bin noch am schreiben, weiß noch nicht genau, was in meinem buch noch alles passiert :) Lasst euch überraschen.
18 Jahre zuvor
Der Mond legte sein silbriges Leuchten über den stillen Wald. Sein Schein malte Inseln aus Licht auf den Boden, dort wo sein Schein durch die Baumkronen drang. Die nächtliche Stille wurde plötzlich von lauten, gehetzten Schritten durchbrochen. Wenige Herzschläge später durchbrachen zwei Gestalten das Unterholz und wurden vom Mond beleuchtet. Beide trugen sie dunkle Kapuzenumhänge, die an etlichen Stellen zerrissen und schmutzig waren. Eine der beiden Gestalten war kleiner als die andere. Die Größere trug etwas auf den Armen. Ihr abgehaktes Keuchen und das Knacken und Krachen, mit dem sie durch das Unterholz brachen, waren die einzigen Geräusche. Auf einer Lichtung blieben die beiden Flüchtlinge stehen und sahen sich gehetzt um. Das helle Mondlicht offenbarte, dass es sich bei der kleineren Gestalt um eine Frau mit blonden, langen Haaren und um einen jungen Mann handelte, der nur wenig älter zu sein schien. Keuchend lauschten sie. Nach ein paar Herzschlägen, setzte der Mann seine Last auf dem Boden ab. Es handelte sich um ein etwa dreijähriges Mädchen, mit wilden schwarzen Locken und den stechend grauen Augen, die auch die blonde Frau hatte. Angstvoll blickte es zu den beiden auf. „Keine Angst mein Liebling“, flüsterte die Frau, um es zu beruhigen. Offenbar war sie die Mutter des Mädchens. An ihrer Schläfe trug sie ein verschlungenes Zeichen und ein goldenes Amulett, in das eine Blume eingraviert war. Sie gehörte zum Volk der Lebenshüter. Der Mann trug ebenfalls ein Amulett aus Silber, dessen eingravierter Mond ihn als Magier auswies und eine dunkle Robe. Erneut lauschten sie. Nichts war zu hören, noch nicht einmal irgendwelche Tiere. Beunruhigt sahen sie sich um; das Mädchen klammerte sich an die Beine ihrer Mutter. Diese strich ihr beruhigend über den Kopf, konzentrierte sich aber weiterhin auf ihre Umgebung. Die Stille beunruhigte sie und sie begannen wieder zu rennen. Nach ein paar Metern blieben sie erneut stehen. Der Mann senkte leicht den Kopf und schien sich auf etwas zu konzentrieren. Plötzlich stieß er ein Zischen aus, und im selben Augenblick drangen Stimmen zu ihnen vor. Ihre Verfolger hatten sie gefunden. Die Frau hob den Kopf und sah dem Mann in de Augen. Tränen standen in ihren Augen. Der Mann erwiderte den Blick voller Liebe. Die beiden schienen ein lautloses Gespräch miteinander zu führen, schienen die Welt um sich herum vergessen zu haben. Die Lebenshüterin stellte sich auf die Zehenspitzen und gab dem Magier einen leidenschaftlichen Kuss. Er erwiderte ihn nicht, doch die Liebe zu ihr schimmerte warm in seinen Augen. Er ließ die Frau keine Sekunde aus den Augen, als sie sich vor das Mädchen kniete und es fest an beiden Armen packte. „Hör mir jetzt zu, mein Schatz. Sie haben uns fast eingeholt und wenn sie uns hier finden, werden sie uns alle töten. Aber wir werden es nicht zulassen, dass sie dir etwas antun. Ich werde dafür sorgen, dass du nicht mehr lebst, bevor sie dich erreichen. Es wird nicht wehtun, du wirst glauben, dass du nur einschläfst. Hab keine Angst mein Engel. Ich und Rayk werden dir folgen und dich beschützen“, flüsterte sie dem Kind eindringlich zu. Zuerst zeichnete sich Furcht auf dem Gesicht des Kindes ab, doch bei den letzten Worten wich sie Entschlossenheit und Ergebenheit in das, was gleich geschehen würde. Ihre Verfolger kamen immer näher. Hastig legte die Frau dem Kind eine Hand auf die Brust und senkte mit konzentriertem Gesichtsausdruck den Kopf. Der Mann stellte sich schützend vor sie und lauschte den näher kommenden Stimmen. Sie hätten es wissen müssen. Sie hätten die Warnungen nicht in den Wind schlagen dürfen. Jetzt würden sie dafür bezahlen. Plötzlich flammte unter der Hand der Frau ein helles Leuchten auf, das in den Körper des Mädchens einzusickern schien. Reines Entzücken erschien auf dem Gesicht des Mädchens und es schloss die Augen. Nach wenigen Augenblicken begann es zu schwanken; das Leuchten wurde intensiver. Bald würde es vorbei sein. Rayk hatte sich zu der Frau umgedreht und betrachtete sie mit einer Faszination, die wohl niemals weichen würde. Plötzlich ertönte ein Zischen; die Luft schien still zu stehen, als plötzlich aus der Dunkelheit schräg ausgerichtet zur Frau ein Pfeil geflogen kam. Der Magier erkannte mit jähem erschrecken, welches Ziel der Pfeil anstrebte und stieß das Kind beiseite. Ehe die Lebenshüterin reagieren konnte, traf sie der Pfeil ins Herz. Sie fiel zu Boden. Das Mädchen starrte sie voller Entsetzen an; es lebte noch. Der Magier traf blitzschnell eine Entscheidung. Er streckte die Hand in Richtung des Kindes aus und murmelte ein fremdartiges Wort. Die Gestalt des Mädchens wurde unsichtbar. Rayk flüsterte ihr hastig zu: „Lauf! Lauf so schnell du kannst!“ Leise raschelnde Schritte entfernten sich hastig. Als plötzlich mehrere Gestalten durch das Unterholz brachen, versuchte er sich nicht zu wehren. Sie würden wenigstens das Kind in Ruhe lassen müssen, wenn sie es fanden. Auch ihn traf ein Pfeil ins Herz. Ein rauchartiger Schleier verpuffte glühend in der Luft, wie das goldfarbene Leuchten, das entwichen war, als die Frau starb. Der Bogenschütze trat zu den beiden Gestalten heran und musterte sie mit ausdruckslosem Gesicht. Hinter ihm erschien ein Magier und kniete sich neben die beiden Leichen. Mit einem Ruck riss er beiden die Amulette vom Hals und steckte sie ein. „Wo ist das Mädchen?“, fragte er schroff. Der Bogenschütze sah sich hilflos um und ebenso sein Kollege der eben dazugetreten war. Sie schwärmten aus und begannen zu suchen. Doch sie konnten das Mädchen nirgends finden. Es war wie von Furien gehetzt durch den Wald gerannt und hatte sich dann in einer Höhle versteckt. Sie war nicht länger unsichtbar. Sie wusste, das bedeutete, dass Rayk tot war. Sie war allein. Und ihre magischen Kräfte waren erloschen. Das Mädchen kauerte sich zusammen und weinte. Nach geraumer Zeit verebbte ihr Schluchzen. Stille senkte sich über die Höhle. Das Mädchen schob eine Hand unter ihr Kleid und holte das Amulett darunter hervor. Es war halb golden und halb silbern und zeigte beide Motive. Die Blume und den Mond. Ein schwacher Rest Magie pulsierte darin. Das Amulett fest umklammert, starrte es in die Dunkelheit. „Das werdet ihr mir büßen.“ Ihre Stimme hallte unheimlich von den Wänden wider…
