Kapitel 17 Entern
Die Lichtstrahlen von zwei Scheinwerfern durchschnitten das weiße Nichts des Nebels.
Nach dem Tosen des Sturms schien es nun fast unwirtlich Still zu sein. Aber es war nicht vollkommen ruhig, wie Aaren schnell feststellte. Schwache Maschinengeräusche erfüllten die Luft. Die Motoren ihres eigenen Schiffs waren abgeschaltet und sie trieben nur noch. Callahan oder zumindest eines der entwendeten Schiffe musste tatsächlich ganz in der Nähe sein.
,,Geschütze bereit, versucht sie nur
Manövrierunfähig zu machen.“ , flüsterte Vämskä seinen Leuten zu. Etwa dreißig bewaffnete Elektorats-Soldaten hatten sich bereits auf dem Deck versammelt und warteten nur noch auf ihren Einsatz.
,,Alles in Ordnung ?“ , fragte Hannah und Aaren brauchte einen Moment, bis ihm klar wurde, das sie ihn meinte.
,,Nein.“ , erwiderte er. Im Nebel zeichneten sich ständig Schemen ab und verschwanden wieder. Das Wasser plätscherte in einem stetigen Rhythmus um das Schiff. Niemand sagte etwas. Aaren tastete nach den Pistolengriffen an seinem Gürtel und überprüfte die Reservemagazine. Er hatte aus seinen Fehlern gelernt.
Auch die übrigen Soldaten überprüften und entsicherten nun ihre Waffen.
Und plötzlich trieb das Schiff aus dem Nebelfeld heraus. Die Sonne schien hell am Himmel und stach ihnen schmerzhaft in die Augen. Nur noch vereinzelte Nebelfetzen bedeckten das Wasser und einige Wolken trieben am blauen Himmel entlang.
Es war fast friedlich zu nennen gewesen, wäre da nicht das in einiger Entfernung treibende, zweite Schiff gewesen. Und es war keines von ihnen.
Gespannt warteten sie, ob das Schiff sie entdeckt hatte oder ob der Nebel sie noch
verbarg.
,,Sie drehen ab.“ , meldete ein Mann, der das Schiff durch ein Fernglas beobachtete. Aaren selbst nahm seines wieder in die Hand, als Vämskä ihm das Glas auch schon entriss und selbst nachsah.
,,Oh nein, das werden sie nicht.“ , rief der Admiral. ,,Feuer frei, bremst sie aus.“
Sofort flammten die neuen Geschütze auf , die man an Bord installiert hatte und durchbrachen die geisterhafte Ruhe. Die Entfernung zum Schiff war noch zu groß und die meisten Geschosse schlugen ins Wasser ein. Fontänen stiegen auf und erfüllten die Luft mit einem schwachen
Nieselregen.
,,Verfehlt.“ , reif Aaren dem Admiral zu, als ein Geschoss das fliehende Schiff doch noch traf. Das Heck explodierte in einer Feuerwolke und er konnte sehen, wie Trümmer und Stahl Meter hoch in den Himmel geschleudert wurden.
,,Korrigiere.“ , meinte Vämskä sichtlich zufrieden. Zum ersten Mal entspannten sich seine Gesichtszüge kurz. ,,Volltreffer. Näher ran und dann können wir an Bord.“
Das manövrierunfähige Schiff erwiderte jetzt das Feuer. Ein Geschoss schlug direkt auf dem Deck auf, keine zwanzig Meter von Aaren entfernt. Metallsplitter wurden in alle Richtungen geschleudert,
als eines der neuen Geschütze getroffen wurde. Sekunden später ging jedoch der Geschützturm auf dem fremden Schiff ebenfalls in einer Feuerwolke auf. Eines der Begleitschiffe erschien hinter ihnen aus der Nebelbank.
Manövriere und Kampfunfähig trieb das gegnerische Schiff nun auf dem Meer. Der Admiral reichte Aaren das Fernglas zurück, damit er sich selbst ein Bild machen konnte, während er selbst seine Leute einwies.
