Die Via haben es geschafft einen Brückenkopf zu errichten. Schwer beschädigt treibt die Kronos in der Leere, während die überlebende Besatzung einen Weg sucht, zur Erde zurückzukehren. Währenddessen wird Rafail Coel von Visionen geplagt, die ihn an den Rand des Wahnsinns treiben. Das kurzzeitige Bündnis mit den Artheranern droht zu zerbrechen. Und immer mehr Kolonien spalten sich vom menschlichen Parlament ab. Bildquelle : Two giant sun in space. Fotalia.com
Er musste wohl kurz eingeschlafen sein.
Es war, als würde er aus einem tiefen Meer auftauchen.
Coel blinzelte verschlafen ins Licht weigerte sich aber, vollends aufzuwachen. Ein paar Schritte entfernen hörte er das Plätschern des Flusslaufs und irgendwo surrte eines der seltsamen Insekten durch die Luft. Die Flügelschläge waren klar hörbar und erzeugten eine stetige Frequenz, die irgendwie beruhigend wirkte.
Wann hatte er sich das letzte Mal so vollkommen ruhig gefühlt? Es konnte Jahre her sein. Oder vielleicht auch noch nie. Coel zwang sich schließlich doch die Augen zu öffnen und sich aufzusetzen.
Schwacher Wind peitschte dunkle Wolken und Schatten über das umliegende Grasland in Richtung der in einiger Entfernung sichtbaren Siedlung.
,, Sieht nach Regen aus.“ , meinte er… und stellte erst jetzt fest, das Aine nicht mehr da war.
Coel stand langsam auf und sah sich um. Die Artheranerin saß wieder am Fluss und hatte wohl nicht gemerkt, dass er aufgewacht war. Eine Weile stand Coel nur da und beobachtete sie, während sich ein größer werdendes Lächeln auf seinem Gesicht ausbreitete. Und kurz… ganz kurz durchfuhr ihn der verrückte Gedanke… wieso nicht einfach hierbleiben? Sollten sich andere kümmern. Martin oder Seyonn würden auch ohne ihn klarkommen. Er hatte genug getan. Einen Moment gab er sich diesem Gedanken hin, bevor er ihn wieder verbannte. Es war noch lange nicht vorbei und das war ihm klar.
Aber irgendwie schien es ihm plötzlich nicht mehr so erdrückend darüber nachzudenken.
,, Alles in Ordnung ?“ , fragte er.
,, Ja, doch alles bestens.“ , erwiderte sie kalt. Ihre plötzliche Gereiztheit überraschte ihn, aber Coel war nicht gewillt, sich dadurch verunsichern zu lassen.
,, Sicher ?“ , sagte er nicht überzeugt und setzte sich wieder zu ihr. Das Wasser in dem niedrigen Bachlauf war vollkommen klar, fast farblos. Etwas wie das fand man auf der Erde nicht mehr.
,, Ich habe…. Nur zu lange nachgedacht, das ist alles.“
,, Worüber ?“ Er setzte sich neben sie. Artheraner waren in der Lage sehr viel mehr Informationen zu verarbeiten und somit auch schneller zu denken als ein Mensch.
Wenn also einer wirklich über etwas nachdachte, überlegte Coel, musste es wichtig sein.
Sie antwortete nicht sofort.
,, Wenn du nicht darüber reden willst…“ , meinte er ruhig.
,, Nein, das ist es nicht.“ Aine schwieg kurz. ,, Das kann nicht funktionieren.“
,, Was kann nicht funktionieren ?“
,, Das alles. Ich, du…und doch…“
,, Aine.“ , unterbrach Coel sie.
,, Nein, hör mir zu. Was wenn ich sterbe? Machst du einfach weiter? Oder… wenn du mich zurück lassen müsstest, wenn es keinen anderen Weg gäbe, könntest du das?“
,, Ich weiß es nicht. Könntest du es?“ , fragte er, unfähig Aines Zweifel zu zerstreuen.