Kapitel 1
„Konzentriere dich!“ Arlinn holte tief Atem und zwang sich zur Ruhe. Das Herz schlug ihr bis zum Hals und ihr war leicht übel. Sie entspannte sich ein wenig und konzentrierte sich auf die pulsierende Wärme in ihrem Innern. Sie ließ die Schranken fallen und sandte ihre Magie durch ihre Hände nach außen. Sie keuchte auf, als sie anzuschwellen schien und Schmerz an ihre Stelle trat. Es war ein halb bohrender, halb stechender Schmerz, der aber gleichblieb und nicht in Wellen kam oder an und abschwoll. Arlinn spürte den Schweiß auf ihrer Stirn und dass sie die Luft anhielt. Sie zwang sich dazu tief durchzuatmen und sich zu konzentrieren. Der Schmerz durfte sie nicht ablenken. Vorsichtig ließ sie noch mehr von ihrer Magie frei und der Schmerz verging ein wenig. Sie wollte endlich, dass er aufhörte. Wieder ließ sie die Magie durch ihre Hände fließen. Ihr Herzschlag verlangsamte sich und erschrocken nahm sie ein wenig wieder zurück. Sie konzentrierte ihre Magie auf den Schmerz und ließ sie ihn wie einen Mantel einhüllen. Sie spürte wie der Knochen zusammenwuchs und der Schmerz verging. Sie zog ihre Magie wieder zurück und mit einem Schlag befand sie sich wieder in der Gegenwart. Als sie die Augen öffnete, blickte sie in die erstaunten Augen des Jungen vor ihr und das strahlende Gesicht seiner Mutter. „Danke! Ich danke euch!“ Die Frau drückte den Jungen an sich, der ungläubig seinen eben noch gebrochenen Arm bewegte. Immer noch lächelnd und immer wieder ihren Dank bekundend, holte die Mutter eine Silbermünze hervor und drückte sie in die Hand. Verblüfft starrte das Mädchen darauf und noch ehe sie etwas sagen konnte, verließen der Junge und die Frau auch schon das Zelt. Arlinn blickte noch ein paar Sekunden auf das Geldstück in ihrer Hand, steckte es dann aber in den kleinen Beutel an ihrem Gürtel. Sie warf ihrer Mutter einen Blick zu, die ihr zunickte. „Dein erster Lohn.“ Jetzt erst erschien ein Lächeln auf Arlinns Gesicht. Sie hatte es geschafft! Sie hatte jemanden geheilt! Natürlich hatte sie schon Schnittwunden und Prellungen behandelt, aber heute war das erste Mal gewesen, dass sie eine schlimmere Verletzung heilte. „Den nächsten Patienten übernehme ich“, meinte ihre Mutter plötzlich und forderte ihre Tochter auf, den Platz mit ihr zu tauschen. Gehorsam erhob Arlinn sich, als ihr plötzlich schwindelig wurde. Ihre Mutter stand auf und fasste sie am Arm, für den Fall, dass sie ohnmächtig werden sollte. Doch der Schwindel verging ein wenig. „Setz dich“, forderte Mirena die Tochter auf und drückte ihr eine schmale Tonflasche in die Hand. Sie enthielt ein Stärkungsserum. „Du hast zu viel Magie abgegeben und zu viel Schmerz auf einmal in deinen Körper gelassen. Du musst vorsichtiger sein!“ Arlinn nickte verlegen und schalt sich für ihren Leichtsinn. Wenn sie zu viel Magie und somit ihre Lebenskraft abgab, konnte das böse enden. Die Magie der Lebenshüter war mit ihrer Lebenskraft verbunden. Benutzten sie zu viel Magie oder waren in schlechter Verfassung, drohte ihnen der Tod. Sie nahm einen Schluck aus der Flasche und fühlte sich gleich besser. In den nächsten Minuten sah sie voller Neid zu, wie mühelos ihre Mutter eine hässliche Fleischwunde heilte. So weit war sie noch lange nicht. Nachdem der Patient mit etlichen Dankesbekundungen und einer großzügigen Bezahlung an Mirena gegangen war, bot diese ihrer Tochter an, Pause zu machen und sich ein wenig die Beine zu vertreten. Gerade als sie sich erheben wollte, wurde der Zelteingang zurückgezogen und zwei Personen traten ein. Die eine war eine rothaarige, hübsche Frau, die sich mit schmerzverzerrter Miene den Bauch hielt und die andere war ein junger Mann, der sie stützte und sehr besorgt war. Mirena wusste sofort, was los war. Sie befahl dem Mann seiner Frau beim Hinlegen zu helfen und schob deren Kleid hoch. Arlinn starrte erschrocken auf das Blut, das auf den Boden tropfte. Mirena legte die Hände auf den harten Bauch und senkte den Kopf. Sie ließ ihre Magie fließen und suchte das Baby. Als sie dessen kleines Herz schlagen hörte und seine Lebensenergie spüren konnte, sandte sie ihre Magie dorthin. Sie stärkte das Ungeborene und beruhigte es, damit es schlief. Das Baby war schon fast soweit, auf die Welt zu kommen, aber noch war es zu früh. Nachdem es sich beruhigt hatte, nahm Mirena die Schmerzen in sich auf und ihre Magie ließ sie verschwinden. Sie stärkte die Fruchtblase und die Mutter, dann löste sie ihre Magie und atmete erleichtert auf. Mit weit aufgerissenen Augen tastete die Frau über ihren Bauch und lächelte. Tränen traten ihr in die Augen. Ihr Mann küsste sie glücklich und umarmte die erschöpfte Mirena. Die Frau konnte ihr gar nicht genug danken und gab ihr eine Goldmünze als Bezahlung. „Danke. Deinem Kind wird es bis zur Geburt gut gehen. Wende dich dann an Meryl.“ Die Patientin nickte und verließ gemeinsam mit ihrem Mann das Zelt. Mirena steckte das Geld ein und rutschte zu ihrer Tochter um einige kräftige Schlucke aus der Flasche zu nehmen. Danach sah sie nicht mehr so müde aus. „Ich glaube, wir sollten für heute Schluss machen. Es gibt noch genug andere Lebenshüter hier“, meinte sie und Arlinn stimmte ihr zu. Sie fühlte sich zwar wieder imstande zu arbeiten, doch ihre Mutter würde sie nur leichte Verletzungen heilen lassen und die schwereren selbst übernehmen und sie sah erschöpft aus. „Das war wundervoll. Ich kann es kaum erwarten meine Ausbildung zu beenden und in die Gemeinschaft der Lebenshüter aufgenommen zu werden“, meinte Arlinn begeistert. Ihre Mutter schmunzelte, wurde aber gleich wieder ernst. „Ich weiß das, aber du hast noch viel zu lernen. Und dann trägst du große Verantwortung.“ Der Ausdruck von Freude wich aus Arlinns Gesicht und machte Ängstlichkeit und Zweifel platz. „Ich weiß, dass du es schaffen wirst. Es gibt nichts was du nicht lernen kannst. Ich werde dich alles lehren was du wissen musst“, tröstete Mirena ihre Tochter und lächelte ihr aufmunternd zu. Zaghaft lächelte Arlinn zurück. „Die Verantwortung ist so groß… nur ein Fehler und jemand stirbt“, murmelte sie leise. Ihre Mutter hatte es trotzdem gehört und erwiderte in sanftem Ton: „Das ist nun einmal nicht zu ändern. Und das ist auch gut so, denn wenn es nicht so wäre, könnten wir nicht sterben. Wir Lebenshüter sind dazu da zu heilen und Leben zu erhalten. Wir sind nicht allmächtig und nicht dazu da um den Tod auszutricksen. Jeder muss einmal sterben und das ist auch vollkommen in Ordnung. Uns trifft keine Schuld.