Kapitel 18 Nebelgeister
Sie trieben Minutenlang durch das graue Nichts. Ohne das etwas geschah. Mittlerweile gab der Admiral die Anweisung, die Gänge ins Schiffsinnere zu bewachen, falls sich dort noch weitere von Callahans Soldaten verstecken sollten. Aaren war derweil noch einmal zurück zur Brücke gerannt, nur um diese vollkommen verlassen vorzufinden. Von Syke gab es keine Spur mehr. Kurz überlegte er, ob er Vämskä von dem Mann erzählen sollte, entscheid sich jedoch dagegen. Wenn Skye schlau war, hielt er sich bedeckt.
Gegen die Elektorats-Soldaten, die sich auf den Schiffen sammelten hatte er alleine keine Chance. Und er konnte nirgendwo hin, dachte Aaren. Spätestens wenn der Nebel sich wieder lichtete würden sie ihn ohnehin finden.
Bis dahin hatten sie andere Probleme. Die Erschütterung, die das Schiff vor einer Weile getroffen hatte, machte ihm immer noch zu schaffen. Es ergab keinen Sinn. Hier war weit und breit nichts, was dafür verantwortlich sein könnte.
,,Haben wir eigentlich Kontakt zu den anderen Schiffen ?“ , fragte Aaren, als er Hannah im Nebel entdeckte. Wenigstens schien der Sturm sich endgültig gelegt zu
haben.
,,Seit ein paar Minuten nicht mehr. Aber das hat hier nichts zu bedeuten. Die Elektronik fällt ständig aus.“
,,Und Callahans Leute ?“
,,Wenn noch welche an Bord sind verhalten sie sich ziemlich ruhig. Den Gouverneur selbst haben wir allerdings nicht gefunden.“
Aaren spähte durch den Nebel zu dem halben Dutzend Gefangener Männer in schwarzer Ausrüstung.
,,Dann ist er auf einem der anderen gestohlenen Schiffe.“
,,Wahrscheinlich. Und der Admiral ?"
,,Unter Deck wir versuchen….“
Von irgendwoher hörte Aaren ein
Platschen, als etwas ins Wasser fiel. ,,Was war das ?“
,,Keine Ahnung.“ Hannah war mit einer Maschinenpistole mit Taschenlampenaufsatz bewaffnet, aber das Licht drang kaum weiter durch den Nebel, als sie ohnehin sehen konnten.
,,Geben sie mir Deckung.“ Eine ziemlich nutzlose Anweisung. Sie würde ihn nicht einmal sehen können, sobald er sich ein paar Schritte entfernte.
Er zog langsam die Waffe und ging in die Richtung aus der das Geräusch gekommen war.
Aaren konnte nicht viel erkennen, während er Vorsichtig einen Fuß vor den anderen setzte. Ab und antanzten
Schatten im Nebel um ihn her, die entweder wirklich Personen oder nur Sinnestäuschungen waren.
,,Ich sehe mich nur hier drüben um.“ , rief er, ohne zu wissen, ob ihn jemand hörte.
Er erreichte den Bug des Schiffs, wo die immer noch brennenden Trümmer des Geschützes glühten. Und an der Reling… lag eine Waffe auf dem Boden.
,,Was zur…“ Aaren kniete sich hin und hob das Gewehr vorsichtig auf. Aber wo war der Mann, dem es gehörte?
Er spähte über die Reling in die tiefe. Nichts, außer aufgeschäumtem Meerwasser. Bestimmt wäre keiner der Elektorats-Soldaten so dumm, seine
Waffe einfach zurückzulassen.
Plötzlich hallte eine Reihe von Schüssen durch den Nebel, gefolgt von einem Schmerzensschrei.
Aaren sprang auf und rannte in die Richtung los, aus der die Geräusche kamen.
. ,,Was geht hier vor ?“ , fragte ihn jemand im Vorbeilaufen aber er schüttelte die Hand ab, die sich auf seine Schulter legen wollte. Er musste sich beeilen, das war klar.
