Krimis & Thriller
Schlagschatten

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"Schlagschatten"
Veröffentlicht am 11. Januar 2013, 22 Seiten
Kategorie Krimis & Thriller
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Schlagschatten

Schlagschatten

Einleitung

Anne ist 13 als sie aus dem Heim kommt. Ein neues Leben, eine neue Familie, ein neues Kapitel. Doch statt heiler Welt erwartet sie Angst, Schmerz und seine Besuche. Ein Leben in voller Panik vor dem nächsten Tag. Wird sie kämpfen können oder alles verlieren?

 

 

 

 

 

 

 

TEIL I

- eins -

Fünf Minuten, noch fünf Minuten.

Immer wieder wiederholte Anne diesen Gedanken, bis es endlich vorbei war. Selten brauchte er länger um mit ihr fertig zu werden, danach schimpfte er sie immer eine elende Hure und das sie ihn verführe, also brauche sie auch nicht zu heulen wie ein Kleinkind. Aber die Tränen, welcher nach dieser Prozedur immer folgten, ließen die Realität noch bissiger und klarer erscheinen. Wenn er dann weg war begann die Zeit des Verdrängens, welche durch eine Rasierklinge unterstützt wurde. Dann schnitt sie langsam und sorgfältig ihr Fleisch auf und betrachtete wehleidig das dicke Blut, wie es aus ihrer Haut hervorquoll. Schmerzen hatte sie dabei keine mehr, diese Schmerzen waren angenehm, gegenüber dem was er ihr antat. Und sie wusste, bald musste sie von neuem leiden.

Damals als sie noch keine acht Jahre alt war, hatte ihre Mutter im Alkoholrausch ein Wort gesagt, welches sie erst Jahre später verstand. Laut schrie sie durch den schmalen Flur, dass sie es bereue das Balg nicht abgetrieben zu haben. Es bereite nur Sorgen und fresse zu viel Brot. Wegen diesem Unfall würde es der Familie so schlecht gehen. An diesem Tag saß das kleine Mädchen am oberen Treppenende hinter dem Geländer und hielt sich die Ohren zu, während es dabei vor und zurück wippte.

 Wie damals an der Treppe saß sie nun auf ihrem Bett und versuchte die Stimmen aus ihrem Kopf zu verdrängen. Und genau wie damals weinte sie sich die Augen wund.

Wieder einmal regnete es. Es war ein kalter schneearmer, aber regenreicher Dezember und es begann lästig zu werden, jeden Tag trotz Regenschirm durchzuweichen. Auch wenn sie bis auf die Knochen durchnässt war, so war es ihr egal. Alles war egal. Seit einer gefühlten Ewigkeit stand sie nun hier und starrte ins Leere. Auch wenn sie ins Haus hätte gehen können, so wusste sie doch, dass es angenehmer war, sich eine Lungenentzündung zu holen, als ein Spielzeug zu sein. In ihrer tiefen Trance, merkte sie die alte Dame nicht, welche schützend einen Schirm über ihrer beide Köpfe hieltund sie traurig ansah.

 Ihr Zimmer war klein, trist und ohne jede Persönlichkeit. Häufig fühlte sie sich wie dieser Raum. Leer. Sie saß auf ihrem harten, unbequemen Stahlbett und sinnierte über den Sinn eines normalen Lebens. Hatte sie je ein normales Leben gehabt? Mit einem gequälten Lächeln floh sie vor der Antwort. Es war Sonntag früh. Ihr Wecker zeigte 4:25 Uhr und ihr junger Körper schmerzte noch immer von seinem letzten Besuch. Zu hart hatte er sie genommen, ohne auf ihre Ausrufe zu hören, hatte er ihre Schulter weiter gegen den Bettpfosten gedrückt. Was blieb war ein weiteres Hämatom, welches sie nun ohne jedes Interesse betrachtete. In den Jahren in denen sie bei ihm war, hatte sie gelernt Schmerzen zu verdrängen. Anfangs durch das Malen von Bildern, welche alle von einer inneren Gewalttätigkeit sprachen. Rot war die dominierende Farbe. Doch dann entdeckte sie, dass der reale Schmerz viel mehr zu kaschieren wusste. Und so hielt sie immer eine Schachtel mit Rasierklingen bereit, um sich nach seinen Besuchen zu bestrafen. Auch jetzt griff sie in das unterste Schubfach ihres Nachttisches. Dieses besaß einen doppelten Boden, in welchem sie Süßigkeiten aufbewahrte. Bei all den Leckereien lagen ihre Klingen gut versteckt. Noch während sie die Schublade öffnete, bemerkte sie es sofort. Das trennende Brett zwischen den Ebenen war leicht angehoben. Jemand war an ihrem Schrank gewesen, Mit leicht zitternden Händen hob sie die Holzplatte heraus. Ihre Augen starrten die Schockoriegel und Gummitiere an, sprangen von Süßigkeit zu Süßigkeit. Nichts. Ihre einzige Realität war aus ihrer Umgebung verschwunden. Entsetzen machte sich breit, sie konnte seine Besuche nicht ohne diesen Weg des Vergessens überstehen. Diese Schmerzen waren nicht aushaltbar, ohne diese Möglichkeit sie zu bekämpfen!! Besiege Feuer mit Feuer hatte ihre Freundin Saskia immer gesagt. Was wenn ihr Feuer nun ihm gehörte?

Wie verteufelt rannte sie auf ihre Zimmertür zu, doch in diesem Augenblick riss er die Tür auf und stieß sie zu Boden. Mit einem schmerzenden Gesicht schaute sie hasserfüllt zu ihm auf. Ein Grinsen umspielte seinen Mund. Er verschloss die Tür von innen und begann mit ihr zu spielen.

Die Zeit verging schleppend langsam, wo es eben noch 4:45 Uhr war, zeigte die Uhr nun 5:00 Uhr an. Noch immer wälzte er sich schwer atmend auf ihr herum. Der Alkohol, welchen er eindeutig mal wieder im Übermaß genossen hatte zeigte seine Wirkung. Mit seinen 52 Jahren liebte er die Vorstellung in das junge Fleisch einzudringen. Ihre kleinen festen Brüste machten ihn wahnsinnig. Ihre helle Haut lösten Fantasien in seinem Kopf aus, welche er kaum auszusprechen wagte. Ihr langes blondes Haar roch nach Zitrusfrüchten und ihre vollen Lippen schmeckten von Kuss zu Kuss besser. Schon damals wusste er, dass sie etwas besonderes war. Ihre großen blauen Augen wirkten so wach und interessiert, dass er sie unentwegt ansehen musste. Ihr schlanker, fast drahtiger Körper hätte auch einem Jungen gestanden. Damals war sie schön, doch jetzt wo sie immer weiblicher wurde, schien sie zu einem Schwan zu werden. Und diese Schönheit gehörte ihm. Er beherrschte sie und er besaß ihren Körper. Doch er musste aufpassen. Diese kleine Schlampe hatte noch irgendwo da draußen Eltern. Auch wenn diese das Kind in ein Heim gegeben hatten, so bestand die Gefahr, dass die sie irgendwann zurück haben wollten. Das hieß bloß nichts an der Kleinen kaputt machen. Wenn das Jugendamt alle drei Monate einen Vertreter vorbei schickte und der irgendwelche Verletzungen an dem Mädchen wahrnehmen würde, dann war's das. Dann konnte er sie nicht mehr nehmen wann und wie es ihm gefiel. Aber bis dato hatte er noch genügend Wege ihre blauen Flecke und Schnitte zu verbergen. Ihre Rasierklingen hatte er ja schon geklaut. Womit sollte sie sich also verletzten können? Das Zimmer bot ihr nichts an, darauf hatte er beim Bau geachtet, keine scharfen Ecken und Kanten an den Möbeln. Dieses Kind musste noch lange durchhalten, bis er es austauschte.

