In einem Hochhaus, das am Rande der Stadt liegt, verkaufen Frauen ihre Körper an Männer, die mit Papier dafür bezahlen.
Die Liebe starb an diesem Ort, schon vor langer Zeit.
Im Sommer sind die Fenster der Wohnungen geöffnet, man hört Musik, Lachen und Schreie.
Im Winter sind sie verschlossen. Nervös zuckende Leuchtkreise verkünden das nahende Weihnachtfest.
Geheimnisse, Menschen und Tiere, Häuser so hoch wie Berge und einsame Seelen, die durch die Wüste aus Beton wandeln.
Von hier oben, auf diesem Kirchturm stehend neben in Stein gehauenen Dämonen ist die Stadt friedlich.
Ich war auf der Suche nach ihr, hatte sie verloren im Getümmel unten am Wasser. Etwas entriss mir mein Herz schmetterte es auf den Boden und trat mit den Füßen darauf rum.
Wir jagten zusammen nach Ratten, schlugen mit den Tatzen zu und schleuderten sie in die Luft.
Festmahle zwischen den grauen Steinhaufen und vorbei an den Grimassen der Stadt.
Ihr weißes Fell glänzte im faden Licht der Straßenlaternen, sie sprach nicht viel.
Entkommen aus einem wohligen Heim draußen in der Vorstadt verschlug es sie hierher.
Nahrung im Überfluss, ein reich gedeckter Tisch voller Köstlichkeiten und raffinierter Gaumengenüsse gab es hier.
Wir waren unzertrennlich, zusammen war es unsere Stadt. Nichts zu vermissen war ein gutes Gefühl.
Es war der Ãœbergang zwischen Tag und Nacht.
Die Sterne blitzten hell am samtblauen Abendhimmel während der Mond nur als Silhouette am Nachthimmel zu sehen war, wir lagen zusammen und wärmten uns gegenseitig.
Also streiften wir durch die Straßen und viele unserer Art sahen uns durch die dekorierten Scheiben an.
Uns packte der kalte Dezemberwind, alle Gebäude der Menschen waren hell erleuchtet und verpackt mir Silber- und Goldfolie.
Die Straßenbahnen waren voller unglückseliger Kreaturen, die niemals zu Lächeln schienen. Eine eigenartige Spezies dieses Volkes auf zwei Beinen.
Sie fuhren in Blechbüchsen mit Reifen durch die Gegend und töteten viele unserer Freunde, wenn sie nachts durch die Straßenschluchten schlichen, auf der Suche nach Sex und Fressen.
Mich packte immer eine melancholische Stimmung, dachte zurück an mein Heim,
Ein altes Menschweib hatte mich damals aufgenommen, gab mir Futter und streichelte mein Fell. Eines Tages starb sie, lag wochenlang tot in der Wohnung.
Niemand kümmerte es. Ich starb fast den Hungertod, doch ich schrie nach Leibeskräften, bis endlich jemand die Türe aufbrach und ich mit einem beherzten Sprung entkommen konnte.
Viele meiner Artgenossen teilten mein Schicksal. Es war bequem und warm, doch die Freiheit schmeckte immer noch am besten.
Menschen waren einsam, eingepfercht in Häuser, hunderte von ihnen.
Hier in der Stadt gab es ganze Kolonnen von Wohnungen auf kleinstem Raum.
So dicht beieinander und doch anonym.
Sie sprachen mit uns, erzählten uns Geschichten die wir nicht verstanden.
Im Sommer ist es angenehm hier. Die engen Gassen dampfen und aus den Springbrunnen in den Parks sprudelt frisches kaltes Wasser. Ich suchte mir ein Plätzchen und verbrachte die Tage mit kurzweiligem Dösen.
Dann als es Herbst wurde traf ich sie, geschwächt und nicht bereit, sich dem Leben in diesem Moloch zu stellen. Sie war dem Tode sehr nahe gekommen.
Ich kümmerte mich um sie, jagte Nagetiere oder stahl auch schon mal Fleisch aus den Mülltonnen der Schlachthöfe unten am Hafen.
Sie brauchte Zeit, doch sie erholte sich zusehends. Wir wurden Freunde und gemeinsam konnte uns das unendliche Grau dieses Ortes nichts mehr anhaben.
Da sie nur noch ein Auge hatte, half ich ihr in brenzligen Situationen, wenn die Maschinen aus Stahl an uns vorbeirauschten.
Ich träumte von der Liebe, einem besseren Leben, vielleicht sogar außerhalb dieser Stadt.
Auf dem Land, wo der weiße Koriander im Frühling blüht und man des Nachts an den See gehen kann. Nur der endlose Weltraum über unseren Köpfen.
Hier war es schwer, den Himmel zu erkennen. Die Häuser waren zu hoch und raubten der Sonne das Licht und dem Mond seinen sanften Schein.
Ich befand mich mittendrin in diesem Loch aus Zeit, Hektik und Menschenmassen, die einfach jeden Platz und Strasse in der Stadt zu fluten schienen.
Sie war mein Hoffnungsschimmer und ich suchte nach ihr von hier oben mit meinen Augen und einem untrüglichen Gefühl, sie wieder zu finden.
Ich war nicht bereit, mich von diesem chaotischen Wirrwarr erdrücken zu lassen. Mein Puls ging schnell und ich verzweifelte.
Jede Sekunde starb etwas mehr von mir. Ich brauchte sie, bevor ich komplett auseinanderbrach wie eine chinesische Vase.
Und als sei es ein Wink des Schicksals gewesen, erblickte ich einen Kopf, ein
weißes orientierungsloses Stück Fell.
Verloren, umherirrend auf dem Bürgersteig.
Sie war es. Mein Atem stockte und mit ein paar halsbrecherischen Sprüngen rannte ich die Treppe hinunter zu ihr.
Angekommen am Ausgang erblickte ich sie.
Verwirrt sah sie zu mir rüber, doch ihr noch intaktes Auge strahlte auf einmal und mir wurde klar, dass wir die Stadt verlassen sollten.
Es war mir als gäbe es doch Hoffnung zwischen all dem Eisen, Menschen und bunten Leuchtreklamen.
Zusammen, sie und ich, auf dem Land, denn die Stadt war nicht für Tiere gemacht.
Zu viel Asphalt hier, der das Grün erstickt und allem Leben mit grauer Hand die Kehle zudrückt.
Ich jedoch fand mein Glück hier. Erkannte es und nahm sie mit in eine hoffentlich bessere Zukunft. Ich ging auf sie zu, um meinem Kopf an ihrem zu reiben.
Selbst der kalte Wind hörte in diesem Moment auf, uns mit seinem eisigen Hauch zu streicheln und mir war, als schiene das Alles einen Sinn zu ergeben.
Die Liebe brach selbst den stärksten Stein und ließ die Sonne an einem noch so verregneten Tag für uns scheinen.
Wir gingen, gemeinsam………
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Ende.
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