Eine Gruppe von Bewaffneten tauchte aus dem Nebel auf, die sich um einen weiteren versammelt hatten, der am Boden lag. Ein Mann mit weißer Sanitäts-Armbinde kniete neben ihm und
versuchte ihn ruhigzuhalten. Aaren kämpfte sich durch die Gruppe umstehender und half dem Arzt dem Mann festzuhalten, der zuckte, als hätte er einen elektrischen Schlag bekommen.
,,Was ist passiert ?“ , wolle Aaren wissen, während der Arzt und er immer noch Mühe hatten, den Mann am Boden zu halten.
,,Weiß ich nicht, irgendwas hat ihn gebissen.. oder gestochen.“ Er deutete auf zwei längliche Kratzer am Hals des Mannes. Kein Messer, soviel stand für Aaren fest. Dafür waren die Verletzungen zu Oberflächlich… eigentlich harmlos.
Während er noch darüber Nachdachte,
wurde der Mann plötzlich ruhig.
,,Scheiße.“ Der Arzt überprüfte seine Atmung und den Puls, dann setzte er sich Kopfschüttelnd auf.
,,Wie…“
,,Sehen sie sich die Haut um die Wunde an.“ , meinte der Arzt. Tatsächlich verfärbte sich der Bereich um die Kratzer bereits deutlich bläulich. ,,Offenbar verwenden Callahans Leute jetzt schon Nervengift.“
,, Irgendwie glaube ich nicht das…“ , setzte der Kommissar an, brach aber ab, als sich erneut Warnschreie erhoben. Überall auf dem Schiff hörte Aaren jetzt aufgeregtes Rufen und vereinzelte Schüsse, die im Wasser
aufschlugen.
,,Zum Teufel, wo ist der Admiral ?“ , wollte einer der umstehenden Soldaten wissen. Der Mann stand mit dem Rücken zur Reling und Aaren suchte das Meer hinter ihm ab, soweit er sehen konnte.
,,Ruhig bleiben.“ , meinte Aaren.
,,Ruhig ? Irgendwas ist da drauß…“ , weiter kam er nicht, als ihn etwas, das zu schnell wieder verschwand über Bord riss und er in den Wellen verschwand.
,,Okay… alle zurück, haltet euch vom Wasser fern.“
,,Lustig, wir sind auf dem Meer.“ , bemerkte einer der Männer, wich aber mit den anderen zurück.
Nur Aaren blieb, die Augen aus Wasser
gerichtet. Die Gruppe Soldaten war längst wieder vom Nebel verschluckt worden.
Eine Bewegung unter den Wellen zog seine Aufmerksamkeit auf sich. Nur ein Schatten, aber doch deutlich genug für ihn. Aaren trat ein paar Schritte von der Reling zurück, als er sich sicher war, dann wartete er. Es hatte ihn sicher auch bemerkt…
Etwas Sprang aus dem Wasser und landete nur ein Stück von ihm entfernt auf dem Deck. Aaren riss die Waffe hoch und schoss. Die Kugel traf es in den Brustkorb, aber es blieb stehen. Er flüchte. Die Wunde heilte so schnell, das er beinahe dabei zusehen konnte.
Silbrige statt grüne Schuppen und grüne Augen, ein Humanoider Körperbau. Er wusste, was er vor sich hatte, auch wenn dem Kommissar weiterhin ein Name dafür fehlte. Aber das hier war um einiges größer als das Wesen, das er auf Salmakis gesehen hatte. Die Haare waren kürzer und die Rückenflosse kleiner, so dass sie nicht wie ein Umhang über die Gestalt fiel. Vielleicht war das eine tatsächlich die weibliche Version gewesen und das hier…
Viel Zeit zum Nachdenken blieb ihm jedoch nicht mehr, als es auf ihn losging. Die Geschwindigkeit überraschte ihn, hatte das Wesen vom
Wrack an Land doch kaum atmen oder laufen können. .Der Nebel, dachte er kurz. Wenn diese Wesen Feuchtigkeit bauchten um zu amten, reichte das vielleicht schon.
