Beschreibung
Das Zögern vor einem Seitensprung
Noch ne Zigartte ...
Noch 'ne Zigarette ...
© by Pinball
Da steh‘ ich nun vor deiner Tür und habe den Daumen schon auf dem Klingelknopf. Ich ziehe meine Hand zurück und sehe auf die Uhr. Fast zwanzig Minuten zu früh bin ich da. Es ist also noch Zeit für eine Zigarette und ein paar Gedanken.
Ich bleibe vor deiner Haustür stehen und zünde mir eine Zigarette an. Ein tiefer Zug und dann lasse ich den Rauch langsam aus meinem Mund entweichen und sehe ihm nach, wie er langsam in der kalten Luft verschwindet.
Was mach ich hier?
Wir haben uns geschrieben und dann telefoniert. Wir wollen beide dasselbe. Für dich ist es nichts neues, aber für mich ist es neu.
Werde ich heute hier bei dir und mit dir meine Unschuld verlieren?
Er ist groß, so groß, dieser Reiz. So stark ist diese Neugier und seit unseren ersten Mails hat alles auf diesen Moment hin zugesteuert, erst nur ein wenig unterschwellig, dann mehr und mehr und immer deutlicher.
Es hat lange gedauert, bis ich mir über diesen Wunsch im klaren war, ihn zugelassen und dann angenommen habe. Es hat lange gedauert, dass ich dazu gestanden habe, wenn auch nur dir gegenüber.
Immer intimer wurden unsere Mails. Gedanken und Wünsche haben wir uns gesagt. Offen, sehr offen, waren wir und das alles hat mich jetzt hier hin geführt.
Ich nehme einen letzten Zug meiner Zigarette, trete sie dann auf dem Boden aus und sehe wieder zur Uhr. Es sind kaum fünf Minuten vergangen. So früh will ich auch nicht schellen. Also noch eine Zigarette!
Himmel, was bin ich nervös. Warum, zum Teufel, schelle ich nicht?
Wir können doch nur reden über alles, was wir uns geschrieben haben.
Nein, jetzt lüge ich mir selbst was vor. Ich weiß genau: Wenn ich in deine Wohnung gehe, dann werden wir nicht nur reden. Nichts wird unschuldig sein, im Gegenteil.
Ich weiß genau, daß ich dann meine Hände nicht von dir lassen kann und du die deinen auch nicht von mir. Selbst wenn wir sagen würden: Ja, laß uns reden, einfach nur reden! Es muß ja nichts passieren. Wir wissen beide, daß wir das nicht könnten.
Verflucht! Warum habe ich jetzt solche Angst davor?
Ich war doch so sicher, daß ich es will und habe mich darauf gefreut. Nein, nicht nur gefreut! Ich konnte es kaum abwarten. Ich war ungeduldig und ich war scharf ohne Ende, als ich mich auf den Weg zu deiner Wohnung gemacht habe. Und jetzt? Oh, man!
Was mach ich nur?
Auch die zweite Zigarette ist hastig zu Ende geraucht.
Fast ein wenig wütend, werf ich sie auf den Boden und trete sie aus.
Noch ist ja nichts passiert. Noch hab ich nicht betrogen, aber ich will! Ich will, aber werde ich?
Was riskiere ich schon? Nur dieses eine Mal und nur diese Erfahrung machen, danach nie wieder. Niemand wird es je erfahren! „Einmal ist kein Mal“, sagt man doch! Also? Was soll‘s? Es machen doch so viele. Von Bekannten und von Kollegen weiß ich, daß sie nebenbei etwas laufen haben. Ich würde es nur niemanden auf die Nase binden, bestimmt nicht!
Wieder ein Blick zur Uhr. Immer noch fast zehn Minuten, bis ich bei dir sein wollte. Also habe ich noch eine Zigarette angezündet und wenn ich die aufgeraucht habe, dann werde ich bei dir klingeln, ganz sicher!
Wenn ich an dich denke, fängt mein Schwanz an zu kribbeln und ich habe das Gefühl, meine Haut würde prickeln. Verdammt, bin ich scharf auf dich!
Ich hätte schon längst bei dir in deiner Wohnung sein können, wenn nicht diese verfluchten Zweifel wären.
Ich lehne mich an die Haustür, schließe die Augen und schon sehe ich dich, wie du mir die Tür öffnen wirst. Du stehst da, die Hände in den Taschen deiner Jeans, dieses leichte Lächeln in den Mundwinkeln, als wolltest du mir sagen: „Ich hab doch gewußt, daß du nicht widerstehen kannst!“ Und du hast so verdammt recht.
Jetzt habe ich die Zigarette so weit geraucht, daß ich mir schon fast die Finger an der Glut verbrenne.
Ich trete die paar Schritte vor bis an Rand vom Bürgersteig und werfe die Kippe in den Gully. Auf die Uhr sehe ich jetzt nicht mehr. Ist mir egal, ob ich jetzt immer noch zu früh oder schon zu spät bin.
Drei Schritte bis zur Haustür, den Daumen wieder auf den Klingelknopf. Nein, jetzt kein Zögern mehr! Fest den Klingelknopf gedrückt und einmal tief durchgeatmet. Der Türsummer ertönt. Ich drücke die Tür auf und steige die Treppen hoch bis in die dritte Etage, bis zu deiner Wohnung.
Ich bin auf dem Weg zu dir!