Grade als ich den Laden verlassen wollte klingelte das Telefon, ich griff nach dem Hörer und hielt in mir mit folgenden Worten ans Ohr: ELana Lankford, sie rufen außerhalb der Eröffnungszeiten an, doch gerne sind wir morgen ab 10 Uhr wieder für sie da. Ein tiefes Atmen, ohne eine Stimme dazu.
Ich taste mit meiner Hand nach dem schrillen Wecker, der mich jeden morgen aus meinem Bett schmiss. Mühsam schleppte ich meinen Körper durch das Schlafzimmer, Richtung Küche, denn Kaffee war der Zaubertrack den ich jeden Morgen brauchte.
Es war ein dunkler und nasser Morgen, eigentlich würde ich mich gerne wieder in mein Bett verkriechen, sowie meine Mutter es immer gerne tat. Lange Zeit haben wir ihr dabei zugesehen, wie sie immer mehr der Todessensucht verfiel, wie die Depression ihr Leben bestimmte. Wahrscheinlich wird sie meinem Vater es nie verzeihen, dass er sie hat einweisen lassen und mir das ich sie seit langem nicht mehr besuchte.
Meine Vater war in Berlin bei der US Arme stationiert, er lernte meine Mutter in einer Bar kennen, man möge das als Liebe auf den ersten Blick beschreiben. Sie war nach Berlin gekommen um Schauspiel zu studieren, es war ihr Traum, ihr größter Wunsch. Es ging alles schnell, sie heirateten innerhalb von einem Jahr und zogen in die USA, nach Hollywood.
Sie verfolgte ja ihren Traum und Vater tat alles um sie glücklich zu machen. Der Traum blieb leider nur ein Traum, gefolgt von meiner Geburt. Sie zogen mit wenig Geld nach New York, in eine kleine Wohnung, bis mein Vater diesen Job bekommen hat, bei der Polizei. Danach ging es uns finanziell gesehen besser, was man von der Psyche meiner Mutter nicht behaupten konnte. Ich kann mich wage an einige Tage erinnern, wo sie den Weg aus dem Bett nicht fand, wo sie einfach nur da lag und starrte diese Wand an. Als Kind verstand ich nicht warum sie dies tat, mein Vater nannte diesen Zustand Erkältung. Nach der Geburt meiner Schwester Annelie schien unser Leben besser zu werden, als hätte dieses neue Leben alles verändert. Annelie wurde 8 Monate alt, als sie an plötzlichem Kindstod verstarb, meine Mutter hat es schwer getroffen und sie fand nie einen Ausweg aus dieser Trauer. Die Depressionen wurden immer schlimmer, so dass mein Vater keinen Ausweg mehr wusste und überließ sie, wie er es nennt, in professionelle Hände. Unser einer würde sagen, er hat sie in die Klapse gesteckt. Bevor meine kleine Schwester verstarb stritten meine Eltern oft, ich lag nachts oft da und weinte, die ach so heile Welt in der meine Eltern haben versucht mich leben zu lassen, sie fing an zu bröckeln. Ich mache niemandem einen Vorwurf und niemand trägt die Schuld, doch manchmal wünschte ich mir schon, dass mein Vater endlich aufhören würde so zu tun, als sei das alles in unserem Leben nie passiert. So wurde ich Papas Prinzessin, behütet und umsorgt wie ein rohes Ei. Anfangs besuchten wir meine Mutter sehr oft, fast jeden Tag, dann nur noch jeden zweiten, dann nur noch jeden dritten, einmal die Woche, einmal im Monat und dann nur noch zweimal im Jahr, Weihnachten und Geburtstag.
