Prolog
,,Wer mit Ungeheuern kämpft, mag zusehn, dass er nicht dabei zum Ungeheuer wird. Und wenn du lange in einen Abgrund blickst, blickt der Abgrund auch in dich hinein."
Friedrich Nietzsche
Prolog
2798 , Orbit von Metis.
Ausgebrannte Elekronik nahm einen großen Teil des Raums ein. Natürlich brannten die Flammen längst nicht mehr. Wie denn auch… ohne Sauerstoff.
Der Strahl einer starken Taschenlampe durchschnitt das Dunkel und offenbarte, dass die gesamte Rückwand fehlte. Beschädigt oder mit der Zeit einfach durchgerostet. Die Sterne schimmerten durch die Lücken im Stahl. Ein Jahrzehnt im All setzte wohl allem zu. Aber das war es nicht, was sie suchten. Der Lichtstrahl wanderte weiter und blieb an einem Bündel gefrorenen Papiers hängen. In den Schutzhandschuhen klobig wirkende Finger streckten sich danach aus. Die Schrift war klar erkennbar, fast als wäre das Blatt von einer Maschine beschrieben worden, nicht von einem Menschen. Lediglich einige Rechtschreibfehler verrieten das Gegenteil.
,, Wer immer das liest, vermutlich niemand, es sind vermutlich meine letzten Gedanken.
Seltsam… mein Leben lang verbrachte ich in dem Wissen, das dieser Moment jeden Tag eintreten kann… jede Sekunde. Nun scheint es, als wollte das Schicksal mich auslachen.
Ich habe nur eines mitzuteilen. Wenn das hier jemand findet…Lasst Metis vergessen werden und sterben. Es ist es nicht wert. “
Durch eine der Lücken schimmerte jetzt die blaugrüne Oberfläche des Planeten in Sicht, den das Wrack langsam umkreiste. Aber der Lichtstrahl der Taschenlampe wanderte weiter.. hinüber zu einer Reihe von etwa 2 Meter hohen und einen Meter breiten Stahlröhren. Drei davon waren aus ihren Verankerungen gerissen und trieben lose in der Schwerelosigkeit. Die anderen schienen leer zu sein. Bis auf eine. Die klobige Hand senkte sich auf ein Glasdisplay an der Vorderseite des Metallrohrs. Eine Anzeige wurde auf das Glas projiziert, die wegen der ausfallenden Energieversorgung flackerte. Aber die Daten interessierten den Besitzer der Hand auch nur Oberflächlich. Das einzige, was wirklich wichtig war, war die kleine Namensleiste am Rand des Displays.
Die Hand langte nach dem Sprechknopf eines Funkgeräts.
,, Wir haben ihn.“ , sagte eine Stimme. ,, Ich wiederhole. Wir haben Daniel Frost gefunden.“
,, Lebt er noch ?“
,,Ich weiß es nicht.“ Die Hand bekam erneut die Papiere zu fassen, die durch den Raum schwebten.
,, Sieht aber so aus, als hätte er ein paar Aufzeichnungen hinterlassen….“
2774 , Earth-Development Kolonie auf Metis
,, Lauf nicht zu weit weg.“ , hörte Daniel noch eine Stimme hinter sich. Das Kind blieb einen Moment stehen und sah zurück zu der Ansammlung von Fertighäusern, die man zwischen den seltsamen, baumhohen Farnen nur noch als schwaches Glitzern zu erkennen, das von den Solaranlagen auf den Dächern herrührte. Und natürlich das rote E mit dem blauen E, das Earth-Development-Logo .
Es war noch früh am Morgen und die Luft noch so kalt, das er zitterte. Die anderen Kinder schliefen noch. Aber drinnen hätte Daniel es nicht mehr ausgehalten. Seit gut einer Woche waren sie jetzt hier, auf Metis. Und diese Woche hatten alle fast nur damit zugebracht, irgendwie die Gegend zu sichern und zu schauen, ob hier irgendetwas Gefährliches war. Und während der ganzen Zeit hatte man ihm und den anderen Kindern Verboten, auch nur die Häuser zu verlassen. Jetzt jedoch stand der Zaun, ein drei Meter hoher Wall, der sie wohl vor dem Wildleben des Planeten schützen würde. Einem Wildleben, dem sie bisher nicht einmal begegnet waren. Zwar hatten sich ein paar der Kolonisten an den seltsamen scharfkantigen Gräsern verletzt, die hier wuchsen und einigen schein das nicht gut zu bekommen, aber soweit er das sagen konnte, gab es hier überhaupt keine Tiere. Nur Pflanzen, in den seltsamsten Formen.