,, Ich will das das eine saubere Operation wird. Keine Toten wenn möglich. Sobald wir in Reichweite sind, gehen wir an Bord. Wenn Callahan auf diesem Schiff ist, ist er in jedem Fall
Leben gefangen zu nehmen. Eventuelles gegnerisches Feuer ist zu erwidern, aber versuch auch die Lebend gefangen zu nehmen. Wenn Callahan nicht hier ist, weiß vielleicht einer von ihnen, wo er sich versteckt. Eure Gegner halten einiges aus. Es sind genetisch Optimierte Söldner. Zielt also auf die Köpfe und stellt sicher, dass sie tot sind, wenn ihr sie nicht bewachen könnt. Das wäre alles.“
Aaren beobachtete derweil das Deck des beschädigten Schiffs. Der Bug stand, dort wo das Geschütz gewesen war, in Flammen. Einige verstreute Gestalten liefen umher und versuchten Ordnung in das Chaos zu bringen. Vermutlich hatten
sie den Schiffsantrieb lahmgelegt, den der Stahlkoloss trieb immer langsamer auf den Wellen.
Als sie schon so nah heran waren, das man mit einem Sprung von einem Deck zum anderen gelangen konnte, tauchten plötzlich ein halbes Dutzend schwarz gekleidete Soldaten hinter der Rehling auf und eröffneten das Feuer auf sie.
Aaren ging sofort hinter einem der Geschütztürme , während der Admiral zu Boden gerissen wurde, als ihn eine Kugel streifte. Er sah sich nach Hanna um, die jedoch im allgemeinen Durcheinander nicht mehr zu finden war.
Vämskä rappelte sich wieder auf. Eine Kugel hatte ihn am Arm getroffen und
eine blutige Wunde hinterlassen. ,,Feuer erwidern, sichert das Schiff.“
Die Elektorats-Soldaten fingen sich wieder und schossen zurück. Aaren selbst lehnte sich aus der Deckung, zielte auf einen der gegnerischen Söldner und drückte den Abzug.
Die erste Kugel traf seinen Gegner in der Brust, die zweite zerschmetterte den Schädel.
Ein Projektil raste dicht über Aarens eigenen Kopf hinweg, als er wieder in Deckung ging.
Eine Granate, die später niemand verloren haben wollte, rollte über das Schiffsdeck und an ihm vorbei in Richtung Reling. Dann detonierte sie und
schickte zwei Elektorats-Soldaten, die das Pech hatten in der Nähe zu stehen, ins Wasser. Sie kamen , wie Aaren erfuhr, mit ein paar Verbrennungen davon und hatten so gesehen wohl noch Glück.
Aaren sah sich blinzelnd im Rauch um. Viele der Söldner schienen sich entweder zurückgezogen zu haben, oder hingen nun Tod an der Reling des Schiffs. Aber auch unter den Elektorats-Soldaten gab es erste Verluste. Einige zögerten und schienen sich nicht mehr aus der Deckung zu wagen.
Aaren stand auf und klopfte sich Staub aus der Kleidung. Eine Kugel jagte erneut knapp über seinen Kopf hinweg.
Er hob die Waffe, suchte nach dem Schützen. Ein Söldner, der sich auf der Brücke des beschädigten Minenschiffs verschanzt hatte.
Der Kommissar zielte erneut und schoss. Der Mann wurde in die Brust getroffen und stolperte zurück. Vermutlich lebte er noch, trotzdem hatten sie wohl fürs erste freie Bahn.
Aber die meisten zögerten nach wie vor . Aaren sah kurz zum Admiral, der einige Leute zu Suchtrupps einteilte für die sich niemand freiwillig melden wollte.
