Wissenschaft
Von Schriftstellern und Pornostars - ODER Die Gefahr für das eigene %u201CIch%u201D

0
"Von Schriftstellern und Pornostars - ODER Die Gefahr für das eigene %u201CIch%u201D"
Veröffentlicht am 13. März 2013, 10 Seiten
Kategorie Wissenschaft
http://www.mystorys.de

Über den Autor:

Das Schreiben hat mittlerweile Ausmaße erreicht, bei denen ich es nicht mehr als Hobby abtun kann. Es ist zur Krankheit geworden und ist gleichzeitig die Medizin. Problem und Therapie. Ich bin süchtig nach meinem Methadon, es ist mir mittlerweile wichtiger geworden als das Heroin. Die Worte sind Hunger und Brot zugleich. Sie halten mich nachts wach und machen mich tagsüber müde. Nichts liebe und hasse ich so sehr, wie das geschriebene Wort. Ich ...
Von Schriftstellern und Pornostars - ODER Die Gefahr für das eigene %u201CIch%u201D

Von Schriftstellern und Pornostars - ODER Die Gefahr für das eigene %u201CIch%u201D

Beschreibung

Ein paar Gedanken.

Der Beruf des Schriftstellers hat einige Parallelen, zu dem des Pornodarstellers. Dieser Gedanke kam mir, als ich vor kurzem ein Spiegel-Interview mit der ehemaligen Porno-Darstellerin Sasha Grey las. Wenn man schreibt, mit der Absicht zu veröffentlichen, dann gibt man, genau wie ein Darsteller/eine Darstellerin in einem Pornofilm, einen Teil von sich der Öffentlichkeit preis. Während das in der Porno-Industrie, der eigene Körper ist, legt der Schriftsteller einen Teil seiner Gedanken der Öffentlichkeit dar. Die Gefahr für das „Ich“, die in beiden Fällen existiert, ist die Verwechslung von Urheber und Werk. Was man in einem Pornofilm sieht, ist nicht das wirkliche Sexualverhalten der Darsteller, sondern das der Rollen die sie spielen. Genau so schreibt der Schriftsteller nicht über sich selbst, sondern in erster Linie über Charaktere die er erfunden hat. Die Gefahr für das „Ich“ existiert in beiden Fällen, weil man sich dem Risiko aussetzt, dass das was man der Öffentlichkeit zeigt, als eine authentische Darstellung des eigenen Lebens bzw. der eigenen Persönlichkeit verstanden wird. Diese Gefahr für das „Ich“ existiert in jedem künstlerischen Beruf, bzw. bei jedem Künstler, der öffentlich arbeitet und sie steigt in gleichem Maße, mit dem Bekanntheitsgrad des Künstlers. Es kann leicht passieren, dass ein Künstler diesem Druck nicht standhält. Er kann daran zugrunde gehen. Drogensucht, Depression sind bekanntermaßen bei berühmten Künstlern sehr verbreitet. Viele Künstler sterben sogar wegen dieser Gefahr. Suizid oder Tod in Folge einer Überdosis oder ein durch Drogen bedingter Unfalltod sind keine Seltenheit. Manchmal droht dem „Ich“ sogar eine Gefahr von außen, wie im Falle John Lennons. Wer immer seinen Lebensunterhalt auf eine Art verdient, bei der er von der Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit abhängig ist, tut das nicht einfach so. Er hofft auf die Anerkennung der Welt für das was er tut, für seine Kunst. Gleichzeitig setzt sich der Künstler aber auch der Gefahr aus, von anderen Menschen kritisiert bzw. sogar verachtet zu werden. Wegen seinem Buch „Die satanischen Verse“, hat der britische Schriftsteller Salman Rushdie, erfahren müssen welche Gefahren dem „Ich“ drohen. Die Wut, die man auf sich zieht, kann tatsächlich so weit gehen, dass einem andere Menschen den Tod wünschen. Wer den Weg des Schriftstellers, Schauspielers, Musikers oder Pornodarstellers geht, hat von Anfang an zu kämpfen. Das sieht bei allen Unterschiedlich aus, manchmal mit den eigenen Eltern, die es lieber hätten, dass man etwas Bodenständiges lernt, (Wie groß dieses Hindernis sein kann, sieht man deutlich im Falle Franz Kafkas.) manchmal fühlt man sich von Freunden missverstanden und meistens muss man mit Selbstzweifeln kämpfen und mit der Frage, ob das wirklich der richtige Weg ist, den man gewählt hat. Wer hauptberuflich Künstler wird, macht das nicht einfach so, sondern weil er nicht anders kann. Er ist von seiner Psyche her, oft nicht im Stande ein normales Leben zu führen. Die Kunst, im Falle des Schriftstellers das Schreiben, ist ein so großer Bestandteil des eigenen Lebens geworden, dass sie nicht mehr als Hobby abgetan werden kann. Das Schreiben schränkt den Schriftsteller in seinem Leben ein, so wie zum Beispiel ein Heroin-Junkie durch seine Sucht eingeschränkt wird. Im Extremfall, nimmt das Schreiben einen solchen Raum ein, dass der Schriftsteller seinen kompletten Tagesablauf dadurch definiert, wann er isst, wann er schläft, so wie zum Beispiel Jean-Paul Sartre, der sogar Drogen nahm, um sein tägliches Pensum an Seiten