Sie bewegten sich auf die WG zu, vertieft in ein lockeres Gespräch. Jurek überließ seiner Kommilitonin Caro den Löwenanteil dieses Gesprächs. Es reichte wenn man ihr zuhörte. Sie konnte einem anderen Land den Krieg erklären, man würde es als herrliche Botschaft auffassen, wenn es von ihren herrlichen Lippen, mit dieser angenehmen Stimme an das Ohr eines jeden Zuhörers drang.
Galant öffnete Jurek die Haustür, ließ der Dame den Vortritt, sie traten ein. Gerade als er ihr bedeutete, wohin sie gehen mussten um in sein Zimmer zu gelangen sah man in einiger Entfernung Benedict von Truchersheim durch die Verandatür hereinspazieren. Er beachtete die beiden gar nicht, aber das hieß nicht, dass sie ihn nicht hätten wahrgenommen.
"Ach?", lächelte Caro und tätschelte Jurek an der Schulter. "Wie ich sehe, wohnst du hier gar nicht alleine?" Â
Jurek verzog das Gesicht, als hätte er gerade in eine Zitrone gebissen. "Ich kann mich nicht erinnern, dies je behauptet zu haben", kam es kühler von seinen Lippen, als er es in Gegenwart von Caro vorhatte.
"Hm." Sie lachte, als sie in Jureks ernstes Gesicht blickte. "Aber du hast mir wohl auch nicht gesagt, dass du einen Mitbewohner hast, mein Lieber. Und was für einen..." Â
"Subtext!", schrie Jureks innere Stimme. Hier entwickelte sich etwas komplett falsch, wobei, eigentlich wie immer. Da war nun einmal eine weibliche Person, welche er sehr verehrte, aber kaum kommt da so einer vorbei, nein, dann kommt DER vorbei und sie hat nur noch Augen für den Adelssproß!
Jurek schluckte allen aufkeimenden Zorn herunter, versuchte zu grinsen und antwortete beschwingt, als hätte er sich gerade eine ganze Hand voll LSD eingeworfen: "Das, Caro, war Benedict von Truchersheim. Und ja, er ist ein ganz besonderer Mitbewohner", sprach er mit verkrampfendem Kiefer. "Wollen wir uns jetzt aber nicht wieder dem eigentlichen Grund unseres Treffens widmen? Wenn ich die Treppe hinaufbitten dürfte", kam es ein wenig drängend von seinen Lippen.
Carolin kicherte in sich, wusste allerdings nicht, ob sie dies aufgrund des äußerst gutaussehenden, blonden Typen tat oder weil sie es als niedlich empfand, wie rot ihr Kommilitone in diesem Moment anlief.
"Die Treppen hoch? Ist doch so gutes Wetter heute. Sollen wir uns nicht ein wenig nach draußen setzen?", fragte sie mit ihrem typischen Lächeln auf den Lippen und packte Jurek an der Hand. "Los! Da haben wir auch noch Gesellschaft..."
"This ist the end, my only friend, the end", gingen Jurek in Anbetracht des unvermeidlich folgenden Desasters die unsterblichen Worte Jim Morrisons durch den Kopf. Das war es, Caro würde einen Plausch mit dem Adelsschnösel beginnen, der nur mit dem kleinen Finger wackeln musste um 10 Frauen an jedem Finger zu haben. Was hatte da der unscheinbare Typ, der er war, entgegen zu setzen? Nichts! Und das betäubte ihn, weshalb er sich auch wie eine leblose Puppe geradewegs von Caro auf die Veranda führen ließ, wo es sich Benedict gerade in einem der Stühle gemütlich gemacht hatte.
"Wow, habt ihr es schön hier!"
Jurek bemerkte lächelnd, dass Caro immer noch auf dem ganzen Gesicht strahlte. Wäre da nur nicht... Noch hatte er sie ja nicht bemerkt und Jurek spürte einen Funken Hoffnung in sich aufkeimen. Allerdings würde der bald genauso verschwinden wie seine letzten Autoschlüssel, denn Caro war wirklich laut.
 "So." Sie zwinkerte und weckte ihn aus seinen Gedanken. Dann nahm sie beide seiner Hände. "Hast du vielleicht Lust später-"
 "Ah, hallo zusammen!"
 Jurek brach innerlich zusammen. Dieser Scheißkerl war tatsächlich aufgewacht!
"Na, Jurek, willst du mich der hübschen Dame gar nicht vorstellen?"
Wieso mussten ihn die Prinzipien von Ursache und Wirkung immer dann ungelegen kommen, wenn gerade Caro etwas sagen wollte, was spätere gemeinsame Aktivitäten betraf? Doch vor Benedict wollte er sich natürlich nichts anmerken lassen. Abgeklärt wandte er sich ihm zu.
„Benedict von Truchersheim, Carolin Goldmann“, brachte er vollkommen emotionslos hervor, wobei er beim „von“ glaubte einen dicken Kloß im Hals sitzen zu haben.
"Hi Caro." Benedict lächelte, während er ihre Hüften kurz umfasste um sie zur Begrüßung auf beide Wangen zu küssen. In diesem Moment wusste Jurek nicht, ob er sich das boshafte Grinsen Benedicts nur einbildete, aber er entschied sich dann dagegen.
"Jetzt bin ich aber verwundert... Jurek und Frauenbesuch, das ist normalerweise nicht so häufig, weißt du?" Er zwinkerte.
"Ich bin eben ein beständigerer Charaktertyp", antwortete er jetzt endlich wieder mit einem Grinsen in seinem Gesicht. Er war zurück auf dem rhetorischen Schlachtfeld, wo er sich pudel wohl fühlte.
