Die Schläge an die Tür wiederholen sich verstärkt und so laut, dass ich befürchte, die Tür würde aus den Angeln springen, in die Wohnung fallen und mich darunter erschlagen.
„Brennt’s denn?“, schreie ich aus Sarkasmus, während ich den Schlüssel umdrehe. Bloß ein Allgemeinplatz halt. Damit sollte ich noch bitteren Ärger ernten.
Vor mir stehen zwei dunkle Gestalten im Gegenlicht, Kriminalbeamte, die sich ohne Umschweife, von wegen, sie sind verhaftet und jede Aussage, die sie treffen, könnte gegen sie und im Namen des rechtstaatlichen Rechtstaates und so, auf mich stürzen, mir schmerzhaft die Arme auf den Rücken verschränken, als wäre Gefahr im Verzug. Dann schleppen sie mich die Treppen hinunter, aus der Haustür, ein Bild, das sich mir schmerzhaft eingebrannt hat, der Nachbar wegen. Was bekommen sie zu sehen? Sagt mir, was würdet ihr über mich denken?
Es sind viele Tage vergangen, seit die Kritikern „verstorben“ ist. Wie ich es mir gewünscht habe, ist mir die Polizei nicht auf die Fährte gekommen. Ich habe längst aufgehört mit ihnen zu rechnen. Auch jetzt bin ich noch arglos. Ich sollte übrigens recht behalten. Dieser nächtliche Blitzbesuch der Polizei hat überhaupt nichts mit dem Tod der Kritikerin zu tun.
Gedemütigt auf dem Bürgersteig, auf der Straße, stehe ich mit am Rücken gebundenen Händen und geknickten Kopfes da, ein Anblick, den viele hier Wohnende insgeheim genießen und innerliche Entzückungsschreie entlocken dürften.
Merkwürdig, die Szene ist grell beleuchtet. Sogar das Flutlicht vom nahen Fußballfeld hat mich im Fokus, erhellt grell den Hauseingang, das Polizeiaufgebot und mittlerweile einige herangetretene kecke Nachbarn. Das weist auf eine gut vorbereitete Großaktion hin, die Feuerwehrleute sind auch zugange, aha, was nur rechtfertigt dieses Umstände überhaupt? Ich bin derartig geblendet, dass ich, was eine natürliche, aber verwehrte Reaktion ist, mir die Augen mit den Händen zuhalten möchte, aber auf schmerzhaft deutlichen Widerstand stoße, gleichen doch die Polizistenhänden Schraubstöcken.
So kneife ich verbissen die Augen zu.
Noch denke ich: Haben die doofen Fußballer nichts besseres zu tun, als ihre Lichtflutanlage auf mich zu richten, anstatt auf ihren göttergleichen Fußballrasen?
Quatsch, alles, ich weiß, bis mir denn doch Zweifel kommen, denn ein rot-orangener flackernder Schein flutet die Szenerie auch ein bisschen ein.
„Brennt es hier irgendwo?“, stoße ich wieder ahnungslos aus. Übrigens, auch diese Aussage wird mir später wieder aufs Butterbrot geschmiert und als weiteres verdächtiges Indiz gewertet: „Hat hartnäckig auf das „Brennen“ herumgeritten, um damit den Eindruck zu erwecken, dass er völlig ahnungslos wäre. Hinter dieser gespielten Arglosigkeit steckte Täuschung, Vortäuschung einer betrügerischen Harmlosigkeit.“
„Spielen Sie hier nicht das Unschuldslamm. Sie wissen haargenau, was hier los ist!“, brüllt mir ein Beamter ins Ohr.
Was nur soll ich wissen?
Das einzige, was hier gewiss scheint, ist, dass ich wie ein gemeiner Verbrecher auf die harte Tour hinter Schloss und Riegel gebracht werden soll. Da kann nur eine Verwechslung vorliegen, wenn derartig unangemessene Methoden angewendet werden bei jemanden, der sich keiner Schuld bewusst ist.