Die Knochenhöcker an den Händen des Wesen, die die Ansätze von zwei der sieben Finger bildeten liefen Spitz zu und schienen mit einer klaren Flüssigkeit überzogen, die kein Wasser war. Er musste an die Verletzung am Hals des Soldaten denken. Wenn es ihn auch nur damit kratzte, war er tot.
Aaren sprang zur Seite, eine der Knochendornen raste gefährlich nahe an seinem Gesicht vorbei.
Mit einer Drehung kam er in den Rücken
der Kreatur, die sofort erstarrte, als Aaren ihr die Waffe an den Hinterkopf drückte.
,,Ich weiß ja immer noch nicht ob ihr mich versteht aber egal wie schnell ihr euch regeneiert, dir wird wohl kaum ein zweiter Kopf wachsen, Freundchen.“ Er sah sich rasch im Nebel um. Nur vereinzelte Schatten rannten Aufgeregt hin und her.
,,Also, folgender Vorschlag, du verschwindest jetzt und komm ja nicht wieder.“ Aaren zögerte, die Waffe wegzunehmen. Was tat er eigentlich grade? Schließlich ließ er sie doch sinken.
Das Wesen zögerte kurz, dann stand es
auf und ging unsicher in Richtung der Reling. Im nächsten Moment verschwand es im Wasser.
Aaren sah dem Wesen nach, konnte jedoch in den Wellen nichts mehr erkennen… außer…
Kurz blitzten zwischen den Wellen ein paar Augen auf. Golden ,nicht grün ,schimmernde Punkte im Wasser. Aaren blinzelte und sah noch einmal hin. Nichts. Vielleicht hatte er sich getäuscht. Aber irgendwie glaubte er das nicht.
Jemand packte ihn an der Schulter und er wirbelte herum. Es war Admiral Vämskä. ,,Wir ziehen uns vom Schiff zurück.“ , erklärte er. ,,Irgendwas da
draußen schnappt sich Reihenweise unsere Leute.“
,,Was ist mit Callahan ?“
Vämskä schüttelte den Kopf. ,,Wäre er hier hätten wir ihn schon gefunden. Wir ziehen uns zurück. Sollen sie doch das Schiff haben, das ist nicht wichtig.“
Aaren nickte und lief los. Im Moment schien es wirklich das Beste sich zu sammeln und dann weiterzusehen. Er rannte über das Deck, rutschte beinahe aus, setzte über die Reling und landete wieder auf dem Deck des Schiffs, mit dem sie hergekommen waren.
Aaren sah sich langsam um. Von den drei Dutzend Soldaten, die zu dem Entertrupp gehört hatten, scheinen es die
meisten auch wieder zurück geschafft zu haben.
,,Raus aus dem Nebel.“ , rief er dem Admiral zu. Dieser nickte und rannte zur Brücke, wo der Kapitän vermutlich immer noch wartete.
Langsam setzte sich das Schiff wieder in Bewegung und löste sich von dem Minenschiff.
Dessen Motoren sprangen allerdings ebenfalls wieder an. Offenbar waren doch noch Leute an Bord. An Deck erschienen einige Gestalten.
Einige Elektorats-Soldaten legten auf das Schiff an, aber Aaren schüttelte den Kopf. ,,Vergesst sie. Wichtig ist, das wir
wegkommen.“
Die Männer senkten die Waffen. Hinter ihnen verschwand das Schiff langsam im Nebel. Seltsamerweise konnte er im Wasser keines der Wesen mehr entdecken und auch die Söldner, die er erkennen konnte, schienen eher unbesorgt. Vielleicht wussten sie einfach nicht, was los war.
Trotzdem…. Seine Gedanken wurden unterbrochen, als das Schiff endlich die Nebelwand durchbrach.
Wenn er mit seiner Theorie richtig lag, wären sie jetzt zumindest halbwegs in Sicherheit.
,,Was war das da drüben ?“ , fragte Hannah, die es auch wieder mit rüber
geschafft hatte. Irgendwie erleichterte Aaren das.
