Kapitel 3 Kurzschluss
,, Also, was wollen sie ?“ Da Daniel nicht vorhatte die fünf Kilometer Stufen bis zu seinem Apartment zu laufen waren er und Samuel Donovan die Treppe wieder hinunter gegangen bis sie die Lobby erreichten. Der diensthabende Wachmann hatte zwar etwas Überrascht ausgesehen, dass jemand die Treppe benutzte aber nach einer kurzen Überprüfung war er dann doch beiseitegetreten.
Jetzt saßen sie in einer Bar die sich nur wenige Hundert Meter vom Apartmentzugang entfernt befand.
Donovan antwortete nicht sofort sondern zündete sich langsam eine Zigarette an. Seine grauen Augen waren die eines Mannes, der vielleicht schon zu viel gesehen hatte und die ausgebleichten blonden Haare taten ihr Übriges.
,, Das sie sie irgendwann umbringen wissen sie ?“
,, Da müsste ich schon sehr viel Glück haben.“ , erwiderte er. ,, Genau wie sie.“
,, Also, was genau wollen sie von mir ?“
,, Es geht eigentlich gar nicht um sie speziell. Ich wurde lediglich angeheuert ein paar Leute für eine Expedition zusammenzustellen.“
,,Wohin und von wem?“ , wollte Daniel misstrauisch wissen.
,, Gaia und Sarasvati.“ , entgegnete Samuel. ,, Das ist glaube ich eine Gouvernement-Operation.“
,, Sie glauben es ?“
Samuel zuckte mit den Schultern. ,, Interessiert mich nicht wirklich. Glauben sie nicht, ich wäre völlig skrupellos, aber solange sie bezahlen, is mir erst mal egal für wen ich arbeite.“
Daniel schwieg einen Moment. Eine Expedition zu den Kolonien... Gaia und Sarasvati lagen weit entfernt. Selbst mit modernen Antrieben dauerte die Reise zwar nur wenige Stunden, aber ein einzelner ÜLG-Sprung kostete gerne einmal 20 Milliarden weshalb der Kontakt zu diesen Außenposten, mehr waren sie wirklich nicht, eher gering blieb. Von Zeit zu Zeit jedoch wurden auch größere Gruppen und Forschungsschiffe geschickt, um den Ausbau voranzutreiben.
Alles in allem würde man bei einem Besuch beider Planeten wohl mehr als 2 Jahre unterwegs sein, damit sich der Aufwand auch lohnte. Einen Zeitraum, den er möglicherweise nicht mal überleben würde.
,, Und wieso ich ? Ich bezweifle mal, das das Gouvernement einfach nur einen Ökologen dabei haben will.“ Und keinen besonders guten, fügte er in Gedanken hinzu. ,, Ich kann ein künstliches Umweltsystem am Laufen halten, das ist aber auch schon alles.“
,, Wie ich das verstanden habe, wollen sie einfach einen Psyionen dabei haben.“
,, Psyionen ?“
,, Na ja, so hat es der Kerl erklärt… der Fachausdruck für.. jemanden wie sie. Von der dritten Kolonie eben.“ Samuel wirkte zum ersten Mal unsicher.
,, Ich kann einen Stift anheben und ein paar Tassen umwerfen. Nicht wirklich etwas, das ihnen auf einer solchen Expedition weiterhilft. Das mit dem Gedankenlesen ist ein Mythos“ , Der mich bis heute verfolgt, wenn einer rausfindet wer ich bin, dachte er für sich. ,, Zumindest glaube ich das.“. und er würde es sicher nicht auf die Probe stellen.
,, Oh, wir beide wissen, dass sie ein wenig mehr als das können.“ , erwiderte Donovan. ,, Und mal unter uns… was haben sie schon groß zu verlieren ? Wenn ich das richtig verstanden habe, sind sie bald ohnehin tot.“
,,Vielleicht ziehe ich es aber vor, nicht irgendwo im All verscharrt zu werden.“
,, Keine Sorge, auf den Schiffen schießen sie die toten aus der Luftschleuse.“
,, Na das macht mir jetzt Mut.“
,, Also, wie sieht’s aus ? Sind sie dabei oder nicht?“ , wollte Donovan wissen. Er lehnte sich auf seinem Platz zurück und wartete.
