Die Religionen vermitteln das Jenseits als weißes Paradies und eine feuerspuckende Hölle. Bei uns in Lettland ist es seit jeher eine Tradition Verstorbene zu rufen, so dass ich mit der Vorstellung eines reinen, weißen Himmels und einer bösen, feuerspuckenden Hölle aufräumen will. Vor allem möchte ich Hoffnung sähen, insbesondere bei den benachteiligten und kranken Menschen, warum ein schwieriges Leben, aus einer energetischen Sichtweise, besser ist, als ein hürdenloses, kampfloses, einfaches Dasein. Darum geht es in meiner Geschichte.
Anna wurde durch das Blenden eines Spektrallichts geweckt. Es kam aus dem Mülleimer, den sie Tags zuvor im Flur abgestellt hatte. Das Licht erstrahlte den ganzen Flur in vielen bunten Farben. Anna rieb sich die Augen, denn sie glaubte nicht, was sie da sah. Viele bunte Lichter tanzten vor ihren Augen und bildeten einen Kreis. Anna steckte ihre Hand rein, denn sie glaubte einer optischen Täuschung erlegen worden zu sein. Ihre Hand begann sofort in fluoreszierenden Farben zu leuchten. Voller Schreck machte Anna einen Satz nach hinten. Intuitiv zog sie ihre Hand aus dem Lichtermeer. Sie verlor fast das Gleichgewicht, wäre da nicht die Tischkante, die sie abbremste. Sie konnte sich das Phänomen beim besten Willen nicht erklären. Als das Licht von ihrer abließ, erlangte Anna wieder ihre Fassung und dachte, dass sie sich das sicher eingebildet hat, und ging zu Bett.
Tags drauf, Anna arbeitete bis in die späten Abendstunden am Computer - sie grübelte über ihr Buchprojekt nach - und als sie so da saß in geistiger Versunkenheit, bemerkte sie auf den Brettern des Holzschranks ein Konterfei eines Gesichts. Die Augen und die Nase zeichneten sich deutlich ab, nur dass die Proportionen wie ein abstraktes Gemälde verschoben waren. Anna stand mit beiden Beinen auf dem Boden und glaubte nicht an Übersinnliches. So war sie wieder überzeugt, Opfer einer optischen Täuschung geworden zu sein.
Eine Woche später brütete Anna wieder am Computer. Es war spät und Anna glitt aus Müdigkeit über der Tastatur in den Schlaf. Von einem Lichtflackern gestört, wachte Anna plötzlich auf. Auf ihrem Computer blinkten in fetter Schrift die Worte:"Ich bin ganz nah bei Dir!". Anscheinend wurden die Worte, wie von Geisterhand geschrieben, denn ihr e-mail account war geschlossen und niemand sonst hatte Zugriff zu ihrem Computer. Anna geriet allmählich in Panik, denn sie konnte sich das Phänomen nicht erklären. In ihrer Verzweiflung schrie Anna: "wer bist du, was willst du von mir?" Die Tasten begannen tatsächlich wie von Geisterhand zu tippen und auf dem Bildschirm stand:"ich brauche Deine Liebe!". In ihrer Panik fielen Anna Erzählungen ein, wonach ihre Mutter und Großmutter Kontakt zu Verstorbenen hatten, doch sie selbst hielt nichts davon, denn trotz finanzieller Schwierigkeiten ging sie einer geregelten Arbeit nach und brauchte keinen Kontakt zu einer Pseudo-Welt. Doch jetzt bekam sie es mit der Angst zu tun und wollte eins wissen - was das Phänomen von ihr wollte. Da fiel ihr eine Begegnung im Kindesalter wie Schuppen von den Augen. Sie begegnete damals einer Zigeunerin, die auch die Worte benutzte "sie sind ganz nah bei dir!". Eigentlich dachte Anna, sie sucht das Jenseits, um Antworten auf die merkwürdigen Phänomene zu bekommen, aber es war anscheinend umgekehrt, das Jenseits suchte sie. Schon die ganze Zeit.