“ Diese Worte erleichterten Arlinn und linderten ihre Angst. „Aber warum meiden uns die anderen Völker? Die Magier kommen nur wenn es sein muss und manche würden sogar lieber sterben, als sich von einem Lebenshüter heilen zu lassen. Die Krieger ergreifen weder für die einen noch für die anderen Partei, als ginge sie das nichts an. Trotzdem wollen sie mit keinem von beiden Völkern etwas zu tun haben. Warum?“ Arlinn blickte ihre Mutter fragend an. Der Ausdruck, der auf ihrem Gesicht erschienen war, machte sie betroffen. Er war schuldbewusst und voller Angst. „Mama?“ Mirena reagierte zuerst nicht, sondern starrte vor sich hin, riss sich aber dann zusammen und meinte mit einem erzwungen aussehenden Lächeln: „Ich weiß es nicht mein Schatz. Mach dir deswegen keine Sorgen.“ Arlinn merkte sofort, dass ihre Mutter log. Aber warum? Und was war es, was sie ihr anscheinend auf keinen Fall sagen wollte? Als das Mädchen einsah, dass es keine Antwort bekommen würde, erhob es sich seufzend, um sich die Beine zu vertreten. Mirena nickte nur abwesend dazu, anscheinend tief in Gedanken versunken. Arlinn trat in den hellen Sonnenschein und merkte erst jetzt, wie steif ihre Beine vom langen Sitzen waren. Sie schlenderte zwischen den Zeltreihen aus weißen und blau-grauen Zelten entlang. Die blendend weißen Zelte der Lebenshüter standen diagonal zu den blau- grauen der Traumdeuter, wobei die äußeren Zelte sich in ihren Farben abwechselten. Die inneren Zelte standen diagonal und wechselten sich pro zweiter Zeltreihe farblich ab. Vier Zeltreihen aus jeweils drei Zelten bildeten ein Rechteck, dass die inneren Zelte umschloss. In ihnen wohnten jeweils zwei Älteste der beiden Völker, die sich der Belange der Dorfbewohner widmeten, Entscheidungen trafen und Strafen verhängten. Außerdem gab es jeweils zwei Vertreter des jeweiligen Berufes, die die Lehrlinge einer Prüfung unterzogen, um zu prüfen ob sie schon bereit waren den Beruf auszuüben. In zwei weiteren Zelten lebten zwei Späher, die nach Feinden Ausschau hielten und Alarm schlugen. Die letzten beiden Zelte waren unbewohnt und dienten als Beratungsraum und Krankenstation. Außerdem gab es einen Brunnen und ein kleines Steinhaus in das Verbrecher in Gewahrsam genommen wurden, bis das Urteil vollstreckt wurde. Außerhalb der Zeltinsel gab es einen Versammlungsplatz, wo Feste gefeiert und Versammlungen abgehalten wurden. Insgesamt bestand das Zeltdorf am Ufer eines großen Sees, umgeben von hohen Hügelketten, aus achtunddreißig Zelten, die Ersatzzelte nicht mitgerechnet. Achtzehn Zelte wurden von den Lebenshütern bewohnt, achtzehn von den Traumdeutern. Alles in allem lebten etwa siebenundsechzig Elfen in dem Zeltdorf. Sie waren die einzigen ihrer Art. Und das aus gutem Grund. Wären sie zahlreicher, wäre es schwieriger das Gleichgewicht zwischen Leben und Tod zu erhalten, ihre Kräfte wären nichts Besonderes mehr, Visionen wären eine Alltäglichkeit und würden nicht mehr ernst genommen, Träume würden an Bedeutung verlieren… Da gab es noch die Magier und die gewöhnlichen Krieger. Die Magier verfügten ebenso über Magie wie die Traumdeuter und die Lebenshüter, allerdings in ihrer einfachsten Form. Sie konnten Dinge schweben lassen, in geringem Maße die Elemente beherrschen und ähnliche einfache Dinge. Sie lebten im Osten, vorwiegend in Städten. Ihr Volk mied die Traumdeuter und die Lebenshüter und hatte sogar eine magische Grenze zu deren Land hochgezogen. Die Magier waren zahlreicher als die Lebenshüter, aber langsam am Schwinden, weil sie die Hilfe der Traumdeuter und Lebenshüter nicht annehmen wollten und Warnungen, die ihnen im Traum gesandt wurden, ignorierten und starben oder wahnsinnig wurden. Das Kriegervolk lebte im kälteren Norden und mochte weder das eine noch das andere Volk besonders gern, jedoch verschlossen sie weder vor dem einen noch vor dem anderen ihre Tore oder verweigerten ihre Gastfreundschaft. Sie taten es meistens widerwillig aber nicht mit der selben Abneigung wie die Magier den Lebenshütern gegenüber. Da die Krieger über keinerlei magische Fähigkeiten verfügten, hatten sie sich auf die Waffenkunst und die Verteidigung des Reiches spezialisiert. Wann immer ein Krieg tobte, wurden die Krieger mit der Kriegsführung beauftragt und waren immer erfolgreich. Die insgesamt vier Völker unterstanden alle dem Königspaar, welches das Reich regierte. Es schien nichts gegen die Abneigung der Völker gegeneinander unternehmen zu können. Und es war in ihren Augen auch nicht zwingend notwendig. Es gab keine Morde oder Verbrechen unter den Völkern und sie arrangierten sich irgendwie, ohne dem Königspaar zur Last zu fallen. Die Elfen schätzten ihren König und ihre Königin und wollten ihnen keinen Grund geben sie zu bestrafen. Also duldeten die Magier zähneknirschend die Lebenshüter und Traumdeuter und diese gleichgültig die Magier. Den Kriegern gegenüber zeigten sie weder Misstrauen, noch besondere Zuneigung, aber das Mindestmaß an Duldung ihrer Gegenwart und Höflichkeit. Die Magier brachten oft nicht einmal das auf. Deshalb mochten die Kriegerelfen die Lebenshüter etwas mehr, als die eingebildeten Magier. Oder zumindest waren Erstere ihnen angenehmer und sympathischer. Es verirrten sich sowieso nur wenige ins Gebiet der Lebenshüter und Traumdeuter. Umgekehrt war es genauso, was dazu führte, dass keines der vier Völker etwas über das andere wusste. Oder nur sehr wenig und das trug nicht gerade zu größerem Vertrauen bei. Aber eine richtige Feindschaft, gab es bis jetzt nicht. Und bis jetzt war auch noch kein Krieg ausgebrochen. Arlinn bahnte sich einen Weg zwischen den Zelten hindurch und begegnete nur wenigen Elfen. Die meisten arbeiteten. Die Traumdeuter hatten sich nicht nur im Deuten von Träumen, dem Zubereiten von Tränken und dem Herstellen von Traumfängern spezialisiert, sondern es gab noch ungefähr ein Dutzend, zusammen mit ein paar Lebenshütern, die anderen Tätigkeiten nachgingen. Schließlich brauchte das kleine Dorf jemanden der das Essen zubereitete, da