Beschreibung
Durch unglückliche Umstände war mein Leben in eine negative Richtung verlaufen. Da bot eine Kleinanzeige eine großartige Chance.
Die Kleinanzeige
Meine Geschichte wird niemand glauben, da bin ich mir sicher. Ich will sie Ihnen aber trotzdem erzählen.
Nachdem meine Firma, eine große Elektro-Kaufhaus-Kette, plötzlich und völlig unerwartet in Konkurs ging und ich – ebenso wie meine Kollegen – meinen Arbeitsplatz verlor, begann mein Abstieg. Zunächst erhielt ich noch Arbeitslosengeld, aber als dieses auslief, wurde das Geld knapp, sehr knapp.
Meine Freundin trennte sich von mir, weil ich ihre Erwartungen nicht mehr erfüllte. Ich musste in eine winzig kleine Wohnung ziehen in das schäbigste Viertel unserer Stadt. Und wo waren meine Freunde, meine sogenannten Freunde? Alle sagten sich nach und nach von mir los. Ich war alleine, einsam und verarmt.
Von meinem letzten Geld kaufte ich mir eine Tageszeitung, in der Hoffnung, dort ein Stellenangebot zu finden, dass zu mir passte. Ich hatte ja nichts gelernt, und wenig Berufserfahrungen. Niemals hatte ich den Arbeitgeber gewechselt, ich war Elektro-Schulze immer treu geblieben. Als Lagerhelfer war es in der heutigen Zeit sehr schwer wieder eingestellt zu werden.
Überraschenderweise fand ich unter „Vermischtes“ eine Kleinanzeige, die mich ansprach. „Wollen Sie ein anderes Leben oder erfolgreich werden?“ hieß es dort. Natürlich wollte ich das, so wie jetzt konnte es nicht bleiben. Ich rief die angegebene Handy-Nummer an. Eine freundliche junge Dame notierte sich meinen Namen und meine Adresse. Ich erfuhr zunächst nicht, worum es genau ging. Ich sollte mich am nächsten Tag mit einem Herrn Reimers treffen, nicht in einem Büro, sondern in einem kleinen Café in der Theodor-Storm-Straße. Das war alles schon sehr seltsam.
Die Chance
Am nächsten Tag ging ich klopfenden Herzens in das genannte Lokal. Ich hatte extra meinen einzigen Anzug, der mir noch geblieben war, angezogen. Die Krawatte, die ich trug, war zwar alt, aber dennoch sehr ansprechend. Ich wollte Eindruck machen.
Kaum dass ich saß, sprach mich ein grauhaariger, älterer Mann an, der sich als mein Gesprächspartner vorstellte. „Guten Tag, mein Name ist Reimers. Ich bin Anwalt. Mein Mandant möchte unerkannt bleiben. Ich biete Ihnen aber hier und jetzt eine Möglichkeit, Ihr Leben radikal zu ändern. Das möchten Sie doch, oder? Ich sehe, Sie haben sich in Schale geworfen, aber – mit Verlaub – Ihr Anzug ist mindestens fünf Jahre alt, schätze ich. Ihnen geht es nicht gut, habe ich Recht?“ Ich schluckte. Mein Gegenüber war schonungslos ehrlich. „Nun, ich muss sagen, dass ich das nicht leugnen kann. Um was geht es dann genau?“, wollte ich wissen. „Das werde ich Ihnen hier und jetzt nicht sagen.“, antwortete der Grauhaarige und strich sich über sein Kinn. Er nahm ein Buch aus einer Aktentasche, schlug es auf und fuhr mit seiner Rede fort: „Kommen Sie bitte morgen an diesen Ort. Dort werden Sie Näheres erfahren.“ Er reichte mir einen kleinen, handgeschriebenen Zettel. „Seilergasse 18“ las ich erstaunt. Das war eine noch schlimmere Gegend, als die, in der ich wohnte. Offenbar merkte mein Gegenüber, dass ich verwundert war. Er sprach: „Nur keine Angst, junger Mann. Ihnen wird dort nichts geschehen, jedenfalls nichts Negatives. Ich muss jetzt aber los, wir sehen uns.“
Das alte Haus
Nach dieser ominösen Begegnung konnte ich zunächst kein Auge zumachen. Stunden später schlief ich dann ein. Ich hatte einen schrecklichen Albtraum, in dem ich nackt und gefesselt auf einem Operationstisch lag. Ein Mann in einem grünen Kittel stand neben mir und hatte ein langes Messer in der Hand. Er grinste, ritzte mit dem Messer meinen Bauch auf und nahm meine Organe heraus – natürlich ohne, dass ich betäubt war. Es waren schreckliche Schmerzen. Schweißgebadet wachte ich auf.
