Krimis & Thriller
Der Tod der Kritikerin Teil XXIII.

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"Der Tod der Kritikerin Teil XXIII."
Veröffentlicht am 20. März 2013, 12 Seiten
Kategorie Krimis & Thriller
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Der Tod der Kritikerin Teil XXIII.

Der Tod der Kritikerin Teil XXIII.

Im Präsidium

„Ich möchte die nächste gute Stunde nicht gestört werden“, sagt der Kommissar beim Durchgehen hin im Sekretariat zu seinem Büro weiter hinten.

„Ist klar!“, antwortet die keinen Moment den Kopf von ihrer Unterlage gebeugte Sekretärin. Merkwürdig, sieht eher aus wie eine Putzfrau denn eine Bürodame mit ihrem zersausten Haar und ihren vielfältigen Furchen im Gesicht. Das kann nur an diesen harten Job liegen: randalierende Besoffene, maulende Spießbürger, sich wichtig tuende Stadträte und soweiter.

 

Ich weiß nun Bescheid, wie der Kommissar über mich denkt. Als Mörder der Kritikerin erscheine ich ihm ominös. Dazu passt nur  zu gut die unglücklichen Umstände des Grillbrandes und dessen unbeabsichtigte schreckliche Folge, der Tod der Lehrerin. Für diese Tat, leichtfertiger Umgang beim Grillen, würde ich wohl zur Rechenschaft gezogen werden. Totschlag, nicht vorsätzlicher Mord! Meine Verurteilung wird wohl so aussehen: weder Fisch noch Fleisch und angesichts meines Nicht-Vorbestraft-Seins komme ich bei ein bisschen Glück mit ein paar Jährchen davon. Es liegt im Bereich der Wahrscheinlichkeit, dass ich dennoch einsitzen werde.

Und dann? Was ist das wert? Was ist noch von meinem Leben übrig, nachdem ich herauskomme? Von einer Schriftstellerkarriere brauche ich jedenfalls nicht mehr zu träumen.

Anderseits, was schon erörtert, fahre ich wegen Mordes an der Kritikerin ein, dann würde die Brandsache einen anderen Stellenwert bekommen, kurzum als auch als solche erachtet werden: ich hätte einen Doppelmord auf dem Buckel. Die Sache würde Staub aufwirbeln und die notwenige Publicity wäre mir sicher, Mensch, dann bekäme mein Schriftsteller-Dasein erst die nötige Glaubwürdigkeit - aber so.

Ich gerate schwer ins Grübeln.

Je länger ich mich noch mit dem Polizisten unterhalte - besser, dieser sich mit mir, denn ich bin geistesabwesend - schält sich immer mehr die Notwendigkeit heraus, die in einer klaren Vision gipfelt und  die mir den besten Ausweg aus meiner misslichen Lage verkündet. (Moment, komme gleich dazu.) Zuerst ist es nur ein Impuls, sofort verworfen wegen diagnostiziertem Schwachsinn, solch eine Gedanke, aber bald kommt die Gegenreaktion: WARUM NICHT?

Ich schlucke, gestehe ich.

Nun, ich denke: Wenn ich den Polizisten jetzt umbringen würde, wäre es glasklar, dass ich ein ernstzunehmender Mörder und ein solcher Mensch wäre, der seine Schriftstellerei ernst nimmt.

Punktum.

Den Polizisten töten!?

Womit aber?

Natürlich mit dessen Dienstwaffe. Groß und breit genug hängt sie ihm am Gürtel. Ich muss nur zugreifen, nein, aber schnell zufassen, irgendwie den Waffenträger übertölpeln, ein Schlag über den Kopf gezogen, damit er kurz besinnungslos wird und schon bin ich in den Besitz des Todbringers.

Hm.

Klingt gut, klingt einfach, sehr einfach.

Bin ich dazu überhaupt imstande, muss ich mich aber fragen.

Ich zweifele tatsächlich einen langen Moment, bis ich erkenne, dass diese Zögerlichkeit in meinem Mangel an Selbstwertgefühl gründet, dadurch hervorgerufen wird, dass mich meine Umwelt nicht für solch eine konsequente Handlung stark, geeignet und willensstark genug einschätzt. Wenn ich nicht bald etwas unternehme, werde ich zu dem, wie man mich behandelt: ein unglaubwürdiger Schwätzer und Träumer.