die Heiler und hauptberuflichen Traumdeuter meist keine Zeit oder die Möglichkeit hatten selbst zu kochen. Zwei Frauen bereiteten das Essen zu, dass von ein paar Jungen und Mädchen ausgeteilt wurde. Es gab einen Handwerker der sich auf die Reparatur von Haushaltsgegenständen, dem Herstellen von Schuhwerk und Zelten spezialisiert hatte. Seine Frau übernahm die Kleiderherstellung und flickte kaputte Kleidungsstücke. Mehr Frauen als Männer waren hauptberufliche Traumdeuter und Lebenshüter. Die meisten Männer gingen auf die Jagd um ab und zu Fleisch auf den Tisch zu bringen und halfen den Frauen bei schwereren Arbeiten. Da die beiden Völker sehr abgeschieden lebten, mussten sie sich selbst versorgen und sie gingen auch nur alle zwei Monate in die Stadt um Stoff, Vorräte oder Werkzeug zu besorgen. Meist wurde eine Handvoll Elfen losgeschickt, die entbehrlich waren. Sie kauften reichlich ein, damit es so lange wie möglich reichte. Sie lebten lieber abgeschieden in ihrem kleinen Dorf. Arlinn hatte das Dorf noch nie verlassen. Sie lebte quasi seit ihrer Geburt hier. Sie hätte so gerne die Welt da draußen kennen gelernt. Aber sie war unentbehrlich, sie war eine Heilerin und außerdem ein Lehrling. Denen wurde nicht viel erlaubt. Sie hatten gefälligst zu lernen und den Älteren zu gehorchen. Arlinn fiel es leicht sich zu fügen, doch manchmal wünschte sie sich, sie könnte durchs Land reisen, sich irgendwo niederlassen und die Menschen dort heilen. Und eines Tages heiraten und Kinder bekommen und ihr Wissen an sie weitergeben. Aber sie hatte noch viel zu lernen. Sie lernte von ihrer Mutter seit sie vierzehn war und nun war sie achtzehn. Ihre Mutter hatte sechs Jahre gebraucht um so eine gute Lebenshüterin zu werden. Sie war eine der Besten. Aber bei ihrer Tochter hatte sie festgestellt, dass diese viel Talent hatte und ein Jahr weniger brauchen würde, um die Ausbildung zu vollenden. Lebenshüter heilten nicht nur, ihre Gabe war komplexer. Sie nahmen die Lebenskraft eines Kranken oder Sterbenden in sich auf, nährten sie mit ihrer eigenen und bewahrten ihre Patienten so vor dem Tod. Lebenshüter konnten einen Tod hinauszögern, um genug Zeit zum Heilen zu haben, oder ihn beschleunigen, um jemanden von seinem Leid zu erlösen. Sie durften nicht leichtfertig mit ihren Kräften umgehen und durften, ohne den Wunsch ihres Patienten zu kennen, nicht handeln. Wünschte sich jemand zu sterben, erfüllten sie ihm seinen Wunsch, wollte jemand leben, taten sie für ihn was in ihrer Macht stand. Konnte der Verletzte oder Sterbende nicht selbst entscheiden was er wollte, oder es nicht aussprechen, galt es auch, wenn ein Familienangehöriger die Entscheidung für ihn traf. Sollte der Patient mit der Entscheidung nicht zufrieden sein, konnte er sie rückgängig machen. Im Falle der Sterbehilfe, ging das natürlich nicht. Lebenshüter konnten keine Toten zum Leben erwecken. Es war eine gewaltige Verantwortung, die die Lebenshüter zu tragen hatten. Und es mochte grausam klingen, dass sie den Tod herbeiführten, wenn man sie darum bat, aber der Tod war allgegenwärtig und durfte nicht zu oft umgangen werden. Natürlich taten die Lebenshüter alles, um Leben zu retten und zu erhalten, aber sie konnten es nicht verantworten zu viele dem Tod ein Schnippchen schlagen zu lassen und sie quasi ewig leben zu lassen. Nur eine schwere Verletzung oder Gift konnte Elfen töten. Umgingen sie beides, konnten sie sehr lange leben. Aber Lebenshüter konnten nicht alles heilen. Wäre es so, gäbe es den Tod fast nicht mehr. Depressionen zum Beispiel konnten sie nicht heilen. Zerfetzte oder abgetrennte Körperteile zu heilen war für sie unmöglich. Auch konnten sie einem Blinden nicht das Augenlicht zurückgeben. Manche Dinge konnte man einfach nicht rückgängig machen. Lebenshüter konnten bei sehr starken Blutungen, Wunden, Kratzern, Krankheiten, Knochenbrüchen und Fleischwunden helfen. Organe zu heilen bereitete ihnen kaum Schwierigkeiten, solange sie noch halbwegs funktionierten. Sie konnten Schmerzen verschwinden lassen und ihre Patienten in einen tiefen, erholsamen Schlaf versetzen. Dazu mussten sie etwas Lebenskraft des Verletzten oder des Kranken anzapfen. Nahmen sie zu viel, konnte der Betroffene sterben. Lebenshüter mussten schwere Entscheidungen treffen und den Regeln der Moral und gemäß ihrem Schwur, alles mögliche für die Erhaltung eines Lebens zu tun, ohne das natürliche Gleichgewicht zu stören, handeln. Erst das zeichnete gute Lebenshüter aus und ihre innere Kraft. Je stärker ein Lebenshüter körperlich und psychisch war, und je mehr Magie er besaß, desto besser und schneller konnte er heilen. Manche hatten schon versucht, Tote wieder zum Leben zu erwecken, hatten dafür jedoch mit dem Leben bezahlt. All das ging Arlinn durch den Kopf, während sie ziellos umherging. Bald wäre ihre Ausbildung abgeschlossen. Und dann würde sie sich mit all dem befassen müssen. Ein wenig graute ihr davor. Doch die Worte ihrer Mutter hatten ihr Mut gemacht. Sie war noch immer in Gedanken versunken, als hinter ihr plötzlich eine helle Stimme rief: „Arlinn! Warte auf mich!“ Das Mädchen drehte sich um und lächelte leicht. Ein schlankes Mädchen mit blonden Locken, zart rosigen Wangen und funkelnden grünen Augen kam auf sie zugetrabt. Auch sie lächelte und blieb etwas außer Atem bei Arlinn stehen. „Hallo Jerèna. Hast du auch Pause?“, begrüßte diese die blonde Elfe, die nickte, dass ihre Locken hüpften. „Ja, endlich. Noch so eine Geschichte darüber von einem Kapuzenmann verfolgt und umgebracht zu werden, und ich wäre durchgedreht“, stöhnte Jerèna und verdrehte die Augen. Arlinn sah sie erschrocken an. „Was? Jemand ist getötet worden?“ „Nein, natürlich nicht, Dummchen. Das sind die Träume die ich fast jeden Tag zu hören bekomme“, erklärte ihr Gegenüber seufzend. Jerèna war der Lehrling einer Traumdeuterin. Sie saß meistens nur bei ihrer Lehrmeisterin und lauschte den Leuten, die zu Merala kamen, half ihr beim Anrühren von Tränken und Schlafmitteln, dem Herstellen von Traumfängern, las in den Lehrbüchern und beruhigte die Leute, die Angst davor hatten Merala in ihr Unterbewusstsein einzulassen. Außerdem hatten Traumdeuter Visionen, die ihnen über ihre Träume geschickt wurden, sie konnten das Unterbewusstsein kontrollieren, wenn sie wollten, dass jemand seine tiefsten Ängste verriet oder sie hatten die Möglichkeit Alpträume oder angenehme Träume zu schicken. Dazu gab es Rituale die jedoch nur ausgebildete Traumdeuter ausführen durften, was Jerèna ärgerte. Sie fand sie war schon alt genug um ein Ritual durchführen zu können. Merala jedoch weigerte sich es ihr jetzt schon beizubringen. Arlinn wusste wie enttäuscht ihre Freundin war, ging es ihr doch nicht anders. „Ja, und mich nervt es, immer nur kleine Verletzungen heilen zu dürfen. Na gut, heute durfte ich zum ersten mal einen Knochenbruch heilen…“ „Du glückliche!