,, Was genau springt für mich dabei raus ?“
,, Nun, wie gesagt, das Gouvernement zahlt gut.“
,, Wie gut genau ?“
,, Gut genug, das sie, wenn ihre Dienstzeit um ist, sich vermutlich nie wieder um etwas zu Sorgen brauchen. Also, was ist?“
,, Ich kann das nicht einfach so entscheiden.“ , erwiderte Daniel.
,, Und ob sie das können. Wenn sie jetzt ablehne, gehe ich drei Straßen weiter, da wohnt der nächste überlebende Kolonist. Mir ist egal, wen ich mitnehme. Bezahlt werde ich in jedem Fall.“
,,Normalerweise gibt es doch Wochen vorher Ankündigungen wenn das Gouvernement eine Expedition losschickt. Ich habe nichts gesehen.“
,, Ich frage nur nochmal… was haben sie schlimmstenfalls zu verlieren ?“
Daniel zögerte kurz. Der Mann hatte Recht. Er konnte seine letzten Lebensmonate damit verbringen weiter in der Stadt rumzusitzen… oder er konnte daraus gehen. Weg von der Umweltkuppel. Bestenfalls konnte er danach seine letzten Wochen in absolutem Luxus verbringen. Schlimmstenfalls sah er vorher noch ein wenig die Sterne.
,, Klingt wie eine Win-Win Situation für mich.“ , sagte er.
,, Dann sind wir uns also einig ?“
,, Sagen sie mir nur wann es losgehen soll.“
,, Morgen.“
Daniel wäre fast vom Stuhl gefallen. ,, Wie bitte ?“
,, Wie gesagt. Morgen am Sprawl-Hangar. Ein Shuttle bringt uns in die Umlaufban in Richtung Lagrange-Punkt 1 und dort wartet auch schon ein Forschungsschiff. Dann lernen sie auch den Rest der Truppe kennen.“
,, Wie viele Leute sind denn überhaupt beteiligt ?“
,, Hmm, wenn ich das richtig im Kopf habe, so etwa 200, aber die genaue Zahl….“
,, 200 Leute ? Will das Gouvernement die Earth-Development Kolonien weiter aufbauen oder besetzen?“
,, Alles Wissenschaftler. Biologen, Ökologen, Physiker, Architekten und ich glaube sogar ein Archäologe. Fragen sie mich nicht wozu der Kerl mitkommt. Und raten sie mal, wen die verantwortlich machen, wenn einer von denen auf die Schnauze fällt? Mich. Ich und 25 andere Jungs sollen dem ganzen Laden als Sicherheitsoffiziere dienen.“ Samuel stand auf. ,, Also, Morgen um fünf am Hangar Zugang. Seien sie pünktlich.“
Daniel nickte ihm nur zu und blieb alleine zurück. Einige Minuten saß er stumm da und wartete darauf, dass vielleicht irgendetwas geschehen würde. Irgendwo in seinem Hinterkopf warnte ihn eine leise Stimme. Er brachte sie zum Schweigen, indem er ebenfalls aufstand und nach draußen trat.
Über ihm war die Projektion einem Nachtbild mit Sternen und einem seltsam falsch wirkendem Mond gewichen, der die Graslandschaft in käsiges Licht tauchte.
Er lenkte seine Schritte rasch in Richtung Apartmentzugang und hoffte, dass mittlerweile jemand den Aufzug repariert hatte.
Es war bereits spät, als er aus dem Fenster hinunter auf die jetzt Mondbeschienenen Ebenen sah. Dennoch fand Daniel Frost keinen Schlaf mehr. Ein gepackter Reisekoffer mit dem wenigen, was er neben seiner Kleidung mitnehmen wollte lag bereits gepackt auf dem Bett, während Daniel mit geübtem Blick die silbrige Landschaft unter ihm skizzierte. Die hell strahlenden Tümpel vom Morgen waren mittlerweile Seen aus Quecksilber gewichen.