Ich war beunruhigt und konnte den ganzen Tag lang keinen Bissen zu mir nehmen. Sollte ich das Treffen absagen? Ein paar Mal war ich drauf und dran, zum Telefon zu gehen. Doch ich tat es nicht. Ich nahm all meinen Mut zusammen und begab ich am Abend dieses Tages zu der genannten Adresse. Es war viel schlimmer als erwartet. Die Häuser waren alt und verfallen. Hier möchte man nicht tot über den Zaun hängen, dachte ich. Das Haus mit der Hausnummer 18 sah noch einigermaßen manierlich aus. Ich wollte gerade klingeln, als die Tür auch schon geöffnet wurde. Reimers begrüßte mich und sagte: „Nur Mut, junger Mann. Treten Sie ein. Sie werden schon erwartet.“ Es roch hier unangenehm, als ob jahrelang nicht gelüftet worden wäre. Selbst in einem Grab würde ich mich wohler fühlen.
Reimers führte mich in einen kleinen, dunklen Raum, nur wenig Möbel füllten ihn. Ein Mann saß auf einem Sofa. Er war in etwa so alt wie ich, aber viel kleiner und sehr, sehr dick. „Da sind Sie ja endlich.“, herrschte er mich an, obwohl ich doch pünktlich war. Zu Reimers gewandt fuhr er fort: „Können wir anfangen?“
Reimers gab mir einen Wink, mit dem er mich aufforderte, mich neben dem Dicken zu setzen. Ich gab der Bitte nach und wollte dem Mann die Hand geben, was dieser jedoch verweigerte. Ich spürte, dass er angeekelt war.
Der Anwalt verließ den Raum und kam nach einer Weile mit einer seltsamen Apparatur zurück, an der ein paar Drähte hingen. „Was jetzt passiert, wird Ihr Leben völlig verändern, junger Mann. Alles wird gut.“, erklärte mir Reimers mit einem falschen Lächeln. Er schloss mich und den Dicken an das Gerät an und betätigte ein paar Schalter. Es piepte. Ich wurde bewusstlos.
Geschafft!
Als ich wieder erwachte, stellte ich erstaunt fest, dass ich mich an einem völlig anderen Ort befand. Es war eine riesige, wunderschöne Villa mit prunkvollen Möbeln, alles vom Feinsten. Ein Mann in einem schwarzen Anzug, offenbar ein Butler, sprach mich an: „Guten Morgen, Sir. Ich habe den Whirlpool schon eingeschaltet. Möchten Sie zuvor einen Drink? Champagner oder lieber einen Whisky?“ Noch nie hatte mich jemand „Sir“ genannt. Ich hatte tatsächlich bekommen, was ich wollte. Ein anderes Leben. Wunderbar! Ich begab mich in das Marmorbad. In dem Pool befanden sich bereits drei wunderhübsche, blutjunge Mädchen. Ich wollte gerade einsteigen, als ich mich im Spiegel erblickte. Doch was war das? Das war ich gar nicht. Ich sah den Dicken von gestern Abend, nicht mich selbst. Verwirrt stieg ich in das Wasser. Der Butler hatte unterdessen ein Tablett mit einem sehr teuren Scotch und vier Gläsern hingestellt. Ich prostete den Mädchen zu. Wir vergnügten uns, als plötzlich eine Einsatztruppe in den Raum hineinstürmte.
„Herr Waldmann, Sie sind vorläufig festgenommen. Ich verhafte Sie wegen Mordes an Ihren Konkurrenten, Herrn Lindemann.“, sagte ein Mann und legte mir Handschellen an.
Ja, ich hatte wahrhaft ein anderes Leben bekommen. Aber so hatte ich das nicht erwartet.