Niemand wollte da rüber. Aber einer musste den ersten Schritt machen, dachte Aaren, als er aufstand und Anlauf nahm. Mit einem Satz war er auf dem
Deck des anderen Schiffs. Er hörte noch ein ,,Ist der verrückt geworden ?“ , als bereits wieder eine Kugel knapp an ihm vorbeijagte. Entweder, überlegte er, ziehe ich die heute an, oder habe einen Schutzengel.
Offenbar hatte seine Aktion den gewünschten Effekt. Einige der übrigen Soldaten sprangen ebenfalls herüber.
,,Sichert das Deck ab.“ , hörte er Vämskä von irgendwo rufen. Aaren suchte den Mann und fand ihn im Nahkampf mit einem der Söldner. Sein Gegner hatte offenbar seine Waffe verloren und trug nur noch ein Messer in der Hand, mit dem er nach dem Admiral
stach.
Dieser trat Beiseite, drückte ihm die Pistole an den Kopf und ohne auch nur langsamer zu werden zog er den Abzug durch. Der Mann brach zusammen.
,,Das mit der guten Ausbildung nehme ich zurück.“ , knurrte Vämskä r, als er Aaren erkannte. ,,Sichern sie die Brücke.“
Aaren nickte und machte sich auf den Weg.
Die Brücke war wie auf ihrem Schiff ein etwas über das Deck erhabener Aufbau mit Glasfront. Er lief über das Deck, das mittlerweile größtenteils unter ihrer Kontrolle
stand.
Einige Soldaten hatten einen der dunkel gekleideten Söldner gestellt, dieser hob jedoch, anstatt sich zu ergeben, die Waffe an den Kopf und drückte ab. Aaren musste sich wegdrehen. Jemanden im Kampf sterben zu sehen war eine Sache… das hier etwas anderes.
Er bedeutete einem Elektorats-Soldaten ihm zu folgen, als er die Treppe zur Brücke hinauf lief.
Aaren stürzte mit gezogener Waffe durch die Tür und sah sich um.
Die Steuerkonsolen des Schiffs waren allesamt verlassen. Langsam setzte er einen Fuß vor den anderen und sicherte sich dabei nach allen Seiten ab. Der
Elektorats-Soldat folgte ihm ohne ein Wort.
Ein Gang führt ein einen Kartenraum mit zahlreichen Holo-Tischen. Ein Geräusch zu seiner linken veranlasste Aaren sich in Deckung zu werfen. Kurz erhellte ein Schuss den Raum. Woher er kam wusste Aaren nicht, als er sich hinter einen der Tische in Deckung kauerte und lauschte. Ein schwerer Schlag erschütterte den Boden, als der Elektorats-Soldat getroffen zusammenbrach.
,,Wertlos.“ , hörte Aaren eine Stimme. Eine Stimme, die er wiedererkannte. Skye. ,, Ich weiß das sie hier sind Terrel. Ich weiß wer sie sind,“ Aaren konnte die Schritte des Mannes hören,
als er näherkam. So gut er konnte, versuchte Aaren sich vorzustellen, wo sein Gegner jetzt war, während er selbst so leise wie möglich von einem Tisch zum nächsten schlich. Ihm blieb vermutlich nur ein Versuch, Syke auszuschalten.
,,Wissen sie ich war mal genau wie sie.“
Aaren stockte. Die Schritte die ihm folgten hatten aufgehört.
,,Ach ja ?“ , rief er zurück.
,,Kommissare. Es gibt wirklich nichts Wertloseres als euch.“
,,Das nehme ich persönlich.“ , murmelte Aaren.
,,Sie alle mögen denken, was sie tun sei edel und zu Wohle dieses Geschwüres,
das sie heute Menschheit nennen. Aber in Wirklichkeit sind sie doch gleichzeitig die Verkörperung all dessen, was sie vorgeben zu bekämpfen.“
Lass ihn nur reden, dachte Aaren. Der Admiral und seine Leute würden sicher bald auch die Brücke erreichen.