- zwei -

Damals, als sie noch im Heim lebte, konnte sie ihr Glück kaum fassen als es hieß, dass sich ein Ehepaar nach ihr erkundigt hatte. Es war ein wunderschöner Moment gewesen, denn seit dem vorherigen Abend wusste sie, dass die Leute heute kamen. Vielleicht erhielt sie ein neues Zuhause, einen neue Familie, eine zweite Chance. Nervös und gleichzeitig erfreut ging sie schnellen Schrittes in die Besucherhalle. Wie sie wohl aussahen, ob sie noch andere Kinder hatten? Alles Fragen welche, sie mehr und mehr fesselten, ohne ihrer Vorfreude im weg zu stehen. Als sie die Halle erreicht hatte erblickte sie die drei Personen, also hatten sie schon ein Kind. Sie würde vielleicht einen Bruder bekommen. All die Jahre hatte sie sich ein Geschwisterchen gewünscht, mit welchem sie die Tyrannei ihrer Eltern hätte überstehen können. Aber dem war nie so und so blieb sie allein, vielleicht nur bis zum heutigen Tag. Mit ihren 13 Jahren entfiel ihr nicht, dass der Junge äußerst attraktiv war. Seine Eltern sahen aus, wie Eltern wohl aussahen. Sie war eindeutig ein Opfer der 80iger Jahre und er ein Verfechter der Hawaii-Hemden. Nicht wirklich modisch, aber das war egal. Es waren Eltern, welche sie möglicherweise adoptieren wollten und mit denen sie tolle Dinge erleben würde. Und sie würde endlich glücklich werden. Ein Lächeln umspielte ihr jungenhaftes Gesicht und sie wusste, bei diesen Leuten würde sie bleiben wollen. Ihr entging das Funkeln in den Augen des Mannes nicht, welches ihr ein Schauer über den Rücken jagte. Doch sie ignorierte es.

 Die Aufregung, gemischt mit der Vorfreude, löste einen wahren Redeschwall in ihr aus. Sie stellte Unmengen an Fragen, erzählte von ihrem Leben, ihren Hobbys und Wünschen, alles unterstützt durch wilde Gesten. Es war eine lustige kleine Runde, jeder wollte mitreden und sie war sich sicher, dass alle anderen Kinder im Heim sie beneideten. Während sie sprach blickte sie zu dem Jungen und bemerkte mit einem seltsam unguten Gefühl seinen Blick. Es schien als ob er sie warnen wollte . Damals drängte sie diesen Gedanken schnell beiseite und tat es als Eifersucht ab. So wand sie den Blick ab und unterhielt sich weiter mit den Eltern des Jungen.

Es vergingen keine 14 Tage als sie erfuhr, dass die Familie Eichbaum die Adoptionspapiere unterschrieben hatte. Sie hatte eine neue Familie, endlich konnte sie aufatmen und sich auf das neue, bessere Leben freuen.

 Gerd Eichbaum war Ingenieur, alles was er anfasste ging entweder kaputt oder bekam vom TÜV das Siegel für „gerade so bestanden“. Gern zeigte Gerd seinen Kumpels seine Ideen, mit dem Unterschied, dass seine Kumpels wussten, dass nur eine Zeichnung blieb. Für Gerd waren es Babys und Babys verhöhnte man nicht, man schützt sie und schenkt ihnen Liebe.
All das tat Gerd mit seinen Ideen, welche letztendlich doch nur Hirngespinste blieben. Seinen Körper schmückte ein deutlicher Bierbauch. Trotz seiner stattlichen Größe von 1,95 m wirkte er klein und unbeholfen. Nach jeder Mahlzeit war es seine Kleidung, die mit Fleckensalz getränkt werden musste. Sein Kopf glich einer Kugel, wobei seine glänzenden Geheimratsecken diesen Eindruck noch unterstützten. Sein dunkelbraunes, fast schwarzes Haar war stets fettig. Schuppenberge sammelten sich auf seinen runden Schultern und ließen ihn aussehen wie ein großes Kleinkind.

Tamara Eichbaum nannte sich selbst Modedesignerin und war mindestens so erfolgreich wie ihr Mann. Beide hatten ein Händchen für Misserfolge und Kreditschulden. Tamara liebte teure Schuhe, ihr Repertoire umfasst rund 150 Paar. Gerd beschrieb ihre Figur gern als „Tonnenform“. Bei ihren 1,82m hatte ihr Körper sich nie dazu durch gerungen auch nur einen Hauch einer weiblichen Silhouette zu entwickeln. Zusammen mit ihrem kurzen dunklen Haaren sah sie gerade zu aus, wie die Herzkönigin aus „Alice im Wunderland“.

 

- drei -

Schon das dritte Mal in Folge hörte Alex wie er sich über das Mädchen her machte. Es war grausig zu wissen wie sie litt. Er selbst musste neben Tamara schlafen und so tun als wäre er dankbar für ihre Liebe und Nähe, aber er wusste, dass sie ahnte wie sehr er sie hasste. Als er zehn war kamen sie nach Russland. Er verstand kein Wort Deutsch, aber sie sprachen unentwegt, was ihn beleidigte. Er beschloss sich daneben zu benehmen, was die beiden nicht daran hinderte ihn zu adoptieren. Sie wünschten sich so sehr ein Kind und gaben unter Tränen zu, dass sie keine Kinder bekommen konnten. So kam es, dass sie sich in ihrem Urlaub in den kleinen Vollwaisen Alexander Smirnow verliebten. So wurde er ein Mitglied dieser Familie. Anfangs war es auch wie eine Familie. Er erhielt Deutschunterricht, war viel unterwegs, lernte in kurzer Zeit fast ganz Deutschland kennen und reiste mit ihnen um die halbe Welt.

Aber als er dann 13 wurde, änderte sich alles. Eines Morgens erwachte er, von einem ungewohnten Geräusch geweckt. Er war in einem fremden, hellen Zimmer. Seine Mutter, Tamara, stand neben dem Bett. Sie war nackt. Sie streichelte sich. Berührte ihre Scham und ihren Busen. Sie stöhnte und gab seltsam gurgelnde Laute von sich. Er sah ihr zu. Bemerkte, dass er zitterte, hörte seinen Atem. Er war erregt. Seine Pyjamahose stand ein wenig hoch. Dann schlich sie zu ihm ins Bett und begann ihn zu berühren. Das war der Moment, wo er zu ihrem Spielzeug werden sollte.

Mit seinen 16 Jahren war er noch immer ein Spielzeug. Er hasste es ihr untergebener zu sein. Aber die Angst, die Furcht, das Ungewisse lähmte ihn zu fliehen. Zumal es angenehmer war von ihr gequält zu werden, als von ihm. Er war so grausam zu ihm. Nie benutzte er Gleitgel. Er stieß so barsch in seinen Po, dass er mit den Tränen kämpfte und innerlich bettelte, dass es vorbei sein sollte. Einmal hatte er sich gewehrt. Gerd hatte ihn gezwungen, ihn mit dem Mund zu befreidigen, da hatte er zugebissen. Aus Wut hatte Gerd ihn mit einem Besen gefoltert. Das Resultat war ein Darmriss und ein dreiwöchiger Krankenhausaufenthalt. Als die Ärzte fragten, wie das geschehen war, behaupteten seine Eltern, es sei in der Schule passiert. Die Ärzte glaubten ihnen.
Seither legte er sich nicht mehr mit ihm an.
Und nun musste das Mädchen dadurch. Sie war nett, aber viel zu naiv. Als sie die kleine das erste mal besucht hatten, hatte er noch versucht sie zu warnen, aber sie ignorierte ihn. Er hatte Mitleid mit ihr. Im Gegensatz zu ihm, mussten sie bei ihr nicht warten. Sie war kein Junge, bei dem man auf den ersten Ständer warten musste. Sie dagegen war von Anfang an verloren. Selbst wenn sie erst zwei oder fünf gewesen wäre, er würde sie dennoch vergewaltigen.
Aber für diese beiden Wiederlinge waren Kinder über 12 das beste. Dann kam nur noch alle paar Monate ein Vertreter vom Jugendamt. Und kaum war der Typ wieder weg, begann das Spiel von vorn. Als nach seiner ersten Vergewaltigung ein Vertreter kam, reagierte er panisch, worauf Gerd ihn, nach dem Besuch, verprügelte.
Doch nun hatte er vorerst seine Ruhe. Gerd hatte nun die kleine und Tamara war zwar pervers, ohne Frage, aber noch lange nicht so brutal. Mit einem Mal wurde ihm bewusst, dass er mit seinen 16 Jahren zu alt wurde für die zwei. Er wusste nicht was sie mit den Kindern taten, die sie nicht mehr gebrauchen konnten, aber eines wusste er. Es würde grausam werden.