“, rief Jerèna neiderfüllt aus und seufzte dann übertrieben was Arlinn schmunzeln ließ. „Ich will endlich ein Ritual durchführen“, nörgelte das blonde Mädchen weiter und blickte so niedereschlagen drein, dass Arlinn lachen musste. „Also ich fände es unheimlich in anderer Leute Köpfe zu tauchen und ihnen Alpträume zu bereiten“, meinte Arlinn. Jerèna winkte ab. „Nicht nur. Wir können ihnen auch schöne Träume schicken und sie kontrollieren. Leider ist das verboten!“ Bei den letzten Worten zeichnete sich Bedauern auf ihrem Gesicht ab. „Ja, stell dir nur vor, was du alles von jemandem verlangen könntest!“, schwärmte Arlinn ihr vor und die Freundin seufzte noch einmal. „Aber es wäre auch unheimlich, würde ich während eines Alptraums in das Unterbewusstsein eindringen, dann würde ich ihn hautnah miterleben. Gruselig“, sagte Jerèna nach ein paar Augenblicken. Die Lebenshüterin nickte zustimmend. Jetzt fand sie das Leben als Lebenshüterin nicht mehr ganz so schwer und sie war erleichtert, dass sie nicht die Einzige war, die ungeduldig auf das Ende ihrer Ausbildung wartete, sondern sich auch vor ihr fürchtete. Die beiden Mädchen hatten sich, als sie ihre Lehre angefangen hatten, und sich zum ersten Mal begegnet waren, sofort gut verstanden. Die fröhliche, manchmal zerstreute, stets gut gelaunte Jerèna hatte Arlinn zum Lachen gebracht und war ihr sympathisch. Auf der anderen Seite bewunderte Jerèna die Freundin für ihre Ruhe und scheinbare Ausgeglichenheit. Sie konnte schwer den Mund halten und Arlinn fiel es schwer einfach drauf los zu plappern. Jerènas offene, fröhliche Art, half Arlinn etwas, aus sich herauszugehen. Ihre Schüchternheit und Jerènas Fröhlichkeit, glichen sich wunderbar aus. „Ich will endlich mal etwas anderes machen als Merala zuzuhören und Traumfänger zu basteln!“, schnaubte Jerèna und verschränkte trotzig die Arme. Arlinn musste ihr zustimmen. Seit vier Jahren tat sie nichts anderes, als zu üben ihre Magie zu kontrollieren und Schnittwunden und Prellungen zu heilen. Sie fand, sie war schon reif genug um schwerere Verletzungen zu heilen. Die Mädchen tauschten einen Blick und die eine schien genau zu wissen, was die andere dachte. Jerèna zog eine Augenbraue hoch und kicherte: „Wir werden wohl zu bösen Mädchen! Wir müssen es heimlich machen.“ Arlinn zuckte nur die Schultern und lächelte. Die Freundin grinste fröhlich und deutete dorthin wo ein Wald das Ufer des Sees säumte. „Heute Nacht, wenn alle schlafen.“ Die Lebenshüterin nickte zustimmend und die beiden Mädchen verabschiedeten sich voneinander.
Kapitel 2
Unruhig wälzte Arlinn sich auf ihrer Strohmatratze hin und her und lauschte den leisen Atemzügen ihrer Mutter. Sie starrte an die Zeltdecke und fragte sich, ob alle schliefen. Nervös zupfte sie an ihrer Decke herum und fragte sich, ob sie nach draußen schleichen und nachsehen sollte, ob noch Licht in einem der Zelte brannte. Sie rang mit sich, lag da, erhob sich halb und ließ sich wieder zurücksinken. Sie wusste nicht, wie lange sie abgewogen hatte, als sie plötzlich leise Schritte vor dem Zelt hörte. Ihr Herz begann zu klopfen. Mit geschlossenen Augen lauschte Arlinn und schluckte, als erneut Schritte zu hören waren. Sie hielt den Atem an, als es wieder still war. Sie wartete darauf, dass jeden Moment die Zeltplane zurückgeschlagen würde und jemand das Zelt betrat. Sie schaffte es gerade noch einen Aufschrei zu unterdrücken, als plötzlich eine Stimme hinter ihr flüsterte: „Wach auf, du Schlafmütze!“ Langsam atmete Arlinn aus, als sie Jerènas Stimme erkannte. „Ich schlafe nicht!“, zischte sie so leise sie konnte zurück. „Dann komm. Alle schlafen schon!“ „Gut.“ Langsam und vorsichtig schälte sie sich unter ihrer Decke hervor, warf einen schnellen Blick auf ihre Mutter und als diese sich nicht rührte und weiterhin ruhig weiteratmete, stand sie ganz auf, schnappte sich ein dunkles Bündel und verließ lautlos das Zelt. Jeréna begrüßte sie mit einer kurzen Umarmung, dann winkte sie der Freundin ungeduldig ihr zu folgen. Arlinn nickte und schlängelte sich zwischen den Zelten hindurch. Immer wieder sah sie sich um, ob nicht irgendwo doch ein Licht in einem der Zelte aufleuchtete. Doch alles blieb dunkel. Arlinn fühlte sich einerseits schuldig, verspürte aber auch Euphorie und Ungeduld. Sie wollte es endlich wissen. Auf dem Dorfplatz blieben sie stehen. Nervös blickten die Mädchen sich um. „Wir werden doch jetzt nicht kneifen?“, flüsterte Jeréna. Sie klang halb hoffnungsvoll, halb drohend. „N…nein. Nein das werden wir nicht“, erwiderte Arlinn stockend. Jeréna schluckte, und nickte. Hier sollte es geschehen. Arlinn zuckte zusammen, als sie die am Boden kniende Gestalt sah. Erschrocken wandte sie sich an Jeréna die hilflos mit den Schultern zuckte. „Er hat unser Gespräch heute Mittag mit angehört und lässt es sich nicht mehr ausreden uns zu helfen“, erklärte sie. Arlinn kniete sich neben die Gestalt. Es war ein junger Mann, vielleicht Mitte zwanzig. Unter seinen Augen befanden sich dunkle Augenringe, als hätte er nächtelang nicht geschlafen, das Gesicht sah müde aus und war bleich. Arlinn sah wie er auf etwas in seinem Schoß hinabsah; ein kleines Bündel, das Arlinn erst auf den zweiten Blick als junges Mädchen erkannte. Als der Mann aufblickte, glänzten Tränen in seinen Augen. „Bitte, ihr müsst mir helfen. Meine kleine Tochter…“ Er brach ab; konnte offenbar nicht weitersprechen. Arlinn wartete geduldig. „Ich habe mit angehört, wie ihr über eure Ausbildung geredet habt. Das ihr Gutes tun und lernen wollt. Bitte, helft meiner Tochter. Damit würdet ihr mir sehr helfen und könntet etwas wirklich Gutes tun.