Fantasy & Horror
Das Wunderkind

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"Das Wunderkind "
Veröffentlicht am 13. März 2013, 318 Seiten
Kategorie Fantasy & Horror
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Über den Autor:

Freigeist. Im Bewusstsein, das ich ein sogenanntes "neues Kind" bin.Ich heilige die geistige Freiheit. Stilles Wasser. Katzen sind Götter; Wir haben das in Unserer hektischen Zeit lediglich vergessen!
Das Wunderkind

Das Wunderkind

Einleitung



Lernen Sie die überaus reizende Tiffany Walter kennen; Sie hat so einiges zu berichten!


Kapitelangabe


3:_Der Anruf


4:_Der Lieferwagen


5:_Der Traum


6:_An der Schule


7:_Eine weitere Fahrt mit dem Karussell


8:_Aufwachen in einem fremden Bett


9:_Eine Offenbarung


10:_Was der Arzt sagt


11:_Einsichten und Lichter


12:_Besuch …


13:_... und Familie


14:_Vorerst alles im Lot; vorerst


15:_Erinnerungen und neue Visionen


16:_Auf Erkundungsgang


17:_Was getan werden muss


18:_Vorbereitungsphase und wieder: 

Der Tohoood!


20._Kapitel: Im Final angelangt


21._Kapitel: Auf dem Weg nach Hause


22:_Am Ende angelangt


23:_Nachtrag

 





1. Kapitel: Der Anruf

 

 

„Jetzt hör mir mal gut zu …“

Robbie wollte gerade antworten: „Nein; jetzt hörst Du mir mal zu!“ (Eigentlich wollte Robert Luchser seiner langährigen Freundin zu Ihrer bestandenen Zwischenprüfung an Ihrer Schule gratulieren) Doch er kam nicht dazu; seine Freundin sprach einfach weiter; es ging dabei ja auch nicht darum, dass Sie weitersprach, sondern was Tiffany ihm am Telefon sagte:

„Wir werden Alle sterben! Und Du wirst der erste sein!

Und jetzt kam neben dem, was seine

langjährige und nach wie vor heissgeliebte Freundin zu Robbie sagte, auch noch die Art, wie es ihm Tiff an diesem heissen Juli Sonntagnachmittag am Mobiltelefon rüberbrachte, hinzu.                                                                                                                       

Robert kannte Tiffany Walter lange genug, um sofort zu verstehen, dass es sich um das soeben gesagte keinesfalls um einen schlechten Scherz handelte; hierbei handelte es sich um den vollen und absoluten Ernst!

Sich vorzustellen, dass sich jemand verwählt hat; jemand der genau gleich wie seine stets bewunderte Freundin hiess und der zu allem auch noch die

selbe Stimme wie Sie am Telefon hatte; nun diesen Luxus konnte er sich sparen, denn Robbie wusste einfach das es Tiffany war, so wie man eben bestimmte Sachen weiss, mehr vom Gespür her; mit anderen Worten: Mit dem Bauch! Das Alles überlegte Robert innerhalb eines Augenblicks; doch bevor er richtig Atem schöpfen konnte um zu einer Antwort anzusetzen, fuhr  Tiffany einfach weiter:      

„Das ist mein völliger Ernst; ich weiss wie beschissen sich das antönt, (und wie dachte Robbie,  blieb aber ruhig) aber das ist die absolute Wahrheit … Wir Alle werden sterben, mein Robbie … und, … und … Du ...!“

                                                                                                                                      

Weiter kam Sie nicht, denn da verschlug es ihr kurzzeitig die Sprache und Johny hörte Sie nur noch nach Atem ringend schluchzen und gleichzeitig bekam er mit, wie Sie den Rotz in der Nase hoch zu ziehen begann. – Nein, das war bestimmt kein Witz, verdammte Scheisse nochmal!

Er wollte so gerne was sagen, etwas total doofes, plumpes, wie: „Ist schon gut“, oder: „Na; es ist bestimmt nicht so schlimm!“ aber das ging unter den gegebenen Umständen einfach nicht; das wäre von Ihm aus gesehen nun wirklich makaber gewesen.            

Robbie schlenderte nun bewusst noch ein wenig langsamer durch das Zentrum von Reichsbach; dem Ort an dem er und Tiffany aufgewachsen sind und wo Sie auch heute noch lebten und merkte dabei, wie der Wind mit den Rändern seiner braunen Shorts und des langen weissen Shirts, das er trug spielte; auf dem Bürgersteig wie auch auf der Strasse daneben herrschte kaum Verkehr.

Und so liess er einfach die Zeit verstreichen, liess seiner Freundin alle  Zeit, die Sie benötigte um wieder ruhig zu werden (Tiffany war schon immer ein sehr stilles Wasser gewesen; doch hatte auch Sie Ihre Aussetzer. Doch das hier war von Grund auf etwas

Neues in Ihrem gemeinsamen Leben) denn was ihm hier gerade gesagt worden war, das war einfach eine Nummer zu gross; zumindest vorerst …

 

Dann, schien Sie sich nach und nach zu beruhigen, er hörte, wie Tiffany ein paar Mal Atem schöpfte um weiter zu sprechen, doch fing Sie jedes Mal wieder aufs Neue an zu Weinen. Er hörte, wie Tiffany regelrecht von ihren Emotionen durchgeschüttelt wurde.

Robbie ging inzwischen auf dem sonnigen Bürgersteig mit am Ohr festgehaltenem Mobiletelefon weiter; es war wirklich ein bezaubernder Sonntagnachmittag und Reichsbach war schon immer bekannt gewesen für seine

ausgesprochen sonnige Lage.

Gerade als er fragen wollte, ob’s Ihr geht (natürlich ging es Ihr nicht gut, dumme Frage, aber irgendwas musste Er Ihr doch sagen; Er war ja schliesslich Ihr Freund, heilige Scheisse!) hatte Sie sich soweit gefasst, um weitersprechen zu können:

„Ich hatte einen Traum …“

Dann brach die Verbindung einfach ab und ein paar Momente später, war Robbie tot.

 

 

 

 

 

 



2. Kapitel: Der Lieferwagen

 

„Ich hatte einen Traum …“ begann Tiffany, doch weiter kam Robbie nicht, zuzuhören. Denn da vernahm er bereits ein sehr hohes Pfeifen, verbunden mit dem Quitschen von Reifen und im nächsten Augenblick, wurde Robbie be-reits schon über drei Meter durch die Luft geschleudert. Wobei man beim An-blick seines durch die Luft segelnden, reglosen Körpers der Ansicht hätte sein können, dass es sich hierbei um eine echt gut gelungene, lebensechte Puppe handelt; wäre da nicht das Blut gewesen, welches Er wie einen Schweif hinter sich hergezogen hätte. Durch die

Wucht des Aufpralls wurde ihm der linke Schuh vom Fuss gerissen.                                                                                    

Robbie war noch, bevor er mit dem Hinterkopf zuerst auf dem harten Belag der Strasse aufschlug, tot. Doch wäre sein Leben mindestens jetzt, da sein Kopf mit grosser Wucht Bekanntschaft mit der Strasse gemacht hatte, vorbei gewesen; spätere Untersuchungen am leblosen Körper des jungen Erwachsen-en ergaben, dass neben dem, dass Rob-bies Schädeldecke einem Puzzle für Fortgeschrittene glich, seine Wirbel-säule fünfmal komplett durchtrennt war.


Die genaue Todesursache fand man

aber trotzdem nicht heraus; es schien aber wiederum, dass sein Herz durch die Schockeinwirkung einfach auf-gehört hatte zu schlagen. Natürlich wies sein ganzer Körper an zahlreichen Stellen Knochenbrüche auf und auch die inneren Organe in seinem Körper wurden wohl bereits schon beim Zusammenstoss mit dem Auto zu Muus verwandelt.

Der Bericht des Lokalblättchens, wel-ches mit grossem Interesse von den Einwohnern des kleinen, malerischen Dorfes namens Reichsbach gelesen wurde, schilderte den Unfall daher auch ziemlich ungeschminkt:

 

 

 

Tödlicher Unfall auf der Hauptstrasse


Gestern, ist es auf der Hauptstrasse in Reichsbach zu einem Unfall gekommen, bei dem ein 19 Jähriger junger Mann ums Leben gekommen ist.


Der Unfall ereignete sich laut Augen-zeugen cirka um 14:52, als der Fahrer eines kleinen Lieferwagens die Kon-trolle über sein Gefährt verlor und da-raufhin von der Strasse abgekommen ist und anschliessend mit 50 Kilometern in der Stunde direkt auf den Bürgersteig zuraste. Das Pech dabei ist, dass im gleichen Augenblick der verstorbene, 19 jährige R.* auf diesem Bürgersteig

am Spazieren war.                                                                                      

Laut Augenzeugenberichten war dieser gerade in ein Gespräch verwickelt, wel-ches er mit seinem Mobiltelefon geführt hat. Demzufolge sah der Verstorbene die Gefahr zu spät auf sich zukommen und nachdem ihn der Lieferwagen mit voller Wucht getroffen hatte, wurde R. rund 8 Meter durch die Luft geschleu-dert und war laut des Berichts der Ge-richtsmedizin noch tot, bevor er auf die Strasse geprallt wurde.

 

Es wurden zahlreiche Brüche in der Schädeldecke als auch an verschieden-en Knochen festgestellt und weiter

seien dabei auch einige der lebens-wichtigsten inneren Organe durch den Aufprall des Lieferwagens richtig-gehend zerquetscht worden sein.


Die Redaktion spricht Ihre Anteilnahme aus.

 

F. Birrer

 

*: Name der Redaktion bekannt

 

 

 

Tiffany legte die Zeitung mit einem käsebleichen Gesicht zurück auf den Tisch zurück, an dem Sie sass. Eigentlich wollte Sie die Lokalen

Nach-richten auch wieder zusammenfalten, doch dazu kam Sie nicht, da Sie beide Hände ruckartig vor Ihr Gesicht riss um dann aufs heftigste anzufangen zu weinen. Obwohl Tiffany mit Ihren rund ein Meter fünfundsiebzig, der schlan-ken Figur, Ihren schulterlangen schwar-zen Haaren, den blauen Augen und dem fein geschnittenen, sanften Gesicht eine sehr hübsche junge Dame war, sah Sie momentan um rund fünfzig Jahre gealtert aus.                                                                                                                                                      

Sie konnte es nicht glauben, doch der Bericht über den tödlichen Auffahrun-fall stand unwiderlegbar Schwarz auf

Weiss in der Zeitung vor Ihr. Angezogen, lediglich in einem paar Slips und in Ihrem wohligen Morgen-mantel sass Sie da in der Küche und weinte.                                                                                                             

Sie wollte es nicht wahrhaben, doch hörte Sie das gesamte Szenario des Un-falls immer wieder in Ihrer Erinnerung, ähnlich einer Schallplatte mit einem Kratzer, bis zu dem Moment, als Robbies Mobiltelefon, nachdem es ebenfalls durch die Luft gesegelt ist, genauso wie er den Aufprall auf dem harten Strassenbelag nicht überlebt hat und danach die Verbindung unterbrochen wurde. In Tiffanys zu-sammengebastelter Erinnerung hatten

sich nach und nach Bilder des schreck-lichen Unfallszenarios angefangen zu entwickeln und durch die ständige Wie-derholung hatte Ihr Unterbewusstsein bereits angefangen die Tatsache zu glauben.              

Sie musste deshalb anfangen, es be-wusst zu glauben. Denn dass Sie sonst ernsthafte Schwierigkeiten mit Ihrer geistigen Gesundheit bekommen würde, nun das zumindest war Ihr klar. Ignoranz war noch in keinem einzigen Fall etwas Gutes bewirkt, das wusste Tiff mit Bestimmtheit, und weiter wusste Sie auch, dass die Erinnerung in Ihrem Kopf zwar nicht aufhören würde, ähnlich einer defekten Aufnahme immer

und immer wieder loszugehen, doch konnte Sie dem Ganzen so ein wenig von der gewaltigen Brutalität neh-men.                                                                                                

Also wollte Sie gerade anfangen, sich laut die Wahrheit zu sagen, nämlich, das Robie tot war; futsch und weg, als Ihre Mutter mit den Einkäufen in den Händen in die Küche kam. Sie trug einfache Kleidung; Jeans in Verbindung mit einem farbigen Shirt was durch die hübsche, goldene Halskette welche sie trug noch mehr zur Geltung kam.                                                         

Voller Anteilnahme fragte Ihre Mutter: 


„Wie geht es Dir? Wärst du wohl im

Stande und würdest den Rest des Einkaufs aus dem Auto reintragen, bitte? Selbstverständlich nur, wenn es auch wirklich geht!“                                                                                     

Ihre Mutter betrachtete Sie einen Moment voller Liebe um danach die Einkäufe, welche sie reingetragen hatte, auf der Küchenablage zu deponieren.                                                                        

„Es ist Aktionstag in Unserem Dorfladen; ich hatte es ganz vergessen“; (der Tod kommt oftmals sehr überraschend, wollte Sie hinzu-fügen, doch beschloss Susie Walter, diese Einsicht für sich zu behalten und stattdessen zu Ihrer Tochter zu gehen,

welche mit angezogenen Beinen auf ein-em Küchenstuhl sass und totenbleich war)


„Zum Glück hatte ich genug Geld da-bei!“ versuchte Susanne im Plauderton zu Ihrer Tochter zu sagen, doch ir-gendwie klangen die Worte Ihrer Mut-ter alles andere als locker und unge-zwungen in Ihren Ohren.


Tiffany fiel auf, wie sehr sich Ihre Mut-ter bemühte, normal zu klingen und hätte beinahe angefangen zu lachen, da sich Ihre Mutter bei diesem Versuch so fürchterlich anstellte, doch die Traurig-keit in Ihr war zu gross, zu mächtig, als das Sie sich so etwas wie ein kleines

Lächeln hätte gestatten können. Stattdessen blickte Sie mit tränenver-hangenem Blick Ihrer Mutter tief in die Augen, als diese auf Sie zukam.                    

„Ich weiss, was Du denkst, mein Schatz; Du fragst Dich wieso das Leben so grausam sein kann.“ 


Susie hielt kurz inne, atmete scharf ein, atmete wieder aus und nachdem Sie vor Ihrer Tochter stand, fuhr sie fort: 


„Erst vor einer Woche ist dein Bruder gestorben und nun ist auch dein lang-jähriger Freund nicht mehr länger auf der Erde.“ Weiter kam ihre Mutter nicht, denn auch Sie wurde nun von

heftigem Schluchzen geschüttelt, wo-rauf Tiffany aufstand um ihre Mutter zu umarmen. Und so standen sie in der Küche; Mutter und Tochter Arm in Arm und Alles was sie konnten war weinen. Um  einfach rauszulassen, was raus musste.

 

Die Trauer um ihren erst kürzlich ver-storbenen Sohn Michael trug Susanne Walter tapfer in ihrem Innerstem ver-borgen; selbst vor ihrem  Mann ist sie bis heute nicht imstande gewesen, rich-tig zu weinen, geschweige denn vor an-deren, mittrauernden Menschen; bis jetzt.                                                                                                                                                                         

Nun kam All das zurückgehaltene Grau-en mit einem einzigen Tränenschwall nach Draussen. Und so konnte auch Tiffany nicht anders, als einfach mit-zuweinen und Ihre Wut und Trauer mit Tränen wegzuschwemmen.


Immer und immer wieder tauchte vor Susies geistigem Auge das Bild ihres toten 13 jährigen Sohnes auf, welchen sie erst vor einer Woche als erste tot im Badezimmer entdeckt hatte. Michael Walter wurde durch einen Stromschlag getötet, als dieser nach dem Duschen seine Haare föhnen wollte. Das Bild aus ihrer Erinnerung, wäre bei weitem nicht so prägend gewesen, wenn da nicht dieser durchdringliche Geruch von

ver-branntem und verkohltem Fleisch und geschmolzenem Plastik gewesen wäre, da der Föhn zu allem Elend hin auch noch angefangen hatte zu brennen, nachdem Michael durch den tödlichen Stromschlag schon regungslos auf dem Boden des Badezimmers lag. Und so wurde seine Hand, welche den Föhn weiterhin im Todeskrampf umklammert hielt, im wahrsten Sinne des Wortes ge-grillt.                                                                                                                                                                              

Düfte können manchmal sehr prägnant sein, wenn es um Erinnerungen geht. Und selbst eine Woche nach dieser schrecklichen Tragödie war es Susanne,

als ob sie die verbrannte Haut und das verkohlte Fleisch der Hand ihres Sohnes noch immer im Badezimmer riechen konnte, obwohl Tom, ihr Mann und Michaels und Tiffanys Vater ihr schon oftmals klar gemacht hatte, dass der Geruch nach Verbranntem schon lange wieder verschwunden sei. (Was Susie nicht wusste war, dass sich der glühend heisse Föhn in Michaels Hand; schon nachdem er tot war, hineinge-fressen hat und so seine Hand mit dem geschmolzenem Plastik verbunden wur-de; was nebenbei gesagt, aussah wie eine bizarre Skulptur, und dann erst durch den Gerichtsmediziner wieder ge-trennt werden konnte. Niemand sah sich dazu verpflichtet, dieses Detail

den Eltern mitzuteilen, was wohl bestimmt auch besser war.)

 

Das einzige, was Susie immer wieder stammelnd unter Tränen hervorbringen konnte, war das Stellen der Frage „Warum? Warum nur?“ und da ihre Tochter die Antwort nicht wusste, bestand Tiffanys Reaktion lediglich aus noch mehr Tränen.

 

 

 

 

 

 

 

 

3. Kapitel: Der Traum


 

Tiffany kannte die Antwort. Doch konnte und wollte Sie diese Wahrheit noch nicht akzeptieren. Geschweige denn weitergeben.               


Ziemlich genau vor einer Woche, nämlich nachdem Ihr Bruder tot von Ihrer Mutter im Badezimmer aufgefun-den wurde, und die ganze Familie, in-klusive dem Vater alle eine heftige Dosis Valium von ihrem Hausarzt ver-ordnet bekommen hatten, hatte Tiffany in dieser Nacht einen vielsagenden Traum.

                                                              

Doch wie das bei Drogen oftmals der Fall ist, kommen Erinnerungen an die Zeit, welche im Rauschzustand erlebt wurden, nur ganz langsam und oftmals auch nur in bestimmten Momenten an die Oberfläche des Bewusstseins zu-rück. Und ähnlich war es eben nun auch in Bezug auf diesen einen Traum, wel-chen Tiffany unter dem Einfluss des Valiums, in der Nacht nach dem Tod ihres Bruders Michael geträumt hatte.

Ihr Hausarzt, Doktor Fischmann war, nachdem die Polizei wieder samt der Leiche von Michael aus dem Haus der Walters verschwunden ist der Ansicht,

dass in einem Zustand solch starker Trauer nur mit Valium an Schlaf zu den-ken sei, und verabreichte daraufhin an Susie, Tiffany und Tom eine grosse, („Das wird bestimmt wirken!“ waren seine Worte) Dosis Valium und Doktor Fischmann sollte recht behalten, denn der zusammengeschrumpfte Rest der Familie Walter schlief dann auch bis zum Vormittag des darauffolgenden Montags ununterbrochen durch . Und in eben dieser Nacht hatte Tiffany diesen Traum.


Der Traum, der sie zudem auch dazu bewogen hatte, heute ihren Freund via Telefonanruf vor dem bestehendem Grauen zu warnen, nahm nun nach und

nach Kontrast an in ihrer Erinnerung und dieser Kontrast war ein durch und durch tödlicher.


„Alle; Alle die Du liebst und dann Du!“ waren die Worte, die Tiffany nun immer deutlicher zu hören glaubte, wenn Sie an eben diesen Traum dachte. Da war so etwas wie ein auf Sie zeigender Fin-ger. Das wusste Sie mit Bestimmtheit. Und der Klang der Worte schien so endgültig zu sein. So unverrückbar.                                   

Zuerst dachte Sie, dass es sich dabei um einen fürchterlich intensiven Alp-traum handelte. Doch nach und nach er-kannte Tiff, dass da wohl doch mehr dahinter war. Einiges mehr.      

                                                                                                   

„Auf Euch Alle wartet der Tohoood!“ waren die Worte, mit denen der Traum dann unvermittelt abbrach.

Im Laufe der letzten Woche dann kam die Erinnerung an diesen Traum mit ständig mehr Gewicht in Ihr Wach-bewusstsein hinauf. Und nach dem so plötzlichen Tod ihres innig geliebten Freundes Robbie, kam Tiffany nun langsam aber sicher zur Einsicht, dass dies eben doch nicht nur ein besonders derber Alptraum gewesen sein kann. Nach und nach nahm dieser Traum die Bedeutung einer Vision an; einer To-desvision. Nein: Das war bestimmt nicht bloss ein Traum, dachte Tiffany

nun, als sie zusammen mit ihrer Mutter weinend in der Küche stehend kurz vor dem Zusammenbruch war.

 

Auf Rat von Doktor Fischmann bekam-en dann am Abend gleichwohl Tochter wie auch Mutter von Tom Walter eine erneute Dosis Valiumtabletten ver-abreicht. Tom hatte sich per Telefon bei ihrem Hausarzt erkundigt was zu tun sei, als dieser sein Kind und seine Frau, immer noch heftig zitternd, schluchzend und mit tränenverschmier-ten Gesichtern eng umschlungen in der Küche vorfand, als dieser am Abend von der Arbeit nach Hause gekommen ist und beide kurz vor einem Nerven-zusammenbruch standen.


Der Schlaf kam für die Mutter wie die Tochter ziemlich schnell und raubtier-ähnlich; von einem auf den anderen Moment, als Tom die beiden nach der Tablettenvergabe in ihre Betten ge-bracht hatte.