 

- vier -

Es war nur ein Traum. Das war alles was sie noch wusste. Denn hier war es nicht schön. Hier war es kalt, einsam und grausam. Doch eben da war es schön. Es war warm, hell und überall waren Kinder und sie spielten alle miteinander. Saskia war noch da und wollte wie immer die schlimmsten Dinge machen. Über irgendwelche Zäune klettern, Hunde ärgern, Obst klauen und all so ein Zeug, was sie sich nie trauen würde. Sie lachten, erlebten viel und waren die allerbesten Freundinnen. Sie träumte von ihrer ersten Begegnung mit den Eichbaum's. Wie Tamara über ihre Augen und Gerd über ihr Haar schwärmten. Damals trug sie ihr Haar noch offen. Sie freute sich über die baldige Adobtion, lachte so viel und war einfach unglaublich glücklich. Was sie heute war, konnte sie kaum in Worte fassen, aber glücklich war sie seither nie wieder gewesen.  Sie war traurig, einsam und hatte Angst vor jedem neuen Tag, welcher sich durch fröhliches Vogelgezwitscher anmeldete. Auch jetzt sag irgendein Vogel und läutete den neuen Tag ein, welcher wie immer sein sollte. Farblos. 
Es war ein Schultag wie jeder andere. Die Schule, welche sie besuchte, war ein typischer Plattenbau. Vier Stockwerke, zwei Hauptgebäude, verbunden durch ein Mittelstück von drei Etagen. Alles in allem war das blass-blaue Gebäude ein typischer DDR Bau, ohne jeden Glanz. Es war da um Schülern ein Dach zu sein, nicht um zu gefallen. Sie war eine dieser Schüler, eine der besten. Lernen viel ihr leicht. Sie war eine Außenseiterin, intelligent und hatte selten Probleme. Ihr Leben war das komplette Gegenteil. Sie konnte all die Schüler verstehen, die sie hassten, sie ein Nichts nannten und sie anstarrten. Sie hatten doch alle Recht. Sie war ein Nichts. Sie war widerlich, abartig, ekelig. 
Die Schulglocke läutete das Ende des Tages herbei. Heute war sie nicht wie gewöhnlich geknickt. Heute war sie seltsam fröhlich. Ihr Körper hatte ihr 5 Tage Ruhe geschenkt.

 Als sie die Haustür öffnete, bemerkte sie sofort den Zigarrengeruch. Gerd hatte Besuch.
Noch bevor sie umdrehen und zur Hintertür gehen konnte, ergriff Gerd ihr Handgelenk und zog sie ins Haus. Sein Gesicht verriet seine Lust und Ungeduld. Er wollte sie. Vor all seinen Freunden, wollte er sie nehmen. Sie sah ihn nur kurz an, raffte all ihren Mut zusammen, und begann leise zu sprechen.

„Ich, ähm … ich, ich habe meine Tage. Lass mich gehen. Bitte.“ 
Ein schwaches Zittern unterstützte ihre Stimme und die Tränen waren schwer zu bekämpfen.

Anfangs verstand er nicht was sie meinte, doch dann erkannte er ihre Absicht. Sie wollte sich widersetzten. Sein Gesicht verfärbte sich blutrot als er sie nun ansah. Sie wollte ihm sagen was er zu tun hatte, aber soweit würde es nicht kommen lassen. Mit einem abwertenden Schnaufen zog er sie hinter sich her in die Wohnstube. Sie sträubte sich, begann sich zu wehren. Doch all seine Freunde warteten auf das junge Fleisch. Er hatte ihnen von der kleinen geilen Schlampe erzählt und was sie nicht alles wollte. Sie alle waren geil und wollten den jungen Körper schmecken. 
Bis zu diesem Moment war sie sich sicher gewesen heil davon zu kommen, doch nun lähmte sie blanke Panik. Er stieß sie in die Runde, brachte sie zu Fall und ließ sie hart auf den Holzboden schlagen. Die Angst zerbrach ihren jungen Körper. Ihr Blut rauschte in ihren Ohren. Ihr Herz raste. Panik, nichts als Panik. Blanke Angst ließ ihre Muskel steif werden. Die Folter hatte ihren Höhepunkt erreicht. Nicht nur Gerd würde sie benutzten, auch all seine Bekannten würden sie quälen. Voller Furcht blickte sie in die unbekannten Gesichter.
Sie lechzten nach ihr. 
Mit einem Mal stand zwei der Typen auf und stellten sich vor Gerd. In deren Augen hatte sie nicht das verräterische Blitzen gesehen, welches sie bei Gerd immer sah. Einer der Typen stieß Gerd gegen den Bauch, der andere drehte sich zu den anderen Typen. Anne lag noch immer am Boden, doch als die Männer Gerd in die Mangel nahmen, versuchte sie aufzustehen. Doch noch immer waren ihre Muskeln steif. Sie zitterte vor Angst und weinte. Dann wurde Gerd gegen das Treppengeländer gepresst und die beiden Männer schnauzten ihn an. Das war ihre Chance. Sie holte tief Luft und raffte sich auf. 
Alle Augen in dem kleinen Raum starrten auf die drei Männer, welche sich schubsten. Dann drehte sich einer der beiden um. Es war der gewesen, der zuvor nur zugesehen hatte. Er ging zurück in die Runde, begann zu grinsen, starrte Anne an und öffnete seine Hose.

- fünf -

Als Alexander heim kam, nahm er sofort den Geruch von Schweiß war. Hier roch es nicht nach einer Person, hier stank es wie in der Jungenumkleidekabiene vom Fußballclub. Als er dann in die Wohnstube kam und den blutigen Boden erblickte wurde ihm schlagartig schlecht. Alles um ihn begann sich zu drehen. Wie ferngesteuert zog er sich die Treppe hinauf. Mit zitternder Hand berührte er die schwere Türklinke zu dem kleinen Zimmer. Ohne zu wissen was er tat, öffnete er langsam die Tür. Das quietschende Geräusch der alten Scharniere ließ ihn erschauern. Er hatte Angst. Angst vor dem was ihn erwartete . Angst vor dem was in seinem Kopf vorging.
Spontan schossen ihm Bilder von Horrorfilmen durch den Kopf. Seine Fantasie ließ ihn kurz inne halten, bevor er die Tür soweit geöffnet hatte, dass er in den Raum sehen konnte.

Das kurze aber deutliche Geräusch der Tür ließ sie langsam aufschauen. Kam er zurück? Was wollte er noch? Hatte er nicht schon genug zerstört? Ihr nicht schon genug genommen?
Ihr Körper fühlte sich matt.
Leer.
Tot.
Wer auch immer nun diesen Raum betrat, er würde ihr nicht mehr wehtun können. Sie hatte alle Schmerzen gelitten, alle Sinne verloren.
Sie war nackt. Nackt. Nicht verhüllte sie. Kein Schutz. Keine Sicherheit. Nichts.
Das einzige was sie benetzte war Blut. Ihr Blut. Es schien überall raus zu kommen. Als würde sie ertrinken. In ihrem eigenen Blut ertrinken. Die Haut auf ihrem Rücken spannte. Sie war offen, tat weh. Ihre Fingernägel waren eingerissen, abgebrochen. Einige fehlten. Sie stank. Stank nach Blut. Stank nach Schweiß. Und dann diese Müdigkeit. Sie wollte schlafen, doch sobald sie die Augen schloss sah sie die Männer, spürte die Qualen, als würden sie es ihr wieder und wieder antun.

 
Seine Augen wollten nicht glauben was sie sahen.
Da lag sie.
Nackt.
Gebrochen.
Blutig.
Zerstört.
Ihre Augen sahen ihn nicht. Sie waren matt. Kein Schimmer leuchtete in ihnen.
Er wollte gehen. Weglaufen. Sich verstecken. Aber er konnte nicht. Er starrte sie an. Starrte in ihre Augen. Versuchte etwas zu sehen, was ihm zeigen könnte ob sie noch lebte. Wie konnte man einem kleinen Mädchen so etwas antun. In all den Jahren, welche er bei den Eichbaum's verbrachte, hatte er schon viel gesehen. Viele Mädchen waren gekommen und verschwunden. Wohin wusste er nicht. Aber so etwas hatte er noch nie gesehen. Sie riskierten nie zu viel. Verletzten die Kinder nie. Wieso jetzt? Wieso so extrem?
Holzsplitter steckten in ihrer Haut. Fühlte sie es nicht? Es musste doch schmerzen. Ihre Beine waren Blutig. Ihre Brust zerkratzt. Ihr Haar war mit Blut, Spucke und Sperma verklebt. Sie sah schrecklich aus. Wie eine kaputte Puppe, die man im Dreck hatte liegen lassen. Die Lippen aufgeplatzt, die Augen blau unterlaufen, die Nase geschwollen. Ihr Körper sah unecht aus.
Er wollte sprechen. Wollte helfen. Doch seine Stimme und seine Kraft waren verschwunden.

