„Warum gingst du?
Du warst einfach weg. Verschwunden von meiner Bildfläche.
Warum? Ich versteh es nicht.
Bitte komm zurück. Ich bin allein und du weißt wie ungern ich allein bin.
Du warst immer da und ich fühlte mich nicht so leer, aber warum bist du gegangen?
Mein Zimmer. Es ist jetzt schwarz.
Naja ein versuchtes schwarz.
Ich hab es 'übergestrichen' oder wohl eher Farbe an die Wände geklatscht.
Erinnerst du dich? Als ich es neu bekommen hatte und es so einen hässlichen, deprimierenden Braunton hatte? Ich mochte es nicht und du stimmtest zu und dann haben wir es weiß gestrichen und nach Herzenslust drauf geschrieben was immer wir wollten. Was schön war, Sprüche, Zeichnungen, Erlebnisse.
Alles in vielen Farben, ich fand es klasse.“
Ihre Tränen konnte sie einfach nicht mehr verstecken und schniefte einmal laut und versuchte vergebens stark zu sein. Sie biss auf ihre blutende Lippe.
Ihr Herz war leer und eingefroren. Immer war ihr kalt.
„Dann eines Tages ging ich in mein Zimmer und da standest du, in Anzug, ganz schick, mit Blumenstrauß. Hellblaue Rosen. Meine Lieblinge. Meine beste CD lief und ich musste sofort leise mit summen. Du wusstest alles über mich und ich über dich. Verwirrt ließ ich meine Tasche fallen und ging zu dir, langsam und vorsichtig. Du hobst deine Hand und hieltest mich einen guten Meter von dir fern. Einen kleinen Meter, der mir wie hundert vorkam. Meine Sehnsucht nach dir wurde immer und immer größer, wenn ich von dir wegging. Du knietest dich vor mir nieder und ich wusste innerlich genau was kommen musste, verstand aber nichts, da du nichts sagtest.
Dann zeigtest du hinter dich auf die Wand wo dieses eine kleine Stück noch nicht besetzt war.
'Willst du meine Frau werden?'
in so vielen Farben, die ich nicht einmal alle hätte benennen können. Ich heulte los und nickte schrecklich doll.
Dir war die Erleichterung ins Gesicht geschrieben und freutest dich höllisch, genau wie ich. Schnell war der Meter Vergangenheit und wir umarmten uns, küssten uns.
Es war perfekt. Du warst perfekt...“
sie sah runter auf ihre Hand mit einem neu glänzenden Ring mit roten Schriftzug. Sein Name, den schönsten, welchen sie kannte. Sanft streichelte sie ihn. Eine bedrückende Hitze umgab sie, obwohl es regnete. Alle Bäume um sie herum waren in einem hässlichen Braun getaucht und sie saß dort, auf einem kleinen Fleck, mitten im Wald, wo es ein wenig frei von Bäumen war. Tropfen trafen auf ihr Gesicht, jenes nach oben in den Himmel sah und vermischten sich mit ihren brennenden Tränen.
Schluchzend senkte sie ihren Kopf zu Boden und kämpfte mit sich selbst.
„Du kanntest doch meine Ängste und meine... Probleme.
Du wusstest doch, dass du der Grund warst warum ich noch lebe. Du hast mich aufgebaut, ich verliebte mich unsterblich in dich und du dich in mich. Warum dann?“
Sie erinnerte sich ungern an jene Nacht.
Jene Nacht in der sie ihn nicht erreichte. Er war doch mit freunden weg, oder nicht? Er hätte um diese Uhrzeit schon längst zu hause sein sollen. Sie machte sich grässlich große Sorgen um ihren Verlobten, also fuhr sie los, mit frischem Führerschein. Siebzehn Jahre war sie und schon mit ihm zusammen seit sie dreizehn war. Sie starb nicht nur innerlich ohne ihn. Abgemagert, verschmierte Schminke und ein untröstliches Gesicht, dass Gesicht, was sie verloren hatte seit sie ihn kannte, jedoch kehrte es schleichend zurück und drückte sie in die Ecke, schnürte ihr die Luft ab.
Sie kam nicht damit klar, dass sie ihn dort sah.
Im Wald. Dort an der Stelle, wo sie gerade saß, fand sie ihn damals mit seiner Waffe in der Hand. In seiner toten, kalten Hand. In der tiefen Dunkelheit, nur mit spärlichen Taschenlampenlicht, lag sein lebloser Körper.
„Warum?!“ sie kniff ihre Augen zusammen und weinte weiter.
„Albträume verfolgten mich und wachte ständig in der Nacht auf und wenn du nicht da warst bekam ich Angst. Über den Tag konnte ich vieles verdrängen, aber du wusstest was Nachts mit mir passiert. Zu viele Gedanken versuchen mich zu zerstören und ich nahm manche an.“
Mit zitternden Händen zog sie ihre Ärmel hoch und betrachtete ihre Narben. Sie fühlte sich so dreckig, hässlich und hintergangen. Sie holte ein Messer aus ihrem alten, schon reichlich zerfetzten Rucksack und dachte weiter nach:
„Es macht alles keinen Sinn mehr. Das weißt du, oder?“
Sie schnitt zu und Blut lief ihre unschuldigen, von Traurigkeit ertränkten, dürren Arme hinunter und tat sich mit dem Regen zusammen. „Du gehörtest doch mir..“
Sie nahm seine Hand und drückte sie mit ihrer.
„Du gehörst mir.“ fing sie an zu flüstern.
mit der anderen nahm sie die Waffe, welche neben ihr lag.
„Du bist so perfekt. Warum dann? Ich musste es tun.“
Schwaches Mondlicht ließ sie ihren Schatten sehen, der über ihn sich nieder legte. „Aber jetzt können wir für immer zusammen sein. Du brauchst keine Angst mehr haben, genauso wenig wie ich.“ sie war voll von fremden Blut.
Schließlich hielt sie die Waffe an den Kopf und sprach:
„Warum liebtest du mich nicht? Ich liebe dich doch so sehr!Aber jetzt, ja jetzt, werden wir für immer zusammen sein. Ist das nicht schön?“ und drückte ab.
Sie knallte neben den leblosen Körper, ihr Kopf fiel auf den Bauch des toten und Blut spritzte auf das Gras, welches man nicht groß erkannt in der Nacht. Es wurde still.
Ein paar Tage darauf las man in der Zeitung folgendes:
„Siebzehn Jahre alte Stalkerin erschießt ihren Schwarm und anschließend sich, in einer dunklen Sommernacht, im Wald.
Die Eltern des Jungen liegen in tiefster Trauer.
Die junge Frau habe ihn wohl seit fünf Jahren verfolgt und recherchiert. Eltern bestreiten, dass sie je Kontakt hatten, aber die Frau immer da war, wo ihr Sohn war...“