 

Und auch in dieser Nacht hatte Tiffany wieder denselben Traum. Oder besser gesagt, die gleiche Vision des Todes ihrer geliebten Mitmenschen. Und am Mittag des nächsten Dienstags, als Sie dann erwachte, hörte Sie die Worte noch immer wie ein starkes Echo zwischen ihren beiden Ohren hin und her flitzen: 


„Alle; Alle die Du liebst!“ – „Auf euch Alle wartet der Tohoood!“



An diesem Dienstagvormittag, 9 Tage nach dem Tod ihres Bruders und 2 Tage nach dem Ableben von Johny, wurde Tiffany, die sich noch immer im Bett hin und her wälzte, bevor sie aufstand, (an der Schule, welche Tiffany schon wäh-rend zwei Jahren besuchte, wurde Sie nämlich für gestern und heute krank-geschrieben; genau wie schon vor einer Woche; das hatte ihr Vater zumindest schon mit dem Schuldirektor geklärt) mit plötzlicher Gewissheit bewusst, dass Sie diesen Traum schon ein paar Mal geträumt hat, mit anderen Worten:

Noch bevor sich die beiden Todesfälle ereignet hatten.

 

Sie beschloss aber trotzdem am Nach-mittag, nachdem Sie geduscht und ein reichliches Mittagessen zu sich ge-nommen hatte, hinzugehen. Einfach um auf andere Gedanken zu kommen. Um nicht mehr daran zu denken. In einem paar dünnen, braunen Hosen und einem T-Shirt mit der Aufschrift „I love to learn!“ und geschultertem Rucksack machte sich Tiffany also auf den Weg in die Schule.                                                                                     

Dies war aber ein weiterer Schuss, welcher leider nach hinten losging.

 

Ihre langjährige Freundin, Beatrice Studer, mit welcher Tiffany schon da-mals als Kleinkind im Sandkasten ge-spielt hatte und mit welcher Sie auch zusammen die öffentlichen Schuljahre absolviert hatte, erwartete Sie bereits. Bea trug einen kurzen schwarzen Rock und eine hübsche Bluse, in einem sanften Rot. Ihre langen braunen Haare hatte sie hochgesteckt.                                                              

Sie und Tiff waren wie Pech und Schwefel; die eine würde für die andere durch das Feuer gehen; das war eine Tatsache, welcher sich die beiden mehr unbewusst denn im klaren Verstand bewusst waren.

 

 

 

 

 

 

 

 

4.Kapitel: An der Schule

 


Bea kam mit ausgestreckten Armen und gesenktem Haupt auf Tiffany zu und nach einem „Hey Tiff, wie geht es dir; alles klar soweit?“ und einem kurzen aber intensiven Blick in Ihre Augen um-armten sich die beiden mit einer Herz-lichkeit, was so an zwei Schwestern erinnerte, die sich wirklich sehr nahe standen.


„Hallo. Was klar ist, ist klar; doch weiss ich langsam aber sicher nicht mehr, wo mir der Kopf steht,“ begann Tiff, brach

dann aber wieder ab. 


Eigentlich wollte Sie Bea sagen, dass Sie sich fühlte, als würde Sie denn Verstand verlieren, doch das konnte warten, denn schliesslich war Sie ja hierhergekommen, um nicht daran zu denken; oder?                                                                      

Das schien Bea irgendwie zu begreifen, 


wofür Tiff sehr dankbar war.

„Du siehst wirklich nicht gut aus“, meinte Bea um darauf ihre Aussage zu revidieren indem sie geradeaus sagte: 


„Ach was red‘ ich denn; du siehst

richtig Scheisse aus!“


Das tat weh; doch Bea und Tiffany kannten einander zulange, um sich mit Seidenhandschuhen anzufassen; und so sprachen die beiden immer recht offen und direkt miteinander, ein Um-stand, welcher auf Unbeteiligte zum Teil überraschend wirkte, doch wussten Tiff und Bea, dass das schon ziemlich viel wert war, in einer freundschaft-lichen Beziehung.


„Ist es wirklich so schlimm?“ fragte Tiff, welche mit Bea noch immer fest umschlungen zusammen stand. (Tiffany hatte, seitdem Sie das letzte Mal Ihr

Mobiltelefon gebraucht hat, um Robbie – erfolglos - vor dem nahendem Grauen zu warnen, selbiges nicht mehr an-gerührt; es kam Ihr einfach irgendwie falsch vor und so hatte Sie inzwischen auch nicht via SMS mit Bea Kontakt gehabt.)


„Ich dachte, ich könnte mich raus wagen, nachdem ich vorhin geduscht und ein grosses Mittagsmenu à la Mama eingenommen hatte …“ 


Ihre Mutter war schon etwas früher als Sie aus dem Bett gekommen und hatte für sie beide ein herzhaftes Essen zu-bereitet. Tom ass, da er leitender Ent-wickler in einem Forschungsinstitut war,

welches in einer gewissen Ent-fernung von Ihrem zu Hause lag, immer auswärts zu Mittag, wenn er arbeitete.


„Du hättest nicht denken sollen, meine Teure“ meinte daraufhin Bea als sich die beiden wieder voneinander gelöst hatten und sich anblickten, 


„Du hättest heute Nachmittag wirklich noch zu Hause in deinem Bett bleiben sollen. Ich denke Mal, dass Deine Mut-ter noch nicht wirklich wach gewesen ist, als Sie dich einfach so gehen liess. Das wäre ihr normalerweise aufgefal-len!“ 


Bea kannte Susie Walter fast so gut, wie ihre eigene Mutter und somit waren diese eben gesagten Worte keinesfalls nur kopfloses Geplapper; Bea wusste genau von was sie sprach.


„Na jetzt bin ich eben hier“ meinte daraufhin Tiffany mit einem nicht ganz so taufrischen Lächeln, „und zudem kann ich ja immer noch wieder Heim in mein Bett zurückkehren, falls es gar nicht gehen sollte. Ich nehme mal an, das muss die Nachwirkung des Valiums sein.“ Womit Sie sich und ihre Mutter meinte.

 

Beas grüne Augen wurden gross, als sie

diese Bemerkung von Tiff vernahm.                                                               Und es ging, wie Tiff später feststellen musste, wirklich nicht.

 

Im Unterricht, welcher an diesem Diens-tagnachmittag von Frau Schwenger durchgeführt wurde, fiel es Tiffany von vorneweg schwer, sich richtig zu kon-zentrieren.                                                    

Obwohl Sie die Lehrerin schon immer gern gehabt hatte und Sie auch mit dem von ihr vermittelten Stoff immer gut zurecht gekommen ist, fiel es Tiffany zunehmend schwieriger dem Unterricht zu folgen.

Als eine halbe Stunde später, nachdem Frau Schwenger den Unterricht begon-nen hatte, Tiff auf Ihrem Stuhl fast ein-geschlafen wäre, fragte Sie deshalb bei der Lehrerin an, ob Sie auf die Toilette dürfe.


„Aber bestimmt!“ meinte daraufhin die Lehrerin welche sich schon auf dem Weg zu Ihr befand und als Frau Schwenger vor Tiffs Pult angelangt war, meinte sie mit einem Flüstern, dass nur Sie verstehen konnte: 


„Mir ist bekannt, was sich ereignet hat; tritt nur solange aus, wie du es für nötig befindest, Tiffany!"


"Und falls es trotzdem nicht gehen sollte, so lass‘ es mich bitte wissen. Du kannst dann selbstverständlich wieder nach Hause gehen“ meinte Frau Schwenger daraufhin, als diese schon wieder vor der Klasse stand und Tiff gerade im Begriff war, die Schulzimmertür zu öffnen, die auf den Gang hinaus führte.


„Geht in Ordnung, Frau Schwenger“ murmelte Tiff daraufhin und verschwand aus dem Klassenzimmer. Als Sie die Tür zu Ihrer Klasse geschlossen hatte, wusste Sie es bereits: Es war ein Fehler, hier in die Schule zu kommen und Sie würde anschliessend, wenn Sie von der

Toilette zurück sein würde, nach Hause gehen; diese beiden Sachen standen für Sie  ausser Frage. 

Doch jetzt musste Sie erst einmal Ihren Darm entleeren; der fühlte sich nämlich langsam so an, als würden dort unten ganze Serien von Feuerwerk und Dy-namit gezündet.

 

Das wird wohl eine der Nebenwirkungen des Valiums sein, dachte Sie, als Sie auf dem Gang Richtung Toilette unterwegs war; darauf achtgeben, leise zu sein, musste Tiffany nicht besonders, da Sie den Weg entlang zur Toilette mehr schlurfte als normal zu gehen. Beinahe wie eine alte Greisin. Mit beiden Armen

den Bauch fest umschlungen und nach vorne gebeugt.                                                       

Ihre Beine kamen Ihr vor, als wären sie mit einer zähflüssigen Gummimasse gefüllt und das Gefühl der Watte, mit derer Ihr Kopf eingewickelt zu sein schien, begann sich da draussen auf dem stillen Gang sogar noch zu verstärken.                                                                                    

Doch damit nicht genug: Ihr Bauch bro-delte vor sich hin, als ob Chili darin ge-kocht wurde; komisch, dass Sie das nicht schon vorher wahrgenommen hatte. Doch da war Sie eben so damit be-schäftigt gewesen, sich auf den

Unter-richtsstoff, welcher von Ihrer Lehrerin, Frau Schwenger vermittelt wurde, zu konzentrieren, dass es Ihr wohl einfach nicht aufgefallen ist.

 

„Scheiss Valium!“ war der letzte be-wusste Gedanken, den Tiff aussprach, nachdem Sie auf der Toilette sass. 


Danach wurde das wattemässige Gefühl um Ihren Kopf so stark, dass Sie sogar den Eindruck hatte, Ihre Gedanken würden in den unergründlichen und weiten Tiefen der weissen Watte einfach verschwinden.                                                                                 

Verschwinden, bevor Sie diese überhaupt richtig wahrnehmen konnte und so kreis-ten  zig tausend Gedanken in und um Ihren Kopf herum bevor Sie daraufhin das Bewusstsein verlor.

Doch auf Tiff wartete keinesfalls ein er-holsamer Schlaf auf der Mädchentoilette in Ihrem Schulhaus. Keineswegs.





5. Kapitel: Eine weitere Fahrt mit dem Karussel

 

 

Tiffany fiel fast augenblicklich in einen ohnmächtigen Schlaf aus welchem Sie erst eine ganze Weile später wieder erwachte.


Während dieser Zeit arbeitete es in Ihrem Kopf aber wie verrückt, sprich es drehte sich Alles immer wieder von vorne. Die Todesvision, welche Ihr in Form dieses schrecklichen und sonderbaren Alp-traums vermittelt wurde, schien sich ohne Ende zu wiederholen.


Und zwar der ganze Traum, von Anfang bis zum Ende; bis zu dem geisterhaft nachklingenden „Tohoood!“ um darauf-hin wieder von vorne zu beginnen. Ohne dass Sie es selbst bemerkt hätte, fing Tiffany an heftig zu keuchen, während Ihr Kopf dabei bis auf Ihre Oberschenkel gesunken ist. In dieser Haltung, keuch-end und ab und zu zuckend verweilte Sie eine ganze halbe Stunde lang.                                                       

Und in dieser Zeit sah Sie die Todesvision als endlose Wiederholung immer und immer wieder. Der einzig be-wusste, klare Gedanke denn Sie während dieser Zeit hatte war: Ich dreh‘ durch; ich verliere wirklich meinen Verstand!

Das, was Ihr in dieser Vision des Todes gezeigt wurde; vom Finger, der auf Sie zeigte über das schreckliche Echo dieser verdammten Stimme, hatte Alles stets die gleiche Geschwindigkeit; nie wurde es langsamer und auch schneller wurde es nicht. Die Vision behielt ihre eigene, teuflische Geschwindigkeit immer bei, ganz so, als ob etwas sehr darauf be-dacht war, dass Sie auch wirklich Alles richtig mitbekam.

Bis auch diese Runde vorbei war. Zumindest vorerst.

 

Dann hörte Sie einen Schrei und wusste kurz darauf, dass es Ihr eigener war und daraufhin wurde heftig an die

Toiletten-tür geklopft; Frau Schwenger stand davor und rief ununterbrochen Ihren Namen: 


„Tiffany, Tiffany Walter; kannst Du mich hören? Öffne bitte die Tür, hörst Du Tiffany?“


Tiff hörte sich selbst Kilometerweit ent-fernt antworten: 

„Ja, ich bin wieder wach.“ 


Und noch etwas musste Sie sagen: 


„Bitte gehen Sie von der Tür weg, ich werde gleich raus kommen.“ 


Tiffany wollte momentan von niemandem betrachtet werden.

Das war etwas, was Ihre Lehrerin wohl verstand, denn diese antwortete:

„Das ist in Ordnung. Komme bitte nach-her direkt in das Lehrerzimmer; okay?“ 


Und kurz darauf fragte sie mit einem leichten Zittern in der Stimme: „Bist du dir auch wirklich sicher, dass du keine Hilfe brauchst?“


„Es geht schon wieder, Frau Schwenger! Bitte geben Sie mir noch fünf Minuten und dann werde ich zu ihnen ins Zimmer

kommen“ meinte Sie mit einer stöhnend-en Stimme.


„Na gut.“ gab sich Ihre Lehrerin zufrieden; „Dann also bis gleich, Tiffany.“


„Ja, bis gleich, Frau Schwenger.“ 


Ihre Stimme klang immer noch so weit entfernt.

Tiff hörte, wie die Lehrerin von der Toi-lettentür zurücktrat, dort einen Moment lang verweilte um daraufhin das Mäd-chenklo zu verlassen.

Was war denn das eben, fing Tiff an sich zu fragen. Sie erinnerte sich nur

noch an die dicke und undurchdringliche Watte um Ihren Kopf (welche nun nicht mehr gar so fest und undurchlässig zu sein schien) und an den Traum.                                                      „Scheisse!“ sagte Sie laut zu sich selbst und  erschrak dabei heftig über den Klang Ihrer Stimme, welche sich zu dem irrsinnigen Echo in Ihrem Kopf dazu-gesellen wollte.

Das Karussell schien seine Fahrt noch nicht ganz beendet zu haben.

 

Dieses Gefühl hatte Tiffany auch dann noch, als Sie das Lehrerzimmer betrat, in welchem Sie Ihre Lehrerin schon er-wartete. Frau Schwenger, sportlich

ele-gant wie immer, in einer blauen Seiden-bluse und einem Paar türkisfarbenen Faltenhosen, erhob sich aus ihrem Stuhl, als Tiff, nachdem Sie die Tür geschlos-sen hatte, nun im Zimmer stand, um zu Ihr zu kommen und Sie sanft an Ihren Schultern anzufassen.                                                                          

„Meine Dame, Du solltest sofort nach Hause gehen.“ 


Sagte sie zu Ihr während sie sanft Tiffs Schultern massierte. 


„Doch zuvor möchte ich wissen, ob Du

Dir über das, was da gerade eben passi-ert ist, bewusst bist.“


Tiffany hatte die Frage zwar gehört, doch nicht richtig wahrgenommen. Aus diesem Grund blickte Sie Ihre Lehrerin gedankenverloren an und fragte stattdessen: 


„Was haben Sie bitte gesagt?“ das Stöhnen schwang noch immer stark in Ihrer Stimme mit.


„Tiffany, Du bist, nachdem Du vorhin ausgetreten bist, eine volle halbe Stunde auf der Toilette gewesen und gerade als ich Bea losgeschickt habe, um

nach-zusehen, wie es Dir geht, hast Du laut aufgeschrien. So laut, dass Beatrice deinen Schrei sogar auf dem Gang draussen vernommen hat und weswegen sie dann auch wieder zurück ins Klassen-zimmer gekommen ist, um mich zu hol-en. Sie hatte wirklich Angst und wollte nicht alleine in die Toilette kommen um nach dir zu sehen.“


Frau Schwenger holte tief Luft und fuhr dann weiter: 


„Darum habe ich Beatrice aufgetragen in der Klasse zu warten und ich habe mich dann alleine auf den Weg zum Mädchen-klo gemacht, wo du, nachdem ich eine

Zeit lang Deinen Namen gerufen und an die Tür geklopft habe, dann auch wieder erwacht bist.“


Frau Schwenger machte einen Schritt zurück, um Tiffany richtig in Augen-schein nehmen zu können und blickte Sie mit aufgerissenen und grossen Augen fragend an. Schliessich meinte Ihre Lehrerin: 


„Nun, was ist denn Deiner Ansicht nach passiert? Das Du eingeschlafen bist, das liegt ja wohl auf der Hand. Aber dieser Schrei; Tiffany, du bist sonst die Ruhe in Person! Ich kann das einfach nicht verstehen; zumindest vorerst noch nicht.

Aber vielleicht wirst du mir ja dabei helfen, eine Antwort darauf zu finden; was meinst du?“

 

„Ich habe geträumt“ war Alles, was Tiffany hervorbrachte, bevor Sie im Lehrerzimmer wieder ohnmächtig wurde und so geradewegs in die Arme Ihrer Lehrerin flog, welche Sie sanft auffing. Frau Schwenger musste nicht einmal einen Schritt auf Tiffany zu machen; Sie fiel der Länge hin genau nach vorne und so legte Sie Ihre Lehrerin nach dem Auffangen mit halb geschocktem und halb besorgtem Gesicht sanft auf den Teppichboden des Lehrerzimmers ab.


Der letzte bewusste Gedanke in Tiffs Kopf war: Seltsam; ich habe meinen Stuhlgang ja noch gar nicht getan; diese Valium sind mir schon was komisches! Danach fiel Tiffany ähnlich wie vor cirka vierzig Minuten wieder in ein tiefes, schwarzes Loch in welchem Sie die Todesvision schon mit einer Art perverser Vorreude erwartete. Aber: dieses Mal schien die Fahrt um einiges länger zu dauern.

 

 

 

 

 

 

6. Kapitel: Aufwachen in einem fremden Bett

 

 

Diese Runde, auf jenem eigens für Tiffany gefertigten Karussell hörte erst auf, als Sie nach circa sechs Stunden, nachdem Sie im Lehrerzimmer ohnmäch-tig geworden ist, in einem Spitalbett keuchend und stöhnend erwachte. Die Bettdecke hatte es trotzdem irgendwie geschafft, auf Ihr zu bleiben und nun zog Tiff sich diese bis unter Ihr Kinn.


Ihre Mutter, welche schon seit einiger Zeit an Ihrem Bett gesessen hatte stand auf, legte ihre Hände auf Tiffs Wangen

um Sie zu beruhigen, und machte immer wieder: 


„Scht, es ist Alles in Ordnung, mein Schatz.“


„Wo bin ich?“ fragte Tiff nach einer Weile; Ihre Zunge fühlte sich in Ihrer Kehle an wie Sandpapier und Ihr war, als seie Ihr ganzer Mund mit Staub gefüllt. Doch dann kam Ihr in den Sinn, dass Sie ja vorhin (wann war das genau? Ihr Zeit-gefühl ging nach und nach flöten; dass war auch etwas, was Tiffany schon seit einer Weile aufgefallen ist) einen Zu-sammenbruch erlitten hatte und als Sie sich mit schnellen Blicken umgeguckt

hat, konnte Sie sich die Frage nach dem Ort Ihres Aufenthalts selber beantwor-ten; Sie lag in einem Spitalbett. Ausserdem bemerkte Sie den Infusions-schlauch, welcher auf Ihrem Handgelenk mit Klebband festgemacht worden war, um Ihren Körper mit einer Kochsalzlö-sung zu versorgen.

An Ihre Mutter zugewendet flüsterte Sie: 

„Wasser, bitte Mamie, ich muss dringend etwas trinken!“ 


Zudem fühlte sich Ihr Schädel nun wir-klich so an, als seie dieser ausschliess-lich mit Watte gefüllt.

 

Ihre Mutter drehte sich zum kleinen Bei-stelltischchen neben Tiffanys Bett, um das darauf befindliche Glas mit ein wenig Wasser aus der bereitstehenden Flasche zu füllen.


„Da, mein Schatz“ sagte sie mit voller Liebe und reichte Ihrer Tochter das Glas, welche es nach einem kurzen Zit-tern zielsicher an Ihre Lippen führte um zuerst vorsichtig daran zu nippen und dann das ganze Glas mit einem Zug leer zu trinken.


Tiffany musste daraufhin laut rülpsen, was Mutter wie Tochter äusserst be-lustigend fanden und worauf Tiff mit

einem sanften Lächeln auf Ihren Lippen Ihrer Mutter das Glas hinhielt, damit sie es noch einmal mit Wasser füllen konnte.                                                                                            

Auch dieses leerte Tiffany in einem Zug und nun ging es Ihr doch ein wenig besser; gut genug um zumindest zu rea-lisieren, dass Sie tatsächlich in einem Spitalbett lag und Ihre Mutter da war, um Sie zu besuchen.


„Wie komme ich denn hierher?“ fragte Tiff mit einem gequälten Ausdruck in Ihren Augen, während Sie sich wieder in diesem fremden Zimmer umblickte; Sie bemerkte dabei, dass Sie sich mit Ihrer

Mutter alleine in diesem Raum befand, die anderen drei Betten schienen unbe-nutzt zu sein. Doch hätte Sie sich auch täuschen können. Denn so genau sah sie noch nicht; die Watte schien nun aus Ihrem Schädel über Ihre Augen weiter-gewachsen zu sein.                                             

Diesen grauweissen Schleier nahm Sie nun; als Sie versuchte mit weit offenen Augen aus dem Fenster zu schauen, um die Sonne zu erblicken, vollends war.                                            

Trotzdem war Sie über die Privatsphäre in diesem Moment mehr als froh.                                                                          

Und just in diesem Moment öffnete sich die Zimmertür woraufhin ein gross ge-wachsener Arzt im weissen Kittel und einer Lesebrille auf der Nase, welchen Mutter wie Tochter beide gleichfalls umgehend als sehr hübsch einstuften, das Spitalzimmer betrat. Tiffany zog Ihre Bettdecke, welche Sie vorhin ein wenig runtergestossen hatte, wieder vollends bis unter Ihr Kinn.

 

„Aha, sind Wir also endlich aufgewacht“ meinte dieser mit einem verschmitzten Lächeln, nachdem er die Tür hinter sich wieder zugemacht hatte und an Tiffs Bett getreten war.