“ Arlinn sah den Mann zweifelnd und mit einem mulmigen Gefühl an. „Ich… ich glaube, wir haben uns da in etwas verrannt… unsere Ausbildung ist noch nicht abgeschlossen und…“ Sie wollte sich erheben, doch der Mann hielt sie mit festem, aber keinem schmerzhaften Griff zurück. „Bitte, ihr habt nichts zu verlieren. Ich will meiner Tochter und euch doch nur helfen.“ Zögernd setzte Arlinn sich wieder. Jeréna gesellte sich zu ihr. „Was ist denn mit deiner Tochter?“, fragte die Lebenshüterin. Der Mann senkte den Kopf und drückte das kleine Kind beschützend an sich. „Sie hat sich gestern beim Spielen im Wald mit Pilzen vergiftet. Wir haben ihr gesagt, dass sie niemals alleine Pilze sammeln oder essen darf… Ihr großer Bruder hat nur eine Minute nicht aufgepasst, da hatte sie die Pilze schon gegessen“, erzählte der Vater leise. Arlinn spürte, dass er sich Vorwürfe machte. Sie wusste nicht was sie sagen sollte. „Wart ihr bei einem Lebenshüter?“, wollte Jeréna wissen. Der Mann nickte. „Sie können nichts tun, das Gift ist zu stark.“ Arlinn biss sich auf die Unterlippe. „Und was können wird für Sie tun?“, wollte sie vorsichtig wissen. Er hob den Kopf und blickte ihr in die Augen; die Tränen waren verschwunden. „Erlöst sie von ihren Qualen. Schenkt ihr ein schnelles Ende. Sie soll nicht mehr leiden.“ Arlinn tauschte einen erschrockenen Blick mit Jeréna und protestierte: „Warum kommen Sie damit zu uns? Es gibt doch viel bessere…“ „Weil es mich freuen würde, wenn ich euch helfen kann, eure Fähigkeiten zu trainieren. Und die Obersten haben es ihnen verboten. Sie sagen, dass wir schuld am Leid unserer Tochter sind, weil wir nicht auf sie achtgegeben haben, und jetzt dafür büßen müssen. Sie sagen, wenn die Lebenshüter uns helfen würden, würden wir die Unausweichlichkeit und die Bedeutung des Todes nicht erkennen und außerdem sagten sie, die Lebenshüter seien keine Wunderheiler und sie wollen ihre Leben nicht aufs Spiel setzen. Wer dennoch versucht uns zu helfen, dem wird die Erlaubnis zum Ausüben seines Berufes genommen und er darf nicht mehr heilen. Du bist noch keine Lebenshüterin; dir können sie es nicht verbieten.“ Arlinn schwieg daraufhin. Jeréna mischte sich ein. „Und was habe ich damit zu tun?“ „Ich will, dass du sie beruhigst, ihr die Angst nimmst. Sie ablenkst.“ Jeréna nickte zögernd. Arlinn holte tief Luft und fragte schließlich: „Ist die Familie damit einverstanden? Will die Kleine es überhaupt?“ Der Mann blickte auf seine kleine Tochter hinab, die ihn aus großen Augen ansah und wimmerte. Arlinn beugte sich zu dem Kind, strich ihm über die schweißnasse Stirn. „Willst du, dass die Schmerzen aufhören, Liebes? Sollen wir dich einschlafen lassen?“ Jedes Kind wusste, dass die Lebenshüter Sterbehilfe leisten konnten und es nicht schmerzte und sanft vonstatten ging. „Ja“, wisperte die Kleine und verzog das Gesicht, als eine Schmerzattacke sie schüttelte. Es dauerte ein paar Augenblicke bis der Schmerz nachließ und ein Lächeln erschien auf dem Gesicht des Mädchens, als es sagte: „Dann sehe ich Großmutter und meine kleine Schwester wieder.“ Arlinn traten Tränen in die Augen und sie schluckte gegen den harten Kloß in ihrer Kehle an. „Gut, Kleines. Bald wirst du keine Schmerzen mehr haben.“ Der Vater der Kleinen blickte das Mädchen voller Dankbarkeit an und küsste seine Tochter erleichtert auf die Stirn. Jeréna hatte schon begonnen, die benötigten Utensilien für das Ritual aufzubauen. Sie verteilte graue Kerzen im Kreis um die drei Gestalten, die am Boden saßen. Sie zündete die Kerzen an, kramte ein dreibeiniges, kurzes Gestell und eine gläserne Schale aus ihrem Bündel. Arlinn hob eine Augenbraue. „Wie hast du das alles unbemerkt mitnehmen können?“ „Merala hat einen gesunden Schlaf“, erwiderte Jeréna trocken und stellte die Schale in das Gestell. So ernst hatte Arlinn die Freundin noch nie gesehen. Die Traumdeuterin holte eine kleine Karaffe mit Korkenverschluss hervor und öffnete sie. Sie goss deren Inhalt, der wie gewöhnliches Wasser aussah, in die Schale. Auf fragenden Blick ihrer Freundin hin, erklärte sie: „Ein besonderes Öl. Geheimrezept.“ Die Freundin nickte. Jeréna wandte sich an das Mädchen, das nach einer weiteren Schmerzattacke ruhig dalag. „Welchen Duft magst du, Kleines?“ „Apfel.“ Jeréna holte mehrere dünne Stäbchen hervor und legte sie neben sich auf den Boden. Ein kleines Buch legte sie sich auf den Schoß und schlug ein paar Seiten um, ehe sie innehielt und zu Arlinn aufsah. „Wenn ich es dir sage, können wir anfangen.“ Die Lebenshüterin nickte nur und wartete. Jeréna las mehrmals die aufgeschlagene Seite, schloss die Augen, murmelte vor sich hin und nickte schließlich zufrieden. Sie erhob sich, hielt die dünnen Stäbchen an eine der Kerzenflammen und trug sie zur gläsernen Schale zurück. Der Duft nach frischen Äpfeln durchzog die Luft. Jeréna legte die Stäbchen in das Öl. Sie verbreiteten weiter ihren Duft und selbst das leichte Glimmen an ihrem Ende erlosch nicht. Dünne, duftende Rauchfäden kräuselten sich in die Luft. Arlinn sah, wie ihre Freundin sich entspannte, tief durchatmete. Sie winkte dem Mann, zu ihr zu kommen. Als er sich neben sie gekniet hatte, legte sie dem Kind eine Hand auf die Stirn. „Entspanne dich. Schließe die Augen. Denk an etwas Schönes“, murmelte Jeréna. Das Mädchen schloss die Augen; ihre Augenlider zuckten unruhig. Jeréna blickte in die Schale, sah träge dabei zu, wie der Rauch in die Luft stieg. Dann schloss sie die Augen. Arlinn zuckte ein wenig zusammen, als ihre Freundin plötzlich anfing in einem seltsamen Singsang zu sprechen. Die Worte waren ihr fremd, der Rhythmus schien dem ihres Herzschlages zu folgen. Während sie den Singsang fortsetzte, strich Jeréna über die Stirn des Mädchens. Plötzlich spannte sie sich an, unterbrach ihren Singsang jedoch nicht. Sie entspannte sich wieder. Das kleine Mädchen, das eben zusammengezuckt war, lächelte plötzlich und murmelte: „Großmutter… Mina.