Der Schmerz war einfach unvorstellbar, so als würde es einen innerlich zerreißen. Meine Nerven zuckten, doch ich verstand nicht, was mit mir passierte, noch wie lange der Schmerz anhielt.
Erst als ich nichts mehr spürte, fing ich an mich zu bewegen, sah das Büro und wusste wieder, wo ich war. Jenna hockte mit ängstlichem Gesichtsausdruck vor mir und legte die Hand auf meine Schulter. Wie eine Welle kamen die Emotionen in mir hoch und ich schlug ihre Hand von meiner Schulter. Gereizt sah sie mich an und stand auf.
"Ich wollte dir nur helfen verdammt!", sagte sie, doch ich nahm ihre Worte kaum wahr. Sie hasste mich und sie würde alles tun, um mich und Melinda auseinander zu bringen. Wahrscheinlich wusste sie sogar, wo sie war!
Von der Hocke aus sprang ich auf die Füße und rannte auf sie zu, drückte sie gegen die Wand, bis ich selbst ihren Atem an meinem Gesicht spürte.
"Wo ist sie? Wo ist Melinda?", sagte ich ruhig, aber voller Aggression.
"Matt was soll das? Lass mich los verdammt. Du bist hier in einem Polizeigebäude. Ich kann dich gern in eine Zelle bringen!", sagte sie und versuchte sich zu befreien, doch ich war zu wütend. Meine Hände bohrten sich in ihre Schultern und sie verzog ihr Gesicht, doch es war mir egal.
"Letzte Chance, Jenna. Wo ist Melinda?"
Sie hob ihre Hände um mich von sich wegzuschieben, doch vergeblich. Ich musste gestehen, dass sie für eine Frau verdammt viel Kraft hatte. Bevor sie ihr Bein überhaupt nur heben konnte, wusste ich schon, was sie vorhatte und presste mein Bein gegen ihre. Sie war gefangen und sie wusste es.
"Was ist mit dir los? Gerade eben erzählst du noch, dass sie vielleicht tot ist und jetzt fragst du mich, wo sie ist? Ich weiß es nicht verdammt. Wir hatten ein paar Tage keinen Kontakt. Ich wusste doch nicht einmal, dass sie bei Garver war."
Ich blickte in ihre Augen, doch das Einzige, was ich sah, war Angst und Hass, was mich noch wütender machte.
Aus den Augenwinkeln sah ich, wie sich ihre Hand zu dem Gürtel mit der Pistole bewegte. Bevor sie auch nur ansatzweise in der Nähe war, nahm ich sie und schmiss sie weit weg in den Raum, nahm Jennas Kopf und prallte ihn gegen die Wand. Fast wäre sie zu Boden geflogen, doch ich hielt sie fest.
"Wo ist sie?", flüsterte ich gereizt.
"Ich weiß es nicht.", sagte Jenna, wobei sie noch immer versuchte, sich aus meinem Griff zu befreien, doch sie hatte keine Chance. Jahrelanges Training. Blinde Wut erfasste mich und ich schlug ihr ins Gesicht. Ich hörte ihren Schrei, als meine Hand auf ihren Wangenknochen traf, dann sah ich zu, wie sie die Wand hinunterrutschte und am Boden liegen blieb.
"Ich werde herausfinden, wo sie ist und wenn ich herausfinde, dass du mit ihrem Verschwinden zu tun hast, mach ich dich kalt."
Ich drehte mich herum und verließ das Zimmer, noch immer voller rasender Wut. Es war gerade so zu schaffen, das Gebäude zu verlassen, ohne jemanden anzugreifen. Als ich in der Mittagssonne stand, wendete ich mich nach rechts und begab mich auf den Weg ins Stadtinnere, ohne das ich wusste, warum ich dahinging.
Erst als ich davor stand, wurde mir klar, warum ich genau hierhergegangen war. Ich sah auf das Schild des Hotels, an dem alles begonnen hatte. Wo Melinda gestorben war - nein gestorben sein sollte.
Meine Füße trugen mich in das Gebäude hinein, vorbei an der Rezeption, an der zum Glück gerade keiner stand, bis hinauf aufs Dach.
Als ich am Rand des Daches stand, spürte ich keine Emotionen, nur tiefen Hass, vielleicht sogar auf mich selber. Doch nichts verband mich hier mit Melinda. Nichts. Ich spürte nichts.
Meine Schuhspitze bewegte sich Zentimeter um Zentimeter vorwärts, bis beide 5 Zentimeter über dem Beton hinausragten.
Von hier oben waren es gut 12 Meter bis nach unten. Nur mit Glück würde man das überleben, doch ich fand keine Verbindung zu Melinda. Sie konnte nicht gesprungen sein. Sie musste einfach leben.
Dann hörte ich die Sirenen und sah die Polizeiautos.
Ich hörte nicht auf die Worte, sondern ließ den Hass in mir fließen.
Mir war bewusst, dass ich nicht springen würde, doch ich war bereit, jedem, der mir zu nah kam, zu erledigen.
"Matt Hallister?", sagte jemand hinter mir und ich drehte mich herum. Es war ein Polizist, neben ihm Jenna, die noch immer mitgenommen aussah. Ich lächelte sie an, rührte mich aber nicht vom Fleck.
"Matt komm da weg. Was soll das denn? Was ist nur mit dir los?", sagte sie.
"Wo ist sie Melinda? Sie ist nicht tot und du weißt, wo sie ist!"
"Kommen sie man. Geben sie mir ihre Hand.", redete der andere Bulle dazwischen.