Darf ich mich vorstellen? Mein Name ist Doktor Meier und ich bin der zuständige Arzt von Ihnen, Frau …“ worauf er auf der Krankenakte, welche er lässig unter seinen Arm geklemmt hatte, als er das Zimmer betrat, nachsah „… Frau Walter. Tiffany Walter; ein sehr schöner Name“ und mit diesen Worten reichte er zuerst Tiff und dann Ihrer Mutter die Hand, wobei er bei ihr meinte:                                                           

„Und Sie sind bestimmt Ihre Mutter; die Ähnlichkeit ist wirklich nicht zu übersehen!“


Worauf Susie Walter mit ein wenig ge-röteten Backen nickte, während sie noch

immer Doktor Meiers Hand schüttelte. Momentan fiel ihr das Sprechen ziemlich schwer.


Der Arzt machte auch keine weiteren grossen Umschweife und nach dem Begrüssungsritual wandte er sich direkt an Tiff.

Sie fühlte, als der Arzt anfing zu reden, ein leichtes Zucken zwischen Ihren Beinen, doch schenkte Sie dem keine weitere Beachtung und konzentrierte sich voll auf das, was Herr Meier zu sagen hatte. Am Rande Ihres Bewusstseins nahm sie aber trotzdem wahr, dass Ihr letzter Geschlechtsverkehr mit Robbie (als dieser noch lebte) schon eine Weile

zurücklag; Sie war ihm stets treu ge-wesen. In diesem Moment war Sie sehr froh, über die wohlige Wärme, welche Ihr die Bettdecke verschaffte.






7. Kapitel: Eine Offenbarung

 


„Nun, Frau Walter, wie geht es Ihnen, abgesehen von diesem schrecklichen Durst den sie mit ziemlicher Sicherheit verspüren?“ worauf sich Doktor Meier an Ihre Mutter wandte, mit der Bitte sie solle doch bitte das leere Glas, welches Tiffany noch immer in Ihrer Hand hielt mit frischem Wasser füllen, was Susie auch sofort erledigte.


Nachdem Tiff das dritte Glas, ähnlich wie die beiden ersten, in einem Zug leer-getrunken hatte und Sie sich nur mit

all-ergrösster Willenskraft einen weiteren heftigen Rülpser verkneifen konnte, fing Sie an zu sprechen:


„Hm, ich fühle mich ganz so, als würde ich neben mir stehen.“ Das war eine sehr genaue Darstellung Ihrer Lage und Tiff war ein wenig überrascht, von Ihrer Fähigkeit dies so gut in Worte fassen zu können. 


„Und da ist dieses Gefühl, als ob mein gesamter Schädel mit Watte gefühlt ist.“


„Also …“ wollte Doktor Meier weiterfahren, doch Tiff schnitt ihm das Wort ab.


„Und, ehm, meine Sicht scheint auch ein wenig getrübt zu sein.“ Wobei Sie darüber nicht zu viel sagen wollte, so-lange Ihre Mutter anwesend war, Sie hatte das unbestimmte Gefühl, dass es besser sei, vorerst nicht allzu sehr ins Detail zu gehen.


„Aha, …“ begann der Doktor von neuem „… also es ist so, dass Sie heute gegen drei Uhr am Nachmittag von Ihrer Lehrerin, Frau …“ ein kurzer Blick auf die Krankenakte „… Frau Schwenger eingeliefert worden sind. Wir haben daraufhin eine Menge Tests mit Ihnen gemacht und auch Ihren Kopf, Frau

Walter, haben Wir dabei geröntgt und ich kann Ihnen mit Gewissheit sagen, dass Wir ernsthaft vor einem Rätsel stehen; denn Wir konnten wirklich nichts finden.“


Er liess das eben Gesagte einen Moment lang wirken, um daraufhin den Faden wieder aufzunehmen: 


„Sehen Sie, von da an, als Sie eingelie-fert wurden und bis Wir; das heisst meine Ärztekollegen und ich, alle wich-tigen Tests mit Ihnen gemacht haben, welche Alle das gleiche Ergebnis an-zeigten, nämlich dass sie vollkommen Gesund sind, haben Wir eine grosse

Anzahl möglicher Spekulationen darüber angestellt was Ihnen denn fehlen kön-nte.“


Der Doktor machte eine kurze Pause und schien sich das, was er sagen wollte gut zu überlegen.

Bevor er jedoch etwas sagen konnte, platzte Ihre Mutter mit der Frage der Fragen heraus: 


„Das heisst, dass meiner Tiffany nichts fehlt?“


Doktor Meier wandte sich diesmal an Ihre Mutter und meinte: 


„Nein, Ihre Tochter ist vollkommen Gesund, wie ich schon gesagt habe.“

Und mit Blick zurück auf Tiff sprach er weiter: 


„Und genau das ist aber wiederum das Problem; nach einem solchen, totalen Zusammenbruch müssten Wir eigentlich gewisse Symptome im Körper von ihnen, Frau Walter feststellen, welche schon vor dem Zusammenbrechen da gewesen sein müssten. Doch haben Wir, wie schon erwähnt, absolut nichts gefunden. Nicht, das ich ihnen Angst machen wollte; glauben Sie mir: Nichts würde mir ferner liegen.                               Wir wissen zudem, nachdem Wir hier im

Spital einige Nachforschungen angestellt haben, dass sie die von ihrem Hausarzt, Doktor Fischmann, verschriebenen Valium gestern Abend in einer kleinen Dosis von ihrem Vater verabreicht be-kommen haben. Doch ist so etwas, was ihnen heute Nachmittag an der Schule wiederfahren ist, keineswegs die Regel beim Konsum von Valium; was sag‘ ich da; es ist nicht einmal die Ausnahme!“ 


Ein kurzer Blick zu Ihrer Mutter und nachdem der Doktor sich sicher war, dass diese das Gesagte auch wirklich begriff fuhr er weiter: „Zudem haben sie die Kapseln gestern Abend genommen und bis zum Zeitpunkt Ihres

Zusammen-bruchs von heute, sollte eigentlich der gesamte Wirkstoff von ihrem Körper verarbeitet worden sein.“

 

Er liess das Gesagte wiederum einen Mo-ment in der sterilen Umgebung des Spi-talzimmers schweben, bevor er weitersprach.                                                                                         „Und neben Ihrem vorherigen Zusammenbruch auf der Damentoilette ihrer Schule, wurde ich auch über die beiden Tragödien in Kenntnis gesetzt, welche sich innert kürzester Zeit in ihrem Leben ereignet haben, Frau Walter. Mein Beileid!“ sagte er an die beiden gerichtet.


Weiter kam der Doktor nicht, denn die darauffolgende Stille wurde durch das dezente Klingeln von Tiffs Zimmertelefon unterbrochen.

Fast schuldbewusst fragte Sie darum: 


„Darf ich, bitte?“


„Aber natürlich, gehen Sie nur ran; ich habe genügend Zeit!“ und das Lächeln auf Doktor Meiers Gesicht schien seine Worte noch zu bekräftigen.



Es war Bea, welche Tiff, nachdem Ihr Ihre Mutter den Telefonhörer gereicht

hat, am anderen Ende sprechen hörte:


„Tiff, es tut mir so leid …“ eine kurze Pause „aber ich muss dir das jetzt sagen: Meine Mutter ist heute Nachmittag, bei einem schweren Autounfall getötet worden!“


Daraufhin fiel Tiffany erneut in eine tiefe Ohnmacht und das einzige, was Sie während Ihrer neuerlichen mehrstündig-en Abwesenheit mitbekam war, wie Ihre Mutter zu irgendjemandem, mit einer sonderbar ruhigen aber bestimmten Stimme sagte: „Ich glaube langsam, sie ist verflucht!“

 

Das Bild, welches Susie Walter daraufhin wahrnahm, hatte einen seltsamen Aspekt des Wiedererkennens: Ihre Tochter, wie Sie regungslos in ihrem Spitalbett lag, den Telefonhörer noch immer in der Hand, erinnerte sie geradezu an die Szene, welche sich ihr offenbart hatte, als sie vor etwas mehr als einer Woche ihren Toten Sohn im Badezimmer auf-gefunden hatte; den Föhn noch immer in seiner leblosen Hand haltend.





8. Kapitel: Was der Arzt sagt

 

 

Tiffany erwachte erst am nächsten Morgen aus Ihrem tiefen, komatösen Schlaf.                                                           

Der Doktor stand bereits an Ihrem Bett; wie Sie nachdem, Sie sich die Augen gerieben hatte, feststellen konnte und noch etwas fiel Ihr auf, als Sie sich da-raufhin zu strecken begann: Sie war nicht mehr die einzige Patientin in Ihrem Spitalzimmer; rechts auf der anderen Seite war ein Bett mit einer erwachsenen Frau belegt, die entweder noch schlief

oder sonst einfach still in ihrem Bett dalag.


Nachdem Sie herzhaft gegähnt hatte, wobei Sie daraufhin sofort die Hand vor Ihren Mund hielt, um dem Doktor gegen-über nicht unfreundlich zu erscheinen (Tiffany bemerkte dabei einen recht üblen, sauren Geruch in Ihrem Mund und eine solche Giftgaswolke wollte Sie nun wirklich nicht auf Ihren freundlichen Doktor abschiessen)  brachte Sie ein müdes „Morgen“ zustande.

Mit verschlafenen Augen begann Sie sich aufzurichten und nachdem Sie die Bett-decke wieder unter Ihrem Kinn hatte

konnte Sie sich Ihrem Doktor zuwenden.

Doktor Meier sah recht frisch und munter aus und als er nach Tiffs Be-grüssung ein schelmisches Lächeln über sein Gesicht huschen liess, spürte Tiff erneut diesen kurzen, aber intensiven Stich zwischen Ihren Schenkeln. Dieses Mal nahm Sie ihn bewusster wahr, wes-halb Sie sich daraufhin, um sich abzu-lenken, zu Ihrem Beistelltischchen um-drehte, um Ihr Glas mit frischem Wasser zu füllen.                                                                                                         

Doch der Verschluss sass so fest, dass Sie sich so sehr damit abmühte, dass der Doktor kurzum auf diese Seite des Bettes

kam um Ihr die Flasche sanft, aber be-stimmt aus der Hand zu nehmen, sie zu öffnen und Tiffs Glas, welches Sie be-reits in der Hand hielt mit dem sprudeln-dem Wasser zu füllen.                                                                                                                             

Tiff blickte Ihn kurz über den Rand Ihres Glases mit dankbarem Blick an, worauf Sie das kühle Wasser; dieses Mal mit mehr Bedacht, wieder bis auf den letzten Tropfen austrank.


„So“ sagte der Arzt, welcher bis anhin still gewesen war, nachdem Tiffany das leere Glas wieder auf Ihrem Tischchen abgestellt hatte.


„Haben sie vielen Dank“ sagte daraufhin Tiff, welche anschliessend gerade noch im letzten Moment einen weiteren gewaltigen Monsterrülpser unterbrechen konnte.


„Das ist gern geschehen. Darf ich?“ womit er andeutete, dass er sich gerne am Fussende auf das Bett setzen würde.

Tiff zog Ihre Beine ein wenig an, rückte ein bisschen auf die andere Seite und meinte: 


„Selbstverständlich; Doktor … wie war bitte nochmal ihr Name?“


Der Doktor hatte es sich daraufhin in der Nähe von Ihren Füssen auf dem Bett bequem gemacht; die Krankenakte welche er auch wieder dabei hatte, legte er neben sich ab.


„Doktor Meier; immer noch! Haben sie vielen Dank.“ antwortete er und bevor Tiffany bemerken konnte, dass er soeben einen Witz gemacht hatte, fuhr er ein-fach weiter: 


„Sie müssen entschuldigen, Frau Walter, doch es war eine lange und aufreibende Nacht für mich und ich hatte erst eine Stunde Schlaf auf dem Sofa in meinem Büro. Sie sind sozusagen die erste

Patientin, welche ich heute Morgen besuchen komme!“


„Das ist schon in Ordnung“ und mit der Stirn in leichten Falten, wobei Sie so Ihrer Mutter sehr glich wie Doktor Meier feststellte, meinte Sie: 


„Na, von mir aus gesehen, sehen Sie aus, als hätten Sie mehr als genug Schlaf gehabt. Aber sagen Sie, warum sind Sie denn nicht nach Hause gefahren, als Ihr Dienst beendet war?“


„Ich konnte nicht“ erwiderte daraufhin Doktor Meier, welcher Tiff bis anhin direkt angesehen hat, seine Blick sank,

um seine Hände zu betrachten.


„Es liegt an ihnen; verstehen Sie mich bitte nicht falsch, doch als Ihr behan-delnder Arzt ist mir so etwas wie in ihrem Fall während meiner Karriere hier im Spital; welche nun doch schon fünf-zehn Jahre dauert, noch nie untergekom-men.“ 


Als er das sagte, hob er seinen Blick wieder, um Tiffany dabei fest in die Augen zu schauen, als suchte er darin nach irgendwas.


„Und auch meine Ärztekollegen, mit welchen ich mich inzwischen besprochen

habe, sprechen Alle von einem wahrhaft-en Rätsel, welches mir da bevorsteht.“ 


Nun fing er wieder an, einnehmend zu lächeln wobei Tiffany feststellen musste, dass er Ihr doch nicht so sehr gefiel wie zu Anfang; er war für Ihr Bedürfnis doch schon um einige Jahre zu alt und die meisten Haare auf seinem Kopf waren zwar noch nicht weiss, hatten aber schon einen ziemlich farblosen Grauton angenommen.                                                                                                      

Also war Ihre Reaktion zwischen Ihren Beinen wohl eher auf den weissen Dok-torkittel, welchen er trägt

zurückzuführ-en, dachte Sie bei sich, wobei Sie Ihren Arzt dabei nicht ein einziges Mal aus den Augen liess.


„Aber Sie können nach wie vor beruhigt sein, Frau Walter“ fuhr er weiter „ihr körperlicher Zustand ist nach wie vor in bester Ordnung, wie wir anhand der letz-ten Testreihe, welche Wir mit Ihrem Blut gemacht haben, bewiesen bekommen haben.“

 

Tiffany überlegte sich, ob Sie nochmal etwas trinken sollte, entschied sich aber dann dafür, gerade noch ein Weilchen zu warten und bevor Sie etwas auf das eben gesagte erwidern konnte, fuhr Doktor

Meier wieder weiter; er schien dabei richtig in Fahrt zu kommen.


„Nun, was mich an dieser Stelle gerne wundernimmt,“ fuhr er fort „ist natür-lich ihr persönliches Empfinden, ihre eigenen Erfahrungen und Eindrücke, die sie seit Beginn dieser Ohnmachtsanfälle gemacht haben.“ 


Er machte eine kurze Pause und fuhr dann mit einem kleinen, sonderbaren Leuchten in seinen Augen fort: „Und ob sie mir eine gewisse Ahnung des Ganzen vermitteln können; sprich einen Lösungsansatz oder eine

Richtungswei-sung die hin zu ihrer Genesung führen wird.“


Einen Moment war Tiff davor, einfach drauf los zu reden. Einfach Alles raus zu lassen. All Ihre Befürchtungen, Ängste, Ideen und Überzeugungen; angefangen natürlich beim Traum, der gar kein Traum war, sondern eine Todesvision.                                                      

Tiff zog sich für einen Moment noch länger in sich zurück, was Doktor Meier wohl mitbekommen zu haben schien, denn er drehte daraufhin seinen Kopf um aus dem grossen Fenster zu schauen, welches gleich neben Tiffs Bett lag, und die aufgehende Morgensonne zu

geniess-en. Er wollte Tiffany die Zeit lassen, die Sie benötigte, um seine eben gestellten Fragen angemessen beantworten zu können.

Sie bekam dies Alles nur am Rande mit, denn Sie war schon wieder zurückge-kehrt, in die soeben erlebte Nacht, mit all ihren Schrecken.                                                       


Der grösste Schreck, der Tiffany in der gerade vergangenen Nacht erlebt hatte, fiel Ihr nun wieder ein; wobei Ihr ganzer Rücken und Ihre Arme sich nach und nach mit Gänsehaut überzogen, war der, dass in Ihrem Traum über das Sterben scheinbar direkt mit Ihr gesprochen

wurde.                                                                                                   Sie konnte sich erinnern, dass Sie darin sogar bei Ihrem Namen gerufen wurde. Und nach und nach schienen sich die Puzzleteile ineinander zu fügen. Wobei aber das Gesamtkunstwerk noch nicht ganz ersichtlich wurde, doch ging Sie dabei einen grossen Schritt darauf zu; das spürte Sie eindeutig. Das Bild des Fingers, der dabei immer wieder anklag-end auf Sie gerichtet wurde, war am stärksten in Ihr vorhanden.                                                          

Doch das schrecklichste am Ganzen war, wie es Ihr jetzt wie Schuppen von den

Augen fiel, dass Sie dabei jeweils darauf hingewiesen wurde, wer als nächstes sterben wird.                                                                                          

Schliesslich war es  ja … schon seit Anfang der  Fall.                               Warum sonst hätte Sie Robbie wohl mit den Worten: „Wir werden Alle sterben … und du wirst der erste sein!“ versucht haben sollen zu retten?                                                                                          

Und so wurde Ihr mit jeder neuen Todes-vision jedes Mal der Name der nächsten, von Ihr geliebten Person genannt, welche den Tod finden würde.


Wie konnte Sie das bloss übersehen hab-en? War die Grausamkeit dieser Tatsache so tiefgreifend erschütternd, dass Sie diese schlichtweg einfach wieder ver-gessen hatte, nachdem Sie Robbie mit Ihrem Anruf retten wollte, und: Es nicht konnte.                                              


War das Alles zu hart für Ihren Verstand gewesen, so dass sich dieser seit dem Erkennen der unverrückbaren Tatsachen lediglich in ein dunkles Kämmerlein zu-rückgezogen hatte?                        


Tiffany schloss für einen Moment die Augen und stellte das soeben Gedachte

für einen anderen Moment, in dem Sie wieder allein sein würde um sich richtig damit auseinander zu können, in Ihrem Kopf auf die Seite, dann holte Sie tief Atem und liess ihn danach mit einem seufzenden Geräusch wieder entweichen, bevor Sie anfing zu sprechen.





9. Kapitel: Einsichten und Lichter

 

 

„Ganz ehrlich gesagt“ fing Tiffany, nachdem Sie Ihre Augen wieder geöffnet und sich ein wenig in Ihrem Bett aufgerichtet hatte, an: „Ganz langsam, aber so schrecklich sicher bin ich überzeugt, dass ich meinen Verstand verliere.“ 


Das eben gesagte ging Ihr dabei so leicht von Ihren Lippen, dass Sie beschloss weiterzufahren, wobei Tiffany fest-stellte, dass Sie Doktor Meiers volle und

ungeteilte Aufmerksamkeit hatte. Er nahm Ihre Krankenakte in die Hände, zückte einen Stift aus seinem weissen Doktorkittel und machte sich ab und zu Notizen darauf, um anschliessend Tiffany immer wieder genau anzuschau-en.


So fuhr Tiffany denn weiter: 


„Es begann mit einem Traum“ nun, zu-mindest das konnte, wollte und musste Sie aussprechen, wenn auch nicht Alles; aber gerade schien dieser Punkt ja einer der wichtigsten überhaupt zu sein, oder? 


„Ich sah darin etwas Komisches und gleich darauf war mein Freund tot.“ 


Tiff war inzwischen davon überzeugt, dass Ihr auch vor dem Tod Ihres Bruders, sein Name im Traum genannt wurde, doch hatte Sie in Verbindung mit Robbie und seinem Ableben einen bes-seren Zugangspunkt zum Ganzen und beschloss so, dabei zu bleiben.


„Und seit diesem Augenblick scheint mein Leben aus den Fugen geraten zu sein; verstehen Sie mich bitte nicht falsch, Doktor Meier; ich rede da nicht von Trauer und allen damit verbundenen Veränderungen, die den Tod eines

ge-liebten Menschen mit sich bringen mögen. Es ist mir weiter auch bewusst, dass es sich bei mir schon fast wie eine Serie“ streiche das „fast schon“! schrie dabei Ihr Verstand aus seinem stillen und abgelegenen Örtchen „von Todesfällen in meinem Leben handelt. Und zudem höre ich eine Stimme in mir, die mir leise zuflüstert, dass Alles mit-einander in Zusammenhang steht; leise vorerst noch, doch reicht die Lautstärke schon fast aus, mich davor zu fürchten. Furcht zu empfinden, davor, was die Stimme genau mit ihren Worten meinen könnte.“ 


Ihre Stimme wurde bei dem letzten Satz

zu einem Flüstern, ohne dass Tiffany davon Notiz genommen hätte.


Im anderen Bett in Ihrem Zimmer, welches jetzt belegt war, schien die da-rin befindliche Frau aus einem tiefen Schlaf zu erwachen und fing lautstark an zu gähnen und sich zu strecken, bis ihr gewahr wurde, dass sie sich nicht zu Hause in ihrem Bett befand und fuhr dann einiges leiser weiter, wach zu werden.


„Nun, das ist schon eine ganze Menge, Frau Walter und ich danke ihnen für ihre Offenheit in Bezug auf ihre Gedanken, welche sie sich in Bezug auf ihr Leiden

machen. Sie werden sehen, dass nur dadurch sie jetzt darüber geredet haben, es ihnen schon bald psychisch um einiges besser gehen wird. Ich werde mich von daher vorerst auch mal davor hüten, ihnen Antidepressiva zu ver-schreiben.“                                                                         

 

Er machte sich noch ein paar abschlies-sende Notizen auf der Krankenakte, klemmte sie sich wieder unter den linken Arm und streckte daraufhin Tiffany seine rechte Hand hin, welche Sie gleich da-rauf ergriff und schüttelte.


