Beschreibung
Claudia betrauert ihre Oma und erfährt von ihrer Mutter kurz vor der Beisetzung dass die Urne auf dem Postweg abhanden gekommen ist
Oma ist weg
Prasselnd schlug der Regen ans Fenster. Claudia schaute hinaus – alles grau in grau. So ein richtiger nasskalter Dezembertag. Und wie passend für ihre Stimmung. Es war Samstag nachmittags. Ihr Freund Chris war zu einem Fußballspiel mit Freunden gegangen, Er hatte sie zwar gefragt, ob sie mit wollte. Aber Fußball – nein danke.
Trübsinnig schaute sie auf die Uhr. Was machte sie nun mit dem angebrochenem Tag? Früher hätte sie einen Kurzbesuch bei ihrer Oma, die in Buxtehude lebte, gemacht. Oma freute sich immer wahnsinnig, wenn Claudia aufkreuzte. Sie nahm immer regen Anteil an Claudias Leben, und meist wechselte noch ein 10 Euroschein seinen Besitzer. Ach ja Oma !!
Claudia seufzte. Ihre Oma war ohne ein Anzeichen von Krankheit vor 14 Tagen einfach so gestorben, ohne Abschied und allem Tamtam, wie sie sich immer auszudrücken pflegte. Der Arzt sagte „Herzversagen“.
Für Claudia war es ein Schock. Sie liebte ihre Großmutter , die immer ein offenes Ohr und eine offene Tür für sie hatte, über alles. Es war für sie einfach nicht vorstellbar, dass Oma auf einmal nicht mehr da sein sollte. Und auch noch kurz vor Weihnachten ! Weihnachten war nach alter Sitte immer die ganze Familie zusammen, und diesmal ohne Oma?
RING!!! Die Türklingel riss sie aus ihren trüben Gedanken. Ihre Mutter stand aufgeregt mit hochrotem Gesicht in der Tür. „Claudia, stell Dir vor, Oma ist weg !“ Genervt schaute Claudia sie an. Als ob sie das nicht wüsste ! Das war nun mal die Realität. „Ja es ist gut Mama, ich muss auch damit fertig werden.“
„Du verstehst mich nicht, die Urne ist weg !“ „Wie bitte?“ Nun wurde Claudia wach, „Was sagst Du da? Die Urne ist weg?“
Die Großmutter war in ihrer Heimatstadt Buxtehude gestorben und dort auch eingeäschert worden. Die Beisetzung der Urne sollte nächste Woche hier in Hamburg stattfinden. Das Beerdigungsinstitut hatte den Termin für den nächsten Donnerstag festgelegt. Die Einladungen zur Trauerfeier waren verschickt. Kranz und Blumenschmuck waren bestellt, der Pastor bastelte schon an seiner Trauerrede und in einem Restaurant waren Tische für ca. 30 Personen bestellt für die obligatorische Kaffee-und Kuchentafel mit Canapees . Und nun war Oma weg ! Das sah ihr ähnlich ! Ihre Oma war immer schon ein bisschen exentrisch Sie war eben nicht so , wie man es von einer Dame mit 82 erwartete. Sie trank gern ihr Glas Wein. Manchmal durften es auch 2 oder 3 sein, traf sich regelmäßig zum Kartenspielen mit Freunden. Ja, sie hatte mit 70 sogar angefangen Russisch zu lernen. Russisch ! Das musste man sich mal vorstellen! Welcher Mensch lernt schon freiwillig Russisch ! Außerdem surfte sie wie nichts Gutes im Internet und hatte sich sogar bei Facebook angemeldet, nur um zu sehen, was ihre geliebte Enkeltochter da so trieb und was sie für Freunde hat. Die Familie hatte sie ob ihres Spleens immer belächelt, aber Claudia war insgeheim stolz auf ihre so aktive Oma. Fragend schaute sie ihre Mutter an „Wie kann so etwas passieren?“ Die Mutter erklärte ihr, dass auf dem Postweg von Buxtehude, wo die Oma eingeäschert wurde, nach Hamburg die Urne verloren gegangen war. Sie hatte gerade mit dem Institut in Buxtehude gesprochen, die ihr versicherten, die Urne wäre schon vor 5 Tagen bei der Post aufgegeben worden. Nun wurde dort fieberhaft nach Oma gefahndet. Aber jetzt am Wochenende konnte man nicht viel tun. Man würde die Suche am Montag verstärkt fortsetzen und sie könnte versichert sein, man würde sie finden.
Claudia kochte ihrer Mutter erst einmal einen starken Kaffee und beruhigte sie. So eine Urne konnte ja nicht einfach verschwinden ! Langsam beruhigte die Mutter sich wieder und verabschiedete sich von Claudia. Sie wollte nach Hause, um nicht etwaige Nachrichten in Sachen Oma zu verpassen.
Und der liebe Gott hatte ein Einsehen. Montag abends schrillte das Telefon bei Claudia, und ihre Mutter berichtete ihr hocherfreut, dass man Oma in einem Paketregal in einer Ecke , verdeckt von anderen Päckchen entdeckt hatte. Sie wurde schlicht und einfach übersehen ! Und das bei Oma !
Nun nahm doch noch alles ein gutes Ende, und man konnte Omas Asche in Frieden, mit einem geheimen Lächeln im Gesicht der geweihten Erde übergeben. Den Trauergästen sagten sie natürlich nichts. Das würde für immer ihr Geheimnis bleiben.
Am Tag der Urnenbeisetzung lachte die Sonne am Himmel, und als die Urne versenkt wurde, schien es Claudia, als ob ein kleines Wölkchen ihr vom oben
her zulächelte.
War das Oma?