Urplötzlich gaben meine Füße nach, jeder Nerv in meinem Körper sendete Schmerzen aus und dann wurde alles schwarz.
Mein ganzer Körper tat weh und völlig orientierungslos versuchte ich meine Augen an das spärliche Licht zu gewöhnen. Wo war ich?
Träge setzte ich mich auf und erkannte, wo ich war. Überall Gitter.
Meine Gedanken rasten, doch ich verstand nicht, was hier passierte? Gerade eben noch hatte ich mit Jenna im Büro geredet und jetzt war ich hier? Was hatte sie mit mir getan?
Ich rieb mir meinen Nacken, bis ich die Narbe mit meinen Fingern spürte. Es fühlte sich einen kurzen Moment so an, als würde mein Herz stehen bleiben. Ja sicher, der Chip. Von ihm mussten die Schmerzen kommen. War ich ohnmächtig geworden?
Ich fluchte laut auf und verhasste es, nicht zu wissen, was hier mit mir geschah. Was für eine Wirkung hatte dieser Chip auf mich? Er hatte ihn mir doch sicher nicht nur eingepflanzt, um mir Schmerzen zuzufügen.
Mit zittrigen Knien stand ich auf und ging zum Gitter.
"Hallo? Ist hier jemand?", rief ich, doch die einzige Antwort, die ich bekam, war von einem Besoffenen von der Ausnüchterungszelle gegenüber. Ich ignorierte seine Worte und rief noch einmal.
Vergeblich gab ich auf und setzte mich wieder auf die Pritsche. Der Schweiß rann mir im Nacken hinunter und ich bekam Panik. Ich hielt es nicht aus schon wieder im Gefängnis zu sein. Nicht jetzt und nicht in einer geschlossenen Zelle.
Ich sah auf, als ich Schritte auf dem Boden hörte und als ich aufblickte, sah ich in Jennas Gesicht.
"Was..?", setzte ich an, doch sie unterbrach mich.
"Mitkommen Matt und keine Mätzchen, verstanden?"
"Ja okay. Was ist hier los, Jenna?"
Unsanft schubste sie mich mit einem Schlagstock im Rücken vorwärts, bis wir in einem kleinen Verhörzimmer kamen, in dem noch ein anderer Polizist saß.
"Verdammt, was ist hier los? Warum bin ich hier?"
"Setz dich.", sagte Jenna und schubste mich zum Stuhl.
"Was ist mit dir passiert? Dein Gesicht..."
"Halt dein Maul Matt!", schrie sie und schlug mit dem Schlagstock auf meine Schulter. Ich zuckte heftig zusammen und wäre fast vom Stuhl gefallen. Der Schmerz störte mich kaum, doch ich fragte mich, was das zu bedeuten hatte. Was war nur hier los? Waren denn jetzt alle verrückt?
"Jenna! Hey schon gut. Beruhige dich. Setz dich dahin und dann reden wir in Ruhe.", sagte der Polizist und versuchte die Situation zu beruhigen.
"Ich soll mich beruhigen? Der Kerl geht auf mich los, schlägt mich grün und blau und hat dann noch die Frechheit mich zu fragen, warum ich so ausseh? So?", sagte sie und zeigte mir ihrem Zeigefinger auf ihr Gesicht.
Jetzt verstand ich gar nichts mehr. Ich sollte da gewesen sein?
"Ich versteh nicht. Jenna ich würde nie eine Frau schlagen..."
Bevor sie wieder auf mich losgehen konnte, hielt der andere Polizist sie auf und bugsierte sie auf den Stuhl zurück. Ich nahm mir vor, meinen Mund zu halten und abzuwarten. Vielleicht würden sie mir ja erklären, was hier lief und warum ich in einer Zelle saß.
"Nun Mr. Hallister, haben sie eine Erklärung für ihr Verhalten?"
"Mein Verhalten?", fragte ich vorsichtig nach. "Was genau wird mir vorgeworfen?"
"Gewalt an einer Beamtin im Dienst plus Flucht und versuchter Selbstmord. Sie wollten sich von einem Dach stürzen."
"Ich wollte was?", rief ich aus. Ich sah zu Jenna die mich mit gerunzelter Stirn musterte und ich kannte diesen Blick. Sie dachte nach. "Ich habe keine Ahnung, wann das passiert sein soll. Das letzte, woran ich mich erinnere ist, dass ich mit Jenna im Büro war und wir geredet haben."
"Wir haben sie vom Dach geholt, junger Mann. Vielleicht sollten wir ihnen einer unserer Psychologen zur Seite stell..."
"Ich bin nicht verrückt.", warf ich wütend ein und sah zu Jenna.
"Hör zu Jenna. Alles was ich dir gesagt habe stimmt. Melinda ist weg, vielleicht sogar tot. Ich weiß nicht, was in den letzten Stunden passiert ist, das musst du mir glauben."
Ihr Stirnrunzeln ließ nicht nach und sie wendete sich an ihren Kollegen.
"Lass uns bitte allein, Peter. Ich komm schon klar."
"Bist du sicher?"
"Ja.", sagte sie und sah ihn ernst an.
Als der Polizist den Raum verlassen hatte, stand sie auf und kam auf mich zu.
"Was spielst du für ein Spiel Matt?", fragte sie mich und war dabei nur Zentimeter von meinem Gesicht entfernt. Sie war wütend, doch ich verstand noch immer nicht genau warum. Konnte ich sie wirklich geschlagen haben?
"Ich werde dir erzählen, was ich weiß."