Die Artheranerin antwortete eine Weile nicht.
,, Es macht mir Angst.“ , gestand sie schließlich. ,, Zum ersten Mal in meinem Leben habe ich wirklich Angst vor etwas.“
,, Du hast Angst, Gefühle zuzulassen ?“ Er fasste ihre Hand. ,, oder Angst vor mir ?“
Sie sah hinab auf seine Hand. ,, Nein nicht vor dir… Ich, ich weiß nicht ob du das verstehst.“
,, Ich versuche es Aine, ich versuche es die ganze Zeit. Aber dazu musst du mit mir reden.“ Und dann erzählte er die vielleicht größte Lüge seines Lebens. ,, Ich kann gehen wenn du willst, dich vergessen und so tun als sei nie etwas geschehen.“
,, Nein… Ich habe mich nur nie um andere gekümmert, verstehst du?“ Aine machte erneut eine Pause und schien sich eine Weile in Erinnerungen zu verlieren.
Coel erwiderte nichts und wartete nur ab.
,, Den Großteil meines Lebens verbrachte ich damit allein zu sein.“ , meinte sie weniger ernst, aber immer noch bestimmt.
Coel zog eine Augenbraue hoch. ,, So ?“ , versuchte er das Eis endgültig zu brechen. ,, Komm sei ehrlich, es gab doch sicher einige Verehrer, ich meine wenn sogar ein dummer, langsamer Mensch sich… “ Aine lachte und unterbrach ihn dadurch, wurde dann aber wieder ernst.
,, Du weißt sehr wenig über mich. Oder über Artheraner.“ Coel wartete, ob sie ihre Worte näher erläutern würde, aber offenbar wollte sie nicht weiter darüber reden. ,, Wenn wir jemanden ausschließen tun wir das sehr gründlich.“ , fügte sie noch hinzu.
,, Was ich weiß reicht mir. Ich könnte dir nicht mehr trauen.“ , erklärte er. Was auch immer sie getan hatten, wie viele Gelegenheiten e s gegeben hatte… Aine hatte immer hinter ihm gestanden. Brauchte er irgendwelche anderen Beweise als alles, was er mit eigenen Augen gesehen hatte ?
,, Ach ?“ Ein schwaches Lächeln zeigte ihm, das er sein Ziel erreicht hatte.
,, Ja.“ Aine war aufgestanden und Coel erhob sich ebenfalls.
,, Schließ die Augen.“
,, Ok…“ Verwundert machte er die Augen zu, um im selben Moment zu spüren wie ihn jemand schubste.
Er fiel haltlos mit den Armen rudernd nach hinten…. Und Schlug im Wasser des Flusses auf.
,, Ich nehme alles zurück.“ , meinte er lachend , sobald er sich wieder an die Oberfläche gekämpft hatte.
,, Das war nicht lustig.“ Seine Kleidung war immer noch klatschnass, als sie sich auf den Rückweg machten. Zu allem Überfluss hatte es auch noch angefangen leicht zu regnen. Der Stand der Sonne, soweit Coel diese zwischen den Wolken sehen konnte, hatte sich kaum verändert.
Durch die extrem langen Tage auf Eos konnte er sich jedoch ohnehin nicht auf sein Zeitgefühl verlassen.
Bevor Aine antworten konnte zuckte sie kurz zusammen und warf einen Blick auf die Verletzte Schulter. ,,Ich fürchte, für die nächsten Tage, kann ich den Arm vergessen. Verdammt.“
,, Aber du hast Skelaw am Leben gelassen.“
,, Noch etwas wofür ich dir die Schuld geben kann.“ , erwiderte die Artheranerin ungehalten. Coel wusste jedoch, dass das nur gespielt war. ,, Früher hätte ich ihn ohne zu zögern getötet.“
,, Am Ende zählt nicht, was wir getan haben, sondern vielleicht viel mehr, was nicht.“ , meinte er. ,,Das behält man in Erinnerung. Und ich glaube, du hast das richtige nicht getan.“
,, Vielleicht.“
Sie verfielen in einstimmiges Schweigen. Aber Coel fiel eine Frage ein, die er sich schon seit der Begegnung mit Vaas und dem restlichen Rat stellte.
