Ziemlich paradox von Matthias März
Das Telefon klingelte. „Ja, guten Morgen, Frau Sanders. Hier ist die Firma Schneemann. Ich muss Ihnen etwas ausrichten.“
„Genau. Letzte Woche hat der Sturm meine Antenne verdreht. Die muss jetzt wieder ausgerichtet werden.“
„Da haben wir das Problem. Unser Monteur ist vorgestern vom Dach gefallen und hat sich beide Arme gebrochen. Damit kann er jetzt nichts mehr ausrichten.“
„Das ist ja sehr ärgerlich. Können Sie mir sagen, wann mein Auftrag jetzt
erledigt wird?“
„Da stehe ich im Moment auf dem Schlauch, das kann dauern.“
„Neulich hat es nebenan gebrannt. Da stand der Feuerwehrmann auch erst auf dem Schlauch. Er hat sich gewundert, dass kein Wasser aus der Spritze kam. Dann hat er es gemerkt, und ist vom Schlauch heruntergegangen.“
„Sehr tragisch. Ich hoffe, wir können Ihnen bald weiterhelfen. Wir haben auch schon Bewerbungen laufen. Einer der Bewerber war vorher Streckenarbeiter bei der Deutschen Bahn, doch dann konnte er seinen Beruf nicht mehr ausüben, weil er Schwellenangst hat. Außerdem hat sich noch jemand
beworben, der eigentlich Elektriker ist. Leider hat er dabei immer keinen Kontakt gefunden.“
„Ich hoffe, Sie finden bald jemand. Sonst müsste ich meinen Anwalt einschalten. Ihm geht es im Moment nicht so gut, weil er nicht klagen kann.“
Ich legte auf. Das frustrierte mich jetzt doch. In meinem Beruf als Reinigungskraft muss man schließlich immer putzmunter sein. Mein Hund bellte, er hatte offenbar Hunger. Ich füllte seinen Napf. Jetzt freute er sich, weil er die Schnauze voll hatte. Ich selber machte mir nur einen Salat, dann bin ich eine eingefleischte Vegetarierin.
Schon wieder klingelte das Telefon. Meine Freundin Beate war dran. „Hallo, Nadine. Wie geht es dir? Hier ist im Moment schlechte Stimmung. Mein Mann ist heute Morgen nicht in den Tritt gekommen, das war für ihn als Radrennfahrer doch ziemlich blöd.“ Ich erzählte Beate von dem Telefonat mit der Firma Schneemann. Beate plauderte weiter: „Ja, dann hat sich noch mein Bruder gemeldet, du weißt ja, er ist jetzt Töpfer. Ich finde, er hat sich diesmal ziemlich im Ton vergriffen. Er hätte weiter Drehorgelspieler bleiben sollen, da hat er sein Geld im Handumdrehen verdient.“
Die Türglocke ging. Das musste die Post sein. Der Briefträger war ziemlich sauer, weil er soviel einstecken musste. Außerdem sagte er mir, dass seine Frau, die Schneiderin war, nichts versäumen wollte.
Ich setzte das Telefonat mit Beate fort. Sie erzählte mir, dass sich das Versicherungsbüro bei ihr gemeldet hätte. Dort herrschte Schadenfreude, weil sie vor zwei Wochen ihren Verkehrsunfall mitgeteilt hatte. Ihr Unfallgegner, der Architekt, hatte noch einen Einfall gehabt.
Jetzt war es aber Zeit, dass ich zur
Arbeit fuhr. Als ich dort ankam, traf ich als erstes auf Sybille, meine liebste Kollegin. Sie hatte kurioserweise nicht sehr viel Holz vor der Hütte, obwohl ihr Mann Holzfäller war. Wir unterhielten uns über unseren Chef, der nicht besonders pfiffig war, trotzdem war er nebenbei noch Schiedsrichter.
Heute hatte ich wirklich einen Tag, der ziemlich paradox war.