 

Es war der Junge. Alexander. Er war da. Nun war er an der Reihe. Wollte der Bengel es ihm gleich tun. Sie auch noch quälen. War das seine Absicht? Sie sah ihn an. Sah ihn verschwommen und blass. Ihr Hals war so trocken, sie wollte etwas sagen, wollte schreien, fliehen. Er kam immer näher, wurde immer größer, immer bedrohlicher. Dann sah sie es. Urplötzlich wurde das Bild was sie sah klar und stechend scharf. Sie versuchte Kraft zu sammeln. Versuchte zu sprechen, ihn zu warnen. Sie sah ihn an, sah zu dem Schatten im Hintergrund. Er war so nah, so real, so bedrohlich riesig! Er würde sie holen, sie beide mit sich reißen. Sie wollte schreien. Wollte weglaufen. Sie begann zu zucken. Begann die Arme anzustrengen. Wollte sich aufrichten. Mit einem mal kam der Schatten ins Licht. Es war ein Mensch. Er sah sie an und im schwachen Licht des Flures funkelte die Waffe in seiner Hand bedrohlich hell.

 

Ihre Augen waren so unruhig, so in Bewegung. Was hatte sie gesehen in ihrer Trance? Zeigte ihre Fantasie ihr die schrecklichen Dinge, die ihr widerfahren waren? Und dann das zucken. Mit einem mal wurde ihm bewusst, dass etwas, jemand hinter ihm war. Ein metallisches Klicken riss ihn aus seinen Gedanken. Blitzschnell drehte er sich um, doch es war schon zu spät. Ein lauter Knall betäubte seine Ohren, als er von einer unmenschlichen Kraft zu Boden geworfen wurde.

- sechs -

Irgendwann ist es Zeit, dass die Kinder das Elternhaus verlassen. Man kann ihnen ja nicht ewig das Nest bereitstellen. Sie mussten raus. Die beiden würden verschwinden müssen. Er wollte nicht sofort alles beenden. Der kleine Mann sollte zusehen, wie sein Schwesterlein gehen musste. Sie würde ein bisschen mehr bekommen als er. Ihn hatte er nie gemocht. Er war ein Muttersöhnchen. Sie dagegen war etwas Feines. Hübsch, sportlich, intelligent. Der Traum eines jeden Vaters. Eines jeden Mannes. Heute würde sie gehen müssen. Sie würde verschwinden. Dann hatte sie nie existiert. Er hatte einen besonders schönen Platz für sie ausgesucht. Sie lag ihm irgendwie am Herzen. Er ließ die Flinte locker nach unten hängen und stieg über den Jungen um das zimmer zu betreten. Ihre Augen zeigten ihm, wie sehr sie sich freute ihren Papa zu sehen. Ihren Liebsten. Sie liebte ihn, dass wusste er. Er war doch immer so gut zu ihr. Gab ihr so viel Liebe. Stolz auf seinen Liebling legte er die Waffe auf den flachen Wäscheschrank und ging auf das Bett zu. Langsam öffnete er sein Hemd, begann sich auszuziehen. Seine Hose fiel zu Boden. Als er Nackt vor ihr stand, merkte er wohlwollend die beginnende Erregung. Ihr Blick war eindeutig. Sie wollte ihn. Sie wollte Papa's Liebe spüren.
Er setzte sich zu ihr. Ein Blick auf den Bengel bestätigte seine Freude. Er lebte noch. Und er sah zu. Er sollte zusehen, wie man mit einer Frau umgeht. Wie man sie glücklich macht.
Doch irgendwas war anders. Lag er nicht gerade anders da? Es kam ihm so vor, als hätte der Bengel die Arme von sich gestreckt gehabt. Mit einem Schulterzucken tat er es ab und wand sich ihr zu. Er wollte ihr zeigen, dass alles in Ordnung war. Sie musste keine Angst mehr haben. Er war nun bei ihr, um sie an sich zu drücken und sie zu verwöhnen.
Er strich ihr über den zermarterten Rücken und genoss ihr schmerzvollen Wimmern.

 

Sie wusste was geschehen würde. Erst Alexander, dann sie.
Und danach?
Nichts.
Dann war alles zu Ende. Dann waren sie Tod.
Kein weiteres Kapitel in ihrer beider Leben. So löste dieses Scheusal also Probleme. Er erschoss sie oder quälte sie zu Tode. Sie wollte sterben wie Alexander. Ohne einen Laut. Schnell und ohne weitere Schmerzen. Und dieser Scheißkerl sollte weiter sein beschissenes Leben führen. Weiter Kinder adoptieren, quälen, vergewaltigen und töten. Wut machte sich in ihr breit. Und mit ihr eine ungeahnte Kraft. Alex wollte ihr helfen und nun lag er tot da.
Doch dann, eine Bewegung. Er war nicht tot. Dieses Ekelpaket wollte, dass Alex zusah!!
Nein! Gerd sollte bestraft werden, nicht Alexander!!! Das war nicht fair!! Sie wollte schreien, ihm befehlen sich zu verpissen, sich den Schädel mit der Flinte wegzubomben. Doch dieser fette, alte ekelerregende Sack kam ihr immer näher. Sie wollte Alex anschreien ihr zu helfen. Er sollte Gerd verjagen, ihn aus ihrem Leben schaffen.
Wach endlich auf Alex!!!! Schrie es in ihrem Kopf.
Ihre Lippen ließen nur seinen Namen durchdringen.

 

Es brannte. Seine Schulter brannte. Warum tat es so weh? Was war passiert? Er konnte nichts sehen, alles war schwarz. Er versuchte zu blinzeln, doch sein Körper funktionierte nicht. Er konzentrierte sich, was seine Sinne schärfte. Mit aller Kraft bewegte er sich langsam. Vorsichtig drehte er seinen Arm unter seinem Oberkörper hervor, um den Druck zu verringern. Seine Hand formte eine Faust. Er atmete langsam und flach. Er hörte sein Blut pumpen, sein Herz schlagen und Geräusche. Da war jemand. Eine Bedrohung. Er roch Schweiß, Alkohol und Knoblauch. Er versuchte Kräfte zu sammeln. Versuchte einen Moment zu hören, der ihm günstig erschien. Er musste etwas tun. Er befahl sich ruhig zu werden und seinen Ohren zu vertrauen.

- sieben -

Lisbeth Schröder war eine alte, griesgrämige Lauscherin. Eine Frau Ende 80 mit dem Hang, den ganzen Tag am Fenster zu hängen und Leute zu beobachten. Selten entging ihr etwas. Ihre Augen waren zwar alt, aber noch lange nicht träge. Drüben bei den Eichbaum's war immer was los. Dieser fette alte Kerl und seine Frau. Also früher hätte es das nicht gegeben. Da wären die Frauen nicht so außer Haus gegangen. Und die Kinder, so was Unfreundliches. Nie grüßten diese unerzogenen Gören. Wie die Eltern so die Kinder. Aber heute war es anders. Nichts passierte. Rein gar nichts. Sie wäre ja in die Küche gegangen, hätte sich einen Tee gekocht und eine Schale Apfelmus gegessen, aber sie wollte nicht. Da musste doch heute noch was passieren. Die mussten doch mal raus. Irgendwas machen. Dann konnte sie wieder über die Kinder meckern und den Eltern Vorwürfe machen. Doch dann, ein erlösendes Geräusch!
Ein Knall, es geschah etwas! Endlich!
Sie hatte schon Angst, sie müsste die Richters von nebenan belauschen. Schon rückte sie ihre Brille auf der Nase zurecht und beugte sich vor um etwas weiter aus dem Fenster zu ragen. Ihre unbändige Neugierde war geweckt.