„Auf Wiedersehen, Frau Walter. Sie

werden, da im Moment kein Anzeichen einer weiteren Gefahr für sie besteht, heute Nachmittag nach Hause gehen können. Doch bevor,“ er liess dabei ihre Hand wieder los und hatte wieder dieses Leuchten in seinen Augen „werden sie noch unsere feinen Köstlichkeiten aus der Spitalküche geniessen können, denn was sie jetzt benötigen, ist ein kräftiges und stärkendes Mittagsmahl. Ihre Eltern wurden bereits schon durch uns tele-fonisch benachrichtigt und werden sie deshalb gegen vierzehn Uhr abholen kommen.“ 


Und mit diesen Worten erhob er sich.


„Danke vielmal,“ krächzte Tiffany, Sie bemerkte, dass Sie schon wieder einen sehr trockenen Hals, ähnlich einer Wüste um die Mittagszeit hatte und schenkte sich daraufhin ein weiteres Glas des köstlichen Nasses ein und nachdem Sie einen kleinen Schluck getrunken und sich geräuspert hatte, meinte Doktor Meier: 


„Ja, trinken müssen sie jetzt mehr als genug; ihr Kopf, wie auch Ihr Körper brauchen jetzt viel Flüssigkeit! Nun denn, Gute Besserung Frau Walter, haben Sie einen schönen Tag und auf Wiedersehen.“


„Das geht in Ordnung, danke vielmal“

sagte Sie noch einmal und dieses Mal hörte es sich etliches mehr nach Ihrer eigenen Stimme an und fuhr weiter: 


„Ihnen auch einen schönen Tag.“ Etwas nahm Sie aber noch wunder: „Werde ich für weitere Untersuchungen zu Ihnen oder zu meinem Hausarzt gehen müssen?“


„Das wird sich noch zeigen; ich werde Sie informieren, sobald wir hier mehr dazu sagen können. Wir sind noch immer inmitten der laufenden Untersuchungen. Alles Gute!“ und nach einem neuerlichen, intensiven Blick in Ihre Augen drehte er sich um und verliess das Zimmer.

Das Essen war wirklich ausserordentlich lecker und Tiffany musste sich ganz ge-waltig beherrschen, nicht einfach über den Braten mit Gemüse und Kartoffel-püree herzufallen und Alles in einem ab-erwitzigen Tempo in sich reinzuschau-feln.                                                                           

Sie befand sich ja nicht Alleine im Zim-mer und obschon die andere Patientin, die jetzt mit Ihr das Zimmer teilte, nach einem kurzen Besuch einer Kranken-schwester, welche ihr daraufhin zwei, drei Tabletten gab, sich schon wieder dem Schlaf zugewendet hatte, wahrte Tiffany trotzdem Ihre gute Kinderstube und zwang sich, das ein wenig fade

gewürzte Mittagessen, genussvoll lang-sam zu essen.

Es tat gut und das sollte es auch, denn schliesslich stand Tiffany ein weiterer grosser Schock bevor.





10. Kapitel: Besuch ...

 


Eigentlich wollte sich Tiffany, nachdem Sie Ihr wohlnährendes Mittagessen ge-nossen hatte ein wenig ausruhen; die Pa-tientin, mit welcher Sie bis anhin noch kein einziges Wort gewechselt hatte, wurde vor circa zehn Minuten mitsamt ihrem Bett von zwei Krankenschwestern und einem Doktor, welcher noch einmal doppelt so alt zu sein schien wie Doktor Meier, abgeholt und in der anschlies-senden, neuerlichen Einsamkeit des Spi-talzimmers wollte Sie ein wenig dösen und Ihren Gedanken nachhängen, um zu

sehen, ob Ihr etwas Brauchbares einfiel; Tiffany mochte diese Art von Nachdenk-en sehr gern und praktizierte sie dabei so oft Sie konnte.


Doch aus dem Vorhaben wurde nichts, als gerade, nachdem eine weitere Kran-kenschwester Ihr Tablett mit den leergeputzten Tellern darauf abholen ge-kommen war, sich die Tür zu Ihrem Krankenzimmer langsam und vorsichtig öffnete und gleich darauf ein kleiner Junge von ungefähr acht Jahren unter dem Türpfosten erschien, Sie kurz mit einem interessierten und offenem Blick bedachte, um dann das Zimmer vollends zu betreten und dabei die Tür hinter sich

auch wiederum ganz sachte und leise zuzog.


„Ja, hallo! Wer besucht mich denn da?“ fragte daraufhin Tiffany den kleinen Jungen, der allem Anschein nach ein Besucher und kein Patient war; das Krankenhaus, in welchem Tiffany lag war ein überaus grosses mit Erwachs-enen wie auch Kindern als Patienten, wie Tiff sehr wohl wusste, doch war dieser Junge angezogen wie ein jeder Knabe in seinem Alter; knallige und bunte ausge-suchte Stücke die wohl aus einer Kinderboutique stammen, dachte Tiff bei sich.


Der Junge der zu Anfang wie angewur-zelt beim Eingang Ihres Zimmers ge-standen hatte, setzte sich nun in Be-wegung und kam geradewegs auf Ihr Bett zu. Er hatte helle Grüne Augen, die fast zu scheinen schienen und auch das Blond der kurz geschnittenen Harre waren von einer seltsamen, doch ange-nehm anzuschauenden Intensität.


Tiffany zog Ihre Beine unter der 

Bettdecke an und zog sie wieder ganz weit hoch, sodass nur Ihr Kopf darunter hervorschaute. Der Junge öffnete den Mund, während er sich auf Sie zubewegte, schloss in aber dann wieder um noch mal über etwas nachzudenken

und als er dann direkt vor Ihrem Bett stand, fing er an zu sprechen:


„Hallo Tiffany. Mein Name ist Leonardo. Frag‘ mich jetzt bitte nicht, woher ich Deinen Namen weis und frage mich auch bitte im Verlauf von dem, was ich dir jetzt berichten werde, nicht woher ich das jeweilige weis; ich weiss es einfach und das ist das wichtigste!“


„Hallo Leonardo, es freut mich dich kennenzulernen“ war das einzige, was Tiff gerade noch rausbringen konnte, da-raufhin merkte sie auch schon, wie das eben Gesagte langsam und bestimmt in ihrem Innern zuerst aufkeimte und dann

zu brodeln anfing.                                               

Es war eine Schlichtheit an den Worten dieses achtjährigen Kindes, die nur auf eines hinzuweisen schienen; nämlich auf nichts, als die unverfälschte Wahrheit.


„Und was genau so wichtig ist,“ fuhr Leonardo fort „ist, dass unsere Zeit nur begrenzt vorhanden ist; also hat Alles kurz und bündig zu sein.“ 


Als der Junge dies gesagt hatte, erkannte Tiffany einen sonderbaren Ausdruck, in und um sein Gesicht; nun eigentlich um seine ganze Gestalt; der Ausdruck hohem Alters und der damit verbundenen

grossen Weisheit, was Leonardo für ein-en Moment viel älter erscheinen liess, als dieser überhaupt war und Tiffany hatte ersichtliche Mühe, Ihre Verwunderung zu verbergen.                                                                                              

Diese wurde offenbar von ihm wahrge-nommen, den er quittierte Tiffs verzau-berte Aufmerksamkeit mit einem kleinen, wohlbedachten (wie es schien), und herzerwärmendem Lächeln. Als ob er Menschen, die genau wie ich jetzt, so verdattert aus der Wäsche gucken, des Öfteren sehen würde, dachte Tiff.


„Da bist du also; ich habe gewusst, dass

ich dich hier finden werde. Tiffany Walter!“                           



Als er Ihren vollen Namen aussprach hob er ein wenig seine Stimme, wohl eher unbewusst, was Tiffany einen erneuten Schwall von Gänsehaut bescherte.


„Und ich weiss auch darüber, was geschehen ist, was jetzt geschieht und was noch Alles geschehen wird, wenn du nichts daran ändern wirst. - Denn das kannst du. Ja: Du hast richtig gehört!“ 


Der Junge liess Sie während er sprach keinen Moment aus den Augen und

Tiffany konnte das kindliche Lächeln auch in ihnen sehen und liess sich; ganz gleich was Sie jetzt Alles von diesem sonderbaren und fremden Jungen erfahren würde, zumindest vorerst davon anstecken.                                                      


So sass Sie sanft lächelnd aufrecht in Ihrem Spitalbett und lauschte mit einer riesigen Neugier Leonardos sanften, wohlklingenden Worten, die obschon sie einen wunderbaren Klang hatten, direkt und unmissverständlich ausgesprochen wurden.


„Du hast etwas getan; etwas schlechtes;

Tiffany. Und deswegen geschieht dir das, was dir jetzt geschieht. Und weiter weisst du wohl bestimmt auch, wo denn Alles enden wird; darüber hast du dir doch bestimmt schon Gedanken gemacht, oder?“ 


Leonardo stoppte kurz, und als er Tiffs gemischten Ausdruck von Erkennen und Todesangst in Ihren Augen sehen konnte, nachdem Sie einmal langsam, aber be-stimmt genickt hatte, fuhr er fort.

Tiffany indes fühlte sich Alles andere als wohl in Ihrem Bett, da war einerseits diese Stimme in Ihr, die Sie nun doch immer lauter anschrie; was genau das war, das konnte Tiffany noch nicht

genau sagen, doch es war etwas von ausserordentlicher Wichtigkeit, das konnte Sie bereits im Klang dieser Stim-me hören.                                                                                                          

Und andererseits fühlte Sie sich, als wollte Sie momentan wirklich viel lieber ganz woanders sein.                                                                                

Doch Sie vernahm auch die Liebe, die von diesem gerade mal achtjährigen Kind ausgesendet wurde und Tiff nahm Sie voller Dankbarkeit in sich auf, um sich ähnlich, wie an einem Feuer in der Nacht, daran zu wärmen; es war eine wohltuende, aufrichtige Wärme. Und so

blieb Sie tapfer in Ihrem Bett sitzen, rückte das Kissen hinter Ihrem Rücken ein wenig zurecht, während Leonardo wieder anfing zu reden: 


„Ich weiss übrigens auch nicht genau, was das Alles soll, doch habe ich, wie soll ich sagen? nun, belassen wir es bei „Auftrag“ – … habe ich also den Auftrag gekriegt dir zu sagen, was ich zu sagen habe.“ 


Leonardo räusperte sich kurz um dann weiterzufahren: 


„Du kannst dir bestimmt auch denken, dass was auch immer mir diesen Auftrag

erteilt hat, nicht unbedingt ein Mensch ist. Doch was sag' ich da? Ich verliere mich; ich wollte dir nur klarmachen, dass das, was momentan geschieht; also das ich zu jemandem spreche, wie ich das jetzt mit dir tue, nicht mein erstes Mal ist, vielleicht be-ruhigt dich das ja ein bisschen.“


Auch daraufhin nickte Tiff; Sie war nach wie vor nicht in der Lage Ihren Mund zu öffnen; die schiere Ehrfurcht vor diesem Moment und vor Leonardo selbst hielt Sie fest umklammert und so konnte Sie weiterhin nur staunend seinen Worten zuhören und um dabei wie von weit weg mitzubekommen, wie es ab und zu Klick

machte in Ihrem Innern, so als ob ein Teil mit einem anderen Teil verbunden würde.


„Also, Tiffany,“ setzte Leonardo an, schöpfte dann aber wie ein ausgewach-sener Mann kräftig Atem, liess ihn zischend wieder entweichen und griff dann das Wort erneut wieder auf: 


„Du hast etwas, das dir nicht gehört. Das weiss ich, wie ich bestimmte andere Dinge weis und ich bin überzeugt, dass auch du es bald schon wissen wirst; - denn allzu viel hast du leider noch nicht verstanden, wie ich sehe - doch bitte: Mache dir vorerst noch gar keine

Ge-danken; dafür wirst du später mehr als genug Zeit haben und hör dir erst an, was ich dir alles zu sagen habe; geht das in Ordnung?“


Wieder diese allumfassende Wärme, wel-che Tiffany sofort und eindeutig schlicht mit ehrlicher und aufrichtiger Liebe in Verbindung brachte. Es ist so wunder-bar! dachte Sie bei sich und nickte daraufhin ein drittes Mal im Verlaufe dieses so sonderbaren, so aufwühlendem (und wie!) und irgendwie auch beruhi-gendem Gespräches. Es schien wider-sprüchlich, doch fühlte es sich nach wie vor richtig an.


„Gut, also Tiffany; nach meinem Wissen wird ganz einfach ausgedrückt, ein Ende dieses Fluches für dich in greifbare Nähe kommen, wenn du das, was dir nicht gehört wieder dorthin zurückbringst, wo du es her hast. Und denke dabei bitte daran, auch Bea mitzunehmen, da sie genau wie du auch da drin festhängt; wie gesagt, weiss ich weder etwas über die näheren Umstände, noch möchte ich etwas davon wissen und weiter geht es mich ganz einfach gesagt auch nichts an“ (Wie seltsam sich das anhört, dachte Tiff; wo er doch scheinbar so gut über mein Leben Bescheid weiss) „aber das ist es, was ich dir zu sagen hatte. Tu es und du wirst mit ziemlicher

Wahrschein-lichkeit ein Ende des Schreckens, wel-cher dich momentan so schrecklich und so grausam heimsucht, herbeiführen. Lass es und du wirst auch dafür die Konsequenzen tragen. Hast Du das ver-standen, Tiffany?“


Ein viertes Nicken von Ihr und Leonardo fuhr weiter: 


„Gut. Dann gibt es da noch etwas, was ich dich wissen lassen sollte.“

 

Leonardos Stimme und auch seine Ton-lage hatte sich während des gesamten Gesprächs, welches er im Grunde ge-nommen allein führte, kein einziges

Bis-schen verändert, wie Tiff festgestellt hatte und deshalb konnte Sie das Gesagte ohne weiteres auch einfach in sich auf-nehmen, um sich, wie abgemacht, später dann Ihre Gedanken darüber zu machen.


„Ihr beide, du und deine Freundin Bea, solltet ein Blatt Papier dabei haben, auf dem ihr jeweils „Es tut mir von ganzem Herzen leid“ gefolgt von eurer jeweiligen Unterschrift, geschrieben haben werdet und was ganz wichtig ist: Gebt jeweils beide auf euer Blatt einen kleinen Trop-fen von eurem Blut drauf; damit wird die Kraft erzeugt, die es euch ermöglicht, diesen Teufelskreis zu durchbrechen.“                       

Eine weitere kleine Pause, die Tiffany nutzte um nach Ihrem Glas zu greifen und daraufhin den Rest des Wassers wie eine fast verdorrte Pflanze begierig bis zum letzten Tropfen auszutrinken. 


Nachdem Tiff das leere Glas zurück ge-stellt hatte, beendete Leonardo das Ge-spräch und auch seinen Besuch mit den Worten: 


„Bringt also zurück, was nicht euch gehört, nehmt mit, was ich dir geraten hab und legt das was nicht euch gehört, dort ab. Die beiden, von euch beschriebenen Blätter“ (das Blut liess er dieses Mal aus; doch konnte Tiff die

ganze Szene schon ganz deutlich vor Ihrem inneren Auges sehen; die Blätter, die Bea und Sie in ihren Händen hielten, mit jeweils einem kleinen, rostbraunen Fleck am unteren Rand) „ - sollt ihr aber im Freien und in der Nähe verbrennen. Das ist Alles, was Bea und du tun könnt, so ihr denn wollt. Es ist weder meine Entscheidung, noch meine Angelegenheit. Doch habe ich getan, was ich tun mus-ste, Tiffany Walter, und ich wünsche dir denn einen schönen Tag und ein langes Leben.“ 


Mit diesen Worten machte Leonardo eine kurze, angedeutete Verneigung, worauf-hin Tiffany meinte: 


„Ich danke Dir vielmals Leonardo, und auch ich wünsche Dir einen guten Tag und ein langes Leben.“ 


Woraufhin Sie im Bett sitzend, auch eine kleine Verneigung andeutete und damit schien das Ganze erledigt zu sein, denn Leonardo machte auf dem Absatz kehrt, lief durch das Zimmer zur Tür und war schon dabei seine Hand auszustrecken, um den Türgriff des Zimmers zu ergreifen, als Tiffany noch sagte: 


„Und es war mir eine Freude, dich kenn-en lernen zu dürfen, Leonardo; ganz ehr-lich. Vielleicht werden wir uns ja mal

wieder sehen?“


Leonardo drehte sich mit dem ihm eigen-en Lächeln um und sagte dann: 


„Danke; die Freude ist ganz auf meiner Seite! Wer weiss, Tiffany, wer weiss? Doch freuen würde auch ich mich dar-über; das ganz bestimmt!“ 


Woraufhin er sich umdrehte, noch einmal die Hand zum Gruss hob und um dann so leise zu verschwinden, wie er gekommen war.






11. Kapitel: ... und Familie

 


Tiffany kam es während der ersten Augenblicke, als Sie wieder allein in Ihrem Zimmer war, so vor, als seie Sie gerade aus einem besonders intensiven Traum erwacht und musste sich dann eingestehen, dass das eben erlebte keinesfalls in die Kategorie der Fantasie oder in die des Träumens gehörte. Nein: Das war Alles real; voll und ganz. Trotzdem oder gerade deswegen, war Tiffany ziemlich verstört.                        

                                                                        

Sie unterdrückte daher den plötzlichen Drang, sich zu kneifen und rutschte stattdessen wieder vollends unter Ihre Bettdecke um sie wieder bis zu Ihrem Kinn hochzuziehen. So blieb Sie, mit angezogenen Beinen, auf der Seite liegend in Ihrem Krankenhausbett, bis der nächste Besuch kam. Nachdenken wollte Sie über das eben Erlebte nicht; noch nicht. Zuerst musste sich das Alles mal in Ihr setzen; oder anders ausge-drückt: Sie musste es zuerst mal ver-dauen, bevor Sie sich richtig damit aus-einandersetzen konnte. Sie beschloss da-rum die prächtige Aussicht auf den fast

wolkenlosen Himmel aus Ihrem Fenster hinaus zu geniessen.                                                                                    Ihre Eltern liessen nicht lange auf sich warten und etwa eine Viertelstunde nach-dem Leonardo gegangen war, standen sie beide im Spitalzimmer, in welchem Tiff-any nach wie vor alleine war; die andere Patientin war inzwischen noch nicht wie-der zurückgekommen.                                                                

Im Schlepptau hatten sie eine Kranken-schwester, welche Tiffany wieder vom Infusionsschlauch befreien sollte, wel-chen Sie seit zu Anfang Ihres

Spital-aufenthalts hier, in Ihrem Arm stecken hatte, was Tiffany irgendwie erst jetzt, nachdem er entfernt worden ist, so rich-tig mitbekam.

Mit geistesabwesenden Berührungen be-tastete Sie das Pflaster auf Ihrem rech-ten Handgelenk, welches nun die Stelle zierte, an der bis vor kurzem noch eine Kochsalzlösung in Ihren Organismus ge-leitet worden ist. Während Ihr Vater Ihre wenigen Kleider und Habseligkeiten in einer Tasche verstaute, schaute Sie Ihrer Mutter eine Zeit lang tief in die Augen.                                                       

Nach der Begrüssung der beiden; von Vater gab es ein „Hallo, meine Sonnen-blume! Ich bin ja so froh, dass Du

wieder nach Hause kommen darfst!“ und von Ihrer Mutter wurde Sie nach einer langen und liebevollen Umarmung mit einem Kuss auf die Stirn und den Worten: 


„Dein Vater hat ja so recht; endlich kannst Du wieder nach Hause kommen, mein Sonnenschein!“ begrüsst.


Nachdem die Schwester wieder gegangen war und Tiffany sich angezogen hatte, wofür Ihr Vater daraufhin kurz das Zimmer verlies; schliesslich war Sie ja schon neunzehn Jahre alt; beendete Tiff-any Ihren kurzen aber intensiven Auf-enthalt in diesem Spital mit einem letzten

Blick aus dem Fenster, wobei Sie Arm in Arm mit Ihrer Mutter davor stand.                                                      

„Ich bin auch froh, Mutter; ich freue mich ja so wieder auf mein Bett!“ sagte Sie mit einem entspannten Lächeln zu ihr, ohne den Blick von dem wunderba-ren Panorama zu nehmen. Und obschon nicht von ihm gesprochen wurde, blickte in diesem Moment der Tod über ihre Schultern, um so zusammen mit den beiden aus dem Fenster zu schauen.

 

 

 

 

 

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12. Kapitel: Vorerst alles im Lot; vorerst

 


Es gab ein reichliches Abendessen, wel-ches Tiffany, nun als Sie endlich wieder zu Hause war, mit grossem Genuss ver-speiste. Sie war  bereits an Ihrem zwei-ten Teller; Mamas Küche ist halt doch die Beste! dachte Sie während Sie sich über Ihren dritten Teller voller Spaghetti an einer feinen Bolognese Sauce her-machte.             


Und obschon Tiffany keine weiteren Be-ruhigungspillen vom Arzt bekommen hat, (bis auf das Valium welches noch im

Haus war und welches Sie nur in äusser-sten Notfällen schlucken durfte, musste Sie also keine weitere Chemie zu sich nehmen) spürte Sie ein angenehmes Wohlbefinden, was wohl lediglich mit der Tatsache einherging, dass Sie ein-fach wieder zu Hause war. Und somit blieb auch der Tod von Beas Mama vor-erst noch unter dem Bereich des be-wussten Denkens. Und doch war dieses jüngste Ereignis ein weiterer Hinweis darauf, dass es sich bei dem Ganzen um etwas wirklich Grosses handeln musste.

Zum Nachtisch gab es feine Schwarz-wälder Kirschtorte und nachdem Tiffany Ihr doch recht grosses Stück verputzt hatte, spülte Sie das Ganze mit einem

kräftigen Schluck Cola runter und musste daraufhin (wen wundert’s?) wie-der monsterhaft rülpsen, was von Ihren Eltern mit herzhaftem Gelächter quittiert wurde. Man war ja schliesslich wieder zu Hause.


„So, ich habe genug; ich könnt‘ platzen!“ meinte Sie daraufhin zu Ihren Eltern, während Ihre Mutter sich noch einen kleinen Nachschlag der leckeren Torte gönnte und sich der Vater mit einer Serviette die Lachtränen ob Tiffs eben getätigtem Rülpser aus den Augen wischte.