,,Das müssen sie mir erklären.“
,,Es war auf Carvus, als ich dem Elektorat die treue brach. Ein kleiner Aufstand sagten sie. Ich und ein anderer Kommissar… kann mich nicht an seinen Namen erinnern. Vämser… oder..“
,,Vämskä.“ , flüsterte Aaren.
,,Als wir da waren hieß es plötzlich, alles auslöschen. Der ganze Planet sei abtrünnig. Das waren Frauen und Kinder
da Terrel. Männer, Frauen und Kinder und alle sollten nach dem Willen des Elektorats sterben. Weil sie ihr eigenes Leben gewählt hatten.“
Ein Schuss. Einer der Kartentische zersprang. ,,Weil sie angefangen hatten für sich selbst zu denken.“
Ein weiterer Tisch direkt neben seinem Versteck wurde von einer Kugel zerschmettert ,,Weil sie für sich selbst eingestanden haben. Sagen sie mir Aaren, haben diese Menschen da draußen, auf den Welten und auf der Erde, haben sie je gelernt für sich selbst einzustehen? Nein, ihr Elektorat füttert ihnen alles zu, gibt Anweisungen und Erlasse aus… “ Er schwieg einen
Moment. ,, Aber nicht an jenem Tag auf Carvus. Ich hab meinen Partner getötet und die Befehle ignoriert. Ich bin für mich selbst eingetreten Terrel. Können sie das auch für sich behaupten?“
Ein erneuter Schuss, der die Oberfläche eines Tischs zerschmetterte.
,,Können sie für sich einstehen und einfach… rauskommen ?“
Aaren wartete noch einen Moment. Er wusste jetzt wo sein Gegner war. Er rollte sich aus der Deckung und zielte.
,,Wissen sie was ihr Problem ist ? Sie reden zu viel.“
Die Kugel traf Skye in die Schulter, der sich Geistesgegenwärtig noch aus der Schussbahn zu werfen versuchte. Aaren
drückte nochmal ab. Die zweite Kugel traf ihn in den Brustkorb und schleuderte ihn zu Boden. Die dritte zerschmetterte eine Kniescheibe. Mit einem Satz stand Aaren über dem gefallenen Kommissar und setzte ihm die Waffe an den Kopf.
,,Nur zu.“ , meinte dieser und spuckte etwas Blut. Die Schusswunden heilten schon wieder. ,, Schießen sie . Es ist ihre Entscheidung. Ihr Gesetz.“
Aaren zögerte.
,,Sie können es einfach nicht. Muss ihnen jemand den Befehl geben abzudrücken Terrel ?“ Skye lachte. ,,Gut, hier ist ihr Befehl, erschießen sie
mich.“
Das Schiff wurde von irgendetwas getroffen. Aaren stolperte zurück, als er das Gleichgewicht verloren.
,,Was zur…“
Skye lachte nur, als er langsam aufstand. ,,Offenbar sind sie einfach wirklich unfähig.“
Aaren achtete nicht auf ihn, sondern rannte nach draußen. Was zur Hölle war jetzt wieder schief gegangen?
Auf dem Deck waren mittlerweile nur noch die Elektorats-Soldaten zu sehen, die es geschafft hatten, etwa ein halbes Dutzend Söldner gefangen zu nehmen.
Die Blicke aller waren aufs Meer gerichtet. Vämskä unterhielt sich grade
mit einem Mann, der wohl die weiteren Sektionen des Schiffs sichern sollte. ,,Wenn nötig, verbarrikadieren wir hier oben einfach die Türen ins Schiffsinnere. Selbst wenn sie die Motoren wieder starten kommen sie nicht raus und wir können…“
Ein weiterer Ruck ohne erkennbare Ursache ging durch das Schiff. ,,Was zur Hölle ist hier los ?“ , wollte der Admiral wissen. Die beiden ineinander verkeilten Schiffe trieben mittlerweile langsam aber sicher in die Nebelwand zurück. ,,Das Gefällt mir gar nicht.“
Aaren sah ebenfalls besorgt auf die weiße Wand, die die Schiffe allmählich
verschluckte.