“ Ihr Vater schien seltsam losgelöst und entspannt. Das musste Jerènas Werk sein. Die Traumdeuterin murmelte jetzt leise vor sich hin, ihre Augen bewegten sich unter den geschlossenen Lidern ruhelos. Arlinn zuckte zusammen, als Jeréna sie plötzlich zu sich winkte. Es war soweit. Die Lebenshüterin setzte sich neben das Mädchen und legte ihm die Hände auf die Brust. Schwach spürte sie den Herzschlag, spürte den kalten Körper. Arlinn schloss die Augen, ließ alle Barrieren fallen und sandte ihre warme, weiche Magie in den Körper des Mädchens. Der Schmerz traf sie mit voller Wucht. Ein bohrender, stechender Schmerz, bohrte sich qualvoll in ihr Bewusstsein; ihr wurde übel. Sie hörte das Mädchen wie aus weiter Ferne wimmern. Der kleine Körper unter ihren Händen erschauerte. Plötzlich zerriss etwas in Arlinn. Sie konnte das Mädchen doch nicht einfach sterben lassen… das hatte es nicht verdient… Sie holte tief Luft, konzentrierte sich auf das Pulsieren in ihrem Innern, warf sich dem Schmerz entgegen, der ihr die Luft raubte. Sie umhüllte die beschädigten Organe des Mädchens, stärkte ihr schwaches Herz, versuchte das Gift aus ihrem Körper zu vertreiben. Sie spürte es wie erstickenden Rauch, der ihre Sinne vernebelte. Spürte wie es aggressiv durch den Körper des kleinen Mädchens wütete. Arlinn biss die Zähne zusammen und nahm den ganzen Schmerz in sich auf. Es zerriss sie fast. Sie wand sich vor Qual, zog ihre Magie nicht zurück, richtete sie auf das tödliche Gift. Der Schmerz erreichte seinen Höhepunkt, Arlinn hörte sich selbst und das kleine Mädchen vor Schmerz aufschreien. Etwas in ihr zerriss, es brach sich mit einer Wucht Bahn, wie wenn ein straffer Knoten platzte und überflutete den Körper des Mädchens. Arlinn spürte wie der Schmerz wich, das Gift wurde schwächer, seine Essenz verschwand… und ihre Kräfte schwanden. Arlinn sah es hinter ihren Lidern grell aufblitzen, sie riss die Augen auf, sah wie Jeréna mit schreckgeweiteten Augen vor sich hinsah. Ein blaues Leuchten schien aus ihrem Körper zu entweichen. Das grelle Leuchten kam von ihren Hände, wie Arlinn mit einem Blick nach unten feststellte. Mit einem Keuchen riss sie ihre Hände vom Körper des Mädchens und riss ihre Magie förmlich zurück. Verschwommen sah sie, wie Jeréna den Kopf mit den Händen umklammerte und bewusstlos zu Boden sank. Eine Welle der Erschöpfung überschwemmte Arlinns Körper, ihr Herz krampfte sich zusammen und sie verlor das Bewusstsein.
18 Jahre zuvor
Die Dunkelheit war das schlimmste. Und die Einsamkeit. Sie war ganz allein. Sie fragte sich, warum es so still war. Waren die Tiere des Waldes geflohen oder stumm vor Entsetzen über das was sich soeben zugetragen hatte? Mejra hatte Angst. Angst, dass die Männer zurückkommen würden, was ohne ihre Eltern aus ihr werden sollte, wie sie alleine im Wald überleben sollte. Sie wusste nicht einmal, wie man ein Feuer machte. Das Mädchen sah hinaus in den monderhellten Wald. Sie konnte ihre Eltern doch nicht einfach so liegenlassen. Sie verdienten zumindest ein ordentliches Grab. Nur hatte Mejra nichts um ein Grab auszuheben. Vielleicht wäre es das Beste, sich neben die Eltern zu legen und ihnen ins Totenreich zu folgen. Ihre Eltern hatten nicht gewollt, dass die Männer sie lebend bekamen. Schon wollte sie ihrem Leben mit dem Dolch, der im Gürtel ihres Vaters steckte, ein Ende bereiten, als ihr einfiel dass sie an allem Schuld war. Sie war Schuld, dass ihre Eltern nicht mehr lebten. Sie musste es wieder gutmachen, musste ihre Eltern rächen. Danach wäre es nur gerecht, wenn sie auch starb, schließlich war sie an allem Schuld. Ab diesem Moment lebte Mejra nur noch für die Rache. Obwohl sie noch so jung war, verstand sie dennoch, dass die Männer, die sie verfolgt hatten, sie für gefährlich hielten und sie deshalb töten wollten. Und ihre Eltern hatten mit dem Leben bezahlt, weil sie ihnen nicht das Gegenteil bewiesen hatte. Trotzdem könnten sie noch hinter ihr her sein. Sie musste sich verstecken, aber zuerst musste sie ihre Eltern begraben. Mejra verließ vorsichtig und die Kapuze über den Kopf gezogen die Höhle. Es war immer noch alles unnatürlich ruhig. Langsam ging sie zu den beiden Leichen. Mejra bemerkte, dass die Hände der beiden ineinander verschlungen waren. Sie schauderte, denn sie war sich sicher gewesen, dass dies vorhin nicht so gewesen war. Sie sah sich gerade nach etwas um, mit dem sie ein Grab ausheben könnte, als sie Schritte hörte. Sie riss den Dolch an sich und verbarg sich hinter einem dicken Baumstamm. Ihr dunkler Umhang verbarg sie. Sie sah vier Männer neben die Leichen treten. Zwei von ihnen trugen Bögen, zwei schlichte Roben, wie die von Rayk. „Sie ist wie vom Erdboden verschluckt“, meinte der eine der beiden Bogenschützen. Mejra wusste sofort, dass sie gemeint war. „Nun, da sie ihre magischen Fähigkeiten nicht mehr hat, kann sie auch keinen Schaden mehr anrichten. Dennoch müssen wir sie töten, damit sie ihre Kräfte nie wieder zurückerlangt“, erwiderte der linke Magier. „Was ist mit der magischen Essenz? Wir müssen sie getrennt aufbewahren, da sie sonst zu mächtig wird. Aber sie ist in der Luft verpufft. Sie hat ihre Reise bereits begonnen.“ „Sie darf nicht in die falschen Hände geraten, sonst war alles umsonst. Und das Mädchen ist gefährlich; sie darf niemals ihre Kräfte wiedererlangen. Wir müssen dafür sorgen, dass sich so etwas nicht wieder wiederholt. Wir müssen eine Grenze errichten.“ Mejra verstand nicht, worüber diese Männer redeten, sie wusste jedoch, dass sie niemals aufhören würden sie zu suchen. Mejra umfasste das Amulett um ihren Hals fester, spürte die schwache Magie darin und die Kühle des silbernen Dolchgriffs. Die Zeit für ihre Rache war gekommen. Leise und vorsichtig schlich sie sich näher an die Männer heran, die weiter in ihr Gespräch vertieft waren. Als sie nur noch wenige Schritte vom ersten Bogenschützen entfernt war, stieß sie einen Wutschrei aus und bevor der Mann sich auch nur rühren konnte, warf sie den Dolch, er traf mitten ins Herz. Voller Befriedigung sah sie zu, wie einer der Mörder ihrer Eltern zu Boden sank. Danke Rayk, dachte sie traurig. Mejra stürzte sich auf den zweiten Bogenschützen, als einer der Magier die Hand hob und eine unsichtbare Faust sie zu Boden warf. Die Luft wurde ihr schmerzhaft aus der Lunge gepresst und sie blieb benommen liegen. Sie hörte, wie Schritte sich näherten und betete, dass er sie schnell töten möge. Doch bevor der zweite Magier sie erreicht hatte, ging ein Ruck durch seinen Körper; eine schwarze Klinge ragte aus seiner Brust und er fiel leblos zu Boden, als die Klinge mit einem Ruck herausgerissen wurde. Mejra blickte in das Gesicht einer jungen Frau. Schwarzes, gewelltes Haar umrahmte ihr blasses Gesicht, rostbraune Augen musterten sie. Die Fremde trug