zu schaffen. Da ist er nicht der einzige. Jack Kerouac schrieb die erste Fassung seines Romans „On The Road“ (dt. Unterwegs), in nur drei Wochen auf eine lange Rolle Schreibmaschinenpapier, unter dem Einfluss von Benzedrin. Auch Bret Easton Ellis nahm Amphetamine, als er den Entwurf von „Less Than Zero“ (dt. Unter Null) in nur kurzer Zeit schrieb. Oft werden durch das Schreiben auch zwischenmenschliche Beziehungen erschwert. Doch im Gegensatz zu einem „normalen“ Junkie, hat der Schriftsteller bzw. Künstler die Möglichkeit, mit seiner Sucht Geld zu verdienen, ja sogar Anerkennung dafür zu erlangen. Trotzdem ist die Kunst genau so gefährlich wie Heroin und der Künstler sollte diesen Weg nur gehen, wenn er wirklich keine andere Wahl hat. Die psychische Belastung einer solchen Entscheidung ist enorm. Mit 15 Jahren entschied Hermann Hesse: „Ich werde Dichter oder gar nichts.“ Unter welchem Druck er stand zeigt ein Selbstmordversuch, den er damals überlebte. Der Künstler trifft diese Entscheidung nur, weil er nicht anders kann. Trotzdem wird er in seinem Leben viele Nächte wachliegen und sich fragen: „War das wirklich die richtige Entscheidung?“ Eine weitere Gefahr für das „Ich“ liegt im Schutz des „Ichs“ selbst. Wie bereits erwähnt ist das Werk eines Künstlers nie ein direktes Abbild seiner Selbst. Es ist eine Maske und das ist gut so, denn sie bietet dem „Ich“ einen gewissen Schutz. Die Gefahr darin ist aber, dass diese Maske, das eigene „Ich“ verdrängt. Es kann passieren, dass es ihm schwer fällt eine stabile Beziehung zu führen, weil man sich zwar leicht in diese Maske verliebt, vor allem wenn der Künstler sehr erfolgreich ist, aber dabei nicht beachtet, dass sich noch etwas unter dieser Maske befindet (im schlimmsten Fall vergisst der Künstler das selbst). Liebe wird nicht durch ein gewisses Verhältnis von Gemeinsamkeiten und Unterschieden bestimmt, durch die subjektive Wahrnehmung in einer Beziehung, verschwimmt der Blick dafür sowieso. Liebe wird letzten Endes nur durch eines definiert, nämlich die Toleranz des anderen dafür, was sich unter unserer Maske verbirgt. Sobald man die Maske abnimmt, fängt eine Beziehung entweder an zu bröckeln oder sie wird enger. Wieso fasziniert mich Sasha Grey? Sasha Greys Antrieb bei Porno-Filmen mitzuwirken, war laut eigenen Angaben, gerade diese Maske. Sie wollte das Bild von Frauen, das in Pornofilmen gezeigt wird ändern, indem sie selbstbewusst auftritt, direkt in die Kamera spricht und so die Kontrolle übernimmt. Sasha Grey hätte viele Möglichkeiten gehabt, ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Sie ist gebildet und hatte von ihrem zwölften, bis zu ihrem achtzehnten Lebensjahr Schauspielunterricht. Doch sie entschied sich dafür, Pornofilme zu drehen. Nicht nur das, sie tat das mit dem festen Wunsch, das Frauenbild in diesem Gewerbe zu verändern, ihm mehr Würde zu verpassen. Es ist ein ganz schön riskantes Unterfangen für ein achtzehnjähriges Mädchen, Pornofilme zu drehen ohne daran kaputt zu gehen und es ist noch schwieriger, die eigene Würde zu behalten, bzw. nicht das Selbstbewusstsein zu verlieren. Was wurde aus Sasha Grey? Sasha Grey dreht mittlerweile keine Pornofilme mehr. Sie ist immer noch Schauspielerin und sogar ziemlich erfolgreich. Sie hat bereits mit Regisseuren wie Steven Sonderbergh (Erin Brockovich, Kafka, Ocean’s Eleven…) zusammengearbeitet. Dabei spielte sie keine Komparsenrollen, sondern bereits mehrere Hauptrollen. Unter anderem in Sonderberghs Film „The Girlfriend Experience“. Neben ihrem Beruf als Schauspielerin ist sie Sängerin, Fotografin und Autorin. In Interviews gibt sie sich Selbstbewusst und steht offen zu ihrer Vergangenheit, ohne etwas zu bereuen. Genau deswegen fasziniert mich Sasha Grey. Sie hat sich einen besonders schweren Weg ausgesucht und ihr „Ich“, gleich zu Anfang einer großen Gefahr ausgesetzt und ist daran nicht zerbrochen, trotz ihres Alters. Wegen ihres Selbstbewusstseins, ihrer Kraft, wird sie trotz ihrer Vergangenheit, heutzutage als Schauspielerin und in allem anderen was sie tut ernstgenommen. Es ist genau die selbe Kraft, die ein Schriftsteller braucht, wenn er an seinem Lebensweg nicht zerbrechen will. Es geht nicht nur darum, sich nicht für das was man tut zu schämen, sondern auch darum, dass man sich immer der Gefahr bewusst ist, dass der eigene Name, wenn man auf diesem Weg scheitert, für immer mit diesem Scheitern verbunden ist. Ob man dann trotzdem stark genug ist, diesen Weg weiter zu gehen, entscheidet dabei maßgeblich über den eigenen Erfolg.