- acht -

Er hatte nur noch Augen für sie. Endlich hatte sie Angst. Endlich würde sie wimmern und um ihr Leben flehen. Sie würde ihm sagen, was er hören wollte. Er wusste das sie ihn liebte, dass sie ihn verehrte. Er gab ihr die Liebe die sie verdiente. Doch sie war unanständig geworden. Hatte begonnen, ihn zu verachten. So was tat man nicht, wenn man sich liebte.
Er beugte sich zu ihr, umschlang ihren Körper und begann sie zu küssen. Sein breiter Froschmund saugte sich an ihren Wangen und Lippen fest. Sabberte sie voll. Er hinterließ Spuckefäden auf ihrer Haut. Er stöhnte und keuchte. Anfangs nur ihren Namen. Dann erwähnte er immer wieder, wei sehr er sie liebte. Er umklammerte mit beiden Händen ihren Hals und drückte zu.
Hart presste er sie aufs Bett.
Drückte sie in ihre Kissen.
Genoss ihre erschrockenen, panischen Augen.
Seine Zunge guckte aus seinem Mund heraus und umspielte seine Lippen. Gebannt sah er zu, wie ihre Augen sich immer weiter öffneten und sie hektisch nach Luft schnappte.
Er spürte ihre Kehle unter seinen Händen. Ihr Körper wehrte sich gegen den nahenden Tod.
Er war der Peiniger, der Mörder, der Liebhaber, der Freund, der Gehasste.
Er war ihr Vater.

 

Die Laute der Gefahr drangen schwach an sein Ohr. Er wollte doch so gerne schlafen. Die Panik in den Geräuschen hielten ihn wach. So drehte er schwer den Kopf und versuchte zu sehen was geschah. Eine verschwommene Figur tanzte auf dem Bett. Sie bewegte sich so komisch. Keine Musik war im Raum, warum also tanzte sie. Er wollte mehr sehen, wollte sich aufstellen, doch er hatte keine Kraft. Er war so schwach. Seine Glieder so weich.
Die Figur begann heftiger zu tanzen.
Schneller.
Euphorischer.
Er stemmte sich mit aller Kraft auf, sah der Figur gebannt zu. Sie war seltsam. Sie hatte soviele Arme und Beine Ein kurzes Blinzeln schärfte seine Augen. Das war keine Figur, dass waren Menschen!!
Zwei Menschen!!
Mit aller Kraft zog er sich am Türrahmen hoch. Der kleine Mensch wurde langsamer. Der tanz schien sein Ende zu finden. Er blinzelte erneut. Dann sah er sie. Anne. Sie war blau angelaufen. Ihre Augen weit aufgerissen. Der Mund geöffnet,wie zu einem Schrei geformt. Ihre Zunge quoll dick aus ihrem Mund heraus. Kurze krächzende Laute verließen ihre Kehle. Ihre Glieder zuckten. Sie starb!!
Mit letzter Kraft stieß er sich von der Tür ab. Er taumelte durch den Raum, auf der Suche nach einer Waffe, einem Gegenstand, womit er sie retten konnte. Dann fand er die Schrotflinte. Ohne zu wissen was er tat, betätigte er den Bautenzug um nachzuladen und setzte an.
Der Rückstoß war so stark, dass er nach hinten geworfen wurde. Er stieß hart gegen die Wand, Schmerz zog durch seine Körper. Dann sah er auf. Er hatte getroffen. Statt der Tänzer, sah er nun ein rotes Bild über und auf dem Bett. Halb vom Bett hing eine leblose Person. Er hatte Gerd den Schädel vom Leib gepustet. Anne jedoch bewegte sich auch nicht mehr. Enttäuscht, sie nicht vor dem Tod gerettet zu haben, ließ er die Waffe fallen. Mit einem schweren Gefühl in der Brust setzte er sich auf. Der Schmerz schien ihn zu betäuben. Sein Körper legte sich auf den Boden. In der Fötusstellung ruhend, schloss er die Augen. Nun würde er schlafen dürfen.

 

 

 

 

 

 

TEIL II


 

 

 

Domus tutissimum cuique refugium atque receptaculum.

- Das eigene Haus ist für jeden der sicherste Zufluchtsort. -

aus: Corpus luris Civils

- neun -

Ein viertel mal würde er nicht klopfen. Nachdem die alte Frau den Notruf gewählt hatte und etwas von einer wilden Schießerei plärrte, hatte er erfreut seine Dienstwaffe ergriffen und den öden Bürotisch in trister Einsamkeit zurückgelassen. Seit Tagen geschah nichts in dieser Stadt. Ein, zwei Prügelein oder vielleicht ein größerer Beziehungskrieg, aber nichts wofür es sich lohnte einen hochgradigen Polizeichefinspektor los zuschicken. Doch eine Schießerei, ließ sein Blut schneller pulsieren. Endlich würde er wieder erfahren, was es hieß zu arbeiten. Mit der rechten Schulter voran, stieß er gegen die Tür, welche sofort nachgab. Taumelnd, verwirrt und nach halt suchend stolperte er in den kleinen Vorraum des Hauses. Es war vollkommen ruhig. Mit fester Stimme und schwankender Hoffnung, rief er in die scheinbar leeren Räume des schummrigen Gebäudes.

„Hier ist die Polizei! Ergeben Sie sich und kommen Sie mit erhobenen Händen raus!“

Auch nachdem er seine Worte ein drittes mal wiederholt hatte, rührte sich nichts. Eine kurze Handbewegung deutete den anderen Beamten in das Haus einzudringen und es zu durchsuchen. Mit gezogenen Waffen schwärmten die Männer aus und verteilten sich auf den zwei Etagen. Eine Stimme nach der nächsten ertönte aus dem Haus und verkündete „Gesichert!“ Es schien als ob die alte Frau sich verhört hatte. Wahrscheinlich kam der angebliche Schusswechsel, aus ihrem Fernseher. Eine Pleite. Das hieß zurück in die Wache.
Schon auf dem Rückweg zur Haustür hörte er die junge Männerstimme, welche zittrig, ängstlich und entsetzt klang. Einer der Neulinge hatte etwas entdeckt. Und es schien ernst zu sein.

 Einer nach dem anderen der Neulinge kam mit blasser Nase und schwachem Magen die Treppe herunter gejagt. Es war nervig, das die Neuen bei ihrer ersten Leiche immer kotzen mussten.
Er stand in dem eiskalten kleinen Raum. Kaum Möbel, kahle Wände, kein Fenster. Es wirkte wie ein Gefängnis. Auf dem Bett, welches verdammt ungemütlich aussah befanden zwei Leichen. Gegenüber vor der Wand, nahe der Tür lag eine dritte. Zwei Männer und ein Mädchen. Blut wo man nur hinsah. Der Raum war Quadratisch. Maximal 2.50m mal 2.50m. Und bis auf eine Wand, war alles mit Blut befleckt. Das meiste der männlichen Leiche auf dem Bett. Man hatte dem Typen den Schädel weg geschossen. Über dem Bett klebte sein Gehirn und Knochensplitter. Die zweite männliche Leiche befand sich in Nähe einer Schrotflinte. Ganz eindeutig die Tatwaffe.
Was aber genau passiert war, musste der Gerichtsmediziner herausfinden, welchen er via Handy informierte und zum Haus bestellte. Nun hieß es warten. Er wollte gerade beginnen den Tatort beginnen genauer zu untersuchen, als er es sah. Die Brust des Mädchens hob und senkte sich.

 

Dumpfe Geräusche durchflossen den Raum. Es war so kalt. So unglaublich eisig. Irgendetwas berührte ihren Körper. Dieses stetige Gefühl zu schweben, es war so gewohnt. So alltäglich. Die fremden Laute wurden stärker. Endlich hatte sie Ruhe gefunden und nun wollten diese Stimmen sie wecken. Sie zurückholen. Etwas berührte ihren Hals. War er zurückgekommen? Wollte er es beenden? Doch dann durch fuhr ein lauter Schrei ihren Kopf. Jemand schrie. Da rief jemand, dass sie noch lebte. Dann wurde sie angesprochen. Die Stimme wollte, dass sie aufwachte. Die Augen öffnete. Die Stimme schien ihre Sinne zu lenken. Sie öffnete die schmerzenden Augen. Begann zu blinzeln und sah in ein fremdes Männergesicht.

- zehn -

Was muss das für ein Gefühl sein, wenn man erwacht und einen nichts als Dunkelheit umgibt. Wenn man nur den Geruch von Kälte wahrnimmt und in einem nichts als Einsamkeit existiert.. Du begegnest dem Tag in absoluter Stille. In bedrückender Schwärze. Und du weißt nicht wo du bist. Du spürst nur deine Haut, welche von der kalten Umgebung schmerzt. Der Drang diese Umklammerung zu verlassen und den Ort zu entdecken, welcher in der Stille existiert, steigt. Doch die Angst, zu erfahren wo du bist, lähmt deine Glieder. Du bleibst still. Kein Muskel an dir bewegt sich. Nur dein Gehirn arbeitet. Du versuchst dich zu beruhigen. Dir einzureden, alles sei in Ordnung. Dein Kopf will glauben, dass du in Sicherheit bist, doch dein Bauch kennt die Antwort. Er kannte sie von Anfang an.
Du versuchst ihn zu ignorieren, sein Wissen zu verbannen. Doch es ist da, dieses Gefühl.
Das unbezähmbare Wissen, nicht allein zu sein.