eine schwarze, kompakte Lederrüstung und ein Langschwert in der Hand. Das alles registrierte Mejra bevor die Frau sich herumdrehte und dem verbliebenen Bogenschützen das Schwert in den Leib rammte. Der Magier, der Mejra umgeworfen hatte, rief ein Wort in einer weichen Sprache und richtete beide Handflächen gegen die Frau. Diese stieß ein heiseres Lachen aus, das Mejra schaudern ließ und hob ihr Schwert. Es blitzte im Mondlicht grell auf und warf den Zauber, ohne dass er es auch nur berührt hatte, zurück. Das Leuchten breitete sich um das Schwert aus, wie ein Schild. Der Magier sank kopflos zu Boden als sein eigener Zauber ihn traf. Das Geräusch des auf den Boden aufschlagenden Körpers und Mejras keuchender Atem durchbrachen die grauenhafte Stille. Die Kriegerin ließ ihr Schwert in die Scheide gleiten, wandte sich dem Mädchen zu und streckte die Hand nach ihr aus. Mejra schrak zurück und stieß ein ängstliches Wimmern aus. „Ich habe dir das Leben gerettet. Du kannst mir vertrauen.“ Zögernd ergriff Mejra die dargebotene Hand. Sie hatte ihre Rache bekommen und mehr als sterben konnte sie nicht…
Laute Stimmen weckten Arlinn. Nur langsam tauchte sie aus der tiefen Ohnmacht auf. Sie blieb mit geschlossenen Augen liegen und lauschte. Erschrocken riss sie die Augen auf, als sie erkannte, dass sie Schreie hörte. Ruckartig setzte Arlinn sich auf, was sie sofort bereute, denn ihr schwirrte der Kopf. Arlinn merkte, dass es tiefe Nacht war, sie in einem der Krankenzelte lag und sie nur ein Nachthemd trug. Sie erhob sich vorsichtig und ging langsam zum Zeltausgang. Noch bevor sie die Zeltklappe zurückschlagen konnte, wurde sie von draußen aufgeschlagen. Arlinn schrie leise auf und taumelte vor Schreck zurück. Dann spürte sie eine warme, weiche Hand an ihrem Arm und dann hörte sie die Stimme ihrer Freundin: „Schnell! Wir müssen von hier verschwinden!“ „Was?...“ Noch bevor Arlinn eine Frage stellen konnte, warf Jeréna ihr ein Bündel zu und winkte ihr, ihr zu folgen. Arlinn gehorchte automatisch und warf sich noch schnell ihren Umhang über, der auf einem Stuhl neben dem Bett gehangen hatte. Sie traten in die laue Nachtluft hinaus. Jeréna drückte schmerzhaft Arlinns Hand, als diese ein entsetztes Wimmern ausstieß. Es herrschte das pure Chaos. Lebenshüter und Traumdeuter eilten hin und her, mit blutverschmierten Händen, flüchtend, die Männer mit Knüppeln und Äxten bewaffnet. Frauen mit ihren Kindern an den Händen oder auf den Armen, die Späher und der Gefängniswärter hielten sich mehrere Angreifer mit Schwertern vom Leib. In dem ganzen durcheinander versuchte Arlinn das Zelt ihrer Mutter zu finden und wollte sich auf die Suche begeben, doch Jeréna hielt sie eisern fest. „Bist du lebensmüde? Du kannst doch nicht einfach da hineinrennen!“, schrie sie die Freundin an, die sich weinend wehrte. „Aber meine Mutter!...“ „Ich weiß“, erwiderte Jeréna mitfühlend und schluckte. Ihre Mutter war vor vielen Jahren gestorben und Merala war nicht nur ihre Lehrmeisterin sondern auch Mutter geworden. „Ich mache mir auch Sorgen um Merala, aber die Ältesten haben gesagt wir sollen fliehen.“ „WAAS? Sie wussten davon? Und haben uns nicht gewarnt?“ Arlinn packte ihre Freundin bei den Armen und starrte sie fassungslos und aus tränenfeuchten Augen an. „Ich erkläre es dir später! Los komm, wir müssen zum See!“ Verwirrt drückte Arlinn ihr Bündel an die Brust und rannte ihrer Freundin hinterher, die sich hacken schlagend einen Weg durch die Kämpfenden und flüchtenden bahnte. Arlinn versuchte auszumachen ob ihre Mutter unter den flüchtenden war, aber es herrschte zu viel Gedränge. Jeréna zerrte sie hinter sich her, als Arlinn stolperte und hinfiel. Die Lebenshüterin fühlte sich etwas wackelig auf den Beinen, zwang sich aber weiter zu rennen. Arlinn hörte einen allgemeinen Aufschrei und drehte sich im laufen um. Was sie sah ließ sie schockiert im laufen innehalten: Die Zelte brannten. Flammen leckten an den zusammengefallenen Zelten empor, Rauch kräuselte sich in die Luft und es roch schwer nach verbranntem Holz und Leinen. Das Geschrei der kämpfenden Männer, schreiende Kinder, gemurmelte Heilformeln und Waffengeklirr vermischten sich zu einem nervenaufreibenden Chor, der Arlinn fast um den Verstand brachte. Das prasseln der Flammen und das Zischen als einige Elfen versuchten es mit Wasser zu löschen… Blut das den Boden tränkte, reglose Gestalten die im Staub lagen, verletzte die hilflos dalagen oder zu flüchten versuchten… Arlinn schloss kurz die Augen, wirbelte auf dem Absatz herum und prallte gegen einen harten Brustkorb. Benommen stolperte sie eine Schritt zurück und starrte in das bärtige Gesicht eines Mannes. Dieser schien sich schneller zu fangen als das Mädchen, denn er lächelte boshaft und hob das Schwert. Der Knauf sauste auf die Schläfe des Mädchens zu… und wurde von einer anderen Klinge abgeblockt. Eine große schlanke Gestalt hebelte mit einer eleganten Bewegung, dem Feind das Schwert aus der Hand, trat ihm sofort nach und hieb nach seinem Brustkorb. Der Bärtige stieß einen Schmerzensschrei aus, als die Klinge seine Haut aufritzte. Der Fremde stieß blitzschnell zu und durchbohrte den Soldaten. Arlinn starrte auf das Blut, das aus der Wunde lief. Obwohl sie ihrer Mutter schon oft beim Heilen zugesehen und oft Blut gesehen hatte, wurde ihr übel. Ihre Beine fingen an zu zittern und die Welt schwankte. Kalter Schweiß bedeckte ihre Stirn; die Beine knickten ihr weg. Doch statt auf dem Boden zu landen, wurde sie von zwei Händen sanft gepackt und aufrecht gehalten. „Geht es, Mädchen?“, fragte der Mann vor ihr, der eben noch mit tödlicher Eleganz das Schwert geschwungen hatte, mit sanfter Stimme. Arlinn nickte leicht, schien aber nicht besonders überzeugend zu sein, denn der Mann schnaubte und ging in die Hocke. Als Arlinn nur dastand, lachte er leise und erklärte leicht spöttisch: „Los Mädchen, ich kann dich schlecht auf den Armen tragen und dir die bösen Buben vom Leib halten!“ Arlinn wurde rot und schmiegte sich verlegen an den Rücken ihres Retters. Als dieser sich mit einem Ruck erhob, schlang sie ihm hastig die Arme um den Hals. Der Ritter ächzte und keuchte: „Willst du mich erwürgen, Mädchen? Ist das der Dank für deine Rettung?“ Obwohl er halb scherzhaft gesprochen hatte, entschuldigte Arlinn sich zerknirscht.