,, Warum gibt es eigentlich keinen Vertreter der Karwins im Rat ?“
Aine blieb ruckartig stehen. Sie drehte sich langsam um und schien erneut, länger als üblich , nachdenken zu müssen.
,, Weil mein Haus tot ist Rafail.“ , sagte sie schließlich tonlos. ,, Meine Familie existiert nicht mehr. Die meisten starben auf Artherium und die wenigen die Überlebten… sind auch tot. Ich bin die letzte.“
Coel wusste nicht was er darauf erwidern sollte. Er wusste wohl wirklich wenig über sie… Aber doch genug, entschied er. Sie würde es ihm erzählen oder auch nicht.
,, Es tut mir leid.“ , sagte Coel nur.
,, Muss es nicht. Ich habe die meisten ohnehin nie kennengelernt. Aber… sagen wir einfach, ohne Clan aufzuwachsen ist nicht grade das, was man einfach nennen würde.“
Adams sah auf, als irgendwo etwas zu ticken begann… nicht wie eine Uhr, sondern eher wie etwas völlig anderes. Und es schein sich durch die Schiffswände neben ihnen zu bewegen
,, Sagen sie… welche Energiequelle nutzt dieses Schiff ?“ , fragte er Malik, während er weiter nach der Quelle des Geräuschs suchte. Bisher hatte er nicht wirklich viel gefunden, wobei er hätte helfen können.
Es gab ein paar kleinere Probleme mit einigen Steuerungselementen ansonsten jedoch kam er sich ansonsten , trotz seines Hilfsangebots, recht nutzlos vor.
,, Einen Uran-Reaktor. Das ist noch ein älteres Modell und…“ Jetzt schien auch Malik das Ticken zu bemerken. Plötzlich öffnete sich ein Lüftungsschacht und, etwas, jemand fiel leichtfüßig heraus auf den Gang.
,, Oh, keine Sorge“ , meinte die kleine und schmutzige Gestalt und klopfte sich etwas Dreck aus der Kleidung. Eine Artheranerin wie er feststellte. Aber sicher nicht älter als 15 Erdjahre… oder weniger ?
,, Der ist manchmal ein bisschen überempfindlich.“ , erklärte sie und schlug ein paar Mal mit der Handkante gegen den Geigerzähler, bis das Gerät verstummte.
,, Ihr lasst hier Kinder arbeiten ?“
,, Das kommt darauf an, wie ihr Volk Kind definiert.“
,, Nun ja, wir lassen eigentlich überhaupt niemanden in einem radioaktiv verstrahlen Schiff herumlaufen.“ erwiderte Adams nachdem er seine Überraschung abgeschüttelt hatte. ,, Geben sie das mal her…“ Adams nahm dem Kind, er weigerte sich es als etwas anderes zu sehen, das Gerät ab und stolperte ein paar Schritte rückwärts, als er auf die Anzeige des Geigerzählers sah.
,, Wie viele Strahlungstote haben sie im Jahr ?“ , fragte er entsetzt.
