Romane & Erzählungen
You Promised

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"You Promised"
Veröffentlicht am 26. Januar 2013, 14 Seiten
Kategorie Romane & Erzählungen
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You Promised

You Promised

Chapter 1: Verlust

Der Regen hört nicht mehr auf. Es ist ungemütlich draußen und wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich vermuten, dass die Sonne niemals existiert hat. 
Das Wetter passt perfekt zu meiner gedrückten Stimmung und zu meiner ausdruckslosen Miene, die ich schon den ganzen Tag aufgesetzt habe.
Als ich in den Spiegel geschaut habe, habe ich mich zuerst erschrocken. Ich sah furchtbar aus. Krank, blass und unglücklich.

 Als ich mich auf den Weg zu meinem Fahrrad mache, bemerke ich die Grundschulkinder. Sie sind fröhlich, trotz des kalten Regens. Sie laufen mit ihren bunten Gummistiefeln durch die Pfützen, fangen die Regentropfen mit dem Mund. Sie haben noch keine großen Probleme, sondern sind sorglos und zufrieden. An diese Zeit erinnere ich mich gerne zurück, ich hatte eine schöne Kindheit. 

 


Ich finde mein Fahrrad nicht, es fällt nicht auf unter all den anderen Rädern, die vor der Musikschule stehen. Ich möchte am liebsten aufgeben und einfach zu Fuß nach Hause gehen, aber ich reiße mich zusammen und unterdrücke zum 100. Mal an diesem Tag die Tränen, die sich in meinen Augen sammeln und ausbrechen wollen. Die letzten Nächte habe ich nur so getan, als wenn ich schlafe. Unfassbar, wie wunderbar ich mich selbst belügen kann. Der Mensch sieht nur, was er sehen will. An dem Satz ist mehr Wahrheit dran, als ich dachte. Die Müdigkeit holt mich an diesem Tag ein und ich bin sogar dankbar dafür, dass ich etwas anderes empfinden kann, als Enttäuschung und Verwirrung. Dieses Gefühl, dass "nichts ist" ist schwer zu ertragen und ich suche nach einem Wegweiser, der mir die Richtung vorgibt, in die ich gehen muss, um wieder vernünftig denken zu können. Was wäre eigentlich, wenn ich Gefühle steuern könnte? Würde es mir dann besser gehen, hätte ich dann eine Chance, zeitnah wieder richtig zufrieden zu sein? 


Als ich mich umdrehe, erblicke ich mein Fahrrad und suche nach meinem Fahrradschlüssel. Ich möchte einfach nur nach Hause und schlafen, die Augen schließen, die Gedanken an Noah abstellen und den Tränen keine Chance mehr geben - zumindest für ein paar Stunden. Das Schloss geht nicht auf und ich spüre, wie ich wütend werde und auf den Fahrrad-Rahmen einhämmere, als jemand eine Hand auf meine Schulter legt. Im ersten Moment denke ich an Noah. Er hat sicherlich nachgedacht und es wird alles wieder gut, aber als ich mich umdrehe, blicke ich in ein fremdes Gesicht. 


"Kann ich dir helfen?", fragt er. "Ach was, ich bekomme das Schloss schon auf. Ich bin immer so ungeduldig!", antworte ich entschlossen. "Du siehst verzweifelt aus." Während er das sagt, schaut er mich prüfend an. "Vielleicht ein bisschen.", sage ich leise.


Er nimmt mir den Schlüssel aus der Hand und macht sich an dem Schloss zu schaffen. Ich lasse ihn, zu schwach und gleichgültig, um ihn zu unterbrechen. Nach wenigen Sekunden hat er das Schloss geöffnet. Er richtet sich auf und schaut mich an. Der Mann, der vor mir steht ist sehr groß, hat breite Schultern und trägt bloß ein T-shirt. Unter dem Arm hält er einige Mappen, die vollkommen durchnässt und aufgeweicht sind. Eine eigenartige Situation. Wir stehen uns gegenüber, unsere Haare sind nass und tropfen, wir sehen beide wirklich lächerlich aus. Trotzdem grinst er, als würde ihm der Regen nichts ausmachen, als wäre es vollkommen irrelevant, dass seine Unterlagen hinüber sind. Er scheint ein glücklicher Mensch zu sein. Meine Sinne schienen geschärft zu sein, denn ich weiß nicht, wie lange wir uns gegenüber standen, ohne dass ein einziges Wort fiel, trotzdem fiel mir so viel an ihm auf. Ich interpretierte ihn. 