Als Teenager erlaubte mein Vater mir keine Besuche ohne seine Anwesenheit und als ich älter wurde stellte ich diese Frage nicht mehr, denn es war zu einer Selbstverständlichkeit für mich geworden meine Mutter nie alleine besuchen zu dürfen. Manchmal redete sie wirren Zeugs, manchmal war sie einfach nur Abwesend.Ich nahm einen großen Schluck aus meiner Kaffeetasse und stellte mich der alltäglichen Frage: „Was ziehe ich an?“ Immerhin verkaufe ich Mode, Menschen hofften auf den guten Geschmack der Verkäuferin. Heute wollte ich besonders gut aussehen, denn es sollte hoher Besuch eintreffen, mein Chef. Was konnte man über Darren Grant sagen? Darren übernahmen das Geschäft nach dem Tod seines Vaters. Er war allerdings selten da und man bekam das Gefühl sein Interesse wäre auch nicht wirklich groß, an dem was sein Vater zu seinen Lebzeiten geschaffen hatte.Ich zog eine dunkel blaue engsitzende Jeans und eine rote Bluse aus meinem Kleiderschrank, drehte mich auf meinen 10cm hohen high heels um und ging Richtung Tür. Im vorbeigehen warf ich einen Blick in den Spiegel, meine langen dunklen Haare waren perfekt zu einem Zopf zusammengebunden, ich hatte grüne Augen, voll Lippen und auch sonst war ich kein Kind von Traurigkeit. „Lana du siehst heute gut aus.“ Sagte ich zu meinem Spiegelbild.Das leben in New York war hektisch und laut, der Verkehr eine reine Nervensache. Es ist jeden Tag dasselbe Spiel, Stau, Menschen die es eilig haben, jeder behaart auf sein Recht und keiner will nachgeben. Man war zu Fuß viel schneller, doch von Bronx bis zur 42nd Street in Manhattan waren es 12 Meilen, da war der Fußmarsch auf 10 cm High Heels eine Herausforderung und so kämpfte ich mich durch den öffentlichen Verkehr. Mein Job machte mir nicht sonderlich Spaß, vor allem dann nicht, wenn die ganzen reichen Zicken das Geschäft betraten und erwarteten das man nieder Kniet und den roten Teppich ausrollt. Doch man wird in Manhattan nun mal besser bezahlt. Ich sage mir jedes Mal, hey es hätte schlimmer kommen können.
„Ms Lankford.“ Hörte ich jemanden rufen. „Ms Lankford.“ Diese Stimme kannte ich. „Ms Lankford.“ Drang es wieder in mein Ohr. Ich drehte mich um und suchte mit meinen Augen nach einem bekannten Gesicht, im Unterbewusstsein zu wissen wer da so penetrant nach mir rief. Es war mein Vermieter, der immer eine Möglichkeit fand meine Nähe aufzusuchen. Immer wieder hatte er was mit mir zu besprechen. Die Nachbarn hätten sich beschwert, dann möchte er wissen, ob ich mich in meiner Wohnung wohlfühle oder ob ich sonst ein Anliegen habe. Mehrmals teilte er mir mit, falls es technische Probleme gibt, dass ich mich immer an ihn wenden kann, denn er legte ja großen Wert auf ein gutes Verhältnis. Natürlich war mir klar, worin sein Interesse wirklich lag und nur zu oft hab ich ihm klar gemacht, dass es nicht auf Gegenseitigkeit beruht. „Mr Williams.“ Dieses Lächeln auf meinen Lippen war nicht grade Schauspielreif.„Für sie Aidan.“ Tadelte er mich.„ Ms Lankford, sie wissen doch, dass sie immer zu mir kommen können und ich helfe ihnen gerne bei jedem Problem. Nun, dass wird mit Sicherheit ein Missverständnis sein aber sie haben ihre Miete noch nicht überwiesen, Ms Lankford.“ Diese Brille in seinem Gesicht, die schon einen Bruch erlitten hatte und mit Tesaband geflickt, mit dreckigen Gläsern, den gelblichen Zähnen und dazu die Halbglatze die er durch das rüber kämen, seiner noch vorhandenen Haaren versuchte zu verstecken. Manchmal denke ich, dass er seine Kleidung vermacht bekommen hat, von seinem Vater.„Es tut mir furchtbar leid, ich werde mich drum kümmern.“ Ich habe gehofft, dass ich es noch eine Woche schaffe dieser Begegnung aus dem Weg zu gehen, dieses Gespräch zu vermeiden. Das Leben in New York ist nicht leicht, die meisten wollen hier leben, die wenigstens konnten es sich leisten.„Ms Lankford, wir werden mit Sicherheit eine gemeinsame Lösung finden, bei einer Tasse Kaffee, heute Abend!“„Ich werde die Miete in den nächsten Tagen überweisen, Mr Williams.“Aidan Williams war ein sehr aufdringlicher Mensch, der es verstand ein nein zu überhören. Er war einer dieser Männer aus den Psycho Thrillern, die vor dem Fenster ihrer Mieterin lauerten und sie in ihrem Schlafzimmer beobachteten. „Ich muss jetzt zur meiner Bahn,sonst komm ich zu spät zur Arbeit, entschuldigen sie mich.“ Ohne seine Antwort abzuwarten eilte ich davon.