Beschreibung
Das ist der dritte Teil der Reihe, nicht unbedingt ein in sich geschlossenes Buch. Wenn ihr alles wissen wollte, verweise ich euch auf "Mondweber" und "Mondweber Teil 2"
Danke! ;)
Daniel war müde. Nicht, weil er zu wenig schlief, wobei das unter anderem vielleicht auch dazu beitrug. Aber hauptsächlich war er müde, weil er nun schon seit vier Wochen sehr unruhig war. Die Beruhigungstabletten, die er vom Arzt verschrieben bekommen hatte, hatten ihm kein bisschen geholfen. Er war zappelig und wusste selbst nicht, weshalb. Gestern war wieder Vollmond gewesen, wie bei jedem Vollmond war er in seine ehemalige Heimatstadt gefahren und hatte sich dort mit dem Mond unterhalten. Das Versprechen seines Vaters am Sterbebett, er sei der Mond und werde immer für ihn da sein - daran glaubte Daniel zwar immer noch, jedoch nicht mehr so felsenfest wie früher. Er hatte gestern wie auch bei Vollmond davor keine Antwort tief in seinem Herzen mehr gespürt. Was war los?
Wenn Daniel in den Spiegel schaute, merkte er, dass er größer geworden war - obwohl er schon vor vier Jahren keinen Zentimeter mehr gewachsen war. Er verstand die Welt nicht mehr. Er wahr auch in letzter Zeit so niedergeschlagen mehr, dass er bei den Prüfungen nicht mehr so gut abschnitt wie früher, nicht annähernd. Er war eigentlich sonst immer ein fröhlicher Junge gewesen, doch zur Zeit war er nur noch trübselig.
So lebte er vor sich hin, gab das Grübeln nicht auf, bis er eines Tages einen Anruf bekam. Es war die Frau, die nach Daniel und seinem Vater in dessen Haus eingezogen war, als dieser verstorben war. Daniel kannte sie kaum, höchstens vom Sehen, doch das nach all den Jahren auch nicht mehr wirklich. Er konnte sich nur daran erinnern, dass sie rosa trug. Sie teilte ihm mit, sie habe etwas im Haus gefunden, das für ihn bestimmt war.
Daniel fuhr gegen Nachmittag zu ihr.
Sie ließ ihn ein und drückte ihm einen Umschlag in die Hand.
"Groß geworden sind Sie", sagte sie nur; bald darauf verabschiedete sich Daniel und stieg in sein verrostetes Auto. Als er den Gang einlegen wollte, merkte er, dass seine Hände zitterten. Merkwürdig, dachte er nur. Doch als das Zittern weder abnahm noch ganz aufhörte, schaltete er den Wagen wieder ab und lehnte sich zurück. Ruhig atmen, warum zitterst du denn nur?, dachte er.
Ob es etwas mit dem Kuvert zu tun hatte? Er sah es lange an, dann nahm er es in die Hände und drehte und wendete es zwischen den Fingern. Nein, sagte er laut in die Stille hinein, nein. Ich werde es zu Hause öffnen.
Er wartete noch ein wenig ab, bis das Zittern wieder einigermaßen erträglich wurde, dann fuhr er einfach los. Während der Fahrt musste er seltsamerweise gegen die Tränen ankämpfen. Und wieder einmal stellte er sich die Frage: Was ist nur mit mir los?