,, Was ist ?“ , wollte Malik wissen
,, Was ist ? Jeder der sich sagen wir mal… eine Woche in diesem Schiff aufhält, darf sich vermutlich offiziell zu den Lebenden toten zählen.“ Er versuchte seine plötzlich aufkommende Wut zu unterdrücken, aber er brauchte nur in Richtung des kleinen Mädchens sehen, das ohne jeden Schutz durch die Schächte des Schiffs kletterte. ,, Es sei denn Artheraner sind um einiges Strahlenresistenter als ich dachte.“
Malik schüttelte den Kopf. ,, Das… das war mir nicht bekannt.“
,, Schon gut.“ Adams ließ den Strahlungsmesser in seine Tasche wandern. ,, Wenigstens habe ich jetzt etwas womit ich ihnen helfen kann. Eine Abschirmung für den Reaktor zu bauen ist eigentlich recht einfach, hoffe ich.“ Adams sah sich nervös in den Gängen um. Um sein eigenes Leben machte er sich keine Sorgen. Er war Alt. Aber…
,, Ich würde das ungern hier drinnen besprechen. Bringen sie alle raus aus dem Schiff und dann zeige ich ihnen was sie brauchen.“
,, Was ist denn mit ihnen passiert ?“ , fragte Martin spöttisch , als er Coel und Aine entdeckte.
,, Fragen sie nicht.“ , erwiderte Coel, dessen Kleidung noch immer nass war. ,, Gibt es irgendwas Neues ?“
,, Ich habe mich nochmal mit diesem Elth unterhalten.“
,, Er ist einer der… liberaleren Artheraner.“ , sagte Aine. ,, Ich vermute, er wird wohl unseren Vorschlag unterstützen.“
,, Nicht ganz.“ Martin fasste schnell das Gespräch zwischen ihm und dem Artheraner zusammen.
,, Er versucht also aus der ganzen Sache einen Vorteil zu ziehen.“ , stellte Coel fest.
,, Wir können es uns auch aber schlecht leisten auf einen Verbündeten zu verzichten.“ , gab Aine zu bedenken.
,, Da gebe ich ihnen recht.“ Coel drehte sich zu der neuen Stimme um und sah Adams, der sichtlich erschöpft wirkte.
,, Bei ihnen alles in Ordnung ?“
Adams nickte. ,, Ich bin nur etwas Müde. Wussten sie, das die halbe Kinder auf ihren Schiffen arbeiten lassen?“ , fragte er an die Artheranerin gerichtet.
,, Sie werden zu nichts gezwungen.“ , sagte Aine schuldbewusst.
,, Schon gut. Jedenfalls habe ich ein paar Stunden damit verbracht einigen artheranischen Technikern zu erklären, wie sie verhindern, dass ihre Reaktoren die Schiffe in radioaktiven Sondermüll verwandeln.“
Adams machte eine kurze Pause. Tatsächlich war es sehr viel schwerer gewesen, die meisten Artheraner zu überzeugen, das überhaupt etwas unternommen werden musste. E
s schien bisher niemand auf die Idee gekommen zu sein, die zahlreichen Toten an Bord der Schiffe mit Atom-Reaktoren mit unzureichendem Strahlenschutz in Verbindung zu bringen.
Oder was er für wahrscheinlicher hielt, jemand hatte das einfach absichtlich verheimlicht. Korruption gab es wohl auch überall. ,, Wir gehen also und treffen uns mit diesem Elth?“
,, Nun, reden Schadet nichts.“ , meinte Coel. Er warf einen Blick zum Himmel. Die Sonne stand nur noch eine Handbreit über dem Horizont, aber er wusste, dass das nicht viel zu sagen hatte. Vermutlich blieb es noch über 12 Stunden hell. Und irgendwo über ihnen befand sich die Kronos in einer Umlaufbahn um Eos, an Bord einen unruhigen Seyonn, der eine Schachpartie nach der anderen verlor.
Dahinter lagen die übrigen Monde und Planeten dieses Systems und noch sehr viel weiter… die ersten menschlichen Kolonien…. Und schließlich auch die Erde. Wenn er richtig schätze, müsste es auf der westlichen Hemisphäre grade kurz nach Mitternacht sein. Grade ging dort ein weiterer Tag zu Ende. Es sollte der letzte friedliche Tag für eine lange Zeit sein.