So gestehe ich, an dem Tod der Kritikerin Schuld zu haben.
Aber der Kommissar versteht zunächst nur Bahnhof und bis beim ihm der Groschen fällt und der Kinnladen herunterfällt, vergehen gut zwei Minuten.
„Sie erzählen mir hier keine Weihnachtsgeschichte?“
„Ich bitte Sie. Wer würde sich schon selbst anklagen?“
„Haben Sie eine Ahnung, was für Leute es heutzutage gibt?“
Dann nimmt der Polizist das Telefon zur Hand und telefoniert erst einmal eine halbe Stunde lang. Ich höre gar nicht zu. Ich genieße die letzten Stunden der Freiheit sozusagen.
Als er aufgelegt hat, kommt er schnell zur Sache.
„Trotzdem. An der Sache ist irgendwie etwas faul. Dass Sie die Lehrerin in fahrlässiger Weise getötet haben oder nicht, entscheidet der Richter. Denn zu einer Anklage wird es kommen. – Aber, dass Sie diese Kritikerin, sagten Sie, ermordet oder deren Tod durch einen Unglücksfall herbeigeführt haben, erscheint mir schon sehr weit hergeholt.“
„Wieso?“
„Das Problem besteht darin, dass Sie erst beweisen müssen, dass Sie es gewesen sind. Sie können alles frei erfunden haben. Sie haben in der Zeitung die kurze Notiz über den merkwürdigen Todesumstand der Kritikerin gelesen, und jetzt wollen Sie sich wichtig machen. Vielleicht, weil Sie denken: nur wegen der Lehrerin in den Bau zu gehen, nein, dann lieber gleich mit Pauken und Trompeten, nehm noch eine Tote mit, geb vor, sie ginge auch auf dein Kerbholz, dann lohnt sich die Sache wenigstens.“
Ich bin verdutzt. Das sind fast genau meine Worte. Polizisten können vielleicht Phantasie haben, mein lieber Scholli.
„Warum sollte ich das tun?“
„Na, das ist nicht schwer nachvollziehbar, so ein Motiv. Sie geben doch vor, Schriftsteller zu sein.“
Diese Formulierung, sehr verdächtig. Aber, na ja…
„Allerdings, das gebe ich vor.“
„Nun, Sie brauchen mir darauf nicht zu antworten. Ich kann verstehen, dass dies einem Einverständnis gleichkommt, das Ihnen schwer fällt. - Sie sind ein erfolgloser Autor. Da böte sich so ein knallharter Mord, wenn es denn schon sein muss, bestraft zu werden, der Publicity wegen an. Das würde die Reputation ungemein fördern.“
„Moment!“, unterbreche ich ihn. „Ich hab’s! Ich beschreibe Ihnen haarklein das Interieur der Wohnung dieser Kritikerin. Das wird Ihnen beweisen, dass ich der Mörder bin.“
Der Kommissar lehnt sich in seinen Sessel zurück und sagt: „Nur zu!“
Als ich geendet habe, seufzt mein Gegenüber: „Nun gut, Sie kennen sich aus in der Wohnung dieser Kritikerin. Sie haben Sie schon einmal gesehen, zweifelsohne.“
Jetzt schnellt er mit seinem Sitz nach vorne und lässt seine beiden Händen auf den Schreibtisch plumpsen.
„Aber, dass beweist noch lange nicht, dass Sie auch der Mörder sind. Darauf kommt es schlussendlich an.“
Kuhmist, er hat Recht. Nach meinen Kenntnissen zu urteilen, habe ich zwar die Behausung der alleinstehenden Dame schon einmal gesehen, aber ihr den Garaus gemacht zu haben, besagt das noch lange nicht. Tja, jetzt stehe ich da wie der Ochs vorm Berg. Wie nur kann ich meine Schuld beweisen, du Hornochse.
Ich schlage mit der Hand auf die Sessellehne: wie konntest Du auch nur so blöd sein und einen perfekten Mord begehen? Jetzt erscheint es aussichtslos, den Beweis zu erbringen, dass Du es warst. Und Du hättest es doch so nötig.
Die Vorstellung, nur wegen eines Grillunfalls in den Knarzer einzufahren, ist mir unerträglich. Muss denn alles in meinem Leben schief laufen: vermurkste Schriftsteller- und ebenso vermurkste Mörderkarriere. Nichts gelingt mir im Leben, ich Hirnochse!
Dann kommt mir eine Idee.
„Herr Kommissar. Ich ließ mich mit der Kritikerin zweimal in der Öffentlichkeit sehen. Lassen Sie uns doch diese zwei Lokalitäten aufsuchen. Es besteht zwar nur eine vage Hoffnung, dass ich wiedererkannt werde. Aber der Versuch ist es wert.“
„Wieso? Glauben Sie nicht, dass das uns weiterhelfen könnte?“
„Sehen Sie. Ich besuchte diese Restaurants, Lokale jeweils nur einmal mit der Toten. Niemand kann uns da garantieren, dass sich die Wirte noch an uns bzw. an mich erinnern werden.“
Der Kommissar ist alles andere überzeugt. Er hat sich keinen Zentimeter in seinem Sessel bewegt.
„Das klingt sehr dünn!“
„Ich gebe es ja zu. Aber es ist das nicht wert, wenn Sie einen Mörder überführen können, Herr Kommissar?“
„Das stimmt auch wieder. Und wenn nicht…“
„Stehen wir wieder dort, von wo wir ausgegangen sind.“
„Nämlich keinen Zentimeter weiter.“
„Haargenau. Wenigstens wird der Versuch nicht geschadet haben. Das kann man zum jetzigen Zeitpunkt schon sagen.“
Der Kommissar ist ein kluger Mensch, erhebt sich, weder grinsend, noch übermäßig ernst dreinschauend, halt so, wie man tut, wenn man sich einer lästigen Pflicht erledigen muss, schaut auf seine Armbanduhr, tippt mit dem Finger darauf und verkündet: „Es ist spätnachmittags. Eine gute Zeit für unsere Aktion. Die Wirte werden gerade ihren Laden geöffnet oder wiedereröffnet haben nach der Lunchtime.“
„Es handelt sich um kein englisches Pub oder Restaurant.“
„Dann Siesta!“
„Auch kein Spanisches.“
„Na dann halt nach der Essenszeit!“
„Kommt schon eher hin. Um eine deutsche Pinte dreht es sich auch.“
„Gut, jedenfalls, es werden wahrscheinlich noch keine Gäste da sein. Wir werden also Ruhe und Freiraum haben, um ein paar ernstere Worte und Gedanken auszutauschen, die nicht in der Hektik eines großen Wirtschaftsbetriebes untergehen dürften oder gestört werden könnten.“
Freudig, wenn auch reserviert über die Aussichten, springe ich aus meinem Sessel.
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