Romane & Erzählungen
Der einsame Mann an der Kasse

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"Der einsame Mann an der Kasse"
Veröffentlicht am 24. Februar 2013, 14 Seiten
Kategorie Romane & Erzählungen
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Der einsame Mann an der Kasse

Der einsame Mann an der Kasse

Beschreibung

Wie denkst du über den einsamen Mann an der Kasse?

 

Der einsame Mann von der Kasse

 

Den Mann sah ich das erste Mal beim Einkaufen. Er hatte eine dieser Halbglatzen, die bei Männern gewissen Alters so häufig auftritt. Sie passte zu ihm. Verlieh sie ihm doch das seriöse Auftreten eines Versicherungsmannes oder irgendeines Beamten. Irgendwie gehört das für mich einfach dazu.

Wenn ich auf das Stadtamt gehe um meinen Ausweis zu verlängern, erwarte ich dass der zuständige Beamte eine Halbglatze hat. Eine Tonsur, wie der Fachausdruck dafür heißt. Danke Google.

Damals stellte ich mich hinter ihm an der Kasse an. Als er mich bemerkte, nahm er einen der Schieber aus der Rille und grenzte seine überschaubaren Einkäufe damit ab.

Dieser Mann war so sicher Single, wie das Amen in der Kirche.

Auf dem Band vor ihm, befanden sich außer einem Fertiggericht und einer großen Packung Bountys, lediglich einer dieser schrecklich künstlichen Salate, den man zuvor in Mayonnaise ertränkt hatte.

Kleine Lehrstunde in bewusster Ernährung:

Fertiggerichte strotzen nur so vor künstlichen Geschmacksstoffen. Sie beinhalten Unmengen an Konservierungs- und Farbstoffen. Teilweise sind sie erwiesenermaßen schädlich für unsere Gesundheit, doch befinden sich in einer rechtlichen Grauzone. Um sie letztendlich zu verbieten, müsste irgendein Eu- Abgeordneter, sicher mit Halbglatze, Überstunden machen. Macht er aber nicht.

Ich bin mir sicher, all das wusste der Mann. Wahrscheinlich war es im einfach egal.

Auf das „Hallo“ der Kassiererin lächelte er kurz.

Ich glaubte nicht, dass er viel redete. Sicher war er eine stille Natur. In diesem Moment wusste ich auch wie dieser Mann heißt: Thorsten. Die heißen immer so.

Ich stellte mir Thorsten in seiner Mittagspause vor:

 

Er ist in der Kantine. In der einen Hand ein Tablett, die andere nervös zu Faust geballt.

Sein Anzug ist irgendwie noch grauer als der der anderen. Seine Halbglatze noch präsenter.

Er setzt sich an einen der Tische, der noch frei ist.

Bestimmt hofft er immer, dass sich keiner zu ihm setzt. Was aber niemals vorkommt.

Außer an den Feiertagen. Wenn die Kollegen mit Familie Urlaub haben.

Ansonsten sind es einfach zu viele Mitarbeiter für zu wenige Tische.

Nach und nach füllt sich der Tisch. Ich glaube Thorsten macht sich dann immer ganz klein. Meistens klappt das auch, und die anderen übersehen ihn einfach.

Dann hört er zu, antwortet vielleicht im Gedanken, wenn der wirklich angesprochene zu lange überlegt oder lacht, wenn einer der Kollegen einen Witz macht.

 

Ich war dran. Thorsten räumte seine Einkäufe in eine Stofftasche, welche er aus seiner Ledertasche hervorholte. Aber er ging nicht gleich, sondern lief die wenigen Meter zu der Bäckerei, die sich gegenüber den Kassen befand.

Mir fielen seine Schuhe auf. Wäre ich vor ihm auf die Knie gefallen, hätte ich mich darin spiegeln können.

Warum glänzten sie so? Vielleicht polierte er sie jeden Abend nach der Arbeit. Möglicherweise war es in den Jahren zu einem täglichen Ritual geworden. Etwa so:

 

Thorsten schließt die Wohnungstür auf. Hier riecht es komisch. Er riecht es schon lange nicht mehr. Vielleicht ist es Schimmel?

Thorsten hängt seinen Mantel auf, zieht die Schuhe aus und stellt sie ordentlich an die Wand.

Noch zwei weitere Paare stehen dort. Ein braunes und ein weiteres schwarzes Paar.