Sie suchte Rat bei ihrer Mutter, die sich mit Okkultem auskannte. Die Mutter gab ihr auf ihre quälenden Fragen als Antwort, dass wohl ein Geist sie heimsucht und die Nachricht offensichtlich bedeutet, dass eine Seele in einer Zwischenwelt gefangen sein, und Anna um Hilfe bittet. Anna fragte in ihrer Verzweiflung: "warum hat er mich auserwählt?" Darauf erwiderte ihr die Mutter: " das musst Du selbst herausfinden". "Wie denn Mutter?" fragte Anna weiter. Die Mutter antwortete ihr: "am besten trittst du mit dem Geist in Kontakt, wenn du ein großes Stück Papier nimmst, einen großen Kreis mit Buchstaben und einen kleinen Kreis mit Zahlen malst. Dann nimmst du einen leicht bewegbaren Gegenstand - etwa ein dünnes Tellerchen - und malst einen Pfeil drauf. Dann stellst du deine Frage laut vor. So bist du in der Lage, mit dem Jenseits in Kontakt zu treten". Merkwürdig dachte sich Anna, wie kann der Geist dem Pfeil folgen? Anna hatte dieses Ritual bei einer Geistesbeschwörung mittels Tischerücken schon einmal gesehen, nur dass nicht eine Gruppe von Menschen den bewegbaren Gegenstand berührten, sondern nur eine Person - sie alleine.
Anna tat, wie ihr gesagt wurde, nahm ein Blatt Papier, malte die Kreise und rief ganz laut: "was willst du von mir?". Alle Zweifel bei Anna waren plötzlich wie weggeblasen, als das Tellerchen begann, erst zögerlich und dann immer schneller sich übers Papier zu bewegen, und aus den einzelnen Buchstaben bildeten sich Wörter und schließlich klare Sätze.
Das Tellerchen flitzte regelrecht übers Papier. Die Antwort, die Anna sah, war rätselhaft: "gib mir Liebe, gib mir Liebe!", hauchte ihr der Geist ein. Offenbar hatte der Geist keine Liebe, also fragte ihn Anna: "warum hast du keine Liebe?". Das Tellerchen huschte wieder übers Blatt und der Geist antwortete: "ich habe im Leben wenig Liebe gegeben und habe jetzt wenig Energien. Ich bin in die Zwischenwelt gekommen, weil ich ein schwaches Energiefeld habe. Liebe hätte mir Energien verliehen und mich beflügeln können, aber davon habe ich wenig gegeben und wenig bekommen". Annas Herz schlug bis zum Anschlag, doch ihre Neugier war größer als ihre Furcht, und so fragte sie weiter: "bist du in der Hölle?". Das Tellerchen setzte sich wieder in Bewegung und der Geist antwortete: " ja, ein energieloses Dasein kann man als Hölle bezeichnen." "Ist das das Geheimnis zwischen Himmel und Hölle?", fragte ihn Anna schließlich mit Bedacht. "Ja, das Geheimnis zwischen Himmel und Hölle liegt in den Energien", hauchte ihr der Geist weiter ein.
Da wurde Anna bewusst, dass die Hölle - auch auf Erden- oft ein energieloses Dasein bedeuten kann, während der Himmel es auch bedeuten kann, dass trotz Auswegslosigkeit die Menschen das Leben mit romantischer Verklärung sehen, mit viel Energie dem Leben trotzen und so über dem Dasein schweben.
Ohne es zu merken wurde Anna in eine Welt hinein gesogen, die aus Energiefeldern besteht. Und sie spürte, wie die Energie des Geistes Annas Körper durchströhmte. "Spürst du das?", fragte sie der Geist, "das ist deine Seele, genauer gesagt dein Energiefeld, besser gesagt: die vierte Dimension". Und Anna spürte, wie der Geist Annas Seele förmlich berührte. Eine nie dar gekannte Ruhe machte sich bei Anna breit. Angst, Wut, Schmerz - nichts stand mehr im Wege zwischen ihrer Welt und der vierten Dimension.
Wo bei Anna vorher ein Zögern und Zaudern war, wurden alle Sinne auf das Hier und Jetzt gerichtet, die Konzentration aufs Äußerste geschärft. Ihre Energien konnten ungehindert fließen. Und Anna begann, ihre Seele zu spüren. Von der Lehre der Lebensenergie, dem "Chi", hatte Anna schon einmal gehört, aber diese Erfahrung übertraf alles, was sie je erfahre hatte. "Wie kann ich dir helfen?", fuhr Anna fort und fixierte das Tellerchen mit voller Konzentration, so dass ihr keine noch so leichte Bewegung entging. "Indem wir Energien austauschen. Du gibst mir Liebe, um mein Energiefeld zu stärken, und ich ins Licht gelangen kann. Als Gegenleistung helfe ich dir, mit deinen Energien besser zu arbeiten", antwortete der Geist.