„Ist gut,“ meinte Susie Walter daraufhin,

mit dem Mund schon wieder voll Kirschtorte, was sich so lustig anhörte, dass Tiff und Ihr Vater von einem neuerlichen Lachanfall geschüttelt wurden.


„Ich denke, dass du ohne Schwierigkeit-en deinen Schlaf findest, oder?“ fragte Sie Ihr Vater mit einer kichernden Stimme, als sich Tiffany vom Tisch erhob.


Mit einem sonnengleichen Lächeln blickte Sie Ihren Vater an und meinte daraufhin: 


„Ja, das denke ich auch, Pa!“ und an sie

beide gerichtet: 


„Ich wünsche euch jetzt eine geruhsame Nacht; ich weiss nicht, wie lange ich noch wach bleiben werde.“


Sie warf Ihrer Mutter eine Kusshand zu und begleitet von den Gute Nacht Wünschen Ihrer Eltern brachte Tiffany Ihre gebrauchtes Geschirr und Besteck zurück in die Küche und kurz danach stand Sie schon vor dem Badezimmer-spiegel, um sich die Zähne zu putzen.

 

Gleich darauf war Sie auch schon im Bett; in Ihrem eigenen Bett, Hach, das fühlt sich so gut an! dachte Sie bei sich

und war kurze Zeit später schon wieder eingeschlafen. Doch sollte auch dieses Mal nicht wirklich Ruhe auf Sie warten.

Das Wohlbefinden war nur ein Vorwand, um Sie in Sicherheit zu wiegen, damit der Schrecken dann umso stärker wieder zuschlagen konnte.


Denn in dieser Nacht wurde Ihr der Tod Ihres Vaters weissgesagt und zumindest das wusste Sie noch, als Sie am Morgen danach wieder erwachte. Tiffany be-merkte sofort, dass Ihre Beine kalt war-en. Ihre Bettdecke lag am Boden; Sie musste sie wohl im Schlaf aus dem Bett gestrampelt haben.

Kurz nachdem Sie sich gestreckt und die

Decke wieder zurück auf Ihr Bett gezog-en hatte um darunter noch ein wenig Wärme für das Aufstehen zu tanken, hörte Sie den Schrei Ihrer Mutter.

Tiffany wusste sofort was geschehen ist; Ihr Vater war nicht mehr.

 

Tom Walter stand an diesem Donners-tagmorgen als erster frisch und erholt auf (Er war, ähnlich wie seine Tochter ohne weiteres eingeschlafen) und befand sich, nach der Morgentoilette auf dem Weg in die Küche, als er auf der Treppe von wo aus man von der unteren Etage, wo sich die Küche, das Wohnzimmer und sein kleines Arbeitszimmer befanden, die Schlafzimmer und das Badezimmer oben

erreichen konnte, einen Misstritt machte.                                                      

Sein rechter Fuss knickte dabei beim Aufsetzen auf der drittoberen Treppen-stufe nach innen, wobei ein paar Sehnen und Bänder rissen, was ihm einen solch intensiven Schmerz bereitete der umge-hend in seinem Kopf explodierte, dass er gleich darauf sein Gleichgewicht verlor und dann polternd die Treppe runterge-fallen ist.                                                      Er brach sich dabei das Genick an einer der unteren Stufen; was ein knackendes Geräusch zur Folge hatte, ähnlich wie wenn ein dicker Ast gebrochen wird; noch bevor sein nun lebloser Körper auf

dem Boden des Parterres mit einem dumpfen Schlag zur Ruhe gekommen ist. 

Sein Leichnam sollte aber noch eine Zeit lang so liegen bleiben.


Susie, welche am Abend zuvor, als sie zu Bett gegangen ist heimlich, ohne dass sie ihrem Mann etwas davon gesagt hatte, noch einmal eine Dosis Valium zu sich genommen hatte (Sie brauchte ges-tern Abend eine starke Beruhigung, um Schlaf zu finden, denn im Gegensatz zu Tiffany und ihrem Mann konnte sie an diesem Abend nicht einfach abschalten und hatte allerlei Gedanken und auch Befürchtungen, welche ohne Unterlass in

ihrem Kopf herum schwirrten und sie wusste, dass sie ansonsten die ganze Nacht wach bleiben und sich Sorgen machen würde. Also dann lieber noch ‘ne Valium! dachte sie deshalb und konnte so dann; zwar mit fremder Hilfe, doch ohne weiteres problemlos ein-schlafen und erwachte in dieser Nacht kein einziges Mal; ihr Schlaf war ausge-sprochen tief.) wusste an diesem Morgen; rund zwei Stunden nach Toms tödlichem Sturz;  zuerst nicht genau, was eigentlich Alles passiert war, wieso sie sich so verbissen an die Oberfläche des Wachseins kämpfen musste, bis ihr anschliessend, nachdem sie sich ange-zogen hatte, nach und nach Alles wieder

in ihrem Verstand zu dämmern anfing.                                                             

Tom war schon aufgestanden, wie sie feststellte und vermutlich würde er unten in der Küche am Frühstücken sein; er hatte sich ja für den Rest der Woche frei genommen.

 

Auf dem Weg zum Bad kam sie am ob-eren Treppenende vorbei, blickte dabei wie jedes Mal, am Morgen nach dem Aufstehen kurz nach unten und sah dabei ihren Mann, wie dieser reglos gleich unmittelbar vor dem unteren Treppen-ansatz in einer sonderbaren Haltung auf dem Fussboden lag; er hatte dabei auf

dem Rücken liegend alle Viere von sich gestreckt und sein Kopf, welcher in ein-er übertrieben grotesken Weise nach hin-ten geknickt war blickte dabei nach oben; Susie schaute direkt in die kalten, erstarrten und  toten Augen ihres Mannes und fing an zu schreien.





13. Kapitel: Erinnerungen und neue Visionen

 

 

Die Polizei kam anschliessend genau gleich wie schon beim Tod Ihres Bruders ins Haus, machte ihre Arbeit und ver-schwand nachdem Alles soweit geklärt worden ist, zusammen mit To, Waöters Leichnam.


Tiffany, welche die Polizei noch bevor Sie Ihr Zimmer verlies um nach Ihrer Mutter zu schauen, von Ihrem Mobiltele-fon aus angerufen hatte, befand sich an-schliessend, nachdem auch Doktor Fischmann wieder bei Ihnen gewesen ist

und Ihrer Mutter ein sehr starkes Beruhi-gungsmittel gespritzt hat; was sie in einen komatösen Schlaf versetzt hatte, wieder auf Ihrem Bett.


Ihre Mutter lag auch wieder in ihrem grossen Ehebett, welches sie von nun an nicht mehr mit ihrem Vater teilen würde und würde wohl noch ein paar Stunden schlafen, wie Ihr Doktor Fischmann ver-sichert hatte. Susie Walter sollte sich aber anschliessend nie mehr richtig er-holen. Ihr Geist blieb bis zu ihrem Ableben angeknackst.                                                            

Tiffany war zudem froh, dass Ihre Tage

erst wieder in einer Woche soweit waren; hatte Sie doch keine Damenbin-den mehr und bis anhin brachte nach wie vor Ihre Mutter, wenn sie einkaufen ging, welche für Tiffany mit. Und mo-mentan, kam Ihr in den Sinn, dass Sie ja das Pack beim vorherigen Mal aufge-braucht hatte. Nichts lag Ihr in diesem Moment ferner, als sich Damenbinden kaufen zu gehen; irgendwie war Sie da nach wie vor das kleine Mädchen von einst, dass sich ein wenig schämte für diese ach so völlig selbstverständliche Sache, wie es Ihre Mutter immer wieder betonte.                                                                                                

Sie selbst wollte keine Beruhigungsmittel

zu sich nehmen. Nachdem Tiffany den lieben und fürsorglichen Arzt davon üb-erzeugt hatte, dass es Ihr, soweit es die Umstände eben zuliessen, doch einiger-massen gut ginge und er als letzter das Haus der Walters wieder verlassen und Tiff dabei mit Nachdruck darauf hinge-wiesen hatte, dass Sie sich sofort bei ihm melden sollte, falls etwas nicht in Ordnung sei,  lag Sie nun also in der fast unheimlichen Stille des Hauses auf Ihrem Bett und bemerkte, dass es Ihr bei wei-tem nicht so gut ging, wie Sie es den lieben Doktor glauben gemacht hatte.


Als erstes kam ihr, als Sie ausgestreckt auf Ihrem Bett lag, Leonardo und das,

was er Ihr mitgeteilt hatte wieder in den Sinn. Und zwar Wort für Wort. Worauf Tiffany sich wie eine Katze auf der Seite zusammenrollte und Ihren Gedanken ein-fach mal wieder freien Lauf liess. Die Trauer über das Ableben Ihres Vaters hielt sich vorerst noch stark in Grenzen; im Prinzip war Sie ja darauf vorbereitet gewesen; doch würde diese nicht mehr lange auf sich warten.                                                                          

Natürlich hatte auch Sie geweint um den Verlust Ihres ach so geliebten Vaters, doch waren Ihre Tränen vorerst wieder versiegt als Sie anfing, sich das erste Mal seit dem Beginn dieser schrecklichen

und grausamen Todesserie, sich ernst-haft damit auseinanderzusetzen.                                                                                               

Und ständig hörte Sie dabei Leonardo in Ihrer Erinnerung wie er in Ihrem Spita-lzimmer stand und Ihr von etwas be-richtete, dass Sie selbst schon fast ver-gessen hatte; etwas das unmöglich je-mand wissen konnte, ausser Bea und Ihr. 

Und … aber das schien Ihr momentan noch zu unwahrscheinlich.  


Ich weis es einfach hatte er gesagt. Schon alleine diese Aussage sorgte für einen mächtigen Gänsehautschauer,

wel-cher sich über Ihren gekrümmten Rücken bis hinauf zu den Schultern und über Ihre Arme fortsetzte.  Sie konnte eine eigentümliche Kälte in sich spüren, die so nicht ganz unangenehm war; diese Kälte setze sich daraufhin in Ihrem Kopf; in Ihrem Denken fest und hatte eine wunderbar klärende Wirkung zur Folge. Nun wusste Sie Alles wieder genau, bis ins kleinste Detail, was Leonardo zu Ihr gesagt hatte.


Wenn Du nichts daran ändern wirst hatte er weiter zu Ihr gesagt; nun war Sie üb-erzeugt das Sie  es nicht nur versuchen wollte, etwas daran zu ändern; mittler-weile war Sie bereit alle Hebel und Mittel

in Bewegung zu versetzen, die Ihr zur Verfügung standen, um eine Änderung der gesamten, so beschissenen Lage her-beizuführen. Es ging nun einfach schon zu lange und die Folgen waren insgesamt einfach tödlich; auch für Sie, schluss-endlich; davon war Sie mittlerweile über-zeugt.                                                                                                      

Tiffany machte sich weiter Gedanken, über Leonardos Worte. Du hast etwas schlechtes getan hatte er weiter zu Ihr gesagt. Natürlich wusste Sie jetzt was Leonardo damit gemeint hatte, ohne dass er die geringste Ahnung darüber gehabt hätte; ihm ist es dabei ja schliesslich

ums Prinzip gegangen, als er mit Ihr ge-sprochen hatte. Und das bestand nun mal im Übermitteln einer Nachricht und die ist so oder so bei Tiff angekommen.

Der Geruch von Alter, welcher ver-mischt mit einem süsslichen, angenehm-en Aroma in der Luft des alten, leersteh-enden Hauses hing, war denn auch Ihr erster Eindruck welcher sich aus Ihrer Erinnerung herauszuschälen begann.            


Und mit diesem speziellen, irgendwie nach feinem süssen Gebäck schmeck-endem Duft stand aufs Mal wieder Alles vor Ihr, so als wäre das Ganze nicht vor schon über einem Jahr, sondern erst

gerade gestern geschehen.

Tiffany wurde in Ihrer Erinnerung nach hinten katapultiert und sah Bea direkt neben Ihr stehen, als Sie beide, nachdem Sie beschlossen hatten, einen; wie Bea sich ausgedrückt hatte; Erkundungsgang durch das schon längere Zeit leerstehen-de Haus, gleich am Waldanfang hier in Reichsbach zu machen.                                                                                                                                           

Sie wussten auch beide Bescheid darüb-er, wer vormals in diesem Haus gelebt hatte und der grösste Fehler, welchen die beiden gemacht hatten bestand darin, anzunehmen, dass die alte, hexengleiche

Frau welche sie nicht näher gekannt hatten (es war eben die alte Frau aus dem Haus am Waldrand für sie beide und wohl auch für die meisten anderen Menschen aus Reichsbach) und welche das Haus bewohnt hat; nachdem man sie dann wiederum ins Altersheim gebracht hatte; verstorben sei.


„Ach komm schon,“ hatte Bea an diesem Mittwochmorgen, vor über einem Jahr, als Sie gerade Pause hatten, zu Tiffany auf dem Schulhof draussen gesagt „die Alte wurde vor einiger Zeit ins Alters-heim gebracht, als man sah, dass sie nicht mehr für sich selbst sorgen kann und nun ist sie bestimmt schon

gestorb-en. Du weisst ja, wie das für die alten Leute ist, wenn diese aus ihrer ver-trauten Umgebung; aus ihrem bekannten Leben und Tagesablauf gerissen werden, um dann den Rest ihres Lebens noch in einem Altersheim zu verbringen; die machen’s einfach nicht mehr lange, auf diese Weise!“ 


Tiffany war einerseits erschreckt über die sehr ungeschminkte Darstellung dies-er Tatsache durch Ihre beste Freundin und doch zeigte Sie auch ein bestimmtes Interesse daran, was Ihr da gerade eben von Bea vorgeschlagen worden war.                                  

„Wir gehen einfach nur kurz rein; ich

weiss sogar, wo Wir ungesehen rein-kommen, ohne dass wir dabei etwas auf-brechen müssten!“                            


„Also von Einbruch will ich sowieso nichts wissen!“ hat Tiff damals zur Ant-wort gegeben.


„Davon ist ja hier auch gar nicht die Rede“ meinte daraufhin Bea und was sie im Anschluss daran gesagt hatte, langte, um Tiffanys Neugier zu erwecken: 


„Die hat bestimmt irgendwo noch etwas rumliegen, das alt und wertvoll ist“ sagte sie mit leuchtenden Augen „zudem hatte die alte Frau ja keine Verwandten, die

sich um ihren zurückgelassenen Besitz gekümmert hätten!“ 


Das stimmte wiederum auch; den Tiff war bekannt, dass das Haus der alten Dame, seit sie damals von der Alters-pflegehilfe ins Altersheim gebracht wor-den ist, nach wie vor so unberührt da-stand, wie in den ersten Tagen ihres Um-zugs ins Altenheim.


„Machen wir also einen Erkundungsgang in diesem Haus oder machen wir’s nicht?“ fragte Bea Sie dann schluss-endlich.


„Na gut, machen wir den, wie du es

nennst; Erkundungsgang in diesem alten, unbewohnten Haus!“ gab Tiffany zur Antwort, worauf Ihr Bea an den Hals ge-sprungen ist und Sie innig umarmt und gedrückt hatte.


„Yes!“ sagte Bea „in dem Fall gleich heute Nachmittag nach der Schule! Hach, ich bin ja so gespannt! Du auch?“


Tiffany war genau wie Bea sehr gespannt und auch als die beiden am Nachmittag, wie abgemacht einen einfachen Zugang in das alte Haus gefunden hatten, merkte Tiff, dass Sie nach wie vor unter sehr grosser Spannung stand, als sie beide begannen, sich in dem Haus, in dem ein

würziger, fein süsslicher Duft in der Luft hing, umzuschauen.


Bea ist es dann auch gewesen, welche schliesslich die alte, reich verzierte Schmuckschatulle in dem vormaligen Schlafzimmer der Alten gefunden hatte. 


                        

Das gesamte Haus machte einen sehr aufgeräumten, ordentlichen Eindruck; völlig anders, als Tiffany sich das zuerst vorgestellt hatte und auch die Spinnweb-en, vor welchen Sie einen wirklich grossen Ekel hegte, hielten sich stark in Grenzen. Es war so, als ob irgendein fremder Zauber in der Zeit der

Abwesen-heit der früheren Bewohnerin für Sau-berkeit gesorgt hatte, überlegte sich Tiff nebenbei.


 „Jetzt sieh dir mal das an“ rief Bea mit einer recht aufgeregten, lauten Stimme aus dem Schlafzimmer der alten Dame, während Tiffany gerade in der Wohn-stube damit beschäftigt gewesen ist, systematisch die Wohnwand nach liegen-gebliebenen Reichtümern zu durchsuch-en, wobei Sie auf ein paar Fotoalben ge-stossen ist, welche Sie gerade am durch-blättern war, als Bea Sie rief. Tief zuck-te leicht zusammen, da Bea und Sie, seit sie beide im Haus angelangt, sind sich nur leise flüsternd unterhalten hatten.


Tiff legte das eben aufgeschlagene Foto-album zurück in die Wohnwandschublade und fragte noch im Gehen: 


„Was? Was ist es denn?“


„Das wirst du gleich sehen! Man; das ist ja der Hammer!“


Bea stand am Wickeltisch der alten Frau, wo sie sich früher immer die Haare ge-bürstet hat, dachte Tiffany, und als Sie unter dem Türrahmen das Schlafzimmer betrat, verspürte Sie eine leichte Gänse-haut, wegen der so lebhaften Erinnerung, welche Sie gerade von der alten Frau

hatte, wie diese sich die Haare an eben diesem Wickeltisch gekämmt und ge-bürstet hat, an dem Bea jetzt mit einer kleinen Schmuckschatulle in den Händen stand und Sie mit aufgeregten, leucht-enden Augen ansah. 


„Bingo; wir haben einen Volltreffer, mein Schatz!“ sagte sie daraufhin zu Tiffany als diese neben ihr stand, um die mög-liche Beute genauer in Augenschein zu nehmen.

Sie streckte die Hände aus und fragte: 


„Darf ich bitte mal ..?“ worauf Ihr Bea das kleine Kästchen vorsichtig überreichte.


„Das ist bestimmt schon sehr alt und hat wohl auch einen recht grossen Wert; oder was meinst du Tiff? - Ist es lediglich Tinnef? Das glaube, ich ehrlich gesagt, nämlich nicht!“


Nachdem Sie den Inhalt der Schmuck-schatulle eingehend studiert hatte; der Deckel stand offen und es befanden sich neben ein Paar Ringen, auch eine Brosche und eine sehr hübsche Kette, bestehend aus einem kleinen Anhänger und einer sehr dünnen Silberkette darin; begutachtete Sie das Äussere, der ohne Frage bereits sehr alten, etwa zehn Zentimeter langen und ungefähr sechs

Zentimeter breiten Schatulle. Sie konnte erkennen, dass es sich beim Material, aus dem das Kästchen gefertigt worden war, zweifelsohne um blaues Keramik handeln musste und zudem befand sich auf der Aussenfläche ein glänzendes, filigranes Muster, was ziemlich sicher mit echten Goldfäden aufgetragen wor-den ist. 


„Wie es halt früher der Fall gewesen ist“ murmelte Tiffany mehr zu sich, als Sie Bea die Schmuckschatulle wieder überreicht hatte.


„Was hast du gesagt?“ fragte Sie daraufhin Bea, die sanft mit den Fingern

über das wunderschön zu betrachtende Muster auf der Aussenseite gefahren ist. Das Innere des Kästchens war mit vio-lettem Samt ausgelegt, wie Tiffany jetzt, im Nachhinein bemerkt hatte.


„Ich meinte, dass es sich bei dem Muster auf dieser Schmuckschatulle bestimmt um echtes Gold handelt“ meinte Sie da-raufhin zu Bea.


„Na bestimmt doch“ und wie aus einem Mund sagten die beiden darauf: „


Wie es halt früher der Fall gewesen ist!“ worauf Sie beide in dem nun ungenutzten Schlafzimmer angefangen hatten zu

lachen.


Sie lächelten auch dann noch, als sie beide das Haus anschliessend wieder ver-lassen hatten und sich dann auf dem nach Hause Weg befanden.                                                                                                 

„Du musst sie aber unbedingt bei dir aufbewahren, Tiff“ hatte Bea daraufhin gesagt, nachdem sie die Schatulle, wel-che sie mit Papier umwickelten, vosich-tig in Tiffs Rucksack verstaut hatten. 


Beas Mutter hatte nämlich nach wie vor Schwierigkeiten sich damit abzufinden, dass ihre Tochter beinah Volljährig war

und sie somit auch ein Anrecht auf Pri-vatsphäre hatte; ihre Mutter durchsuchte deshalb regelmässig Beas Zimmer; ein Umstand den Bea zwar hinnahm aber nun doch mehr und mehr immer weniger ak-zeptierte; schliesslich war sie ja eine junge Frau. Es war ein seltsamer Tick, den Beas Mutter da an den Tag gelegt hatte.

Nun, hatte war genau der passende Ausdruck dafür, denn nun war ja auch sie tot.


„Das geht in Ordnung“ hatte daraufhin Tiffany geantwortet und somit war die Sache vom Tisch und es sollte über ein Jahr vergehen, bis sie beide wieder an

das Getane erinnert wurden. Ein Um-stand, der auf die doch sehr strenge Schule zurückfiel, welche Bea und Sie nun seit zwei Jahren besuchten; es gab soviel Stoff, den sie zu pauken hatten, dass sie ihren Besuch im leerstehenden Haus der alten Frau mitsamt der daraus mitgenommenen Schmuckschatulle samt ihrem Inhalt schlichtweg vergessen hatten. Auch die darin befindlichen Ringe, die Brosche und die Halskette hatten die beiden inzwischen vergessen.


Bis heute.





14. Kapitel: Auf Erkundungsgang

 

 

Tiffany wurde mit einem Mal klar, was Leonardo mit den Worten: „Wenn du das, was nicht dir gehört, wieder dorthin zurückbringst, wo du es her hast, wird es ein Ende haben“ genau gemeint hat! Aber bestimmt, schrie Tiff-anys innere Stimme Sie an; bringe diese verfluchte Schmuckschatulle, die ver-gessen unter einem Stapel Kleider in Deinem Schrank liegt umgehend zurück! 