Die Zeit läuft.

Tu es, gebiete ich mir.

Die Zeit läuft ab.

Wie soll ich es anstellen? Ich muss vom Rücken des Polizisten her ihn überwältigen können.

Nur wie machen, dass ich hinter diesem zum Stehen komme?

Wollte ich um Austreten bitten, würde man mich geleiten, stets sich mir gegenüber eine Person befinden, niemals würde es dabei eine Gelegenheit geben, hinter dem Rücken des Polizisten oder eines seiner Kollegen zu gelangen.

 

Es klopft gerade an die Tür.

Ich erinnere mich, dass er zur Sekretärin gesagt hat, er wolle die nächste  Stunde unter keinen Umständen gestört werden. Es muss es sich um etwas Dringendes handeln, dass diese an die Tür klopft und unsere Unterhaltung stört. Aber herein traut sie sich auch nicht. Der Polizist steht auf, wendet sich um und geht zur Tür, öffnet diese nur einen Spaltbreit, mit dem breiten Rücken zu mir gekehrt.

Jetzt, denke ich, jetzt ist die Chance da, ein sehr gute Gelegenheit. Die Tür ist schalldicht. Sobald er sie schließt, kann ich ihn übertölpeln, zum Bespiel von hinten meine Arme um seinen ganzen Körper schlingen, damit er blockiert ist. Der Vorteil liegt darin, dass ich ihn nicht niederschlagen bräuchte.

Aber mir graut davor.

Wer weiß, welche Kollateralschäden entstehen? Völlig ungeübt bin ich darin doch, weiß weder wie stark noch wohin ich am geschicktesten und effektivsten schlagen müsste, um einerseits keinen neuen Toten zu produzieren, zumindest so schnell nicht, andererseits aber dann noch nach Aufwachen des Kommissars weiter mit ihm verhandeln zu können.

 

Ich versuche es mit einem Trick. Ja wirklich. Keiner wird es mir glauben. Aber ich begehe diese Provokation, von der sie gleich hören werden, voll bewusst. Natürlich werden viele abwinken, sagen, kennen wir schon, Psychologie-Erstsemester, nichts besonderes. Stimmt! Aber es wird klappen. Das ist das Tollste.

Ich frage also den Polizisten, indem ich richtiggehend mit der Faust auf den Tisch schlage, was in Gottes Namen er überhaupt von mir denkt? Theatralik ist wichtig, aber nur nicht übertreiben.

Er blinzelt mit den Augen, zieht die Brauen zusammen und gibt sich einen Ruck. Ich würde übermütig und größenwahnsinnig werden, zu behaupten, dass dies Zeichen von Angst und Eingeschüchtertheit sind. Aber ein bisschen Respekt tut sich darin schon kund. Zumindest sind seine Lauscher mehr als üblich gespitzt.

Ich schreie nahezu also: „Aha, Sie halten mich wohl für Gaga! Aber das bin ich nicht. Ich entspreche überhaupt nicht dem Bild, das Sie von mir haben. Ich weiß, Sie denken das, was die meisten Bürger über Dichter, Denker und Philosophen so meinen: von denen geht keinerlei Gefahr aus, deren Wut und Frust verpufft auf dem Blatt Papier sozusagen, bei diesen Tintenklecksern, denn, geht bei denen etwas daneben, dann höchstens ein paar Tropfen Tinte von ihrem Füllfederhalter, sonst nichts.“

Pause. Schweigen.

„Stimmt’s nicht?“

Der Polizist ist einfach zu paff, um zu antworten. Außerdem meint der Ton meiner Rede: sag nichts, unterbreche mich nicht - mehr als eine rhetorische Floskel ist das nicht.

„Und wie komme ich darauf, dass Sie so denken?“

Kunstpause.

