt mir viele Fragen. Wie ich heiße. Wo ich herkomme. Aber den gestrigen Abend, spricht er nicht ein einziges Mal an. Ich wünsche, er würde es tun. Die Scham liegt auf mir. Wie eine schwere Last, die ich unbedingt loswerden will. Trotzdem gewinnt das Gespräch immer mehr an Tiefe. Mein Gastgeber heißt Erik und ist Freiberuflicher Schriftsteller. Er veröffentlicht hauptsächlich in Magazinen und Zeitungen. Muss aber, um sich über Wasser zu halten, in einer Kneipe in der Nähe arbeiten. Als Erik erfährt, von welcher Art mein Studium ist, hört er nicht mehr auf zu Fragen und wird noch gesprächiger als zuvor.
Erik ist eine merkwürdige Gestalt. Genau wie ich liebt er die Literatur. Doch das Verständnis und die Verbundenheit die er zu ihr hat, ist um so vieles tiefer, als es bei mir je sein könnte. Solch eine Verbundenheit, kann man wahrscheinlich nur beim Schreiben entwickeln. Dessen werde ich mir zum ersten Mal bewusst, als ich einen seiner Texte lese. Seine Worte sind von einer unglaublichen Leichtigkeit und einem unerschütterlichen Frohsinn. Die Schönheit des Lebens wird mir, an jedem Tag den ich mit ihm verbringe, mehr und mehr bewusst. Trotzdem fehlt es seinen Worten nicht an Ernst und Menschenkenntnis. Die Suche nach Freiheit, zieht sich wie ein roter Faden durch sein Werk, was in dieser Zeit aber nicht ungewöhnlich ist. Der Umbruch und die Veränderung sind überall spürbar. Erik hört Bob Dylan und Joan Baez. Es scheint, als wären ihre Lieder für ihn geschrieben worden. Sie spiegeln seine Philosophie perfekt wieder, zumindest den Teil der sich nicht meinem Verstand entzieht. Doch trotz aller Verehrung, behält er es sich vor seine Vorbilder zu hinterfragen.
Es ist Sommer. Wir sind unterwegs in Richtung Ostsee. Nach einem Aufenthalt im Literatur-Himmel Weimar, zeigt mir Erik jeden Tag neue wunderbare Orte. Wir sind in einer Gegend, in der er als Kind häufig seine Sommerferien verbrachte. Er steuert seinen Käfer nun schon eine Stunde, über schlecht befestigte Waldwege und ich kriege das Gefühl, dass wir uns verirrt haben. Die Situation ist angespannt. Eine riesige Baumwurzel versperrt uns den Weg. Erik zieht die Handbremse und steigt aus. Wiederwillig folge ich ihm. Es ist ein wahrer Drahtseilakt, den Ästen die hinter Erik zurückfedern auszuweichen. Dann bietet sich mir ein unglaublicher Anblick. Wir sind auf einem Felsplateau. Dreißig Meter über dem offenen Meer. Nicht die kleinste Insel versperrt den Blick auf den Horizont. Nahtlos geht ein Blauton in den anderen über und ein paar Fischerboote fahren auf dem Wasser. Der Boden ist weich, denn auf dem felsigen Untergrund wächst kurzes Gras, in das Erik sich nun legt. Ich tue es ihm gleich. Trotz dem Geäst durch das wir uns kämpfen mussten, blockiert kein einziger Ast unser Sichtfeld. Es scheint als würde irgendetwas Göttliches von diesem Ort ausgehen. So dass es keiner der Bäume wagt uns auf diese Weise die Sich auf den endlosen Himmel zu nehmen. Die Möwen die über uns kreisen, bilden immer neue Muster. Ellipsen gehen in S-förmige Kurven über und manchmal löst sich ein einzelner Vogel vom Geschwader, steigt noch weiter hinauf und stürzt sich dann hinab um kurz vor der Wasseroberfläche, seinen Flug in die Waagerechte zu bringen. So fliegt er dann mehrere Meter über das Wasser. Es muss ein wunderbares Gefühl sein, so über den Wellen zu schweben, sich in der Oberfläche zu spiegeln und von einzelnen Wassertropfen, sanft getroffen zu werden. Ich drehe mich um und Eriks triumphierendes Grinsen, lässt die anstrengende Fahrt aus