,,Raten sie mal, unsere Freunde vom Meeresgrund. Und sie sind offenbar ziemlich sauer. Was auch recht verständlich ist.“
,,Einfach Großartig.“ Der Admiral tauchte ebenfalls wieder auf und sah aufs Meer hinaus. ,,Nur irgendwie scheinen die Söldner sie nicht zu stören. Nur wir.“
Aaren ließ sich auf eine Kiste fallen und schlug die Hände vors Gesicht. Er fühlte sich plötzlich extrem Müde. Nicht hiervon ergab irgendeinen Sinn. Natürlich… das die Wesen sie angriffen, nachdem was Callahan getan hatte war
fast zu erwarten. Sie unterschieden wohl nicht wirklich zwischen menschlichen Gruppierungen. Oder vielleicht doch ? Hatte der Admiral Recht?
Er sah zurück zum Phantom des Minenschiffs im Nebel. Die brennenden Trümmer des Geschützturmes verrieten es wie ein Leuchtfeuer. Keine Rufe, keine Schreie… nichts. Als hätten die Angriffe nur den Zweck gehabt, sie von dem Schiff wegzutreiben.
Bevor er weiter darüber nachdenken konnte, ging ein Ruck durch das Schiff, als wären sie auf eine Sandbank oder ähnliches gelaufen. Die Maschinen erstarben.
,,Was jetzt schon wieder ?“ , fluchte
Vämskä.
,,Wir… sind auf Grund gelaufen ?“ , meinte Hannah.
,,Äußerst unwahrscheinlich. Das Meer ist hier durchschnittlich einen Kilometer tief. Zumindest wenn man den Satellitenkarten trauen kann.“
Aaren trat an die Reling und sah hinab. Im dunklen Wasser konnte er nichts erkennen.
,,Es gibt eine Möglichkeit das rasuzufinden.“ , meinte er und zog die Pistole. Mit einer Hand hielt Aaren sich an der Reling fest, mit der anderen zielte er auf eine Stelle im Wasser, knapp vor den Schiffswände.
Die Kugel traf etwas Festes.
Und plötzlich bewegte sich das Schiff wieder.
,,Was zur…“
Aaren konnte sich grade noch festhalten als der Sog von irgendetwas großem, das Versank, das Schiff ein Stück in die Tiefe riss. Ein tiefes Dröhnen erfüllte die Luft.
,,Was immer es ist, jetzt ist es wütend.“ , stellte Vämskä fest. Einige Sekunden später, erhob sich etwas aus dem Wasser, ein paar hundert Meter vom Schiff entfernt. Sie sahen nur den Kopf, aber das reichte den meisten. Der Kopf allein war so groß wie die Schiffsbrücke und was sie vom Körper im Wasser erkennen konnten, erinnerte an eine riesige
Seeschlange, aus Seemannsgeschichten, die eigentlich niemand glaubte. In Zukunft sollten viele an Bord diese Geschichten ernster nehmen. Schwarze ölig wirkende Haut, ein Knochenkamm, der von der Stirn bis in den Nacken verlief…. Und Reihen Spitz zulaufender Zähne. Augen jedoch, schien es keine zu haben. Es riss das Maul auf, wieder erfüllte ein Grollen die Luft, das unangenehm auf die Ohren drückte.
Der Admiral zögerte nicht lange. ,,Feuer frei, macht das Ding fertig, egal wie.“
Die Geschütze flammten auf. Erstaunlicherweise erwies sich das Feuer als sehr effektiv. Die ersten Geschosse zerschmetterten den Knochenkamm, die
nächste Salve traf es am Hals und riss eine große Wunde… dann tauchte es ab. Langsam versank der Koloss wieder in den Fluten.
,,Ist es Tod ?“
,,Keine Ahnung. Es ist weg, das reicht mir fürs erste.“ , meinte der Admiral. Jemand soll mir aber eine Gewebeprobe sichern. Und dann nichts wie zurück zum Hive. Ich habe fürs erste genug.“