„Ganz einfach, Sie finden es nicht einmal für notwendig, mir Handschellen umzulegen. Das ist geradezu beleidigend, Herr Ordnungshüter. Sie signalisieren mir damit: der ist es nicht mal wert, dass man Vorkehrungen zur Verhinderung seiner Flucht trifft: Wie wenn ich nicht richtig vollgenommen werden kann. - Andere Menschen können gefährdet sein, wenn ich ausraste, einen Fluchtversuch mache, dabei Geiseln nehme und und und. Aber nein! Muss man aber nicht mit allem rechnen und besonders solchen Menschen alles zutrauen, die ihre Nachbarhäuser in Brand gesteckt haben wie ich? - Geht nicht die Sicherheit des Bürgers über alles? - Aber nein, nicht bei einem Schriftsteller.“

Ich merke, der Polizist macht jetzt eine abwehrende Handbewegung, vielleicht als Einleitung zu einem Gegenrede. Schnell füge ich noch hinzu: „So sieht’s aus!“

Der Polizist ist unterbrochen worden. Gut so.

Sobald er erneut anheben wird, wird er wieder unterbrochen werden. Das muss sein, das muss sogar ein paar Mal sein, jawohl. Ich muss seinen Widerstand anregen, das ist die Strategie.

Bevor er ansetzt, wage ich das Absolute.

„Sehen Sie, Sie würden sogar vor mir die Waffe achtlos auf den Tisch legen und sie liegen lassen, zu ihrem Aktenschrank dort gehen, um einen Leitzordner herauszuholen, ja sogar schnell mal auf den Lokus verschwinden, während die Knarre arglos hier auf dem Tisch liegen bliebe. Sie würden denken: keine Gefahr. Von dem nicht. Das ist der Letzte. Er ist von der Sorte, der keiner Fliege etwas zuleiden tun könnte.“

Wieder setzt er an zu reden.

Ich beuge mich nach unten, drücke den Rücken durch, um so einen zusammengefallenen Menschen mit nahezu einem Buckel zu bilden. Die Absicht ist klar, ich will mich kleiner machen als ich bin, mich unter dem Schicksal gebeugt zeigen, aber um mich schießend, das ja.

„Aber haben Sie denn keine Angst, das ich vielleicht bluffe? Das ich nicht so harmloser als harmlos bin, wie der Anschein vortäuscht? Vielleicht bin ich gar nicht zu bedauern. Bin durchtriebener als sie vermuten? Eine gescheiterte Existenz, das ja. Aber immer noch gefährlich. Möglicherweise gerade deswegen!“

Diese Strategie liegt natürlich wieder allen Hobby-Psychologen eindeutig auf der Hand. Sage etwas in die Richtung, in der in der entgegengesetzten Du eigentlich hinauswillst. Provoziere das Gegenteil dessen, was Du vorgibst anzuprangern. Stiere auf, entfache das Feuer der Vorurteile, unterstelle diese dem Polizisten, auf dass er das Gegenteil bestätigen und zum Eintreten herbeiführen gedrängt wird und es letztendlich tun muss.

Jetzt bin ich also an einem besonders kritischen Punkt angelangt. Denn ich unterstelle ihm nämlich, dass er mich ehrrührig beleidigt. Jetzt muss ganz vorsichtig am offenen Herzen operiert werden, sonst geht daselbige noch Flöten. Also, Vorsicht, vorsichtig, vor...

Und tatsächlich, er, der nicht zu Wort kommt, als Pfiffikus ist er mir doch immer schon erschienen, legt seine Dienstwaffe ab. Zwar nicht auf den Tisch offen hin, für mich leicht zu erreichen, aber er legt sie eher entnervt also demonstrativ, versteht sich, in eine Schublade seines großen Schreibtisches, schiebt dazu eine Lade auf, tut sie hinein und schließt sie wieder.

Ist ihm alles zu viel geworden? Zu bunt geworden? Muss er sich von überflüssigem Ballast befreien? Wahrscheinlich. Mir jedenfalls will er nichts demonstrieren und beweisen, das ist gewiss.

Das ist gut, sehr gut, mehr als ich erhofft habe. Ich rede weiter und weiter, ich weiß gar nicht, was, aber ich durfte jetzt an diese Chance nicht erinnert werden, diese muss ich aus meinen Kopf tilgen, ins hinterste Hinterstübchen schieben, um so instinktiver, zügiger, unbesonnener, unbelasteter, kurzum kaltblütiger zuzupacken, sobald die Gelegenheit da ist. Das ist sehr wichtig. Kopf-Kampf oder so ähnlich nennt das der Amerikaner, nur hier verdeutscht. Das ist jetzt ultrawichtig – nicht den Kopf zu verlieren.

 

 

Buch erhältlich unter:

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