- sechzehn -

Anja stand in dem Zimmer des Mädchens. Es war fast leer. Ein Schrank ohne Türen, festgeschraubte Holzplatten, keine Schubladen. Ein hartes Metallbett, eine alte Matratze, muffiges Bettzeug, kein Kuscheltier, keine Poster, kein Make-up, nichts, was für eine 14 jährige typisch wäre. Ein kleines Fenster, dass sich nur anklappen ließ, befand sich über einem Metalltisch, welcher am Boden verschraubt war. Man hatte nur wenige Stifte gefunden, keine Schere oder anderes Schulmaterial. Ein kleiner Nachtschrank, dass einzige Möbelstück mit Persönlichkeit, stand neben dem Bett. Es war nichts ungewöhnliches in dem Schrank gefunden worden, nur ein doppelter Boden des untersten Schubfachs. Doch dieser enthielt nichts. Es war deprimierend. Das Zimmer des Jungen war genauso eingerichtet, beide Zimmer besaßen schwere Metalltüren, welche viel Kraft voraussetzen um geöffnet zu werden. Zu beiden Türen hatte man die Schlüssel in der Hosentasche des Täters gefunden, welche im Zimmer des Mädchens gelegen hatte. Auf der oberen Ebene, war nur noch das Elternschlafzimmer, welches zwei getrennte Betten beinhaltete. Es war das einzige Zimmer, welches normal eingerichtet war. Im Schrank des Elternschlafzimmers hatte man Unmengen Sexspielzeug gefunden, an allem wurde DNS gesichert und zwar von allen vier Personen. Im selben Schrank wurden Rasierklingen gesichert, an welchen das Blut und die Fingerabdrücke des Mädchens hafteten. Entweder hatte man sie gezwungen oder sie hattesich selbst verletzt. Doch um das zu erfahren, musste die Kleine erst einmal erwachen, genauso wie der Junge.

Zur Zeit untersuchten zwei Beamte den Dachboden, doch dieser war, bis auf zwei Aktentaschen komplett leer. Beide Taschen waren aus Metall und durch Zahlenschlösser gesichert. Was auch immer da drin war, musste wohl sehr wertvoll sein. Beide Taschen wurden gesichert und zu den Experten aufs Präsidium gebracht.

Das einzige was sie verwirrte war, dass die Zimmer schon mehrfach neu gestrichen worden waren. Sie war gerade auf dem Weg in den Flur zwischen den drei Zimmern, als sie ein schweren Aufprall von unten hörte. Jemand hatte eine Tür geöffnet.

- elf -

Es war ein Tag wie jeder andere. Täter und Opfer. Jeder konnte zu jedem werden. Ganz egal was man sah, es war irgendwie immer eine Lüge. Man brauchte sich nur umsehen, dann wusste man den Tathergang. Manchmal langweilte ihn dieser Job. Die anfängliche Euphorie war verflogen. Seit mehr als zwei Stunden wühlte die Spurensicherung nun schon in den Räumen herum. Sie würde sogar die Scheiße auseinander nehmen, wenn sie es mussten. Alles war voller Puder.
Geistesabwesend sah er ihnen zu. Scherzhaft nannten die Polizisten die Spurensicherung als Maden. Grund dafür waren die weißen Overalls. Sie taten einen wichtigen Job, doch es nervte zu warten, bis man endlich genaueres erfuhr.
Er hatte in all seinen Dienstjahren in der Mordkommission schon vieles gesehen. Leichen schockierten ihn nicht mehr. Was ihn aber immer wieder anwiderte, war die Gewalt, die Menschen einander antaten.
Ein untersetzter kleiner Kerl von den Maden riss ihn aus seinen Tagträumen. Die Polizei sollte abrücken. Die Maden wollten ihre Ruhe. Er war nicht glücklich darüber, aber sobald der Tatort zu 100% gesichert und untersucht war, konnte er seinen Job beginnen.

Mit lockeren Schritten schritt er die Treppe hinab. Kaum das er die Haustür hinter sich verschlossen hatte, füllten sich seine Lungen gierig mit der eisigen Luft des Winters. Es gab Momente, wo selbst er, als abgebrühter Cop die Zeit zurückdrehen wollte. Sein Leben war gut. Er hatte eine wunderbaren Sohn, kaum älter als die Kleine, welche gut eine halbe Stunde zuvor ins Krankenhaus gebracht worden war. Zusehen wie ein Kind gequält, misshandelt und verstümmelt worden war, stach ihm ins Herz. Dann wollte er am liebsten alles hinschmeißen und sein eigenes Kind ganz fest an sich drücken um zu spüren, dass sein Sohn lebte. Zu spüren das er selbst lebte. Er sah fast jeden Tag Tote, aber wenn Kinder im Spiel waren, dann zerriss es ihn und er fragte sich immer wieder warum Menschen so grausam sein konnten.
Mit diesen schweren Gedanken und der Last auf den Schultern, sowohl Täter als auch Opfer beisammen zu haben und somit niemandem das Leben mehr zur Hölle machen zu können, der für die Kleine büßen müsste, setzte er sich in seinen Wagen und fuhr heim.

Polizei, Spurensicherung und Krankenwagen ziehen unglaublich schnell Blicke auf sich. Wie Mistfliegen die einen Haufen Mist wittern, schwärmten Menschen herbei und wollten wissen was geschehen war. Nicht nur das diese Gaffer nerven, sie verbreiten auch noch unglaublich schnell Gerüchte. Noch bevor die Medien anfangen das Leben zerstörter Seelen auszuweiden, verbreiten sich schon zig hundert sinnlose und dumme Theorien in einer noch so kleinen Stadt. So war es auch in diesem Fall.
Der Abend brach herein und noch immer wurde im Haus gearbeitet. Das Gebäude wirkte wie ein bedrohlicher Riese. Als würden die kalten Mauern erzählen wollen, dass in ihnen der Tod eingekehrt war.
Schon bald würden all die Neugierigen erfahren was genau in dem schaurigen Haus geschehen war.

- zwölf -

Sie hatte sich nicht einmal mehr in ihren kühnsten Träumen vorstellen können, jemals einen solchen Anblick ertragen zu müssen. Das, was all diese widerlichen Menschen dort anstarrten, war ihr Zuhause!
Unmengen Polizisten strömten ins Haus, andere blieben davor stehen. Sie wollte heim. In Ihre vier Wände. Sich zurück ziehen. Unsichtbar werden. Doch wie sollte das nun geschehen? Sie hatten so viel Material im Haus, was niemals, unter gar keinen Umständen gefunden werden durfte. Wenn diese dreckigen Bullen auch nur einen der geheimen Räume fanden, dann würde alles in sich zusammenbrechen. Und es würde nichts als Staub und Schutt übrig bleiben. Sie hatten in den letzten Jahren so viele Geheimnisse in diesen Mauern versteckt, dass es wie ein Schlag ins Gesicht wäre, wenn auch nur das kleinste Stückchen davon ans Licht kommen würde. Doch was sie noch mehr wurmte war, warum all die Polizisten im Haus waren. Was war geschehen? Sie musste wissen was passiert war. Leute erzählten was von Mord, Einbruch und Suizid. Aber was davon war wahr und warum brachten sie diesen dämliche, hässliche, widerliche Mädchen mit einem Krankenwagen fort? Sie hatte zwei Leichensäcke gesehen. Wer lag da drinnen. Alex? Gerd? Beide? Fremde?
Sie musste an Antworten kommen und das schnell. Sehr schnell.

 

Die Geräusche, welche sich immer tiefer in das Unterbewusstsein gruben, begannen ein wirres Stimmenspektakel zu entfachen. Keine der Laute schien wichtig. Nichts wo man hätte hinhören müssen. Und doch konzentrierte sich ihr Geist immer weiter auf die murmelnden Worte. Es musste einen Sinn geben, welcher all das erklären würde. Man hörte ja nicht von einer Sekunde auf die nächste irgendwelche Stimmen. Mit ungeahnter Willenskraft begann ihr Kopf zu arbeiten. Er wollte unbedingt den Sinn hinter all diesen Dingen finden. So überließ sie ihm die Zügel und lehnte sich zurück, in die beklemmende Dunkelheit, welche ihren Körper umarmte.

