Fantasy & Horror
Entdeckung (9) - Shoppen

Ich sass draussen am Strand und erzählte Kyle von meinem Gespräch. Er grinste manchmal, aber meistens sah er mich nur an. Plötzlich sagte er: "Willst du wirklich Rettungssanitäter werden?"
Ich zuckte mit den Schultern: "Vielleicht. Ich mag Menschen, also..."
"Okay."
"Wieso bist du ein.. was auch immer geworden?"
"Ich hatte genug von Menschen. Ich hatte schon einige Titel als Arzt, und dann habe ich mal einen anderen Beruf gesucht."
"Achso."
Er sah mich immernoch verträumt an, und ich fragte ihn leise: "Wieso siehst du mich so an?"
Er zuckte mit den Schultern: "Ich überlege gerade wie es gewesen wäre wenn diese Lori..."
"LORETTA!"
"Okay, Loretta. Also wenn diese Loretta nicht gesagt hätte du müsstest gehen. Dann hättest du erst mit 25 oder so bemerkt dass du anders bist."
"Wieso?"
"Weil du unsterblich bist, Süsse."
"Oh, ja, stimmt."
"Wie wär's wenn ich dir jetzt mal was zeige?"
"Natürlich. Der alte Angeber." Ich musste grinsen.
Kyle zuckte mit den Augenbrauen: "Ich kann's auch lassen."
"Nein, mach ruhig. Süsser."
Kyle schmunzelte, fing aber an: "Du wolltest doch wissen wie ich mir die Nase geheilt habe."
Ich schob mich ein Stück zu ihm rüber und nickte: "Ja."
"Es ist ganz einfach. Idiotensicher."
"Du meinsst also dass ich eine Idiotin bin?"
Er wuschelte mir zärtlich durch's Haar: "Genau. Also, du musst nur deine Hand auf die Stelle die du heilen willst legen."
"Das ist alles?"
"Das ist der Anfang."
"Und weiter?"
"Dann musst du deine Kraft fliessen lassen. Die verletzten Zellen regenerieren, bei Blutverlust das verlorene Blut ersetzen, bei inneren Blutungen die Gefässe dichtmachen."
"Du sagtest es ist idiotensicher!"
"Ist es auch."
"Wie soll ich denn bitte meine Kraft fliessen lassen?"
"Das musst du üben."
"Was hat das mit idiotensicher zu tun?"
"Na wenn man's mal kann, dann ist es nicht zu verlernen."
Ich verdrehte die Augen und seufzte: "Und wie soll ich das jetzt üben?"
"Denk einfach dass du deine Kraft in etwas einfliessen lassen möchtest. Als ob blaue Fäden aus deinen Fingern in die Stelle fliessen."
"Und WIE soll ich das üben? Das hast du mir noch nicht geübt."
"Ganz einfach." Er richtete sich auf, nahm ein Taschenmesser aus seiner Tasche und schnippelte sich mit einem gezielten Schnitt den Arm auf.
Ich schrie auf und fuhr ihn an: "Was sollte das? Ich dachte ich soll dass an einem Fisch ausprobieren oder so!"
Er zuckte mit den Schultern: "Wenn ich nicht verbluten soll, dann solltest du dich beeilen."
"Ich dachte wir wären unsterblich!"
"Vom Alter her. Aber wir sind nicht unverwundbar. Wie sollen uns die Feinde sonst töten. Denk doch mal nach, Süsse."
Ich verdrehte wieder die Augen und murmelte: "Ein wirklicher Idiot."
Er nahm sanft meinen Arm und legte meine Hand auf seinen Arm: "Los."
Ich atmete tief durch und schloss die Augen. Dann probierte ich mir vorzustellen wie blaue Ranken aus meinen Fingerspitzen herausgeschossen kamen, in die Richtung von Kyles Arm. Ich machte zögernd ein Auge auf. Atmete scharf ein. Die blauen Ranken waren wirklich da. Sie kringelten sich, lösten sich aber sofort auf.
Kyle nickte: "Du musst den Gedanken durchhalten. Dir vorstellen dass sie in meine Haut eindringen. Dass sie die Wunde schliessen."
"Ich versuchs", presste ich hervor. Dann schloss ich wieder die Augen. Wieder stellte ich mir die Ranken vor und wie sie auf Kyle zuglitten. Dann drangen sie in die Wunde ein, ersetzten die nicht vorhandene Haut und wurden Hautfarben. Als ich wieder das Bild von Kyles heilem Arm im Kopf hatte öffnete ich zögernd die Augen. Kyle grinste mich an: "Deine erste Heilung. Vielleicht bist du wirklich eine Ärztin."
Ich seufzte auf: "Ich sagte Rettungssanitäterin. Nicht Ärztin."
Kyle nickte: "Nagut. Auch okay." Dann beugte er sich vor und küsste mich. Ich musste lächeln und schlang die Arme um Kyles Nacken, während er mich sanft an der Taille hielt. Langsam liessen wir uns sinken, sodass er irgendwann über mir war.