Die arme Seele, die Anna rief, war offensichtlich böse und hatte keine Energien bekommen, so dass es in der Zwischenwelt gefangen. Es musste eine Seele finden, die ihm Liebe gab, um sein Energiefeld zu stärken und ins Licht gelangen zu können.
Weniger der Liebeshunger des Geistes, faszinierte Anna, sondern vor allem die Erkenntnis, dass die Seelen Energiefelder sind, die eine eigenständige Existenzform bilden - somit nicht nur Aura sind. Daraus keimten bei Anna Fragen über Fragen auf: was passiert mit dem Energiefeld nach dem Tode? Wenn es nicht verloren geht, wie wird es gespeichert? Was ist das ultimative Rätsel um den Tod und die Wiedergeburt? Denn sie glaubte nicht an die verklärte Vorstellung von einem weißen Himmel und einer feuerspuckenden Hölle. Und so belehrte sie der Geist: "Das Energiefeld bleibt nach unserem Tod erhalten, bis es durch die Wiedergeburt in einem neuen Körper wieder aktiv wird. Durch die Liebe, die wir anderen widmen, sammeln wir Energie, das verbindet und wir speisen daraus unsere Energien für unser Energiefeld, auch nach dem Tod. Je besser also der Energiefluss im Leben ist, das heißt, je stärker die Energien sind, desto stärker entwickelt sich dieses Energiefeld. Das körperliche Leben prägt dieses Energiefeld, dieses Energiefeld wiederrum, das zum Teil durch viele Leben hindurch geprägt wurde, prägt aber auch unseren Körper. Ist maßgeblich, ob man z. B. Genie oder Sträfling wird. Es heißt auch, dass die Intelligenz sich durch Gefühle entwickelt. Das ist das Geheimnis des Todes und der Wiedergeburt". Und er fuhr fort: "Für Menschen sind die Energiefelder oder Seelen unsichtbar, weil Menschen nur dreidimensionale Materie sehen können. Ich kann dich hingegen sehen, da ich mich in der vierten Dimension befinde. Diese liegt parallel zu eurer Welt."
Anna wurde bewußt, dass das Jenseits einen Katzensprung entfernt und doch so fern ist. ihr wurde weiter klar, dass die beiden Welten - die dritte und die vierte Dimension - sich gegenseitig beeinflussen. Die Schnittstellen beider Welten sind unsere Energiefelder. Durch Liebe werden diese Schnittstellen gestärkt. Man kann nicht nur mit dem Jenseits in Kontakt treten, sondern wahrlich Berge versetzen.
Die Botschaft, die man Anna mitgeben wollte, war unmissverständlich: Je turbulenter und schwieriger das Leben ist, desto mehr Energien werden freigesetzt, und desto besser entwickelt sich das eigene Energiefeld. Je fauler jemand ist, z. B. weil es es nicht nötig hat zu arbeiten, desto weniger Energien werden freigesetzt. Anna wusste plötzlich, wofür ihr ein schwieriges, von Armut geprägtes Leben aufgebürdet wurdes, wofür sie ihr Mutter aus den Klauen ihres alkoholkranken Vaters befreien musste und wofür ihr beruflich viele Steine in den Weg gelegt wurden.
Das irdische Leiden ist nicht sinnlos, sondern dient dazu, sich zu entwickeln - vor allem in seelischer Hinsicht. Dabei bleibt keine gute Tat vergessen, denn je mehr Energien wir geben, desto mehr Energien bekommen wir zurück. Wohlgemerkt, wir müssen nicht unbedingt Reichtum und Geld geben, Liebe, also Energien, sind vollkommen ausreichend. Man darf also mit der Liebe nicht geizen. Aber wir tendieren, vor allem bei schlechten Erfahrungen dazu, gerade mit der Liebe zu geizen. Die wichtigste Botschaft lautete für Anna aber: Enegien gehen nicht verloren. Das war für Anna das größte Geschenk, das sie je bekommen hatte.
EagleWriter Scheitn ja jetzt zu funktionieren lg E:W |