Einige Meter vor ihm wuchs etwas, das an eine Orchidee erinnerte, aber die Blüte hatte beinahe den Durchmesser seines Kopfes. Also gab es vielleicht doch Tiere? Blüten waren doch für Insekten, oder? In kindlichem Übermut versuchte er die Pflanze auszureißen, stellte jedoch fest, dass diese erstaunlich Widerstandsfähig schien. Der einzige Effekt war, dass seine Hände jetzt mit Blütenstaub bedeckt waren, den er so gut es ging wieder abschüttelte.
Hier und da sprossen Grashalme, so hoch wie er selbst aus dem Boden, die statt des gewohnten Grüntons einen auffälligen Stich ins Violette aufwiesen. Einer der Männer von E.D hatte versucht ihm zu erklären, das liege an der Sonne, die sich wie eine kleinere und vor allem blaue, Version der Erdsonne am Horizont erhob.
Daniel stapfte weiter zwischen den Pflanzen hindurch, hier und da gab es welche, die vertrocknet am Boden lagen und weitere seltsame Blüten, auf denen sich noch Raureif hielt. Nachts wurde es empfindlich kalt.
Er machte einen Satz über eine halbgefrorene Pfütze… und fand sich plötzlich vor einem hohen Drahtgitter wieder. Er hatte das äußere Ende des Zauns erreicht. Wie eine silberne Narbe zog sich das Geflecht in einem großen Bogen um die Ansammlung von Gebäuden herum. Daniel lief eine Weile an dem Hindernis entlang. Darüber klettern konnte er nicht, die Spitze war mit Klingen besetzt und die Maschen boten einfach keinen Halt, so oft er es versuchte. Also begnügte er sich damit, einfach dem leichten Bogen zu folgen, den der Zaun vorgab.
Er erreichte eine Stelle, an der keine Pflanzen mehr auf dem Boden wuchsen. Lediglich ein großer Baumfarn in der Nähe warf seinen Schatten über die blanke Erde. Und… Daniel blieb stehen…
In dem silbrigen Netz des Zauns klaffte ein etwa einen Meter breites Loch.
Langsam trat er näher an die Lücke heran. Die Erde war aufgewühlt und zertrampelt. Und in der Nähe gab es einen einzelnen noch erkennbaren Fußabdruck. Er konnte nicht sagen, ob von einer Tatze, oder von einer Hand, dazu war der Abdruck zu verwaschen. Aber Daniel wollte es auch gar nicht herausfinden. Seien eigene Hand passte gut viermal in die Spur.
Irgendwie fühlte er sich plötzlich unwohl und stand auf. Rasch sah Daniel sich um… konnte aber nichts entdecken außer den allgegenwärtigen Pflanzen. Und doch… ein leises rascheln
In welcher Richtung lag die Kolonie? Egal.. solange er dem Zaun folgte, würde er früher oder später an eine Stelle kommen, von der aus er die Gebäude sehen könnte.
Daniel ging anfangs noch Vorsichtig weiter. Die Pflanzen, die um ihn herum aufragten, blockten das Sonnenlicht zum Großteil ab, so dass alles in ein schummriges Licht getaucht wurde.
Er wusste nicht, ob er Angst haben musste, oder nicht, aber… ein Rascheln in den noch gefrorenen Blättern eines Riesenfarns. Vielleicht nur der Wind. Aber zumindest am Boden war es Windstill.
Er begann zu rennen, stolperte über irgendetwas… Seine Arme ruderten auf der Suche nach halt durch die Luft. Er ergriff einen der großen Grashalme, Schnitt sich daran aber lediglich die Hand auf.
Brennender Schmerz , als Daniel endlich auf dem Boden aufschlug. Aber seltsam…
Er hielt die Hand hoch, kein Blut. Lediglich eine klaffende Wunde, die langsam Taub wurde…
Und dann schein sich etwas in seinen Kopf zu bohren. Er war am Morgen zuvor beinahe vom Dach eines der Siedlungsgebäude gefallen und hatte sich den Kopf angeschlagen. Aber das war nichts im Vergleich mit dem hier…
Das Bild eines Raubtiers, das seinen Schädel gepackt hielt stieg aus seinem gepeinigten Verstand auf. Etwas, das seine Kiefer zudrückte und die Knochen zerschmetterte.
Nur das hier keine Knochen brachen. Was zerbrach war sein Geist.
Daniel Frost verlor das Bewusstsein und fiel auf den kalten Boden.