 


"Ich bin John.", sagt er und reicht mir die Hand. "Emma!", antworte ich und erwidere seinen Händedruck, der für einen Mann recht zart ist. "Danke für deine Hilfe, ich muss los!", sage ich. Dann schwinge ich mich auf mein Fahrrad und fahre davon.


Der Regen ist noch schlimmer geworden und ich bin froh, dass man meine Tränen jetzt nicht mehr sieht. Ich riet mir jeden Tag aufs Neue, dass ich es nicht überdramatisieren soll, aber es funktioniert nicht und je öfter ich mich dazu zwinge, desto schwieriger wird es, Noah zu vergessen! Irgendjemand hat mal gesagt, dass die Dinge, die man unbedingt vergessen möchte, sich besonders hartnäckig im Kopf und besonders im Herzen festklammern. Früher habe ich darüber geschmunzelt, aber jetzt weiß ich, was damit gemeint ist und ich wünschte, ich wäre souveräner und lockerer, aber ich bin schwach und weinerlich. Dieses Gefühl des Verlustes ist absolut ekelhaft und es schwächt mich. 


Wieso hat Noah mich verlassen? Wir waren wahnsinnig glücklich und ich hätte nie gedacht, dass er mal eine andere Frau lieben könnte. Ich weiß nicht, wo er gerade ist und was er tut, aber ich wünsche mir so sehr, dass er an mich denkt und es vielleicht bereut, mich verlassen zu haben! Was hat seine neue Freundin, was mir fehlt? Ich werde es wohl niemals verstehen und das Schlimmste ist, dass es auch nichts ändern würde, wenn ich es verstehen würde. Diese Nacht werde ich nicht vergessen, denn sie hat einen großen Schmerz in mir ausgelöst, der nicht verschwindet, obwohl immer alle sagen, dass die Zeit alle Wunden heilt. Ich kann das nicht wirklich glauben, denn ich gewöhne mich vielleicht dran, aber heilen wird mein Herz nicht. 


Als ich zu Hause ankomme und mein Zimmer betrete, sehe ich zuerst auf das Foto von Noah und mir, was noch immer auf meiner Fensterbank steht.


Ich bin noch nicht bereit, es wegzuräumen, ich bin einfach noch nicht bereit, ihn gehen zu lassen. Er lächelt so glücklich auf dem Bild und ich habe immer das Gefühl, dass ich noch immer in meiner heilen Welt lebe, in meiner Noah-Seifenblase, die stabil und sicher ist. Ich fahre meinen Laptop hoch und checke meine Nachrichten, die sich wie immer auf ein Minimum beschränken.

Nichts von Noah.







Chapter 2: Loslassen

Ich wache mit einem stechenden Kopfschmerz auf, mir tut der Nacken weh und ich habe vergessen, die Heizung auszuschalten, was erklärt, weshalb mein Kopf sich anfühlt, als wenn er gleich platzt. Ich massiere meine Schläfen und setze mich in meinem Bett auf. Meine Nachbarin spielt Klavier, normalerweise höre ich ihr gerne zu, aber heute tun mir die Töne in den Ohren weh. 

 

Ich schlage die Bettdecke zurück, schlüpfe in meine plüschigen Hausschuhe und tapse ins Badezimmer, wo ich mich ganze 15 Minuten unter die Dusche stelle. Ich fange an zu summen, eine ausgedachte Melodie und nehme mir vor, einen Song zu schreiben. Ich plane meinen ganzen Tag durch, versuche jede Sekunde zu füllen, damit ich kein einziges Mal an Noah denken muss. Ob es funktioniert, weiß ich noch nicht, aber einen Versuch ist es in jedem Fall wert.