meinem Kopf verschwinden. Dieses Gefühl der Freiheit ist jeden Meter wert. Wir bleiben im Gras liegen, bis die Sonne anfängt unterzugehen und der Himmel beginnt, sich rot zu färben. Jetzt richtet Erik sich auf und greift nach seiner Tasche. Er holt viele, aneinandergeheftete Seiten Papier heraus und drückt sie mir in die Hand. „Daran arbeite ich seit Monaten. Ich bin gestern damit fertig geworden. Ist die einzige Kopie. Bevor irgendjemand anders es kriegt, sollst du das Manuskript lesen. Es ist mein erster Roman. Vielleicht komme ich dadurch endlich aus dieser schäbigen Kneipe raus und ich will, dass du das Vorwort schreibst. Das würde mir sehr viel bedeuten.“
Muriel sieht mich mit großen Augen an. Sie ist verwirrt. Doch ich kann nicht anders, als zu zögern. Mein Mund ist trocken, deswegen lasse ich mir von ihr ein Glas Wasser reichen. Nun nimmt sie ihren ganzen Mut zusammen und stellt die Frage, die seit meiner Unterbrechung im Raum liegt. „Was wurde aus dem Manuskript und was wurde aus Erik?“ „Es wurde nie veröffentlicht. Ich hatte es kurz vor Eriks 25. Geburtstag fertig gelesen und wollte es ihm samt seinem Geschenk, einer „Freewheelin‘ Bob Dylan“-Vinyl-LP, an diesem Tag geben. Eigentlich sollte ich ihn von der Arbeit abholen, doch als ich dort war sagte er mir, dass er aufgrund einer Grippe-Welle der einzige Mitarbeiter zurzeit sei und deswegen Überstunden machen müsste. Er wollte später die U-Bahn nehmen. Das war das letzte Mal, dass ich ihn sah. An der U-Bahn-Station wollte er schlichtend in den Streit zweier Betrunkener eingreifen. Dabei wurde er so unglücklich gestoßen, dass er vor die gerade einfahrende U-Bahn stürzte. Er war auf der Stelle tot und ich kam nie dazu, ihm das Manuskript wiederzugeben.“ Mit diesen Worten hole ich ein zusammengeheftetes Bündel getippter Seiten, aus meiner Nachttischschublade.
Muriel hat ihrem Neffen Eriks Manuskript ausgehändigt. Er will es veröffentlichen. Es war nicht anders zu erwarten. Ich habe nie ein besseres Buch gelesen. Doch um ein paar Tage musste ich ihn vertrösten, denn es braucht noch das passende Vorwort, dann kann er es haben. Diese Worte sind Teil der Geschichte und nach meinem Ableben, wird die Erinnerung an diesen jungen Mann, der mich so sehr bewegte, fortbestehen. Sowohl Muriel als auch ich, werden durch dieses Vorwort weiterleben. Das war sein letztes Geschenk an mich.
Dieser Sommer wird mein letzter sein, doch ich könnte mir keinen schöneren wünschen. Der Wind ist warm. Ich sehe lachende Kinder Fußball spielen. Muriel und ich sitzen wieder auf der Parkbank, unter dem Kirschbaum. Die vom Wind getragenen Blüten, gleiten mit einer unglaublichen Zärtlichkeit zu Boden. Ich spüre ihre Hand auf meiner. Sie ist alt und dürr. Meine nicht minder. Doch nie lag eine Hand schöner auf meiner, als jetzt. Irgendwie ist es schade, so bald Lebewohl sagen zu müssen. Doch ich bin dankbar, für dieses wunderbare Geschenk am Ende. Die Schmerzen spüre ich fast nicht mehr. Und noch bin ich hier, noch kann ich den Wind auf meiner Haut spüren, den Vogelgesang hören und den Kirschblüten zusehen, wie sie sich langsam dem Boden nähern. Eine einzelne Kirschblüte bleibt in Muriels Haar hängen. Sie will sie aus dem Haar streichen, doch ich ergreife vorsichtig ihre Hand und bringe die Bewegung sanft zum Stehen. Sie lächelt und lässt die Hand wieder sinken. Ich halte kurz den Atem an, greife mit meinen zittrigen Händen nach der Blüte. So dass ich die samtenen Blätter nicht verletze. Dann öffne ich meine Hand und lasse sie davon schweben.