„Ulkig“, denke ich noch, wäre ich Wahrsager gewesen, wäre mir dieses Wort im Mund stecken geblieben.
Ich hätte gerne mehr gewusst, vor allem über dieses gelbe Flackerlicht hinter dem Haus, aber die Ereignisse rollen über mich hinweg.
Die Beine gespreizt genauso wie die Arme, die über das Dach des blaulichtleuchtenden Polizeiautos liegen, betastet mich ein Polizist von oben nach unten ab. „Muss das sein?“, frage ich. Das einzige, was ich anhabe, ist der Bademantel, darunter das Unterhemd. Nicht einmal einen Slip trage ich.
Das Murren des Polizisten schlägt mir gegen mein Ohr. „Seien’s still jetzt! Sie kommen schon noch zum Reden. Mehr als Ihnen lieb sein wird, befürchte ich.“
Jetzt bin ich aber erbost. Da hört sich aber allmählich alles auf. Muss ich mir das bieten lassen?
Ein anderer Polizist rapportiert in sein Handy: keine Schusswaffe, möglicherweise Küchenmesser oder anderer gefährlicher Gegenstand, wird gerade untersucht. Diese preußisch-militärische Unart, Sätze ohne Subjekt zu bilden – widerlich!
Immer mehr Nachbarn rotten sich zusammen, bilden eine größere Gruppe vor dem Gartenzaun gegenüber, stehen direkt gerichtet zu mir, beglotzen mich schamlos und verkünden: lebenslänglich schuldig. Ich will protestieren, aufbegehren gegen all das, Polizei, Nachbarschaft, Feuerwehrleute, stampfe deshalb mit dem Fuß auf: „Muss das denn sein?“
Keiner der Polizisten reagiert, fassen es als bloße rhetorische Floskel auf, sehr professionell. Sie legen mir Handschellen um.
Fußballweltmeisterschaft ist doch nicht derzeit, oder, einziger Anlass, wo ich jemals sich die Nachbarschaft habe zusammenlaufen sehen, oder Einbruch, Mord und Totschlag – was eigentlich los, Kuhmist.
Was passiert?
Und was habe ich damit zu tun?
Habe ich etwas verbrochen?
Ich bin mir keinerlei Schuld bewusst, verdamm mich.
Trotzdem behandelt man mich wie einen Verbrecher.
Statt vielleicht gar zu schreien, beobachte ich plötzlich fasziniert, wie ein Nachbar, das Alpha-Tier, der informelle Leithammel der Straße hier, zu einem älteren Polizisten hingeht, der etwas abseits vom Geschehen steht, um einen besseren Überblick zu haben und ein riesiges Funkgerät, größer als jegliches Handy, in Händen hält. Das Handy knistert und scheppert ehrfurchtgebietend.
Alpha-Nachbar und Alpha-Polizist tuscheln miteinander. Dieser Nachbar war schon immer der Ordnungswauwau der Straßen, ungekürt, offiziell nun.
Er genießt brustgereckt seine Stellung, jetzt, wo er neben den Haupt-Polizisten stehen darf. Sein feistes, freudiges Grinsen hin und wieder, zwischen ernsten Blick, spricht Bände: „Bürschchen, wurde auch Zeit. Jetzt haben wir dich endlich!“
Ich werde wieder von diesem orangefarbenen Schein abgelenkt, der hinter dem Haus um die Ecke hervorkommt?
Natürlich, mein Grillplatz, mein Scheiterhaufen zur Verbrennung von unliebsamer Literatur. Deswegen wird man doch nicht gleich so rüde behandelt, da muss noch weiteres im Busch sein.
Hat sich vielleicht das Feuer ausgebreitet, weil nicht richtig ausgelöscht und jemand Unschuldiger wurde in Mitleidenschaft gezogen?
Mir schwant etwas...
http://www.pentzw.homepage.t-online.de/literatur.htm