Das ist es also gewesen, was Leonardo zwischen den Zeilen versucht hat Ihr

mitzuteilen. Und Bea muss auch dabei sein, dachte Sie weiter; unbedingt!

Mit dem Gedanken an Bea kam auch die Erinnerung an ihren Anruf, als Tiffany im Spitalbett lag, zurück.                                                                          

Und der Grund ihres Anrufs. Oh, Scheisse! dachte Tiff; Monika, Beas Mutter ist ja auch gerade erst gestor-ben!                                                                               

Und nun fing Ihr Verstand an, Ihr die einfache und höchst morbide Rechnung zu machen, welche Sie schon früher hätte machen sollen. 


Michael war der erste gewesen.

Verdammt; es war inzwischen so viel geschehen, dass Sie beinahe vergessen hätte, den Tod Ihres Bruders richtig zu betrauern. Doch noch bevor Sie von ein-em neuerlichen Weinkrampf geschüttelt wurde, fuhr Ihr Kopf weiter und kam zu: Robbie. Sprich, Nummer zwei auf dieser makabren Liste. Ihr Freund seit wie vielen Jahren? Nun, eigentlich hatte Tiff-any noch nie einen anderen Freund ge-habt; Sie hatte Robbie beinah so lange wie auch Bea gekannt. Nun flossen Ihr die Tränen doch in einem dünnen, nicht enden wollendem Rinnsal über die Wan-gen. 


Tiffany schnappte sich ein Taschentuch

von Ihrem Nachttischlein, schnäuzte sich die Nase und kam dann zu Nummer drei: Monika, Beas Mutter, mit ihrem sonderbaren Tick. Ihr Blick verschleierte sich mehr und mehr; doch konnte und wollte Sie jetzt die Augen nicht schliess-en; gerade jetzt brauchte Sie das warme Licht der Nachmittagssonne, das in ein-em hellen, breiten Streifen durch das Fenster auf den Teppichboden Ihres Zimmers fiel, dringendst.                                                      


Als Sie bei Nummer vier; Ihrem Vater angelangt war, konnte Tiffany nicht mehr an sich halten und krümmte sich unter heftigsten Weinanfällen noch mehr

in Ihrem Bett zusammen, zitterte dabei wie Espenlaub und noch bevor der Schlaf dann schliesslich doch seine sam-tigen Arme um Sie schloss, wusste Sie, dass Sie Bea so bald als möglich kontak-ttieren und sie zu sich beordern musste.


Doch sollte auch dieser Schlaf kein gnädiger werden; Ihre Visionen kamen zurück und die Karussellfahrt begann aufs Neue. Nur hörte oder vernahm Tiff-any in diesem so gewaltigen Traum weder einen Namen, noch einen Hinweis auf das nächste Opfer. Der Ablauf blieb natürlich der gleiche und auch das eiskalte Etwas, das den Traum mit den Worten: „Alle; Alle die Du liebst und

dann Du!“ beendete, fehlte selbstver-ständlich nicht. Und doch war da ein Teil in Tiffany der anfing, sich zu wei-gern zu glauben, dass es einfach so wei-tergehen würde. Ein kleines Licht in der Dunkelheit Ihrer seelischen Abgründe. Der Traum war dennoch wiederum sehr intensiv und schien Sie bis in Ihr Inner-stes hinein zu berühren; zu erfassen; um Sie dann, früher oder später, schluss-endlich auch zu töten.


Tiffany erwachte nach vier Stunden, noch immer zusammengerollt mit von Tränen verklebten Augen und erst nach-dem Sie sich im Badzimmer frisches, kaltes Wasser ins Gesicht gespritzt

hatte, konnte Sie wieder einigermassen klar sehen, wobei sich das seltsame Flimmern; dass Sie zum ersten Mal im Spital bemerkt hat, wieder eingestellt hatte. Na gut; Sie konnte so gut sehen, wie es die Umstände halt eben erlaubten.


Tiffany ging nachdem Sie die frische Unterwäsche angezogen hatte, anschlies-send nach unten in die Küche (wobei Sie dabei übervorsichtig die Treppe runter-gestiegen ist), um sich ein grosses Glas Saft einzuschenken und ging dann mit dem Glas in der Hand in die Wohn-stube.                                                                                                  

Nach einem wohltuendem, grossen Schluck Fruchtsaft fühlte Sie sich be-reit, das zu tun, was getan werden musste. Sie stellte das Glas auf den grossen Esstisch in der Wohnstube, nahm sich das Haustelefon und setzte sich auf einem Stuhl an den Tisch.                                               

Der Rülpser, welchen Sie daraufhin von sich gab, hallte so laut in Ihren Ohren, dass Sie sich sogar ein bisschen darob erschreckte, was dann auch zur Folge hatte, dass Tiff sich im Anschluss dann doch ein bisschen entspannter fühlte.                                                                                 

Kurz nachdem Ihr das aufgefallen war,

wählte Sie Beas Nummer.





15. Kapitel: Was getan werden muss

 

 

Bea ging eine Zeit lang nicht an ihr Mo-biltelefon, so dass es Tiffany gerade auf dem Hausanschluss von Beas Eltern ver-suchen wollte. (Halt, sagte Sie sich in Gedanken; der Hausanschluss Ihres Va-ters. Monika ist nicht mehr!)  Was Sie erneut erschaudern liess, was wiederum zur Folge hatte, dass Sie zuerst gar nicht antworten konnte, nachdem Sie die ver-traute und irgendwie sehr müde tönende Stimme Ihrer besten Freundin am Hörer vernahm.


„Hallo Tiff!“ meldete sich diese mit einer schlaftrunkenen Stimme.


Tiffany musste erst den Schüttelfrost loswerden, bevor Sie sich melden konnte; Sie befürchtete dabei, dass sich Ihre Stimme ansonsten genauso eiskalt anhören würde, wie Sie sich selbst ge-rade fühlte.

Noch bevor Bea zu einer Frage ansetzen konnte (Niemand hat es gern, angerufen zu werden um dann aber lediglich Todes-stille im Telefonhörer zu vernehmen), sagte daraufhin Tiff: 


„Hallo Bea, Schatz. Wie geht es Dir?“


„Nun, ich werde darüber hinwegkommen; dass muss ich wohl oder?“ gab Bea zurück; ihre Stimme be-hielt dabei, wie Tiff feststellte, noch im-mer diesen eigenartig müden Ausdruck.


„Da hast Du recht; was dich nicht umbringt, macht dich härter!“ meinte Sie daraufhin mit einer von Art von Galgen-humor. 


„Sag mal, hast du irgendwas zu dir genommen? Deine Stimme tönt weit ent-fernt; so als ob ich mit jemandem am Südpol telefonieren würde.“ 


Tiffany zog mit einem nicht ganz

damenhaften Geräusch Rotz die Nase rauf.


„Ja, Doktor Fischmann hat mir so eine Art Tranquilizer verschrieben; wirkt recht krass!“ gab Ihr Bea zur Antwort und fügte noch hinzu: 


„Das soll es ja auch; verdammt … meine Ma ist tot; kannst du dir das vorstellen?“ 


Ihre Stimme wurde, als sie das sagte, immer höher und verlor sich beinahe beim letzten Wort.


Tiffany blieb daraufhin still.


Wieder Bea, nach einer kurzen Pause, in der Tiffany hörte, wie Sie sich kräftig die Nase schnäuzte: 


„Sag mal, es ist doch nicht noch was geschehen, oder? Wieso bist du so still und nachdenklich? Ich spüre nämlich, dass was nicht stimmt!“


Unter einem neuerlichen Schwall von Tränen berichtete ihr Tiffany heftig schluchzend, was sich in den frühen Morgenstunden dieses Tages bei Ihr zu Hause zugetragen hatte.


Bea schien es zwar zur Kenntnis zu

nehmen, doch zeigte das Beruhigungs-mittel ganz deutlich seine Wirkung und aus diesem Grund hielt sich Beas Be-troffenheit zunächst noch in Grenzen. Dennoch war auch sie dann, noch bevor Tiffany zu Ende berichtet hatte, ebenso wie Sie, heftig am  Weinen.

Der Rest war schnell erledigt; Tiffany vereinbarte mit Bea, dass sie sich auf das Abendessen bei Ihr zu Hause ein-finden solle und während des ganzen Gesprächs nahm Tiffany das seltsame Flimmern am Rande Ihres Blickfelds war, dass sich sogar durch Ihre Tränen hindurch zu fressen schien. Doch mach-te Sie sich im Anblick der momentanen Lage nicht weitere Gedanken darum;

nahm es sprichwörtlich nur am Rande war.                                                       

Und doch war es da.

Sie beendeten das Telefonat und nach-dem Sie sich am Tisch in der Wohnstube so richtig ausgeweint hatte, ging es Ihr schon erheblich besser und Tiffany be-schloss, als nächstes gleich Mal nach Ihrer Mutter zu sehen.


 

Zum Abendessen, welches Tiffany für sie drei gezaubert hatte (das Kochen hat Ihr gut getan und dadurch, dass Sie sich voll und ganz auf das Essen zubereiten konzentriert hatte, konnte Sie sich auch

nicht gross ins Nachgrübeln verfallen) war Ihre Mutter dann auch wieder eini-germassen wach.                                                         

Nach einem kurzen Blick in die Küche, einem sehr müde und verträumten „Hallo Bea. Wie geht es Dir?“ worauf Bea meinte es ginge ihr so einigermassen, machte Ihre Mutter kurzum kehrt und meinte zu ihnen beiden: 


„Fangt ihr nur schon an zu essen; ich muss mich leider entschuldigen, mir ist so übel!“ worauf sich ihre Mutter schon wieder auf dem Weg nach oben, zum Ba-dezimmer befand. Da verstanden Tiffany und Bea, dass Susie Walter sich wohl

nicht mehr zu ihnen an den Tisch ge-sellen würde, um mit ihnen zu essen. Irgendwie spürten sie das, und nachdem sie angefangen hatten zu essen und kurze Zeit später Tiffany nach Ihrer Mutter ge-rufen hatte, antwortete diese von oben: 


„Ist schon gut Schatz, ich werde wohl später etwas Kleines essen. Doch mir ist es nach wie vor sehr übel und ich werde mich aus diesem Grund noch ein wenig hinlegen; entschuldigt mich bitte viel-mals!“


„Ist schon in Ordnung, Mutter! Und wenn’s nicht geht dann rufe bitte nach mir; okay?“ rief Tiffany zurück.


„Okay!“ antwortete Ihre Mutter und im nächsten Moment vernahmen Tiffany und Bea wie die Schlafzimmertür; wohl mit mehr Kraft als beabsichtigt, mit einem Knall ins Schloss fiel. Sie fühlt sich wohl wirklich nicht besonders gut, dach-te Tiffany, worauf Sie sich wieder der selbstgemachten Lasagne widmete; wo--von Bea schon fast ihren ersten Teller verputzt hatte, wie Sie mit Belustigung feststellte.


Sie waren dann auch fast bis obenhin vollgestopft in Tiffs Zimmer angelangt, wo sich Bea auf das zerwühlte Bett sass, ohne aber richtig zur Kenntnis zu

neh-men, dass das normalerweise immer ge-machte Bett von Tiff momentan doch sehr gebraucht aussah.


Tiffany setze sich im Schneidersitz auf den warmen, weichen Teppichboden; ge-nau auf die Stelle, auf die bis vor kur-zem noch die Sonnenstrahlen gefallen sind. Es war ein angenehm, wohliges Ge-fühl, dass sich da durch Ihre leichte Jogginghose, die Sie trug, Tiffanys Po und Ihre Oberschenkel nach und nach sanft zu umschmeicheln schien.


Tiffany schöpfte, nachdem es sich Bea auf Ihrem zerwühlten Bett richtig be-quem gemacht hatte tief Atem, lies ihn

wieder nach aussen, atmete nochmal ein und fing dann an, Bea Alles der Reihe nach zu erzählen, wobei Sie jedes Ihr wichtig erscheinende Detail aufzählte.


Angefangen, beim Rundgang vor über einem Jahr, welchen Bea und Sie im Haus der alten Frau gemacht hatten, über die vier Todesfälle welche sich gerade eben innert kürzester Zeit zugetragen hatten und schliesslich bis zu Leonardos eigentümlichen Besuch bei Ihr im Spitalzimmer und dem, was er Sie dabei hatte wissen lassen, liess Tiffany nichts von der erschreckenden Wahrheit, die nun zu ihrer beiden Wirklichkeit geworden ist, aus.


Und natürlich erzählte Sie Bea auch von den Träumen; sprich Todesvisionen; Bea hob nur dann und wann den Kopf um Tiffany in die Augen zu blicken und senkte ihn kurz daraufhin wieder, und betrachtete stattdessen ihre Hände, welche sie auf ihren Oberschenkeln liegen hatte. Ein Verhalten; wie Tiffany aus mehrjähriger Erfahrung wusste, dass auf höchste Konzentration und Auf-merksamkeit hinwies.



„Wir sind verflucht!“ meinte Bea nach einer längeren Pause des Nachdenkens schliesslich, wobei sie Mühe hatte, den

Blick aufrecht zu halten.


„Verdammt; das kann nur ein Fluch sein, Tiff!“ Sie hatte inzwischen ihren Pullover aus-gezogen, (es war einer mit Kapuze, welche Bea seit sie hier einge-troffen ist, nicht runtergezogen hatte; sogar zum Essen nicht. Tiffany akzep-tierte diesen scheinbar notwendigen Vor-gang des sich abschotten von der Aus-senwelt Beas ohne weitere Worte) wo-rauf, wie Tiffany bemerkt hatte, sich die Rundungen ihrer vollen Brüste sanft un-ter ihrem Top abzeichneten.                                                                              

Auch Tiffany war es inzwischen,

nach-dem Sie alles mal rauslassen konnte, was da so tief in Ihrem Innern angefangen hatte zu nagen, einiges wärmer ums Herz. Doch noch war es nicht vorbei; noch nicht. Sie behielt Ihren flauschigen Wollpullover, den Sie nachdem Sie heute Nachmittag zum zweiten Mal aufge-standen war; als Sie vom Schrei Ihrer Mutter aus dem Schlaf gerissen worden war;  deshalb vorerst lieber noch an.


Tiffany blieb einen Moment lang weiter-hin still; irgendwie machte das, was Ihr Bea da sagte mächtig Sinn; sogar sehr viel, dachte Sie und auf Ihrem gesamten Gesicht, vor allem aber in Ihren Augen

liess sich das Verstehen und Begreifen wie ein Bilderbuch lesen.                                                                                                        

„Zwei Dinge“ sagte daraufhin Bea, die mitbekommen hatte, dass das was sie da eben gesagt hat, richtig in Tiff angefan-gen hatte zu arbeiten. 


„Zwei Punkte auf die ich gerne näher eingehen möchte, …“


Tiffany unterbrach darauf Ihren reissen-den, zerrenden Gedankenfluss, welcher gefüllt war mit grossen Diamanten des Verstehens und der Einsicht; die beiden Worte ein Fluch hallten dabei von Ufer

zu Ufer; und blickte aufmerksam in Beas grüne Augen.


„Das eine ist“ begann Bea „dass auch ich Träume habe, welche seit ungefähr dem Tod deines Bruders ihren Anfang genom-men haben. Auch ich hörte diese Stim-me; oder besser gesagt, ich höre sie noch immer; es hat nämlich noch nicht wieder aufgehört!“ 


Bea hatte leicht wässrige Augen bekom-men, als sie das gesagt hat.

Auf Tiffanys Gesicht machte sich zuerst Bestürzung und im Anschluss danach lie-bevolles Verständnis breit. 

                                                                        

Bestürzung, weil Tiffany im ersten Moment, nachdem Sie gehört hat, was Ihr da Bea gerade eben offenbart hatte, nicht verstehen konnte, wieso denn Bea die ganze Zeit über geschwiegen und sich gegenüber Ihr nicht schon früher geöffnet hat. – Besser gesagt, Sie wollte es nicht verstehen, denn mit einem Mal wurde Ihr klar, dass ja auch Sie sich selbst genauso gegenüber Bea verhalten hatte, was wiederum das liebevolle, tief-gehende Verständnis in Ihr zur Folge hatte. Das war eine ganz neue Dimension ihrer freundschaftlichen Beziehung – schliesslich machten sie beide, ganz so

wie es aussah, wirklich haargenau den gleichen Bockmist durch; und das seit Anfang schon. Tiff fühlte ein neu erwachendes Gefühl einer Verbunden-heit, die sonst nur unter Geschwistern üblich ist, in sich wachsen; eine neue Blume auf Ihrer Familienwiese, die den Namen Bea trug.


Und doch begriff Tiffany eines nicht: 


„Wenn du wie ich, genau die gleichen Scheiss Träume hast, warum hast du es dann so gut verkraftet?“ und doch be-griff Sie inzwischen auch diesen Grund, wollte ihn aber noch nicht richtig akzep-tieren „versteh mich bitte nicht falsch;

aber ich bin kurzzeitig sogar im Spital ge.wesen, weil mich diese fiese Horror-kacke so fertig gemacht hat … und du bist die längste Zeit weiterhin zur Schule gegangen, hast dir überhaupt nichts anmerken lassen … wie hast du das ge-schafft?“ 


Obschon die Frage nun ausgesprochen worden war, schien die Antwort auf sie bereits zwischen ihnen beiden im Raum zu schweben, bevor Bea daraufhin sagte:


„Ich nehme diese Beruhigungspillen nicht erst seit gestern.“ Sie blieb, während sie sprach sonderbar gelassen und kühl. „Etwa zwei Tage, nachdem sich diese

Todesvisionen angefangen hatten zu zeigen, bin ich von mir aus zu Doktor Fischmann in die Praxis gegangen, um mir etwas dagegen verschreiben zu lassen.“


Etwas schuldbewusst blickte sie wieder zu Tiffany, nachdem sie ihren Kopf hob, welchen sie schon wieder eine Weile ge-senkt gehalten hatte.


„Ach so.“ War Tiffanys einzige Antwort zu der Sie momentan fähig war; es war ganz einfach Alles zu viel; eine Nummer zu gross für Sie.


„Bitte versteh auch mich nicht falsch;

Tiff Schatz, aber es geht mir dabei ein-fach um diese Scheissschule; ich darf mir jetzt im letzten Jahr nun mal keinen Ausrutscher erlauben.“ 


Und nach einer Pause: 


„Und du auch nicht!“ Sie blickte Tiffany mit einer Mischung aus Liebe und für-sorglichem Blick an. 


„Das war auch der Grund, warum ich mich gegenüber dir ausgeschwiegen habe; ich nehm‘ mal an, bei dir ist es wohl in etwa genauso, oder?“ ein kleines Flackern in ihrem Blick, das kurz danach wieder verschwunden ist, als ob es gar

nicht da gewesen wäre. Bea war ein kleines bisschen fester gebaut als Tiff-any und doch war Tiff der Überzeugung, dass Bea eine recht hübsche junge Frau war.


Tiffany lächelte, worauf auch Bea anfing zu lächeln, was aber schon mehr wie ein grinsen aussah; die Erleichterung sah man ihr dabei eindeutig an.


„Mhm,“ meinte daraufhin Tiff „du hast den Nagel wirklich genau auf den Kopf getroffen! Bei mir war es aber auch die Tatsache, dass ich nicht so wie du gleich zu Anfang so intensiv reagiert hab‘ und das Grauen dadurch nach und

nach immer grösser geworden ist, bevor ich es vollends zur Kenntnis genommen habe; wobei ich dir aber trotzdem nicht genau sagen kann, wann das der Fall gewesen ist!

Doch lassen wir das und kommen stattdessen auf den zweiten Punkt den du angesprochen hast, wenn es dir recht ist.“ 


Tiffany fühlte sich langsam müde.


„Ja; geht in Ordnung! Nur noch dies: du kannst mir glauben, dass ich, obschon ich schon früh zu `nem Medikament ge-griffen hab‘, das gesamte Ausmass dies-er riesigen Masse dampfender

Hühner-kacke noch immer nicht ganz über-blicke!“ 


Bea machte eine kleine Pause und fuhr dann fort: 


„Also dieser; Leonardo, hast du ihn ge-nannt nicht wahr?“ ein kurzes Nicken von Tiff „Nun, einerseits ist mir schlei-erhaft, wie ein wildfremder Junge, den weder du noch ich kennen, einfach so in unser Leben platzen kann, um uns mit, ehm etwas das schon längst vergangen ist zu konfrontieren und uns zu Allem hinzu dann auch noch eine Art Aufgabe zu stellen. Das ist echt krass!“


„Aber verstehst du denn nicht?“ erwider-te daraufhin Tiff; klar hat Bea verstan-den, dachte sie; sie weiss genau wie ich, um was es geht.                                                                                                      

Etwas, wie  Bea es ausgedrückt hatte, aus blauem Porzellan und das eine ge-fütterte, samtene, Innenseite hatte. Nicht zu vergessen, das filigrane Goldmuster aussenrum.                     


„Wir müssen sie zurückbringen! Das ist nicht eine Aufgabe; verstehst du denn nicht, Bea? Das ist die einzige Möglich-keit, wie wir vielleicht gerade noch so den Kopf aus der Schlinge bekommen

könnten! – Noch bevor auch wir darin baumeln.                           Alles andere ist mir im Grunde genom-men scheissegal; wer dieser Leonardo eigentlich ist, zum Beispiel. Zumindest vorerst … Ich will einfach nur, dass es aufhört! Und zwar sofort!“ und Tiffany, die nicht so wie Bea mit einer Tablette, oder zwei, oder drei (wer konnte das schon genau wissen?) auf sonderbare Weise ruhig gestellt war, fing wieder an, aufs heftigste zu weinen, woraufhin Bea mit den Papiertüchern in der Hand vom Bett aufstand, zu Tiff rüber ging, neben Ihr in die Hocke ging und Sie in die Ar-me nahm.                                                                                              

                      

So blieben sie, bis Tiffany sich wieder ein wenig beruhigt hatte; ihre Augen waren vom vielen Weinen in der letzten Zeit mittlerweile blutrot umrandet und nachdem Bea neben ihr auf dem Teppich Platz genommen hatte, beschlossen sie, es morgen gleich zu tun; noch vor dem Mittagessen sollte die Schmuckschatulle wieder an ihren ursprünglichen Platz ge-bracht werden.