"Dafür ist unser geschätzter Benedict ein wahrer Cyrano de Bergerac, natürlich mit einer deutlich weniger auffälligen Nase", fügte er lachend hinzu.
Carolin konnte sich ein Lachen nicht verkneifen. "Cyrano de Berge- was? Ihr seid mir welche."
"Wie dem auch sei, ich ziehe mich mal wieder in mein Feld zurück, schöne Frau. Die Bachelorarbeit steht schließlich kurz bevor." Ohne ein weiteres Wort verschwand Benedict mitsamt seines Laptops und einem Ordner nach drinnen in die Küche - nicht unbemerkt von Carolin Goldmann.
"So, mein Lieber. Du bist wirklich von interessanten Menschen umgeben", grinste sie, während sie sich wieder ihrem Studienkollegen zuwand. Benedict von Truchersheim hatte genug gehört und war mehr als zufrieden mit dem Ergebnis, was er erreicht hatte, um seinem Mitbewohner die Sticheleien bezüglich des WG-Einkaufes heimzuzahlen.
"Ja, in der Tat, das bin ich", bestätigte Jurek vorsichtig, während er im Kopf noch immer das plötzliche Rückzugsmanöver von Benedict versuchte zu bewerten. Da steckte doch was dahinter?
Aber dann wandte er sich davon ab, er wollte Carolin nicht vernachlässigen, das wäre einerseits unhöflich gewesen und andererseits taktisch unklug in Bezug auf seinen Intimfeind.
"Möchtest du etwas trinken?", fragte Jurek jetzt wieder etwas beschwingter.
"Momentan nicht, aber später vielleicht. Ich bin da sowieso ein bisschen..."
-"Wählerisch? Das kenn ich. Ich auch. Aber ich glaube, der hier könnte dir schmecken", lächelte Benedict von Truchersheim plötzlich.
Wo war denn der schon wieder...! Ruhe bewahren, Ruhe bewahren, dachte Jurek und ließ sich nichts anmerken.
"Oh, was ist das denn? Danke!"
Caro nahm zufrieden das große Glas und strahlte mit der Sonne um die Wette.
"Das ist ein Safer Sex on the Beach. Ich dachte, der könnte schönen Frauen wie dir schmecken", meinte Benedict zufrieden. Kurzerhand hatte er sich dazu entschlossen, Jurek noch mehr zu piesacken. Konnte schließlich nicht schaden, oder?
"Oh, seinen erlesenen Humor habe ich ganz vergessen zu erwähnen. Wahrlich, Benedict, dein Wortwitz ist so ausgeprägt, da könnte sogar Heinz Erhardt noch etwas von dir lernen, wenn er nicht schon seit Jahren tot wäre", kam es säuerlich von Jureks Lippen. Wenn Blicke töten könnten wäre Benedict mehrmals tot zu Boden gesunken.
"Danke, dass du dich so fürsorglich um MEINEN Gast kümmerst, aber hörte ich nicht gerade eben, dass du an deiner Bachelorarbeit sitzt? Hat die nicht Vorrang vor solchen kleinen, sozialen Nichtigkeiten?", versuchte Jurek es, um Benedict mit dem winkenden Zaunpfahl dazu aufzufordern endlich das Feld zu räumen.
"Ja, meine Bachelorarbeit ist wichtig, aber sich um schöne Frauen zu kümmern ebenso, mein Bester. Und da du das nicht hinbekommst, muss ich es wohl tun."
Caro räusperte sich. "Ähm, geht's noch? Kriegt euch mal wieder ein, ja? Meine Güte..."
Kann menschliche Erkenntnis wirklich so dermaßen blockiert sein? Warum hatte er sich blindlinks auf dieses Gefecht eingelassen? Was hatte er denn geglaubt zu bewirken? Nichts! Caro war verstimmt, verständlicherweise. Die beiden stritten sich über ihren Kopf hinweg als wäre sie…ein Stück Fleisch, welches man zum Bestpreis ergattern konnte. Jurek fühlte sich von innen ungewaschen, weshalb er versuchte die Situation wenigstens geringfügig zu retten, indem er vollständig ablenkte.
„Ich hole dann mal die Aufzeichnungen über Freiheitsberaubung und Notwehr, es wäre schade, wenn wir die Zeit ohne Ergebnis verschwenden würden“, sprach er im beschwichtigenden Tonfall und verschwand schnell in seinem Zimmer, au8h auf die Gefahr hin, Caro für einen kurzen Moment mit Benedict allein zu lassen.
"Sorry, wenn ich dich ein bisschen unverschämt bin, Caro. Normalerweise passt das gar nicht zu mir. Bin nur so unter Stress, weil ich kurz vor meiner BWL-Bachelorarbeit stehe, weißt du?"
"Oh... wirklich so schlimm?" "Na, ja, ist nicht wirklich leicht für mich momentan. Aber ist ja jetzt auch nicht wichtig. Du bist ja schließlich zum Lernen da." "Nein, Quatsch. Erzähl doch mal. Setz dich doch!" Benedict tat wie ihm geheißen und setzte sich neben Caro.
Verdammt nochmal, was mach ich da eigentlich?, fragte er sich, als er in ihre besorgt blickenden Kulleraugen schaute.
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MysticWright Re: - Zitat: (Original von petjula007 am 17.02.2013 - 14:31 Uhr) Gut geschrieben. Mal gespannt, was da noch so kommt. LG petjula007 Das freut uns natürlich zu hören. Vielen Dank an dieser Stelle! |
petjula007 Gut geschrieben. Mal gespannt, was da noch so kommt. LG petjula007 |