Ein plötzlicher rasender Schmerz, diesmal nicht mehr nur hinter seinen Schläfen, sondern in seinem ganzen Körper warf ihn ohne Vorwarnung zu Boden. Stift und Buch fielen ihm erneut aus der Hand, während er versuchte nicht zu schreien. Nur langsam ebbte die Pein ab und minutenlang lag er auf dem Teppichboden und konzentrierte sich nur darauf, weiter zu atmen.
Vorsichtig setzte Daniel sich auf. Seine Hand zitterte stark. Vielleicht, dachte er, blieb ihm nicht einmal mehr so viel Zeit wie er gedacht hatte.
Der Raum und gleichzeitig auch Flughafen von Sprawl City befand sich in einem Bau auf der den Apartments gegenüberliegenden Teil der Kuppel. Da die fünfzig Kilometer scher zu Fuß zu bewältigen waren, nahm Daniel eine der zahlreichen Bahnen, die die verschiedenen Einrichtungen miteinander Verbanden, doch selbst so dauerte die Fahrt fast 2 Stunden, in denen er lediglich aus dem Fenster sehen konnte, wo die künstliche Landschaft an ihm vorbeiraste. Erst jetzt, so kurz bevor er es hinter sich ließ, wurde ihm klar, wie falsch das Grün hier wirkte und fragte sich, wieso das noch niemanden aufgefallen war. Es gab keine toten oder kranken Pflanzen, kein einzelner Grashalm erschien in irgendwelchen Schattierungen von Grün. Nur ein einziger gleichfarbiger Teppich, ohne Blumen, ohne Unterschiede. Das erschien ihm falsch. Pflanzen die im freien Wuchsen hatten Schattierungen. Unterschiedliche Farben. Und es gab auch kranke und tote darunter. Zumindest soweit er sich von Metis daran erinnern konnte. Auf der Erde musste es ähnlich gewesen sein. Kurz überlegte Daniel einen kleinen halt bei der Kuppel-Ökologie zu machen und den Vorschlag zu unterbreiten, auch einige der Pflanzen ungepflegt zu lassen, aber ein Blick auf die Uhr belehrte ihm eines Besseren. Es war bereits kurz vor fünf und er wollte nicht riskieren zu spät zu kommen.
Stattdessen holte er sein kleines Notizbuch mit den zwei Bleistiftskizzen vom Vortag aus der Tasche. Rasch blätterte Daniel durch die Seiten, bis er ein freies Stück Papier fand und notierte.
Dinge die noch zu erledigen Sind :
- Tipp für Ökologie. Pflanzenpflege drosseln.
Zufrieden verstaute er Buch und Stift wieder in einer kleinen wasserdichten Umhängetasche, als die Bahn langsam anhielt. Funken sprühten als die Bremsen griffen und den Zug endlich zum Stehen brachten. Daniel nahm seinen Koffer und trat nach draußen auf den Bahnsteig. Die Hologrammsonne stand bereits eine gute Handbreit über den Horizont und tauchte die Farmen und Villen in goldenes Licht, während sich draußen die echte Sonne grade erst über selbigen erhob. Das war auch etwas, auf das sie nicht achteten. Die Sonnenzeit je nach Erdneigung. Hier drinnen war es immer Mittsommer.
Der Bahnsteig lag direkt vor dem Zugang zum Hangar. Ein verglastes Dach, das wohl die Illusion verstärken sollte sich unter freiem Himmel zu befinden, überdachte das kurze Stück Weg. Daniel ließ sich Zeit die zahllosen anderen Reisenden zu mustern während er dem Weg folgte. Viele eilten, Gepäck hinter sich herzerrend, an ihm vorbei um noch ihren Flug zu erwischen, andere ließen sich wie ihr Zeit, oder warfen verwirrte Blicke auf die Anzeigetafel mit den Flugterminen.
Daniel hingegen suchte lediglich nach einer Gestalt in gelber Jacke. Über ihm ging das verglaste Dach in einen vollständigen Gang über, der aus dem Umweltschild hinaus führte. Nach wenigen Metern ersetzten Lampen, die sich in den polierten Stahlwänden speigelten, das fehlende Licht von draußen.