- dreizehn -

Endlich war der Tatort gesichert. Eigentlich eine positive Meldung, doch er wollte mehr. Er wollte dieses verdammte Haus komplett auseinander nehmen, alles finden, um wieder ruhig zu schlafen. Für seine Kollegen war der Fall klar, aber er hatte dieses Gefühl. Ein Gefühl, welches sich immer einschlich, wenn etwas da war, direkt vor seinen Augen und er es nicht sah. Etwas verdammt wichtiges, etwas, was alles erklären würde, das wieso und warum.
Er betrat die Wache mit gemischten Gefühlen, auf seinem Schreibtisch lagen viele Fälle, sortiert in gelben Umschlägen, markiert von verschiedenen Farben. Grün markierte Umschläge beinhalteten nichtige Sachen, wie Einbrüche, Überfälle und ähnliches. Fälle die er weiterleiten würde, Fälle die ihn nicht interessierten. Es gab zwar Todesfälle, aber alles was nicht rot markiert war, interessierte ihn zurzeit nicht. Und es gab nur einen Umschlag mit einer solchen Markierung. Das Rot sprang ihn förmlich an, es hielt ihn fest und gab ihn nicht mehr her. Dieser Umschlag beinhaltete alles, was die Spurensicherung gefunden hatte und auch die Autopsieberichte der beiden Männer, sowie die Identifikation der einzelnen Personen, waren in diesem unscheinbaren gelben Fetzen Papier gelagert. Informationen, die er brauchte, er war süchtig nach ihnen.
Mit zitternden Händen verschloss er die Tür seines Büros und setzte sich langsam, bevor er, geradezu ängstlich den Umschlag öffnete. Der Bericht der Maden lag oben auf. Er legte ihn beiseite und suchte hektisch die Unterlagen über das Mädchen. Die einzige Überlebende.
Seit dem Übergriff in das Haus, welches soviel Leid barg, waren zwei Tage vergangen, er wusste, dass die Unterlagen da waren. Und dann sah er sie. Ohne das viele Blut sah sie aus, wie jedes andere Kind. Doch dieses Mädchen lächelte nicht. Man hatte ein Passfoto beigelegt. Er hatte noch nie ein so trauriges Wesen gesehen. Ihre stumpfen Augen sahen in die Kamera und doch durch alles hindurch. Sein Herz begann lauter zu pochen. Da war etwas, etwas das er wissen musste.
Er atmete tief ein, setzte seine Lesebrille auf und begann die aufgelisteten Verletzungen zu lesen.

Prellungen und Blutergüsse am Oberkörper, den Beinen, dem Rücken und den Armen, starke Würgemahle am Hals, zwei gebrochene Finger an der rechten Hand, abgebrochene Fingernägel, teils so tief, dass die Ärzte die Nägel entfernen mussten, drei gebrochene Rippen auf der rechten Seite, schwere Hämatome im Gesicht, welche von Faustschlägen stammten, schwere Innere Verletzungen, insbesondere an der Gebärmutter und Vergewaltigungsspuren, Frische und teilweise Monate alte.
Er spürte wie sein Mund trocken wurde, sein Hals sich zuschnürte und er fest auf den Tisch einschlug. Doch er wusste nicht, dass er beobachtet wurde. Eine junge Kollegin stand in der Tür und wollte ihm gerade einen Kaffee bringen, als sie sah, wie ihr Abteilungsleiter wie versteinert auf das Papier starrte. Seine heftige Reaktion ließ sie zusammen zucken. Sie räusperte sich kurz, worauf sie mit förmlich toten Augen angesehen wurde.

„Vergewaltigt. Man hat die kleine Verprügelt, zusammen getreten und vergewaltigt. Anscheinend über Monate hinweg. Kannst du dir das vorstellen, Anja? Ein Mädchen, von 14 Jahren so zu quälen. Die haben 7 verschiedene Spermaspuren in ihr gefunden. Man hat ihr Knochen gebrochen, sie versucht zu erwürgen. Die wollten sie umbringen. Diese perversen Schweine, wollten sie tot ficken.“

Seine Stimme klang rau und doch drangen seine Worte so hart und klar an ihr Ohr, dass sie begann zu zittern. Ein Schluchzen entfloh ihrer Kehle. Müde stellte sie die Tasse, mit dem Kaffee, auf den nahen Aktenschrank und hielt sich an selbigem fest. Ihre kleine Schwester war 14, sie selbst gerade mal 24 Jahre jung. Zu hören, dass irgendwelche Perverslinge einem Mädchen von 14 Jahren so etwas antaten, ohne dass irgendwer etwas mitbekam, ließ sie würgen. Sie spürte seine Blicke, er ließ ihr Zeit sich zu beruhigen. Sie holte tief Luft und sah ihn an. Ohne zu merken, dass sie sprach, durchdrangen ihre Worte die beklemmende Stille.

„Ich will an dem Fall mitmachen. Ich will diese Schweine kriegen. Lassen Sie mich in ihr Team.“

- vierzehn -

Die Kleine wollte mitspielen, wollte sich beweisen. Müde starrte er auf das Dokument vor sich. Seine Augen überflogen das Dokument, immer wieder las er ihre Verletzungen. Es war da. Die Antwort die er brauchte war vor ihm. Aber er sah sie nicht. Mit gewohnter Routine, blätterte er um, schlug den Bericht des ältesten Opfers auf und begann zu lesen. Er spürte die Anjas Augen auf sich, hörte, dass er flüsterte. Sein Blut schien tropfen weise durch sein Herz zu fließen. Dann sah er es. Es war da. Er hatte es geahnt, damit gerechnet, doch nun schwebte es vor ihm, klar und deutlich. Die Antwort, auf die ungestellte Frage war gegeben. Er hatte die kleine versucht zu töten, er hatte sie mehrfach vergewaltigt, er war die Antwort!

„Was ist? Was haben Sie gefunden?“

Sie klang erregt, ängstlich, gerade zu wissend um die Entdeckung, die er getan hatte.

„Wir haben den Vergewaltiger. Es war der Kopflose. Er hat sie versucht zu erwürgen und sie wohl über Monate, wenn nicht Jahre misshandelt. Man hat seinen Ausweis im Haus gefunden, er heißt Gerd Eichbaum, keine Kinder, nicht Verheiratet. Lediglich eine Schwester ist bekannt. Das wohl einzige Familienmitglied von diesem Stück Scheiße. Er hat zwei Kinder adoptiert, eine Anna Schwadow und einen Alexander Smirnow. Seltsamerweise wurde in den jeweiligen Adoptionspapieren, eine Ehefrau erwähnt, eine Tamara Eichbaum. Das verrückte ist, dass in den Akten diese Tamara, die leibliche Schwester von unserem Matschkopf ist.
Die Frage ist nur, wo ist seine Schwester?“

„Hat er auch den Jungen misshandelt?“

„Gute Frage, ich hab bei dem Jungen noch nicht in die Akte

Mit neuer Energie begann er das Dokument durch zu lesen. Wie vermutet wurde der Junge auch vergewaltigt. Aber nicht allzu lange. Er hatte noch immer Vernarbungen im Mastdarm, aber er war wohl zu kräftig. Zu seiner eigenen Überraschung, hatte der Junge überlebt. Der Schuss hatte seine Schulter zerfetzt, er hatte viel Blut verloren, aber er lebte. Nun lag er auf der Intensivstation. Wieder einmal fragte er sich, warum man ihn nicht informiert hatte. Doch er vermutete, dass es daran lag, dass man ihm nicht vertraute. Es lag an seinem Sohn. In Fällen, wo Kinder im Spiel waren, hielt man ihn für instabil. Er durfte die Ermittlung leiten, aber Kontakt mit den Überlebenden Kindern wurde ihm verwehrt. Seit vor 5 Jahren sein Sohn, von einem Tatverdächtigen mit einem Messer verletzt wurde, hielt man ihn für unzuverlässig, was den Kontakt mit Opfern anging.
So musste er diesen Teil an einen Kollegen abgeben, einem dem er vertrauen konnte. Müde schleppte er sich zur Tür des Büros und rief nach Thorsten Stanitz, seinem alten Partner, als er noch auf Streife war. Niemandem traute er mehr als ihm. Er sollte die Kinder

