Beschreibung
Jeder sollte jemanden zum Reden haben, so schlecht es auch läuft.
Er hatte jetzt schon einige Tage in dieser Dunkelheit verbracht.
Das Einzige, dass ihn eigentlich störte, war weder die Dunkelheit noch die Kälte, sondern der Typ der andauernd versuchte ein Gespräch mit ihm zu führen.
Er kam jeden Tag um die gleiche Zeit und fragte den Jungen wie er sich fühlte.
Ob er etwas bräuchte.
Doch dieser Tag war anders, er fragte ihn gar nichts.
Er sah ihn nur still an und betrachtete ihn ganz genau.
Plötzlich wurde das Schweigen unterbrochen "Keine Fragen?", der Junge sprach etwas heiser.
Es war lange her, seitdem er gesprochen hatte, vielleicht eine Ewigkeit seitdem er seine eigene Stimme gehört hatte.
"Wie kannst du jetzt noch Lächeln?", der Typ sah ihn an.
Der Junge führte seine Fingerspitzen zu seinen Lippen.
Sie waren trocken und spröde und fühlten sich älter an als sie sollten.
"Was wollen sie?", der Junge bewegte sich etwas wackelig vom Sitz und stand auf.
"Du weißt ganz genau, dass du unschuldig bist. Das will ich. Deine Unschuld beweisen."
Der Junge sah den Wärter kommen und betrachtete ihn durch die Gitterstäbe.
Sie hätten wahrscheinlich Freunde sein können, würden sie diese Stäbe nicht trennen.
"Hier dein Hundefraß.", der Wärter stieß das Essen des Jungen durch die Luke zu ihm rein.
Wohl eher doch nicht.
Er hätte sich eigentlich an dieses Leben gewöhnen können.
Hätte, denn er wusste, dass er nicht mehr genug Zeit dazu hatte.
"Was bereust du?", er drehte sich zu dem Typen, der noch immer in der Dunkeln Ecke saß.
Er lächelte ihn nur bitter an "Ich meine, es
hätte schlimmer kommen können."
Bevor er es überhaupt bemerkte öffnete sich seine Zelle und zwei Wärter kamen herein.
"Es ist endlich soweit.", sagte der eine mit einem zufriedenen Lächeln.
Sie brachten ihn zum Richtstuhl.
Keine Angehörigen, keine Zuschauer.
Nichts.
Darum hatte er nicht einmal gebeten, doch das kam ihm nur recht.
Die einzige Person, die vor ihm stand, war diese ewige Nervensäge.
Aber wenigstens jemand, dachte er sich.
Er betrachtete ihn genauer.
Der Typ schien in seinem Alter.
Doch was er nicht wusste war, dass er nicht nur in seinem Alter war oder ihm ähnelte.
Er war er.
Er hatte nie existiert.
Der Junge hatte nur jemanden gebraucht, der mit ihm sprach und wenn es nur ein Hirngespinst, rein aus seiner Fantasie entsprungen, war.
Er lächelte ihn warm an "Gute Nacht, mein Freund."
Der Junge schloss seine Augen und es wurde dunkel.