                                       ***
Jetzt muss ich mich verbessern: Kyle ist der beste Küsser den ich je gekannt habe.
                                       ***

Irgendwann räusperte sich jemand und Kyle löste sich sanft von mir. Ich sah mich nach der Person um, die uns gestört hatte. Da ich auf dem Rücken lag, und die Person auf der Seite von meinem Kopf war, sah ich ihn auf dem Kopf. Trotzdem erkannte ich ihn natürlich sofort: "Jamie. Was ist denn?"
Er lächelte gequält: "Ich wollte mit dir reden, wenn ich euch nicht zu sehr störe."
Ich wusste ohne hinzusehen dass Kyle jetzt grinste und nickte: "Natürlich." Dann rollte ich mich auf den Bauch und stand auf, Kyle mit mir. Ich ging mit Jamie etwas abseits. Dieser kratzte sich am Kopf und sagte: "Ich würde dich gerne um einen Gefallen bitten."
Ich sah ihn mit hochgezogenen Augenbrauen an.
Er kniff die Augen theatralisch zusammen: "Wenn's dir nicht zu viel ausmacht!"
Ich nickte lächelnd: "Natürlich. Das machen Freunde für einander. Wenn wir denn...?"
Er nickte: "Gerne. Also, ich könnte mir ein Leben ohne dich eigentlich nicht vorstellen, und sei es nur als... Freunde."
"Also, worum möchtest du mich bitten?"
"Würdest du mit mir shoppen gehen?"
Ich musste laut loslachen und hielt mir den Bauch. Ich konnte gar nicht mehr aufhören: "Wie... wieso?"
Seine Backen wurden rot: "Du kennst ja Georgia. Ich wollte ihr was hübsches besorgen. Aber ich hab so gar keine Ahnung was Mädchen wollen."
Langsam regte ich mich ab: "Und das nennst du shoppen? Konntest... konntest du es nicht irgendwie anders nennen? Aber natürlich gehe ich mit dir... shoppen." Wieder lachte ich laut los.
Jamie bedachte mich mit einem qualvollen Blick. "Danke", flüsterte er.
Schlagartig wurde ich wieder ernst: "Dann... dann gehe ich mal wieder zu Kyle. Sag mir wenn du so weit zum, shoppen bist." Damit drehte ich mich um und ging zu Kyle. Jamie paddelte mit seinem Brett aufs Wasser raus, und Kyle und ich folgtem seinem Beispiel. Er zeigte mir immer wieder wie ich mich verbessern konnte, und schon bald auch einige Tricks. Bis Jamie mich zum Shoppen abholte vergingen einige Tage, in denen ich mich nur mit Kyle und Surfen beschäftigte.

In Honolulu gab es ein grosses Einkaufszentrum. Kyle war irgendwann damit einverstanden gewesen nicht mitzukommen, da er mir anscheinend vertraute. Jamie vertraute er natürlich nicht. Dieser benahm sich aber ziemlich vorbildlich. Wir kauften ein Armband, mit einigen Anhängern, die Georgia meiner Meinung nach gefallen könnten. Der Verkäufer wollte uns noch einiges mehr verkaufen, aber schon bald blockte ich ab und sagte eindringlich: "Wir würden jetzt wirklich gerne bezahlen. Wir nehmen nur das hier." Mit den Worten schob ich ihm die Ware hin und sah ihn herausfordernd an. Er war besiegt worden und belästigte uns nicht weiter. Dann sahen wir noch in einigen anderen Läden vorbei. Am Schluss kauften wir uns ein Eis und fuhren wieder heim. Dort wartete natürlich Kyle schon auf mich. Er nahm mich in den Arm und küsste mich kurz. Er schien ziemlich erleichtert. Jamie verabschiedete sich und ging heim. Irgendwie tat er mir leid. Warum war mir nicht klar. Hätte es aber sein sollen.
Kyle vergrub seine Nase in meinem Haar. Ich schmiegte mich an ihn und fragte: "Was ist denn?"
Er zuckte mit den Schultern: "Wieso?"
"Du scheinst so froh dass ich wieder da bin. Als ob ich jeden Moment verschwinden könnte."
"Ich dachte nur..."
"Ja?"
"Ein Rückfall oder so. Könnte doch sein. Du magst ihn nämlich, das weiss ich."
"Dich mag ich mehr."
"Das weiss ich auch. Aber wir wissen schon lang dass du nicht sehr viel über deine Gefühle weisst." Er küsste mich zuerst auf die Schläfe, wanderte tiefer bis er bei meinem Mund angekommen war.
Ich lächelte schwach: "Vielleicht sollten wir reingehen." Wir standen nämlich immer noch auf der Veranda des Hauses. Es war übrigens eine tolle Aussicht auf's Meer, welches Wellen schlug, welches Leben beherbergte, und Tod...