Nach dem Frühstück, was aus einem Müsli mit Joghurt und matschigen Erdbeeren besteht, setze ich mich auf meinen Balkon, von dem aus ich einen wunderbaren Blick über einige Straßen von Paris habe. Ich überlege, ob ich mir ein Croissant von meinem Lieblingsbäcker an der Ecke hole, verwerfe den Gedanken aber, als ich merke, wie gut es tut, in der Sonne zu sitzen und den Gedanken freien Lauf zu lassen.

 

Ich hätte es wissen müssen, dass mein erster Gedanke natürlich der Vergangenheit und Noah gelten würde und bevor ich es verhindern konnte, erinnerte ich mich an eine Situation mit ihm von vor 2 Jahren. 

 

Es war Winter und wir hatten entschieden, einen Spaziergang durch den Wald zu machen. Ich hatte mich dick eingepackt, mit Pudelmütze und Schal. Ich konnte kaum meinen Kopf nach rechts und links drehen, weil ich den Reißverschluss meiner Jacke bis oben zugegzogen hatte. Noah lachte und gab mir einen Kuss auf die Nasenspitze. "Du siehst zuckersüß aus, Prinzessin!", sagte er und zog am Bommel meiner Mütze. Ich kicherte und boxte ihn leicht. Wir spazierten schon seit einer ganzen Weile durch den Schnee, ich genoss die kalte Winterluft und versuchte die Schneeflocken mit den Händen aufzufangen. Plötzlich hielt Noah mich am Arm fest, drehte mich zu sich um und schaute mich ernst an. Ich schaute zurück, ein wenig verunsichert, weil er so ernst war. Er strich mir eine nasse Haarsträhne aus der Stirn und sagte: "Emma, ich liebe dich! Ich weiß einfach, dass wir für immer zusammen sein werden!" In dem Moment machte mein Herz einen Sprung, es kribbelte in meinem Bauch und ich musste mich beherrschen, um nicht vor Freunde auszurasten. Ich umarmte ihn fest, wir küssten uns und dann gingen wir weiter, Hand in Hand, schweigend durch den Wald. Ich war mir sicher, dass Noah die Liebe meines Lebens war, der Mann meiner Träume und er war zu dem Zeitpunkt alles, was ich wollte. 

 

Ich zwickte mir selber in den Arm, um aufzuwachen und den Gedanken, die Erinnerung loszulassen. Es fiel mir schwer, denn meine Erinnerungen waren die einzigen Momente, in denen ich Noah nah war, in denen er bei mir war. Ich hatte das Gefühl, ich würde seinen Geruch noch immer in der Nase haben, seine Hand auf meinem Unterarm spüren, wenn er mich sanft davon abhalten wollte, eine Dummheit zu tun. Ich hatte das Gefühl, er würde noch immer seine Nase in meinen Haaren vergraben und er war immer noch derjenige, neben dem ich jeden Morgen aufwachte. Wie bitter es immer wieder war, ihn nicht neben mir zu spüren, wenn ich die Augen aufschlug. Die ersten Tage nach der Trennung habe ich mir immer wieder eingeredet, dass es mir doch gut geht und dass die Trennung richtig war, aber sobald ich ein Lied hörte, was traurig war, oder mich an unsere Zeit erinnerte, musste ich kapitulieren und mir eingestehen, dass ich mir nur was vormachte.

 


Plötzlich spürte ich Wut in mir aufsteigen. Eine hässliche, schäumende und alles durchdringende Wut. Ich stieß die Balkontür auf und riss die Kisten von meinem Schrank, in denen ich all die Erinnerungen aufbewahrt hatte. Sein Pulli, seine Briefe, eine Konzertkarte, Papierblumen, unser Flugticket nach London und Fotos, auf denen wir glücklich lächelten. Ich zerriss die Bilder, die Briefe und die Konzertkarte. Dann nahm ich seinen Pullover und stopfte ihn in den Mülleimer in der Küche. Ich schwitzte und ich hatte nicht gemerkt, wie ich angefangen hatte, zu weinen. Mir liefen die Tränen herunter und ich konnte nur mit Mühe aufrecht stehen bleiben. Ich setze mich auf den Boden, weinte und hielt mich dabei selber fest. Als ich aufhören konnte, musste ich fast über mich selber lachen. Ich hatte den ersten Schritt gemacht, ich hatte die materiellen Erinnerungen größtenteils verbannt und musste jetzt nur noch meinen Kopf und vor allen Dingen mein Herz überreden, es auch zu tun.