Als er Samuel schließlich in der Menge entdeckte, musste er sich durch den Menschenstrom in dessen Richtung kämpfen, bis er ihn bemerkte.
,, Ich dachte schon sie tauchen nicht mehr auf.“ , reif Donovan, sobald Daniel in Sichtweite war.
Zu seiner Überraschung hatte der Mann keinerlei Gepäck dabei. ,, Sie kommen doch mit ?“ , fragte er.
,, Natürlich, ich bin schon gestern rauf zur Starchaser und habe alles an Bord gebracht.“
,, Starchaser ?“ Der Name klang für Daniel leicht vertraut, er wusste nur nicht mehr, woher.
,, Das ist der Name dem sie diesen Schrotthaufen gegeben haben der uns alle sicher einmal quer durchs All bringen soll.“
,, Das ist kein Schiff des Gouvernement.“ , stellte er misstrauisch fest.
,, Nicht ?“ Daniel beobachtete Samuel jetzt genau, aber der Mann schein genau so überrascht wie er. Und zwar ehrlich. ,, Woher wissen sie das ?“
,, Das Gouvernement nummeriert seine Interstellaren Schiffe nur.“
Samuel schien kurz zu zögern, dann jedoch meinte er nur: ,, Vielleicht von einem privaten Investor gestellt. Bei der finanziellen Situation würde es mich zumindest nicht wundern. Wer weiß, möglicherweise bekommen wir an Bord noch alle eine Uniform mit Werbestickern.“ Er lachte einen Moment über seinen eigenen Witz. ,, Deliverd to you by Coca-Cola.“
,, Hoffentlich nicht.“ , erwiderte Daniel. Die Erklärung war plausibel aber… er nahm sich trotzdem vor ein Auge offen zu halten.
,, Also, gehen wir, ich will denen nicht erklären müssen, das sie auf uns warten sollen.“
Sie setzten ihren Weg den Gang entlang fort, der sich hinter einer Kurve zu einer großen Halle weitete. Mehrere Rolltreppen und Fahrstühle führten auf verschiedene Ebenen, die sich wie überdimensionierte Balkone über der zentralen Halle erhoben. Dutzende von Leuten standen herum, suchten Ausweise oder Geld zusammen und wurden nicht selten von eilig rennenden Geschäftsleuten oder Dienstreisenden beiseite gedrängt. In einer Ecke drängten sich drei Sicherheitsbeamte, aber anders als die Apartmentwache trugen diese hier Feuerwaffen. Einer der drei hatte sogar ein Gewehr über der Schulter hängen.
Daniel folgte Samuel an ein leeres Schalterterminal. Eine junge Frau, er schätze sie auf Anfang dreißig, saß hinter einer Glasscheibe und sah auf, als sie die zwei Reisenden bemerkte.
,, Ja bitte ?“ , fragte sie.
Samuel durchsuchte seine Jackentaschen einen Moment. Dabei heilt er, wie Daniel feststellte, den rechten Arm leicht angewinkelt um zu verhindern, dass die Jacke verrutschte und der Holster seiner Waffe sichtbar wurde. Schließlich förderte er zwei Plastikkarten zu Tage, die er der Frau durch eine Durchreiche gab.
,,Daniel Frost“ sie mustere Daniel kurz, ,, und… Kiyoshi Sawada ? Sie sind Japaner?“
Samuel zögerte nicht eine Sekunde. ,, Japan ist ohnehin nicht länger eine Insel.“ , sagte er. Daniel zögerte. Wieso gab der Mann einen falschen Namen an? Entweder, er hatte Daniel angeloge, was sinnlos schien, da ihm keiner der Namen etwas sagte… oder er log jetzt. Was weitaus beunruhigender war. ,, Ursprünglich japanische Wurzeln, aber… wie sie sehen ist davon nicht mehr viel übrig außer dem Namen.“
Sie schein nicht ganz überzeugt, diskutierte aber nicht weiter. ,, Gehen sie bitte durch. Ebene 2 Raumdock 3 wartet ihr Shuttle. Schönen Tag noch Herr…
,,Sawada.“ , erwiderte Samuel.