Die Braunen hat er noch nie angehabt. Er hat sie nur wegen der netten Verkäuferin gekauft.

Er läuft in die kleine Küche und stellt seine Einkäufe auf den Tisch. Die Küche ist mit dem nötigsten ausgestattet. Sogar einen Herd steht darin, den er aber selten benutzt. Links neben der Spüle, steht eine Mikrowelle, sie ist wichtiger. Ein Radio hat er keines. Musik fehlt ihm nicht.

Nach dem Essen, geht er in sein Badezimmer. Es ist etwas kleiner als seine Küche, aber völlig ausreichend für ihn. Er zieht sich aus. Zu seinem Körper hat Thorsten ein äußerst seltsames Verhältnis, nämlich keines. Er hasst es, wenn er nackt ist. Am liebsten würde er angezogen duschen, aber das wäre dämlich. Er duscht niemals lange, und er vermeidet so oft es geht, an seinem Körper herabzusehen. Sein Penis ist für ihn nichts weiter als ein Instrument zum urinieren.

Nach dem Pinkeln wäscht er sich oft minutenlang die Hände.

Thorsten geht in sein kleines, graues Wohnzimmer und setzt sich auf eine alte Couch.

Über dem kleinen Beistelltisch zu seiner rechten, liegt ist ein gehäkeltes Tischtuch. Von Mama.

Auf dem Deckchen steht ein gerahmtes Bild von ihr. Sie ist schon lange tot.

Wie jeden Abend nimmt Thorsten das Bild in die Hand und sieht es lange an.

Bevor er es zurück stellt, streicht er noch die wenigen Staubflusen vom Rand des Rahmens.

Thorsten hat natürlich auch eine TV Gerät. Diesen schaltet er jetzt an.

Im Grunde genommen kann man sagen, dass er so ziemlich alles anschaut. Er sucht sich keinen speziellen Kanal oder eine besondere Sendung heraus. Nein, Thorsten wechselt täglich den Kanal.

Heute ist wieder RTL 2 Tag. Die Kochprofis, Frauentausch, Extrem Schön. Morgen dann Pro 7.

In der Werbung steht er auf, holt seine Schuhe und poliert sie so lange, bis ihm die Hände schmerzen.

 

Ich hatte meine Einkäufe bezahlt. Als ich mich nach Thorsten umdrehte, war er schon weg.

Bestimmt in seinen grauen Kleinwagen gestiegen und nach Hause gefahren.

 

Neulich sah ich ihn wieder.

Ich gab einem Fünftklässler Nachhilfeunterricht in Mathe. Ein bisschen das Taschengeld aufbessern eben. Ich hatte dem Jungen gerade vergeblich versucht das Bruchrechnen zu erklären und nach eineinhalb Stunden frustriert die fünfzehn Euro Lohn von der Mutter kassiert. Nicht jedoch ohne eingehende Ermahnung, das sie in der nächsten Klausur eine deutliche Steigerung ihres Sohnes erwartete. Wie gern hätte ich ihr gesagt: Es tut mir Leid gnädige Frau, aber ihr Sohn ist dermaßen Strunzdumm, das er eher den Nobelpreis in Stillsitzen erhält, als in einer Bruchrechnungsklausur eine Drei bis Vier.

Aber das macht man ja nicht.

Auf dem Nachhauseweg stand er dann da. Thorsten.

Also nicht einfach da, sondern in einem Garten.

Er hatte eine dieser bescheuerten Geburtstagshüte auf dem Kopf. Die wo oben so spitz zulaufen.

Er stand neben einem Mann, ebenfalls mit spitzem Hut, hatte ein Bier in der Hand und redete angeregt mit ihm. Lachte sogar. Er trug Jeans und ein lockeres Hemd darüber. Es war nicht einmal in seine Hose gesteckt, sondern flatterte in der leichten Sommerbrise.

Eine Frau kam zu den Beiden. Sie legte ihm eine Hand um die Hüfte. Er sah sie kurz an, lächelte ihr zu und führte das scheinbar interessante Gespräch fort.

Ein kleine Gruppe Mädchen rannte durch den Garten. Alle waren bunt geschminkt und ihr kindliches Lachen hallte durch die Straße. Es roch nach Grillen.

