Krimis & Thriller
Der Tod der Kritikerin XIII.

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"Der Tod der Kritikerin XIII."
Veröffentlicht am 06. Februar 2013, 10 Seiten
Kategorie Krimis & Thriller
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Der Tod der Kritikerin XIII.

Der Tod der Kritikerin XIII.

Das Gespräch in der Badewanne

„Was mir noch bei Ihren literarischen Männertypen aufgefallen ist:“

Verwunderlich, auf einmal redete diese Person gegenüber wieder laut und vernehmlich - wunderbar.

„Von Charakteren wollen wir gar nicht sprechen.“

„Natürlich nicht.“ Lass sie reden, dachte ich.

„Sie zeichnen stets „harte Kerle“, obwohl Sie selbst in Wirklichkeit so s...“

„Ein Softie, Warmduscher und Weichei sind!“, ergänzte ich diesmal unhöflich ihre Worte und räusperte mich dazu. „Ich verstehe.“

Den Druck nicht mehr ausgehalten, während sie nach Worten gesucht, oder vorgegeben hatte, zu suchen, musste ich einfach ihren Satz vollenden.

„Sie sagen es!“, kam es lapidar herüber. Zwar keine eindeutige Bejahung meiner Worte. Aber eine Phrase und kein Widerspruch war auch ein solche. Sie freute sich wohl, nicht das gesagt zu haben, was sie mir in den Mund gelegt und ich schlussendlich ausgesprochen hatte.

Aha, ich bin also ein Schlappschwanz und weiblicher Typ, der sich von dominanten Frauen beherrschen lässt. Aber nicht mit mir, sagte ich mir, wenigsten nicht in dieser Beziehung hier zwischen ihr und mir, worauf ich gesteigerten Wert legte. Schließlich wollte ich doch auf etwas Bestimmtes hinaus.

Aber hm, wie war es heute? Sie war es doch, die mich nach dem Essen verführt und an diesen Ort hierher gelockt hatte, nicht wahr? Also, wenn ich literarisch „starke“ Kerle zeichnete, verwies dies darauf, als Urheber dieser erfundenen Personen gegenteilig gepolt zu sein, nämlich permissiv, elastisch und weich.

Kuhmist, das sprach gegen meinen Plan, sie in mich verliebt zu machen.

Aber was redete ich da, was sagte das schon? Wie viel auch immer von den Frauen auf echte Kerle stehen mochten, es gab genügend Ausnahmen. Womöglich zählte auch sie dazu?

„Auf welche Typen von Männer stehen Sie denn?“

Sie kicherte erst einmal schwachsinnig, wie mir schien.

„Nun, ich habe keine Vorlieben.“

Jaja, zu blöd, solch eine Antwort hätte ich mir denken können. Sich alle Türen offen halten. Das besagte wieder gar nichts, ich war so schlau wie vorher, Kuhmist.

Aber eins war gewiss: wenn ich in meiner Literatur ihrem Dafürhalten nach Kerle zeichnete, sah sie mich in Wirklichkeit als Schlapponello, Schlaffi und Hanswurst schlechtweg.

Das ist jedoch nicht so!

Beruhige dich wieder, sagte ich mir. Ich atmete bewusst.

Also!

Was auch immer, wie stand sie zu weichen Männern? Sie hatte gesagt, sie stünde auf keinen bestimmten Typen. Aber ob das wahr war? Um das herauszufinden, musste ich ein bisschen weiterbohren. Und warum nicht aufs Ganze gehen?

„Wie gefallen Ihnen solche Typen wie mich?“

„Wie Sie?“

„Ja!“

Mit einem Mal riss sie erneut den Kopf in den Nacken, um in bekannter Weise schrill und grell loszulachen, zu keifen, zu girren, zu... einfach grotesk! Damit hatte ich zu diesem Zeitpunkt überhaupt nicht gerechnet, nun, wo es nachgerade ernsthaft und intim zu werden versprach. Und da lachte sie darüber so hemmungslos, als wäre alles bloß ein schlechter, blöder Witz.

Allmählich verflüchteten sich immer mehr die Dampfschwaden und die Umrisse einer Schreckensgestalt wurden deutlicher - wie der Tod. Aber so herausfordernd, frech und gewitzt wie das Leben. Allerdings ein Klamauk, ein Kaspar, ein Lach-Dich-Unverblümt-Aus.

Ich erkannte, ich war meinem Ziel keinen Schritt näher gekommen: statt endlich in den Hafen einzufahren, wurde ich wie ein steuerloses Schiff auf stürmischer See davon weg aufs offene Meer hinaus getrieben.

Aber weiterdenken, solche Frustrationen erst gar nicht Überhand werden lassen.

Na und? Hieß es, wenn eine Frau dem Mann überlegen war, sie nicht auch etwas für ihn empfinden zu können? Und dieses schrille Lachen war das nicht bloß ein Abwehrverhalten, ein ganz starkes, weil sie in Wirklichkeit von ungeheuren Emotionen und Druck gleich Laokoon von den Schlangen stranguliert war? Wenn es sich so verhielt, dann konnte man sich sehr wohl diese Überreaktion erklären.

Stattdessen wollte sie mir damit nur signalisieren, ich als starke Frau empfinde für solche Typen wie sie einerseits allenfalls Mitleid – wenn ich nicht gerade geruhe, aus vollem Halse über sie zu lachen. Sie machte sich selbst und wollte mir auch etwas vormachen – einfach Kuhmist!