 

Am frühen Abend machte ich mich auf den Weg zur Musikschule. Singen war jetzt genau das Richtige für mich und ich freute mich sogar. Ich stehe an der Ampel, drücke immer wieder auf meinem Ipod rum, auf der Suche nach einem Lied, was gute Laune macht oder zumindest keinen Text hat, der mich runterzieht.


Als ich hochblicke, sehe ich auf der anderen Seite einen Mann. Ich kenne ihn. Ich kenne ihn vom Vortag. Er grinst übers ganze Gesicht, als er mich erkennt. Die Ampel wird grün und ich setze mich in Bewegung. Ich hebe langsam die Hand, will winken und dann einfach weitergehen. Die Musik in meinem Ohr ist laut und ich ziehe es eigentlich vor, in meiner Welt zu bleiben, da sehe ich, wie er seine Lippen bewegt. Ich habe keine Ahnung, was er sagt. Ich nehme widerwillig die Ohrstöpsel aus dem Ohr und frage: "Entschuldige bitte, was hast du gesagt?" Er stemmt die Hände in die Hüften und schüttelt schmunzelnd den Kopf. "Ich habe dich gefragt, was du hörst!", sagt er. Ich schaue ihn verwundert an und antworte: "Merkwürdige Art, ein Gespräch anzufangen. Normalerweise fragt man doch erstmal, wies so geht. Zumindest würde ich das so machen!". Er lächelt und kratzt sich am Hinterkopf. "Naja, Emma, das bedeutet ja nicht, dass ich das auch so machen muss, oder?". Er hat sich meinen Namen gemerkt. Er kramt einen Stift und einen Zettel aus seiner Umhängetasche mit einem Button von Olympique Lyon. Er schreibt etwas, faltet den Zettel, nimmt meine Hand und legt ihn in meine Handfläche, schließ meine Hand zu einer Faust und geht über die Straße,

 Ich öffne den Zettel, seine Schrift ist schrecklich. Auf dem Zettel steht nur ein Satz: Ich glaube, dich würde ein Eclaire und Caramell Macchiato aufmuntern. Außerdem hatte er seine Handynummer aufgeschrieben. Ich faltete den Zettel wieder zusammen, steckte ihn in die Tasche, ging weiter und versuchte, mich wieder auf die Musik zu konzentrieren. John ging mir nicht mehr aus dem Kopf.

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BelleInconnue

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Zeitenwind Noah - Meisten tu ich mir schwer, einen längeren Text am PC zu lesen. Hier hatte ich keine Probleme. Dass Dir aber John so schnell nicht mehr aus dem Kopf ging, obwohl Du noch mit Noah beschäftigt warst, geht mir persönlich noch zu schnell.

Gruß vom Trollbär
Vor langer Zeit - Antworten
erde56 Der Text liest sich flüssig und angenehm. Gefällt mir.

Viele Grüsse
erde56
Vor langer Zeit - Antworten
BelleInconnue Re: -
Zitat: (Original von Schumanski am 26.01.2013 - 21:32 Uhr) Du hast einen wunderschönen Schreibstil.

LG Katja


Dankeschön :)
Vor langer Zeit - Antworten
BelleInconnue Re: -
Zitat: (Original von petjula007 am 26.01.2013 - 14:32 Uhr) Nun ja, bis hierher liest es sich sehr angenehm. Ich nehme an, es geht noch weiter. Bin gespannt.

LG
petjula007


Natürlich gehts noch weiter, ich schreibe heute das nächste Kapitel! :)
Vor langer Zeit - Antworten
Schumanski Du hast einen wunderschönen Schreibstil.

LG Katja
Vor langer Zeit - Antworten
petjula007 Nun ja, bis hierher liest es sich sehr angenehm. Ich nehme an, es geht noch weiter. Bin gespannt.

LG
petjula007
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