Es war ein warmer Freitagmorgen. Daniel erwachte in seiner winzigen Studentenwohnung und sprang schnell aus dem Bett, als er auf den Wecker sah; er hatte nur noch eine halbe Stunde.
Als er ein wenig später in einer Vorlesung saß und aufmerksam lauschte, hatte er ein seltsames Gefühl. Es saß im ganzen Körper, vom Kopf bis zu den Zehenspitzen. Es war kein richtiger Schmerz, und doch war es da.
In Gedanken ging er alles durch: Muskelkater, Verspannungen ... doch er konnte nichts dergleichen mit Sicherheit feststellen. Den ganzen Vormittag über war er richtig hippelig. Es war zum Verrücktwerden. Daniel wusste nicht einmal genau, weshalb. Was hatte er denn gestern gemacht?! Den Tag hatte er wie jeden anderen verbracht. Abend war er noch in sein ehemaliges Heimatdorf gefahren und hatte den Vollmond betrachtet und mit ihm gesprochen. Mehr wusste er nicht mehr. In diesem Moment fasste Daniel den Entschluss, zum Arzt zu gehen. Den Nachmittag hatte er sich ohnehin freigenommen, da dies der Geburtstag seines verstorbenen Vaters gewesen war.
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Im Wartezimmer war es voll. Nach einer dreiviertel Stunde kam er endlich dran. Der ältere bebrillte Arzt mit seiner immerfreundlichen Art bot ihm den einzigen Stuhl an und ließ sich selbst hinter dem überdimensionalen Schreibtisch nieder.
"Was fehlt Ihnen?"
"Ich weiß es selber nicht genau, Herr Schäfer. Seit heute morgen habe ich so ein seltsames Gefühl im ganzen Körper!"
"Können Sie es mir etwas genauer beschreiben?"
"Es ist - hm, man könnte es als leichten Schmerz bezeichnen."
"Aha. Und wo ist es am stärksten?"
"Ãœberall gleich."
"So so. Sie studieren?"
"Ja, an der Uni drüben in der Nachbarstadt."
"Ist das stressig?"
"Na ja, es geht. Es ist nicht stressiger, als die anderen es empfinden."
"Und du hattest das noch nie?"
"Nie."
So verlief das Gespräch zwischen den beiden. Dr. Schäfer verschrieb ihm am Ende Beruhigungstabletten.
"Danke, Dr. Schäfer." Daniel streckte ihm die Hand hin.
"Gern. - Der Nächste bitte!"
Daniel holte sich die Beruhigungstabletten aus der Apotheke und nahm, zu Hause angekommen, gleich eine. Dann wartete er ab, war hippelig und hoffte auf eine bald eintretende Wirkung der Tablette. Doch nichts geschah. Gegen Abend fuhr er in seine ehemalige Heimatstadt, um vielleicht dort zur Ruhe zu finden. Als der Mond aufging, versuchte er ein Gespräch mit ihm, doch er spürte keine Antwort. Es war allerdings auch erst vor zwei Tagen Vollmond gewesen.
Endlich fuhr er ins Studentenwohnheim. Dort legte er sich ins Bett und versuchte einzuschlafen. Doch der Schlaf wollte und wollte nicht kommen. Er war einfach viel zu nervös und unruhig. Um halb vier am nächsten Morgen übermannte ihn schließlich doch der Schlaf. Doch auch in der Nacht träumte er unruhig von Dr. Schäfer, seinen Büchern und dem Vollmond.
Am nächsten Morgen wachte er erschöpft wieder auf. Trotz der Erschöpfung war er furchtbar unruhig. Er streunte den ganzen Tag herum, in seiner engen Wohnung, auf den verschiedenen Sportplätzen der Universität und auf dem ganzen Gelände. Grübelnd überlegte er: Was ist mit mir los?