- fünfzehn -

Das Haus war seltsam. Groß und unpersönlich. Er ging mit wachsamen Augen durch die Räume und nahm alles alles auf, was ihm wichtig erschien. Keine Familienfotos, keine Kindheitserinnerungen. Nichts was auf eine Familie hinwies.
Überall Fingerabdruckpulver, überall Spuren, welche die Maden gemacht hatten. Es war beklemmend. Das Haus bot zu viel Platz für Geheimnisse. Er stand in der Wohnstube, dem Ort des Geschehens. Die Maden hatten Blutspuren, Schweiß, Speichel, Vaginalflüssigkeit und Sperma auf dem Boden gefunden. Die Tests ergaben die selben Ergebnisse wie die Untersuchung des Mädchens. Er sah in die nahe gelegene Küche, dreht sich langsam zum Flur, entdeckte die Treppe, welche hoch führte und bemerkte, dass alle Glasobjekte, Türen und Fenster, mit Milchglas versehen waren. Es war eine Festung. Kein Hinterausgang, keine unübersichtlichen Bereiche, keine Versteckmöglichkeiten. Auf dem Weg zur Treppe, schaute er sich weiter um. Der Flur endete in einer Sackgasse, kein Durchgang zur Küche, keine Kellertreppe, nichts. Er schritt den Flur entlang, sah in die Einmündung unter der Treppe und betrachtete den Boden. Ein Teppich bedeckte den Flur. Sein Instinkt schrie ihn an. Er fühlte das Kribbeln in den Fingern, spürte seine Nackenhaare, wie sie sich aufstellten. Da war etwas. Direkt vor ihm, doch seine Augen waren blind von der Aufregung. Er wollte nicht hoch, wollte nicht die Kinderzimmer betrachten. Er war hier um mit den Kollegen Beweise zu sichern, dafür musste er hoch, doch hier war etwas. Er roch es förmlich. Mit trockenem Hals ging er zur Treppe. Immer wieder starrte er auf die Einbuchtung, auf den Boden. Langsam schritt er die Treppe hinauf, den Blick auf den Boden gerichtet. Oben angekommen, sah er hinunter. Starrte gebannt auf den Boden, starrte auf das Muster, starrte auf eine Stelle, nahe der Einbuchtung, starrte auf den Teppich. Alles um ihn verschwand, wich einer Schwärze, nur dieser eine Bereich blieb bestehen, nur dieser eine Bereich. Wie

- siebzehn -

Eine Leiter schaute ihn gerade zu höhnisch an. Es war eine Falltür, welche in eine Ebene unter ihm führte. Wedel fühlte die Anspannung, er hasste enge Orte und dieser Bereich nach unten war verdammt eng. Ehe er sich versah stand Anja in der Tür und richtete ihre Waffe auf ihn. Er sah sie belustigt an und konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen. Die Kleine hatte die Hosen voll.

„Nimm die Waffe runter, oder willst du deinen Vorgesetzten abknallen? Komm lieber her und hilf mir oder hast du keine Lust mehr auf Action?“

Mit rotem Kopf und zitternden Knien steckte sie die Waffe zurück in das Halfter und ging zu ihm. Verwundert sah sie in den dunklen Gang.

„Wo kommt der denn her?“

„Er war die ganze Zeit da, ich habe vorhin einen Knick im Teppich entdeckt und hab unter dem dann diese Falltür entdeckt.“

„Was glauben Sie ist da unten?“

Die Angst war ihr ins Gesicht geschrieben. Er hatte gehofft, dass sie keine klaustrophobischen Anfälle hatte, wie er, doch wie es schien, bestand sie nur aus Ängsten.

„Nun, ich hoffe eine Lampe, denn im Dunkeln finden wir nicht viel.“

Sein Spott stach kurz in ihren Stolz. Sie hatte Angst zu versagen, dass war ihre erste große Ermittlung, noch dazu unter Wedel, der Mann war unglaublich. Manche behaupteten, er hypnotisiere den Tatort so lange, bis dieser etwas her gab. Langsam begann sie daran zu glauben.

„Ok, Anja, wir beide gehen da jetzt runter, denn ich weiß nicht ob du es riechst, aber diese Dunkelheit stinkt nach Verwesung.“

Mit eingeschalteten Taschenlampen standen beide vor der Öffnung und leuchteten hinein, sie konnten den Boden sehen, aber sonst nichts. Wedel schritt als erster hinab, Anja folgte zögernd. Als beide unten waren, standen sie vor einem Sicherungskasten, neben welchem Lichtschalter montiert waren. Wedel betätigte alle, worauf es unberuhigend hell wurde, gerade zu steril hell. Der Keller bestand aus einem Hauptgang, mehreren Abzweigungen und nassen Böden, sowie Wänden. Der Geruch, war schwach, aber vorhanden, irgendwo hier unten verweste etwas, oder jemand.

Langsam gingen sie den Gang links entlang, dem Geruch folgend. Mit gezückten Waffen schritten sie durch den gespenstisch leisen Bereich. Plötzlich stieß Anja Wedel an, ihr Blick richtete sich zu Boden, er hatte nur geradeaus gesehen, war hellwach und zugleich unter Strom. Er folgte ihrem Blick und erstarrte. Auf dem Boden zog sich sich eine Blutspur entlang. Nicht frisch, aber noch immer deutlich erkennbar. Doch nicht nur diese Spur ließ beide versteinern. Auf diesem Boden schienen Jahre alte Blutlachen zu ruhen. Der eisenhaltige Blutgeruch drängte sich in ihre Nasen, verdrehte ihnen die Sinne. Die Spuren führten alle zu einer Tür, welche vollkommen sauber war. Alles war sauber, nur der Boden nicht. Keine Spinnenweben, kein Staub, nichts. Langsam gingen beide auf die Tür zu. Wedel legte seine Hand auf die Klinke, gerade noch dachte er, dass diese eh verschlossen sein wird, als die Tür ganz leicht aufging. Ohne jeden Laut öffnete er sie. Das selbe Licht wie im gesamten Keller blendete ihn kurz, dann sah er klar. Der Raum war ungefähr fünf Meter lang und vier Meter breit. Sie waren unter dem Wohnzimmer. Hier war es feucht, es stank nach Tot. Schon im Wohnzimmer hatte er die keinen Schimmelherde bemerkt und sich nichts dabei gedacht, doch nun wurde ihm schmerzlich bewusst, dass die Schimmelpilze aus dem Tot entstanden waren.
Er zückte sein Diensthandy um den Gerichtsmediziner zu benachrichtigen, doch hier unten hatte er keinen Empfang. Er wollte gerade gehen, als er Anja ins Gesicht sah. Sie war blass, erschrocken und geschockt. Doch ihr Blick war wach. Er dreht sich erneut um, folgt ihrem Blick und sah die winzigen Fleischlosen Finger, welche aus der Erde ragten. Der Boden war teilweise mit Beton überzogen, nur in der Mitte war ein gut zwei mal zwei großes Quadrat, welches aus reiner Erde bestand. Das Licht hatte die einzelnen Knochen unsichtbar gemacht. Vorsichtig näherte er sich dem Grab. Er atmete durch den Mund um nicht würgen zu müssen. Neben den Fingern ragten noch andere Knochen und teilweise halb verweste Körperteile aus dem Boden heraus. Das hier war ein Massengrab. Dieser Fall errung gerade oberste Priorität.

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KathaGro

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Boris manchmal klingt Deine Ausdrucksweise - ein wenig geschraubt
Die Geschichte ist harter Toback
und geht dem Leser ans Herz

Boris
Vor langer Zeit - Antworten
KathaGro Re: Seelenkratzer heilen nicht - Dankeschön für die Hinweise :) Man selbst überließt so etwas schnell, daher bin ich wirklich sehr dankbar für die Hinweise.

Vor langer Zeit - Antworten
Zeitenwind Seelenkratzer heilen nicht - Hallo KathaGro,
ein sehr heikles Thema. Die Wunden werden niemals heilen und die Verantwortlichen kommen leider meist unbehelligt davon. Ich bin auch sehr nah am Thema.

Kleine Flüchtigkeitsfehlerchen haben sich dennoch eingeschlichen.


Seite 4 Zeile 10: "...bemerkte sie sofort die es." ???
Seite 4 Zeile 11: "...zwischen >ES< Ebenen"
Seite 6 Zeile 5: "...schien zu einem Schwan zu werden" hier fehlt ein "sie"
Seite 6 Zeile 13 "Vertrete " hier fehlt ein "r"

Gruß vom Trollbär
Vor langer Zeit - Antworten
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