Ich muss von der Szene fasziniert gewesen sein, denn ich übersah den Bürgersteig und knallte mit dem Vorderrad meines Mountainbikes dagegen. Ich wurde über den Lenker geschleudert und landete unsanft auf dem Asphalt.

Mir wurde kurz Schwarz vor den Augen. Als ich wieder klar sehen konnte, kniete er neben mir.

Noch ein paar weitere Geburtstagsgäste standen im Halbkreis um mich herum.

Zuerst dachte ich, ich wäre in der Clownhölle gelandet, so wie sie da alle standen, mit ihren lustigen Papphüten.

Er half mir auf die Beine. Stellte mir mit besorgtem Blick, Fragen zu meinem Befinden.

Ich war noch nicht ganz bei mir und er führte mich in den Garten. Wir setzten uns auf eine Bierbank. Vor mir auf dem Tisch stand ein halbes Dutzend bunter Kuchen.

Ein Mädchen mit Katzengesicht kam zu uns gelaufen. Sie zog ihn am Ärmel und sagte:

„Papa, geht es dem Jungen gut?“

„Ich glaube schon“, dabei sah er mich mit hochgezogenen Augenbrauen an und fuhr dann fort, „ geh wieder mit den anderen spielen, unser junger Freund brauch nur einen Moment.“

Das Mädchen rannte weg.

„Ich bin Arzt“, sagte er an mich gewandt, folge mal mit den Augen meinem Finger.“

Ich tat was er wollte.

„Hast du Kopfweh?“

Ich verneinte. Mir ging es auch schon besser. Nur mein Rücken, der die ganze Wucht meines Aufschlags abgefangen hatte, tat noch weh.

„Ich glaube du hast Glück gehabt, sieht nicht nach einer Gehirnerschütterung aus.“

Die Frau von vorhin kam zu uns. Sie brachte mir ein Glas Wasser.

„Geh es wieder?“, wollte sie von mir wissen.

„Ja, danke.“

Ein anderer Mann gesellte sich zu uns. Er schob mein Fahrrad vor sich her.

„Du wirst schieben müssen, dein Vorderrad ist im Eimer.“

„Das passt schon, ich habs nicht mehr weit“, sagte ich.

„Glücklicherweise hat es dich hier geschmissen und nicht ein paar Hundert Meter später. Mein Freund Tim hier ist nämlich Arzt.“ Er lachte lauthals und tätschelte ihm die Schulter.

Ich grinste. „Ja.“

Eine ältere Frau stand plötzlich neben mir.

„Geht es dir gut, mein Junge?“

Mir wurde die ganze Aufmerksamkeit langsam unangenehm.

Tim musste das bemerkt haben, den er sagte:

„Es geht ihm gut Mutter, ich glaube wir können ihn jetzt unbesorgt gehen lassen, nicht wahr?

Er sah mich augenzwinkernd an.

„Klar. Ich bekomme zwar einen fetten blauen Fleck am Rücken aber den hab ich ja auch verdient.“

Alle lachten.

Ich verabschiedete mich und ging.

 

Ein paar Tage später, ließ ich meinen Reifen reparieren. Der Mechaniker war ein dicker bärtiger Mann. Er hatte eine Öl verschmierte blaue Latzhose an und roch nach Metall und Schweiß.

Bestimmt ein Alkoholiker. Abends wenn er nach Hause kommt, trinkt er einen Kasten Billigbier und verprügelt dann seine dumme Frau.

Und bestimmt hat er eine Tätowierung auf dem Unterarm. Ein Skorpion oder so was.

Und bestimmt....und bestimmt.....und bestimmt.....

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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jungerSchatten

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PorterThomson Warum... - ...findet diese nette kleine Geschichte nur so wenig Beachtung? Es ist eine lustige Studie über einen jeden von uns! Junger Schatten hält uns doch allen einen Spiegel vor! Ist es insgeheim nicht schon jedem so ergangen, auch wenn es keiner zugeben will, dass er eine Person allein seines äußeren Erscheinungsbildes wegen vorverurteilt hat? Es ist doch ein Alltagsphänomen in unserer Gesellschaft! Äußerlichkeiten werden viel zuviel Wert bei gemessen, leider! Bis auf ein paar kleinen Tippfehlern und ein oder zwei verdrehten Wörtern ist die Geschichte schön zu lesen und vor allem sinnvoll! 5*

mfg Porter Thomson
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