 

 

 

 

 

 

16. Kapitel: Vorbereitungsphase und wieder: Der Tohoood!

 



Als die beiden anschliessend dann in Tiffanys Bett lagen, die Decke bis an die Ohren gezogen, nachdem sie auf der Toilette gewesen sind und sich die Zähne geputzt haben, bemerkten Bea wie auch Tiffany wie kalt es in ihrem Inneren mittlerweile geworden ist; es gab einfach zu viel Tod und Schrecken, der sich  da mittlerweile in ihrer beiden Leben ge-schlichen hatte; worauf sie sich anein-ander kuschelten, sich umarmten und

bald darauf; nachdem die Wärme der einen jeweils die andere so stark erhitzt hatte, dass sie dabei fast das Gefühl hatten zu schmelzen und Tiffany Beas harte, aufgerichtete Nippel auf Ihrem ei-genen Busen spürte, liebten sich die bei-den auf eine so wunderbar unschuldig, verlorene Weise, dass es schwierig ist, auszudrücken, was die beiden in der neu entdeckten und so wunderbar erfüllenden Hitze der Nacht dabei empfanden.                                                      

Fest stand, dass, egal ob es sich dabei nun um eine Verzweiflungstat handelte oder nicht, sie dabei Alles für die kom-menden zwei Stunden komplett vergess-en konnten; da waren keine Alpträume;

keine eisige, verhöhnende Stimme; da war kein Tod, nur alles Fleisch verzeh-rende Flammen. Und so kosteten sie es auch bis auf den letzten Tropfen aus.


Tiffs Mutter schlief mittlerweile, nach-dem sie sich einen kleinen Imbiss aus der Küche genehmigt hatte, schon wieder tief und fest in ihrem Bett; allein, was auch so bleiben würde; und so hörten nur Tiffany und Bea ihre eigenen vor Lust erfüllten leise Schreie, als sie sich höher und höher trieben in ihrem eigen-em Sinnestaumel der selbstgeschlech-tlichen Liebe.

 

 

Glücklich und erschöpft schliefen sie deshalb nach rund zwei Stunden dicht aneinander gekuschelt ein; unglücklich und erschöpft sollten sie am Freitag-morgen wieder erwachen.                                                       

Die Träume kamen zurück. Für beide. Tiffany erfuhr in dieser neuerlichen To-desvision den Namen des nächsten Op-fers: Bea; sie sollte die nächste sein.                                                                       

Und obschon Bea denselben Traum hatte, verdrängte ihr Verstand die Wahrheit, strich es einfach aus ihrem Traumge-dächtnis, so dass lediglich ein schwarzer Schimmer dort war, wo vorher noch ihr

Name gestanden hatte.


Beim Aufstehen dann, sagte deshalb Tiffany auch kein weiteres Wort darü-ber, was Sie im Traum mitgeteilt be-kommen hatte; Sie wusste zwar, dass Bea genau den gleichen Traum erlebt hatte wie Sie, doch wusste Sie weiter auch, das Bea aus gewissen, verständ-lichen Gründen irgendwie nicht klar war, dass sie die nächste auf der Liste sein sollte. Also hielt Sie den Mund.


Bea war es denn auch, die nachdem sie sich gerade den Slip hochgezogen hatte, zu Tiff meinte: 


„Vielleicht sollten wir das von letzter Nacht wieder einmal machen; was meinst du?“


Tiffany, die sich schon angezogen hatte und nun in einem paar Shorts und einem Sweatshirt auf Ihrem Bett sass, bemerkte dass ihr Blick inzwischen schon einen Moment lang zwischen Beas Schenkeln geruht hatte, schaute mit einem wehmü-tigen Ausdruck in den Augen für einen Moment weg, bevor Sie Bea in die Augen guckte und darauf keck fragte: 


„Was meinst du, das palavern?“ worauf Sie aufstand um zur Zimmertür zu gehen; Sie hatte Hunger und wollte für sich und

Bea ein leckeres Morgenessen zuberei-ten; um dann, kurz bevor Sie aus dem Zimmer verschwand, mit einem Schlaf-zimmerblick in den Augen die Ihr gestellte Frage doch noch wahrheitsge-mäss zu beantworten: 


„Vielleicht, … vielleicht!“ sagte Sie mit einem vielbedeutendem Lächeln im Ge-sicht.                                                                                                                

Doch sollte es der letzte Schlafzimmer-blick für Bea gewesen sein.

Sie assen danach gemütlich, zusammen mit Susie Walter, die nun wieder voll-ends in das Land der Wachen

zurückge-kehrt schien, in der Küche ein herrlich vielfältiges Morgenessen, bestehend aus frischem Obst, geröstetem Toast und Mehrkornbrot, Käse, Honig und Mar-melade, gebratenem Speck und Eiern und reichlich Kaffee aus der Kanne. Tiff hatte sich wie immer grösste Mühe ge-geben; wie immer, wenn Sie das Revier der Küche ganz für sich in Anspruch nehmen konnte und so liessen es sich die drei Damen genüsslich schmecken.                                                        

Das hatte auch so zu sein; denn  wäh-rend Tiff und Bea eine sehr entscheid-ende, nun man könnte auch sagen: le-benswichtige Tat bevorstand, musste

sich Susie Walter nun doch langsam aber sicher eingestehen, dass ihr Mann; Tiff-anys Vater, nicht mehr auf Erden wan-delte.                                                                                                     Susie musste seinen Tod akzeptieren. Und durfte sich deshalb nicht mehr län-ger in ihrem ohnmächtigen  Schlaf ver-stecken und verkriechen. Sonst wäre sie früher oder später reif für die Klapsmüh-le; das war eine Tatsache die Susie Walter auf ihre eigene Art eingesehen hatte.


Tiffany fragte sie deshalb, nachdem die drei den Tisch wieder abgeräumt hatten und Bea sich dann nach oben verdrückt

hatte, weil sie ganz dringend mal muss-te: 


„Bist du dir sicher, dass du einen Mo-ment lang alleine zurechtkommen wirst? Ich werde mit Bea für rund drei Stunden weg sein.“


Ihre Mutter blickte Sie daraufhin in ihrem Jogging Anzug an, den Sie für heute als Tagesanzug bezeichnet hatte; Sie würde heute bestimmt nicht das Haus verlassen; soviel stand fest, und nahm daraufhin Tiffanys Gesicht sanft zwischen ihre Hände, wobei sie ihrer Tochter bis auf den Grund Ihrer Seele zu blicken schien und fing dann an, Tiff ihr

mütterliches Lächeln zu präsentieren, als sie sagte: 


„Wenn du davon überzeugt bist, dass du draussen zurechtkommen wirst, dann werde auch ich keine Mühe haben, für einen Moment alleine zu sein!“ wobei sie Ihr anschliessend noch einen Kuss auf die Stirn schmatze.


„Na gut Mutter und sonst habe ich ja mein Mobiltelefon dabei, falls du mich dringend erreichen müsstest! - Hoffen-tlich aber nicht!“ 


Sie gab Ihrer Mutter daraufhin einen Kuss auf die linke Wange und sagte

dann:  


„Okay, dann werden wir uns jetzt parat machen und dann, nach einem kleinen Moment, ehe du dich versiehst, werde ich schon wieder zurück sein!“


„Versprochen?“


„Versprochen!“

 

Bea und Tiffany waren innert kürzester Zeit bereit, für ihren eigenen, ganz privaten Horrortrip, oder besser gesagt: Bereit für das Ende dieser makabren Gei-sterbahnfahrt, die nun schon so lange dauerte; samt der Schmuckschatulle,

welche sorgsam verpackt in Tiffs Ruck-sack, welchen Sie geschultert hatte, da-rauf wartete, dass aus Schlecht wieder gemacht Gut wurde.


Und für Susie Walter begann die Zeit der Tränen, des sich gehen und loslassens; des langen und von heftigen Schüttel-frösten begleiteten Weinens. Es war gut, dass sie eine Zeit lang für sich allein war.






17. Kapitel: Im Final angelangt

 



Der Verkehr hielt sich an diesem Freitag-morgen, als Bea und Tiffany sich gegen neun Uhr auf den Weg zu dem alten, leerstehenden Haus am Waldrand macht-en, sichtlich in Grenzen.                                                                                        

Auf der Hauptstrasse welche durch das malerische Städtchen führte waren nur vereinzelt Fahrzeuge unterwegs und nur dann und wann fuhr ein Lastwagen in der aufkommenden Sommerhitze dieses

Maitages, kurz vor dem Wochenende, an ihnen vorbei.                                                                         

Sie hatten beschlossen, die circa fünf-zehn Minuten, von Tiffs Heim zum alten Haus zu Fuss zu gehen und auch auf dem Bürgersteig erblickten sie nicht viele Fussgänger, abgesehen von der einen oder anderen Mutter, die mit ihrem Kind und Wagen auf dem Weg zum Einkauf war, welche die beiden freundlich grüss-ten.


Bea war dann diejenige, welche die kon-zentrierte und nachdenkliche Stille unter-brach, welche geherrscht hat, seitdem die beiden Tiffs zu Hause verlassen

hatten.


„Ich habe zwar früher mal angenommen, dass Liebe unter gleichgeschlechtlichen Spass machen könnte. Aber dass  es so viel Freude bereiten könnte … Die Götter mögen Deine Zunge segnen!“ meinte sie lächelnd zu Tiffany, gerade als die Sonne einen gewissen Punkt erreicht hatte, um mit ihren Strahlen ganz Reichsbach zu überfluten; es war ein atemberaubender Augenblick, während sie sich dem Haus; ihrem Ziel, stetig näher kamen. Bea hatte, während sie zu Tiff gesprochen hatte, ihren Blick weiterhin auf den Himmel gerichtet, doch nun blickte Bea Sie mit einem aufforderndem Ausdruck

in den Augen an.


„Danke für die Blumen; doch möchte ich mich jetzt gerne auf das konzentrieren, was nun vor uns liegt; es ist mir einfach zu wichtig und es steht dabei so viel auf dem Spiel!“ gab sie deshalb ein wenig schnippischer, als sie es eigentlich beab-sichtigt hatte, zur Antwort.


Bea sah im ersten Moment, nachdem sie Tiffs Worte vernommen hatte, ein wenig erschrocken und auch gekränkt aus; deshalb fügte Tiff gleich darauf noch hinzu: 


„Und ja; auch ich bin diese Nacht stetig

höher und höher im Feuer gestiegen; es hat wirklich gut getan und ich bin froh um diese Erfahrung; hat es uns doch vor Allem geholfen, für eine Weile zu ver-gessen und loszulassen.“                                                                                                           

Tiffany blickte Bea während dem gehen direkt in die Augen und nickte einmal vernehmlich, um Ihre Worte zu unter-streichen. Worauf Bea sich sichtlich erleichtert zeigte.


Im Prinzip war Sie ja froh darüber, dass Bea; die dafür bekannt ist dass sie es einfach nicht lassen kann, nochmal das Wort ergriffen hatte und damit zum

Ausdruck gebracht hat, was Tiffany selbst auch in Ihrem Innersten fühlte.


„Trotzdem ist es wohl besser, wenn wir uns von jetzt an voll und ganz auf das, was getan werden muss konzentrieren, denke ich.“


Bea hatte dem nichts weiter hinzuzufü-gen und darum gingen die beiden schwei-gend den restlichen Weg zum alten Haus; tief in Gedanken versunken.

 

Vorbereitet hatten sie sich ja wirklich gut, dachte Tiffany. Sie hatten auch beide auf jeweils einem Blatt Papier: „Es tut mir von ganzem Herzen leid“

ge-schrieben gefolgt, von Beas und Tiffanys Unterschrift, und das Ganze mit einem Tropfen ihres eigenen Blutes vollendet; genauso wie Tiffany durch Leonardo in-struiert worden ist.                                                      

In diesem Moment erreichten die beiden das Ziel ihres Trips; sie waren beim alten Haus angekommen.                                         Der Wald, welcher gleich hinter dem Haus anfing, begrüsste sie mit allerlei Vogelgezwitscher, das deutlich an dies-em sonnigen Vormittag und auch dank der verkehrsarmen Lage von Reichsbach, von Tiffany und Bea vernommen werden konnte.


Das Reinkommen war genauso einfach, wie bereits vor einem Jahr, als Bea und Tiffany zum ersten Mal hier gewesen sind und da sich der Eingang, welchen die beiden benutzten, auf der Rückseite des Hauses befand, wurden die Beiden auch lediglich vom Wald und seinen tier-ischen Bewohnern beobachtet, als sie noch einmal den Einbruch begingen.

Aufbrechen mussten sie dabei wie schon vor einem Jahr nichts, und so standen die beiden kurzerhand und mit leicht zittrigen Knien im Schlafzimmer der al-ten Frau, welche inzwischen gestorben war; wovon aber Tiffany und Bea nichts wussten.


Bea nahm vorsichtig das in Papier einge-wickelte Kästchen aus Tiffanys Ruck-sack, welchen Sie dabei auf dem Rücken behielt; Sie und Bea wollten die Sache schliesslich so schnell wie möglich hin-ter sich bringen. Das hatten die Beiden zuvor schon so abgemacht.


„So, da haben wir sie ja“ sagte Bea, nachdem sie die Schmuckschatulle ganz aus Tiffs Rucksack hervorgeholt hatte. 


Daraufhin drehte sich Tiffany zu Bea um, um ihr beim Auswickeln zu helfen, wofür sich die beiden mitten auf den Teppichboden des so lange nicht mehr

benutzten Schlafzimmers setzen.                                             

„Nur schön vorsichtig!“ meinte daraufhin Tiffany mehr zu sich selbst und Bea, welcher bereits der Schweiss in dünnen Tröpfchen auf der Stirn stand atmete hörbar aus, als die beiden die Schmuckschatulle ganz aus dem Papier befreit hatten, welches zum Schutz darum gewickelt war.

Sie stellten, nachdem sie sich vergewis-sert hatten, dass auch die Ringe, die dünne Silberkette mit Anhänger und die Brosche sich nach wie vor darin befan-den, die Schmuckschatulle zurück an ihren Platz, in einer der Schubladen des Wickeltischs der alten Frau, wo Bea sie

vor etwa einem Jahr gefunden und raus-genommen hatte.

 

Damit war der erste Teil der Aufgabe er-füllt. Für den anderen Teil mussten die beiden wieder nach draussen gehen, und während Bea in den Säcken ihrer Jeans  nach einem Feuerzeug nestelte, nahm Tiffany die beiden vorbereiteten Blätter aus dem Fach Ihres Rucksacks und hielt sie daraufhin in Ihren Händen, welche nun doch recht stark zitterten, wie Sie dabei feststellen musste. Die innere Spannung, unter der die beiden schon seit dem Aufstehen standen, war zwar zuvor, als sie die Schmuckschatulle wie-der zurückgelegt hatten ein wenig von

ihnen gewichen, doch nun schien es die beiden fast zu zerreissen; Tiffany fiel dabei auf, dass Bea wie eine Wahnsin-nige auf ihrem Kaugummi herumkaute, seit sie wieder draussen hinter dem Haus standen um den nächsten Teil zu erfüll-en.                                                                                                                                        

Vom Wald her vernahmen sie dabei nun wieder den wunderbaren Gesang der Vö-gel und ab und zu knackte es irgendwo, wenn ein Ast brach.

Bea spuckte, nachdem sie das Feuerzeug aus ihren Jeans hervorgekramt hatte, den Kaugummi aus, um sich mit zitternden Fingern eine Zigarette anzuzünden,

wel-che durch das Beben in ihren Lippen auch nicht einfach still aus ihrem Mund lugte. Nach ein paar vergeblichen Ver-suchen gelang es ihr dann endlich, den Glimmstengel anzuzünden. Tiffany war-tete dabei geduldig mit den beiden Blät-tern in Ihren Händen und schüttelte, als Bea ihr das Zigarettenpäckchen hinhielt, den Kopf; Sie hatte es mit siebzehn schon probiert und schon bald bemerkt, dass Zigarettenrauchen nichts für Sie ist.                                                      Und darum wollte Sie auch jetzt keine, obschon Bea, die den ersten Zug tief inhalierte in diesem Moment eine gute Werbefigur für Zigaretten abgegeben hätte.


„Besser?“ frage Tiffany, nachdem Bea zwei, drei weitere tiefe Züge getätigt hatte. 


„Ja; ich weiss zwar, dass es sich dabei um Nervengift handelt (Sie hatte dabei Tiffanys Blick bemerkt, welcher zu einer Hälfte streng und zur anderen lieb war) aber in solchen Momenten tut eine Zigarette einfach gut!“ 


Tiffany winkte mit einer Hand ab und sagte dann: 


„Na gut, dann werde doch Werbemodell für Sargnägel!“ worüber die beiden

 herzlich lachten.


„Müssen wir etwas sagen, wie zum Beispiel einen Spruch, während wir die beschriebenen Blätter verbrennen?“ fragte Bea welche nun neben Tiffany in die Hocke gegangen war, nachdem sie ihre Zigarette geraucht und anschliess-end vorsichtig ausgetreten hatte; es war ja schliesslich schon bald Sommer und der Boden hier hinter dem Haus war mit allerlei dürrem, kleinen Gehölz bedeckt, dass sich nur allzu leicht entzünden konnte. Eine Strafanzeige wegen Brand-stiftung war nun wirklich das Letzte, was die beiden noch gebrauchen konnt-en.


„Davon hat Leonardo nichts gesagt“ erinnerte sich Tifanny, welche das von Bea hingehaltene Feuerzeug in die Hand genommen hatte um, nachdem Sie mit einem weiteren Klicken den Startmech-anismus betätigt hatte, die kleine Flamme unter die rechte untere Ecke des von Ihr beschriebenen Blattes zu halten, welches Sie in der anderen Hand hielt. Nachdem die Flammen den grössten Teil des Pa-piers mit Ihrer Entschuldigung und auch Ihres Blutstropfens verschlungen hatten (Damit wird es die richtige Stärke erhal-ten hörte Tiffany Leonardo irgendwo in einem abgelegenen Winkel Ihres Verstandes sagen) liess Sie daraufhin das

Blatt los und als danach nur noch glim-mende Papierschnipsel vor Ihr auf dem Boden lagen, trat Tiffany sie aus.


Bea folgte daraufhin Tiffanys Beispiel und als auch sie dann die übriggeblie-benen, schwarzen Papierschnipsel auf dem Boden ausgetreten hatte, nachdem ihr Blatt genauso schnell Feuer gefangen hatte wie zuvor das von Tiff und der Rauch daraufhin im Himmel verschwun-den ist; es war  zum Glück beinah wind-still; sagte sie etwas, was Tiffany doch sehr überraschte.


„So,“ sagte sie, nachdem sie sich wieder erhoben und die Hände an ihren Jeans

abgewischt hatte (zuvor hatte Tiffany an Ihren Fingern gerochen und beschlossen, den leichten Geruch von Rauch und ver-branntem Papier noch ein wenig darauf zu lassen; die Hände würde Sie sich dann, wenn Sie wieder zu Hause sein würde, mit reichlich Seife gründlich waschen, doch vorerst wollte Tiffany dieses spezielle Mal einfach noch ein we-nig an sich haben. Irgendwie beruhigte Sie der Gedanke, dass Sie lediglich an Ihren Händen riechen musste, um sicher gehen zu können, dass das was die Bei-den da gerade getan hatten auch wirklich geschehen; oder mit anderen Worten: Wirklich real war). Bea roch nach dem Abreiben nochmal an ihren Händen,

ver-zog daraufhin leicht die Nase und sagte dann: 


„Also ich kann es noch immer nicht so recht glauben; das war’s nun schon? Damit ist der ganze Fluch aufgelöst? Was meinst du dazu?“


Tiffany fehlten im ersten Moment schlichtweg die Worte, um auf die von Bea gestellten Fragen richtig und be-wusst Bezug nehmen zu können.

Sie sog deshalb, nachdem Sie sich aus-giebig gestreckt und dann herzhaft ge-gähnt hatte, den Atem gut hörbar ein, behielt für einen Moment die frische Waldluft in Ihren Lungen, bevor Sie sie

langsam und mit Bedacht wieder raus-liess.


Ohne den Blick von den verkohlten, spärlichen Überresten ihres Rituals zu nehmen sagte Tiffany deshalb: 


„Was denkst du denn? Also von mir aus kannst du glauben, was du willst; doch ich kann dir sagen: Für mich ist die Angelegenheit somit erledigt und vom Tisch. Und du tätest gut daran, dasselbe zu glauben!“ Und nach einer kurzen Pause, wobei Sie dabei Bea fest in die Augen blickte: 


„Glaubst du im Ernst, dass wir hierbei“

worauf Sie auf die Asche zu ihren Füss-en zeigte „nur ein bisschen rumgealbert haben?“


In diesem Moment bemerkte Bea das Aufblitzen in Tiffanys Augen, (wobei es sich ganz einfach um eine Spiegelung von Tiffs Überlebenswillen handelte) woraufhin Bea feststellen musste, dass Tiffany wohl noch einiges getan hätte, um sich des auferlegten Fluches zu entledigen, wenn es denn erforderlich gewesen wäre.                                                                          

Und: Bea fiel weiter auf, dass sie selbst doch nicht ganz so motiviert dabei war

wie ihre beste Freundin. Was soll’s dachte sie daraufhin, es ist ja nun voll-bracht! Was eine Regung in ihr auslöste, die Tiffany wohl mitbekommen haben musste, denn Sie sagte daraufhin: 


„Es tut mir leid, wenn ich dich ange-griffen habe, doch ich denke mal, du musstest einfach etwas sagen, damit überhaupt jemand etwas sagt (Tiffany kannte Bea zu gut, um zu wissen, dass Sie auch in diesem Punkt richtig lag) und weiter bin ich überzeugt, dass du das richtige glauben tust!“ 


Tiffany streckte sich nochmal und sagte darauf: „Um zumindest eine deiner

Fra-gen zu beantworten: Ja, ich glaube, da-mit ist der Fluch aufgelöst … Nur wer-den wir das bei mir zu Hause besprech-en, ich will nämlich wieder gehen!“ sagte Sie mit einem leichten Zittern in der Stimme während Sie ein bisschen fröstelte. Irgendwie schien die Tempe-ratur in der letzten halben Stunde, seit sie im Haus verschwunden und dann wieder nach draussen getreten sind, um im Anschluss danach die beiden Papier-blätter zu verbrennen, um etwa zehn Grad gesunken zu sein. 





