Der General brachte sie zur nächsten Stadt, wo schon Kaylas Eltern warteten. Sie schlosse Kayla sofort in die Arme. Kaylas Mutter schluchzte hemmungslos: "Wir haben dich so vermisst! Wie konnten die Indianer dir das nur antun, du bist doch noch ein Kind! Oh, wie habe ich dich vermisst! Mein armes, armes Baby!"
Kayla lächelte ebenfalls unter Tränen: "Ich bin kein Baby, aber auch froh euch wieder zu sehen."
Ihr Vater fragte: "Was haben sie mit dir gemacht?"
Kayla seufzte: "Sie wollten mich einfach dort behalten, als Strafe für euch. Sie dachten, vielleicht würde es mir dort doch besser gefallen." In Gedanken fügte sie hinzu: Vielleicht hatten sie recht.
Ihr Vater wieder: "Pff, was für ein Unsinn. Du gehörst in die Zivilisation, nicht zu diesen Wilden da draussen!"
Kayla erwiderte etwas lauter als unbedingt nötig: "Sie sind keine Wilden! Und sie haben ihre eigene Zivilisation! Eigentlich war die unberührte Natur ganz schön, weisst du?"
Ihr Vater blickte verdutzt. Sie schmiegte sich an ihre Mutter.
Bald waren sie wieder mit dem Flugzeug nach Hause gefahren. Kaylas Eltern taten als wäre nie etwas gewesen, und setzten das Leben ungewohnt fröhlich fort. Kayla blickte oft durch ihr Fenster in den grossen Garten. Sie wusste nicht ob sie es bereuen sollte oder nicht, wieder nach Hause gekommen zu sein. Wäre die bessere Lösung gewesen bei Koi zu bleiben. Und wenn sie wiederkehren würde, würde er ihr dann vergeben? Oder hatte er dann gar schon Frau und Kinder?
Wieder einmal sass sie auf dem Fensterbrett und sah nach draussen. Es war Herbst, die Blätter waren von den Bäumen abgefallen, und es waren nur noch wenige Vögel da. Wie sah es wohl gerade bei Koi aus? Was machte er. Ritt er auf einem schönen Pferd? Oder ass er den komischen Brei? Vielleicht war er ja auch auf der Jagd. Oder er war mit einem anderen Mädchen zusammen...
Genauso trostlos wie der Herbst war für Kayla der Winter. Oft ging sie raus um mit den kleinen Kindern im Schnee zu spielen, aber sie vermisste das saftige grüne Gras und die Baumbewachsenen Hügel des Reiches der Indianer. Ihre Eltern forderten sie oft auf mit ihnen Skifahren oder Snowboarden zu gehen, aber Kayla lehnte immer ab. Entweder sie hatte Hausaufgaben, oder keine Lust, sagte sie dann. Beides traf zu.
Als der Schnee endlich schmolz, und die Ferien nahten, sagte Kayla: "Gehen wir noch einmal nach Amerika?"
Ihr Vater runzelte die Stirn: "Wir wollen lieber nicht, dass du vielleicht noch einmal..:"
Kaylas Mutter unterbrach ihn: "Natürlich, leider haben wir beide aber keine Ferien."
Kayla wieder: "Dann gehe ich alleine." Sie war so von der Idee gepackt, dass sie nicht auf ihre Eltern hörten, die sie davon abbringen wollten. Stattdessen sagte sie nur: "Ich bin volljährig. Ich kann tun was ich will."
Sie drehte sich um und stapfte in ihr Zimmer. Ihre Eltern sahen sich hinter ihrem Rücken mit ratlosen Gesichtern an. Auch wenn sie nicht ganz mit dem Entscheid ihrer Tochter zufrieden waren, unterstützten sie sie doch. Ihre Eltern bestanden darauf dass sie das bezahlen würden, damit Kayla ihr Gespartes einmal für Sinnvolle Zwecke ausgeben konnte.
Sie buchten einen Hinflug. Da Kayla ihnen nicht sagte wann sie wieder zurückkommen würde, sagte sie sie würde sich jede Woche melden, und sagen wann sie wieder zurückfliegen wolle. Ihre Eltern sagten nichts mehr dagegen. Sie nahmen es so hin wie es kam.
Am ersten Tag der Ferien flog sie los. Kaylas Eltern brachten sie zum Flughafen und verabschiedeten sie unter Tränen. Kayla zitterte schon am ganzen Körper. Vor Aufregung konnte sie gar nicht mehr still sitzen.
Der Flug war lang und eintönig. Kayla verschlief die meiste Zeit. In Amerika angekommen, es war früh am Morgen, war sie nicht müde, da sie ja immer geschlafen hatte. Sie hatte nur eine Umhängetasche dabei und ging zum örtlichen Stall. Dort mistete ein älterer Mann ein paar Boxen aus. Kayla grüsste ihn und sagte: "Haben sie ein Pferd zu verkaufen?"
Der Mann nickte: "Du siehst nicht gerade reich aus."
"Wieso?"
"Ich habe einen unnützen Gaul. Du bekommst ihn zum Sonderpreis."
"Zeigen sie ihn mir."
Der Mann ging voraus zu einer kleinen Box am Ende des Gebäudes. Dort stand ein grosses schwarzes Pferd."
"Es ist schön."
"Ja, aber niemand will es haben."
"Wieso nicht?"
"Es trägt keinen Sattel."
"Ich nehm ihn auch ohne."
"Ich hole das Zaumzeug."
"Danke."
Der Mann lief davon, kam gleich darauf mit einem einfachen Lederhalfter und zwei Stricken zurück. Er schlang das Halfter über den Kopf, befestigte die Stricke und knöpfte sie oben zusammen. Dann bestimmte er den Preis. Da Kayla nicht erwartet hatte so billig wegzukommen ging sie den Betrag ohne zu Handeln ein. Eine halbe Stunde später sass sie auf dem Pferd und ritt in die Richtung von wo der General sie weggeschafft hatte. Das Pferd, welches auf den Namen Sunrise hörte, ging in die richtige Richtung, weshalb Kayla die Zügel hängen liess.
Es war heiss, und schon bald hielt Sunrise auf einen Bach zu. Kayla liess sie gewähren. Sie fülte ihre Flasche auf, dann ritt sie weiter. Abends wurde es recht kühl, aber Kayla sah Rauchfahnen aufsteigen. Es war also nicht mehr weit!
Als bemerkte die Stute Kayla's Aufregung machte sie grössere Schritte und spitzte die Ohren an. Sie ritten über einen Hügel und sahen ein ganzes Tipi-Dorf. Es waren die gleichen Tipis wie letzten Sommer, Kayla trieb die Stute an. Am Dorfrand sammelte sich eine Menge an. Sie sahen alle abwartend zu dem fremden Reiter hin und fragten sich wer das war. Unter ihnen befand sich auch Koi.
Als Kayla so nah gekommen war, dass die Indianer sie erkennen konnten drängte sich Koi durch die Menge und eilte auf Kayla zu. Als Kayla auch ihn erkannt hatte glitt sie von dem Pferderücken und stolperte auf Koi zu. Er nahm sie in die Arme und schwang sie herum. Kaylas Gesicht war tränenverschmiert und sie lächelte: "Ich habe dich vermisst."
Koi nickte, ebenfalls lächelnd: "Ich dich auch."
THE END