http://www.mscdn.de/ms/karten/beschreibung_85874-0.png
http://www.mscdn.de/ms/karten/beschreibung_85874-1.png
http://www.mscdn.de/ms/karten/v_1006150.png
http://www.mscdn.de/ms/karten/v_1006151.png
http://www.mscdn.de/ms/karten/v_1006152.png
http://www.mscdn.de/ms/karten/v_1006153.png
http://www.mscdn.de/ms/karten/v_1006154.png
http://www.mscdn.de/ms/karten/v_1006155.png
http://www.mscdn.de/ms/karten/v_1006156.png
http://www.mscdn.de/ms/karten/v_1006157.png
0

Hörbuch

Über den Autor

weltenweiterw
Das Schreiben hat mittlerweile Ausmaße erreicht, bei denen ich es nicht mehr als Hobby abtun kann. Es ist zur Krankheit geworden und ist gleichzeitig die Medizin. Problem und Therapie. Ich bin süchtig nach meinem Methadon, es ist mir mittlerweile wichtiger geworden als das Heroin. Die Worte sind Hunger und Brot zugleich. Sie halten mich nachts wach und machen mich tagsüber müde. Nichts liebe und hasse ich so sehr, wie das geschriebene Wort. Ich kann nicht anders als es als meine Berufung zu sehen. Hermann Hesse trifft es mit seinen Worten am besten. Ich will Dichter werden oder Nichts.-Kerim Mallée

Leser-Statistik
70

Leser
Quelle
Veröffentlicht am

Kommentare
Kommentar schreiben

Senden
weltenweiterw Re: Ja, sie haben etwas gemeinsam. -
Zitat: (Original von FLEURdelaCOEUR am 13.03.2013 - 17:16 Uhr) Aber nicht nur Pornodarsteller, sondern Schauspieler/Bühnenstars generell.
(Auch wenn ich mich mit Pornostars nicht auskenne, weil ich mir das nicht ansehe).
Sie spielen ihre Rollen, indem sie stets auch etwas von sich in die Figur mit eingeben und werden häufig an ihren Rollen festgemacht ...

Habe deine Ausführungen sehr gern gelesen und wünsche dir viel Erfolg!
LG fleur


Ja, das stimmt. Ich habe mich jetzt speziell auf Schriftsteller konzentriert, weil das mein Berufswunsch ist. Ich hab nur ein paar Jahre gebraucht, um mir klar zu werden, wie sehr ich das will.

Liebe Grüße
Kerim
Vor langer Zeit - Antworten
FLEURdelaCOEUR Ja, sie haben etwas gemeinsam. - Aber nicht nur Pornodarsteller, sondern Schauspieler/Bühnenstars generell.
(Auch wenn ich mich mit Pornostars nicht auskenne, weil ich mir das nicht ansehe).
Sie spielen ihre Rollen, indem sie stets auch etwas von sich in die Figur mit eingeben und werden häufig an ihren Rollen festgemacht ...

Habe deine Ausführungen sehr gern gelesen und wünsche dir viel Erfolg!
LG fleur
Vor langer Zeit - Antworten
weltenweiterw Re: sehr -
Zitat: (Original von Kleibi2013 am 13.03.2013 - 14:57 Uhr) interessante Ansichten und ebenso interessant geschrieben..

lG
Birgit


Danke. Das freut mich.
Liebe Grüße
Kerim
Vor langer Zeit - Antworten
Zeige mehr Kommentare
10
4
0
Senden

85874
Impressum / Nutzungsbedingungen / Datenschutzerklärung