18. Kapitel: Auf dem Weg nach Hause

 


Auch Bea war natürlich heilfroh darüber, als die Beiden sich kurz danach wieder auf dem Bürgersteig befanden, nicht mehr hinter sondern nun wieder vor dem alten Haus, worauf sie den Weg zurück zu Tiffanys Haus eingeschlagen hatten. Keine der beiden blickte zum Ortsanfang zurück, an welchem die alte und unbe-wohnte Hütte stand; sie wollten nur nach vorne blicken und so schnell wie mög-lich wieder nach Hause kommen.


„Dann werde ich also jetzt noch ein

wenig mit zu dir nach Hause kommen?“ fragte Bea Sie, noch etwas ausserhalb vom Zentrum ihres kleinen Städtchens, welches die Beiden durchqueren muss-ten, um auf der anderen Seite des Dorfes dann zu Tiffanys Heim zu gelangen. Das heisst: Das Haus der Walters, minus zwei Bewohnern.


Tiffany wurde kurzzeitig von einem Schüttelfrost gepackt und bevor Sie Bea sagen konnte, dass sie ja eigentlich auch für ein paar Tage zu Ihr ziehen könne (Platz haben wir ja nun mehr als genug, dachte Sie dabei zynisch) war der Last-wagen, welcher sich bis vor kurzem noch hinter ihnen befand, schon auf

gleicher Höhe mit Bea und Tiffany.                                                            

Bea, die sich auf der Strassenseite des Bürgersteigs befand, wurde im nächsten Moment von irgendwas erfasst (Wie sich später herausstellen sollte, war effektiv der rechte Aussenspiegel der Täter ge-wesen; so wie Tiffany es der Polizei, die den Unfall im Anschluss danach rappor-tierte, dann auch immer und immer wie-der gesagt hatte; der gesamte Vorgang lief einfach zu deutlich vor Ihrem inneren Auge ab, als dass Sie bei den von Ihr getätigten Angaben falsch liegen konnte; das wusste Sie mit einer todsicheren Gewissheit) um dann

an-schliessend unter den hinteren Rädern auf der rechten Seite des bereits brem-senden, sechsspurigen Lastwagens, zu verschwinden. Bea wurde dabei richtig-gehend von den sehr grossen, sich dreh-enden Rädern angesogen.                                                                         

Dank dem, dass der Fahrer des Last-wagens geistesgegenwärtig reagiert und sofort eine Vollbremsung getätigt hat, nachdem er den fatalen Verlauf der Er-eignisse im rechten Aussenspiegel re-gistriert hatte, (Er sah dabei wie Bea ge-radezu unter die Räder gezogen wurde, sah den erschreckten und ungläubigen Ausdruck in ihrem Gesicht; ein Gesicht, dass den armen Kerl von jetzt an bis zu

seinem Tode verfolgen und nun genauso lange noch dafür sorgen würde, das er des Öfteren in der Nacht, schreiend und schweissüberströmt aus einem weiteren Alptraum erwachen würde; vom vielen Blut ganz zu schweigen) übertönte das darauffolgende Quietschen der Reifen und das Pfeifen der Bremsanlage des grossen Lastwagens glücklicherweise die schmatzenden Geräusche von Beas brechenden und berstenden Knochen unter den Rädern.


Dass Bea dabei aufplatzte, wie wenn man zum Beispiel einen gefüllten Blaubeer-kuchen mit einem Hammer bearbeiten würde, bekamen gnädigerweise aber

weder Tiffany noch der Lastwagenfahrer mit; das Geräusch das dabei entstand war dem ähnlich, dass entsteht wenn man eine Flasche, welche wegen der Kohlensäure unter hohem Druck steht, öffnet; ein feuchtes Plopp.

 

Tiffany sah kurz eine Hand zwischen den beiden hinteren Rädern hervorlugen, nachdem Bea bereits vom vorderen über-rollt worden war und Tiffany wusste, dass Bea auch unter dem folgendem ver-schwinden würde; irgendwie spürte Sie das, noch bevor auch dieses Rad sie erfasste um Bea dann wie ein schlecht gewälzter Kuchenteig auf dem harten Asphalt der Strasse zurückzulassen.

                                                                                                                                  

Der Laster rutschte danach noch ein wenig auf seinen nun starren Rädern weiter, um dann etwa zehn Meter hinter Beas überrolltem Körper mit einem letzten Zischen der Bremsen schlingernd zum Stillstand zu kommen; die Spur von Beas Blut, vermischt mit ihren nun ebenfalls matschigen Innereien die unter dem letzten, rechten Lastwagenrad begann und bei ihrem geschundenem Körper wieder endete, leuchtete als noch feuchte, rotglänzende, grausige Spur da-zwischen; die Sonne hatte ihren Höchst-stand inzwischen fast erreicht und

be-leuchtete die gesamte, eklig makabre Szenerie gebührend. (Sie schien wirklich beinah so dünn zu sein, wie in den Trickfilmen; wenn zum Beispiel der Roadrunner wieder einmal Willy, dem Kojoten eins ausgewischt hatte und Willy dann auf der Strasse klebte. Nun war Bea nicht gerade auf der Strasse fest-geleimt aber sie hatte unverkennbar an Umfang eingebüsst; ihre Innereien waren, wenn noch nicht aus einer der zahlreichen Platzwunden nach Aussen gepresst, nun als gallertartiger Brei in ihr vorhanden. Ausserdem waren die Klei-der, welche sie trug inzwischen völlig blutgetränkt und durchnässt. Ihre leichten Sommerschuhe welche sie

ge-tragen hatte, befanden sich nicht mehr an ihren Füssen.)

 

Tiffany war, nachdem Sie den ersten Schock überwunden hatte, schnell nach vorne gerannt um neben Beas flach-gedrückten Körper in die Knie zu sinken und dabei immer wieder leise murmelnd 

„Warum? … Warum? … Warum?“ zu fragen.                            

(Der Schädel war dabei das schlimmste; denn abgesehen vom vielen Blut das nun deutlich wahrnehmbar mit immer wenig-er Druck aus ihrem Mund, der Nase, den Ohren und ihren Augen und den zahl-reichen, zusätzlichen Öffnungen aus Beas Körper floss; war die rechte Seite

ihres Schädels einfach weggerissen wor-den, während der andere Teil wie eine Eierschale nach innen gedrückt war. Tiffany konnte dabei einen blutigen Teil von Beas Gehirn sehen, dass nun freigelegt war.)


Ihr Mund war, wie Tiffany bemerken konnte, zu einem grotesken, stummen Schrei geöffnet; in der anschliessenden Stille, die immer nach einem schlimmen Unfall eintritt; wenn mal Alles zum Still-stand gekommen ist, konnte Tiffany die blubbernden, schmatzenden Geräusche hören, mit denen Bea noch versuchte ihre letzten Atemzüge zu tun.                                   

Sie getraute sich nicht, Beas zerquetsch-te Hand in die Ihre zu nehmen; ge-schweige denn sie sonst irgendwo an-zufassen; der Tod stand schon auf der Schwelle, das war klar wie Klossbrühe und Tiffany wollte den Vorgang nicht noch unnötig beschleunigen, obschon Sie in Beas blutigen, nicht mehr ganz so grünen Augen, die beide weit aufgerissen waren, die Pein und den Schmerz so klar erblicken konnte, dass Sie wiederum auch froh darüber sein würde, wenn Bea schlussendlich von ihren Qualen befreit sein würde.                                                      


Beas Lippen (welche Tiffany in der

letzten Nacht noch überall an Ihrem Kör-per gespürt hatte) glichen dabei zer-quetschten Erdbeeren und von nun an sollte Tiffany jedes Mal, wenn Sie einen Kuchen backen und dabei den Teig mit dem Nudelholz bearbeiten würde, Beas Gesicht darin erblicken, wie es zuerst überrollt und dann als flachgedrückte Masse auf der anderen Seite wieder zum Vorschein kommen würde; den Mund dabei zu einem ewigen, stillen Schrei weit aufgerissen. Sie würde dann das Nudelholz mit zitternden Händen weg-legen und dabei immer wieder leise, mit Tränen in den Augen, Beas Namen rufen.)


„I … I… Ich habe nicht geglaubt,“ stöhnte Bea aufs Mal unter Aufbietung all ihrer noch verbleibenden Kräfte und Tiffany musste Ihr linkes Ohr jetzt di-rekt über den roten Brei, der einmal Beas Mund gewesen war, neigen, um sie wirklich durch das Blubbern des Blutes hindurch zu verstehen. 


„Es … tut … mir … leid; so lll …“ das Wort wurde zu einem letzten gurgelnden Geräusch verzehrt, worauf Bea, nachdem sie nun beinah neunzehn Jahre auf der Erde wandelte, selbige verliess.                                                      


Kein letztes Zucken, Schlottern oder

Aufbäumen ihres plattgewalzten Körpers. Das einzige, das noch in Bewegung war, nachdem Bea auf der Hauptstrasse von Reichsbach, dem Ort an dem sie und Tiffany aufgewachsen waren, starb, war ihr Blut, das obschon bereits gerinnend, doch noch seinen Weg zum nächstgele-genen Kanaldeckel gefunden hat, um sich dann mit ein paar Tropfen mit dem Ab-wasser zu vereinigen.

 

Tiffany bemerkte noch, wie der Last-wagenfahrer angerannt kam; (Mittler-weile hatte auch ein Auto, das auf der anderen Strassenseite unterwegs war, angehalten und auch eine der Mütter, die die beiden heute Morgen; noch keine drei

Stunden zuvor; gegrüsst hatten, blieb etwa zwanzig Meter entfernt mit ihrem Kinderwagen, wie angewurzelt auf dem Bürgersteig stehen, bis sie vom Weinen ihres Kindes in die Realität zurückge-rissen wurde um dann schleunigst, nach-dem sie den Kinderwagen in die Richtung gewendet hatte, aus der sie gekommen war, wieder zu verschwinden.) er schrie während er rannte, ständig den gleichen Satz, welcher sich für Tiff wie: „Oh nein; verfluchte Scheisse“ anhörte und noch bevor der völlig schockierte Last-wagenfahrer bei den beiden angelangt war, verlor Tiffany neben dem nun leblosen Körper ihrer Freundin auf der Hauptstrasse von Reichsbach Ihr

Be-wusstsein.





19. Kapitel: Des Schnitters Werk

 


Tiffany kam bald darauf wieder zu sich; nicht aber Bea; das wusste Sie. Bea wür-de nie wieder ihre Augen aufschlagen.                                                                                    

Der noch immer unter Schock stehende Lastwagenfahrer hatte Sie ein wenig von Bea weggetragen und in die Seitenlage versetzt; als Tiffany durch die schrillen Sirenen der heranbrausenden Polizei und des Krankenwagens wieder an die Oberfläche Ihres Bewusstseins gejagt wurde, bemerkte Sie, dass Sie das

ge-samte Szenario aus einem senkrechten Blickwinkel betrachten konnte, wenn Sie Ihre Augen öffnete.

 

Und Sie wurde später, nachdem Alles von der Polizei protokoliert worden ist, von einem Streifenwagen nach Hause ge-bracht und die ganze Zeit über dachte Sie an etwas bestimmtes.


„Sind Sie sich auch wirklich sicher, dass Sie soweit in Ordnung sind, Frau Walt-er?“ wurde Sie vom uniformierten Bei-fahrer aus dem Nachdenken gerissen (Ein am  Unfallplatz anwesender Arzt hatte Ihr zuvor noch ein leichtes Beruhi-gungsmittel verabreicht und nun fühlte

Sie die Müdigkeit in immer stärkeren Wellen in sich aufkommen) 


„Wir könnten Sie sonst ohne weiteres ins Krankenhaus fahren …“ der Polizist, der Sie gefragt hatte, drehte sich ein wenig auf seinem Sitz und neigte seinen Kopf, um Tiffany direkt anzublicken. Seine Au-gen hatten dabei einen auffordernden Ausdruck angenommen.


„Ja, ich bin mir zu 100 Prozent sicher, dass ich zurechtkommen werde; ausserdem muss ich nach meiner Mutter schauen“ (Tiffany wollte die näheren Gründe jetzt aber nicht erörtern; um Himmels willen) und fügte dann, in

einem hoffentlich beruhigenden Tonfall hinzu: 


„Und weiter werde ich in der kommen-den Zeit so oder so einen Termin bei Doktor Fischmann haben!“ sie setzte ein Lächeln auf, während der Polizeiwagen vor Ihrem Elternhaus parkte.


Die beiden Polizisten schienen beruhigt zu sein; Sie wünschten Ihr einen schönen Abend und Alles Gute. Tiff be-dankte sich fürs nach Hause bringen und ging, nachdem der Wagen wieder davon-gefahren ist, in tiefen Gedanken versun-ken, auf die Haustür zu.


Beas letzte Worte sollten Sie ab jetzt an Ihr ganzes Leben verfolgen: Ich habe nicht geglaubt! hörte Tiffany sie immer wieder in Ihrer Erinnerung blubbernd sagen.





20. Kapitel: Nachtrag

 


Um allenfalls noch offenstehende Fragen zu beantworten, habe ich mich dazu ent-schlossen, einen kurzen Auszug aus Tiffanys Tagebuch zu veröffentlichen. (Möge Sie es mir verzeihen!)

Bitte denken Sie daran, dass Wir hier nicht rumschnüffeln wollen; es geht da-bei lediglich um ein besseres Verständ-nis. (Tiffany hat es sowieso nie richtig genutzt und es sind weiter auch nur ein paar vereinzelte Einträge vorhanden. Doch wurde Sie von Ihrem Seelenklemp-ner; der sich noch eine Weile um Sie

kümmern wird, darauf hingewiesen, dass es oftmals eine therapeutische Wirkung haben kann, wenn man die Sachen, die einem belasten, aufschreiben tut. Auf alle Fälle stand Tiffs Entschluss nach dem Niederschreiben des nun folgenden fest: Sie verbrannte daraufhin das Tage-buch draussen auf dem Rasen, hinter ihrem Haus und liess den Rauch Ihrer Worte vom Wind forttragen.)

 

 

(Aus Tiffanys Tagebuch:)

Freitag, 15. 6. 2001

Liebes Tagebuch

 

Zwei Wochen sind nun seit dem

schreck-lichen Unfall und Tod von Bea vergang-en. Der Fluch war wirklich aufgelöst mit Unserer Tat; doch schien der Glaube da-ran das wirklich ausschlaggebende gewesen zu sein.                                                                                                                                                                          

Den grau weissen Schleier auf meinen Augen, welchen ich davor noch wahr-genommen habe, ist zum Glück auch wieder verschwunden.

Die Träume (oder sollte ich sagen: To-desvisionen? Denn das waren Sie; davon bin ich absolut überzeugt; was auch immer mir mein Seelenklempner da

einreden will!) sind seit diesem Tag auch wieder weg und letzte Nacht konnte ich das erste Mal seit damals wiedermal komplett durchschlafen. Die Erinnerung aber bleibt.

Es hat dabei so viel Tod gegeben. Ich vermisse Sie Alle noch immer sehr. Das Leben kann wirklich, wirklich sehr grau-sam sein.             

 

Die Sache mit dem Rückspiegel des Last-wagens, der Bea erfasst hatte, ist nun auch geklärt. Es handelte sich dabei lediglich (was für ein böses Wort!) um eine Schraube die sich in der Spiegelhal-terung gelockert hatte, was der Grund dafür ist, wieso dieser überhaupt so weit

nach Aussen schwenken konnte.                                                                                                                                   

Den Lastwagenfahrer trifft dabei keine Schuld; wie die Polizei herausfand, fuhr dieser nicht zu dicht am Strassenrand (was ich bis anhin angenommen hatte), als der Unfall sich ereignet hatte; der ganze Fall wurde unter der Rubrik „Materialversagen“ abgelegt.   

Mit dem Fahrer des Lastwagens habe ich bis anhin noch nicht wirklich gesproch-en; Wir hatten zwar ein Gespräch, doch hatten Wir während der halben Stunde als Wir Uns getroffen haben, nur ge-weint, geweint und nochmals geweint.

                                                     

So haben Wir Uns danach, ohne ein weiteres Wort über den Unfall zu verlieren, wieder voneinander verab-schiedet. Ich denke aber mal, dass ich mich noch einmal mit ihm treffen werde … die ganze Sache hat Ihn doch sehr arg mitgenommen, und da auch ich nicht besser dran bin, bin ich mir sicher, dass Wir Unsere Trauer miteinander bereden und den Schmerz so vielleicht ein wenig lindern können.

 

Ich vermisse Michael; das Haus ist ohne Ihn und Seine Rockmusik, die Er so ger-ne hörte so leer und still.

 

Ich vermisse Robbie. Werde ich jemals wieder lieben können?

 

Ich vermisse meinen Vater; es tut manchmal richtig weh.

 

Ich vermisse Monika; Ihren selbstge-machten Apfelkuchen werde ich immer vermissen.

 

Und ich vermisse Bea; ich hatte oftmals nur Sie an meiner Seite gehabt und ich weiss nicht, ob ich jemals wieder eine ähnliche Person in meinem Leben treffen werde.                                                                                                   Die Nacht, die Wir zusammen in meinem

Bett verbracht haben, war etwas Einzig-artiges und ich denke immer wieder da-ran zurück. Heute weiss ich, dass Wir da bereits schon Abschied voneinander ge-nommen hatten.

 

Leonardo habe ich inzwischen kein zweites Mal gesehen, doch habe ich so ein Gefühl in mir, als ob ich Ihn wieder sehen werde. (So, wie man halt gewisse Dinge einfach weis.)                                   


Ich möchte Ihm so gerne meinen herz-lichen Dank aussprechen!

 

Ich bin momentan noch für zwei Wochen

krankgeschrieben, aber ich denke mal, dass ich danach die Schule trotzdem (oder gerade deswegen) noch beenden werde; es geht ja schliesslich nicht mehr so lange und die Ablenkung würde mir guttun, meinte auch mein Seelenklemp-ner.

 

Meine Frage wurde teilweise beantwor-tet, und doch kann ich es fast nicht glauben, dass Bea nicht wirklich daran geglaubt hat; schliesslich war Sie ja die-jenige von Uns, die zuerst gesagt hat, dass Wir verflucht sind.                                                                                    

Oder hat Sie Uns beiden da lediglich

etwas vorgemacht? Ich werde mich auf jeden Fall noch mit Doktor Fischmann über die Wirkung der Beruhigungspillen, die er Bea verschrieben hatte, sprechen. Mama wurde nach Beas Tod durch Unseren Hausarzt, Doktor Fischmann, in eine Nervenheilanstalt eingewiesen. Sie schien kurz vor dem Zusammenbruch zu sein, als ich Ihr mitgeteilt hatte, dass Bea nun auch von Uns genommen worden ist.                                                      

Insgesamt soll Sie vier Wochen dort bleiben und ich bin froh, wenn Sie endlich wieder zurück ist.                                                

Immerhin habe ich jetzt die Küche ganz für mich alleine (wie sarkastisch!) und ich koche viel, was immer wieder eine gute Ablenkung für mich ist.

 

 

 

Warum Bea, konntest Du nicht aufrichtig glauben?


So wie ich? … Ich bin so allein

 

 

 

 

 

 

 

Nachwort

 


So, das ist es also gewesen; meine erste Horrorstory, die ich vollendet habe. (Ideen sind natürlich immer vorhanden und dann und wann landet dann tatsächlich auch eine auf einem Blatt Papier … Doch damit ist noch lange nicht gewährleistet, dass diese dann auch von Anfang bis zum Ende nieder-geschrieben wird. Doch bei dieser Ge-schichte; vor Allem aber bei Tiffany selbst hatte ich von Anfang dieses be-stimmte Gefühl, dass sich da etwas grosses, wunderbares und aufrichtiges

ergeben wird.)

Bei dieser Geschichte wusste ich von vorneherein, dass ich Sie bis zu Ende zu Blatt bringen werde. … wobei es da noch einen offenen Punkt gibt. Grins.

 

Kurz noch zu Tiffany, welche ja die Hauptfigur in diesem dunklen und verfluchten Märchen spielt:                                                      

Ich muss an erster Stelle mal sagen, dass es für mich, als männlicher Vertreter der Spezies Mensch mehr als eine Herausforderung; mehr als ein Versuch und mehr als eine Gratwan-derung gewesen ist, Ihre Figur an die Oberfläche meines bewussten Denkens

zu befördern.                                                                                    

Es hat sich im Prinzip eher so abgespielt, dass Tiffany eines Tages, als ich kurz davor gewesen bin, das Wunderkind zu Papier zu bringen, an irgendeiner Tür in meinem Geist angeklopft hat und ich habe diese Tür selbstverständlich geöff-net; mit ausserordentlicher Freude üb-rigens. Und seit diesem Moment ist Sie da.

 

Das heisst mit anderen Worten, dass Tiffanys Geschichte noch weiter gehen wird … Sie dürfen also gespannt sein!

 

Es hat nämlich Alles erst gerade angefangen!


Hellstern

 

 

 



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Über den Autor

hellstern
Freigeist. Im Bewusstsein, das ich ein sogenanntes "neues Kind" bin.Ich heilige die geistige Freiheit. Stilles Wasser. Katzen sind Götter; Wir haben das in Unserer hektischen Zeit lediglich vergessen!

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