Plötzlich kam mir eine Idee – vielleicht würde das gehen, intelligent genug war sie.

Ich spielte erneut auf das Bücherverbrennen an: „Sie kennen sicher diesen berühmten Spruch aus der Literaturgeschichte her.“

„Sicherlich!“, stöhnte sie nonchalant herüber.

„Genau, wer kennt den Satz schließlich nicht? Er gehört beinahe zum Schatz der geflügelten Worte unseres Kulturkreises.“

„Ja, allerdings. Ein Satz, der sich in unserer Geschichte ja als traurige Wahrheit herausgestellt hat, in der Tat.“

„Nun, wenn Sie jemanden kennen, der auch Bücher dem Feuer übergibt, würden Sie sich schon fragen: was das für ein Mensch ist?“

„Ja!“, gedehnt. Aber ich schickte mich an, sie nicht aussprechen zu lassen.

„Gewiss würden Sie es befürworten, ein Psychogramm oder sagen wir es harmloser und weniger medizinisch, halt ein Persönlichkeitsprofil aufzustellen, am Ende könnte er ja diesen bedauerlichen Satz wieder einmal bewahrheiten?“

„Ja!“ Und schnell weiter, damit sie gar nicht groß zum Nachdenken kommt.

„Und selbst dann wissen wir nicht seine Motive, ob nicht aus Spiel plötzlich und unvorhergesehen Ernst wird.“

„Ja!“ Gleich weiter reden.

„Wir kennen ja den Evaluationsgrad von therapeutischen und psychologischen Gutachten. Wenn man sich vor Augen führt, wie viele als geheilt entlassen straffällig Gewordene wieder rückfällig werden…“

„Ja!“ Dieses JA kam schon deutlich weniger locker über ihre Lippen.

Nun schien es mir günstig, eine Pause einzulegen, um den Sinn meiner Worte oder die Absicht meiner Rede sich in ihrem angstbesetzten Gehirn oder Herzen, wo immer ihre Gefühle lokalisiert sein mochten, sich gebührend entfalten zu lassen. Mir schien auch, allmählich begriff sie, da ich ein Aufrücken ihres Körpers glaubte wahrzunehmen. Deutete sie es richtig: sie nahm sich endlich zusammen, weil sie sich in ihrem Hingefälztsein etwas aufrichtete?

Nun wagte ich etwas: ich pfiff sorglos vor mich hin. Ich glaubte, das sei eine gute Untermalung für meine Drohung.

Wiewohl die Luft allmählich durchlässiger wurde und sich immer mehr Einzelheiten herauskristallisierten, konnte ich leider immer noch nicht richtig ihre Mimik einschätzen.

Aber ich will es nur noch einmal klar stellen: natürlich stand hinter der erkennbaren Drohung: wer Bücher verbrennt, verbrennt auch Menschen, nur die Absicht, ein Spiel zu spielen, einen Spaß zu haben, sich schlicht einen makaberer Scherz zu leisten.

„Warum verbrenne ich Bücher, muss ich Sie fragen. Oder ist diese Frage schon beantwortet zwischen uns?“

Jetzt war ich aufs Ganze gegangen.

Ein Schweigen zunächst. Kein „Ja!“ mehr, kein Gicks, kein Gacks, nur Schweigen.

„Habe ich nicht schon eine Antwort darauf gegeben?“ Erstaunlich diese kühne, legere Erwiderung, als hätte ich sie überhaupt nicht beeindrucken können bislang.

„Meinen Sie wirklich, ich verbrenne letztendlich meine eigene ungenügende Literatur? Oder vielleicht ist es weit mehr, ein Ersatz vielleicht?“

„Ein Ersatz?“, kam es neugierig, zögerlich.

„Ja, eine Ausgleichshandlung?“

Schweigen. Es lag im Raum – wenn, was dann? Nämlich, falls der Ersatz nicht mehr genügt, was dann?

„Sie wollen doch nicht etwa damit sagen: aus Mangel an denjenigen, die ihre Literatur missverstehen und verkennen, zu aller erst natürlich die Kritiker, verbrennen Sie selbst anderer Autoren Literatur?“ Das sagte sie natürlich auch nur zu ihrer Beruhigung, denn das auszusprechen, worauf ich es abgesehen hatte, wäre ja ein Affront gewesen.

Jetzt konnte ich ihr Gesicht so deutlich wie sonst nicht erkennen. Es irritierte mich dieses Grinsen über den schwulstigen Lippen. Ja, das war eigenartig. Hohlwangig, abgemagert, dünn war sie, jedoch ihre Lippen schienen zu pulsieren, so wie bei einer sinnlichen schwarzen Frau.

Irgendwie ärgerte mich aber auch ihre Verharmlosung meiner Rede. Ich hatte doch recht deutlich zum Ausdruck gebracht, mich kaum mit Bücherverbrennung allein begnügen zu dürfen. Sie nahm mich einfach nicht ernst.

„Ob das wohl stimmt?“, gab ich noch einmal als Gegenfrage zurück, um ihre Aussage in Zweifel zu ziehen.

„Ja!“, echote sie, aber laut, etwas zu schrill gekichert und herausfordernd.

Doch setzte sie ihr Gekichere nicht mehr fort. Sie schwieg. Gut so! Da schwang Unsicherheit mit, voilà.

Doch dann kam es nach einer Weile wieder, dieses schrille Lachen und Kichern. Mir war, am liebsten aus der Haut zu fahren. Damit war klar: sie begegnete mir kein bisschen seriös.

 

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