1“Komm schon, ich habe nicht ewig Zeit! Wenn du noch mit willst, dann komm jetzt runter!”, schrie es unten aus der Küche. Kathleen schnappte schnell ihren Reithelm, kramte ihre Reitstiefel unter dem Bett hervor und lief die Treppe hinunter in die Küche. “Na endlich! Nun komm, mein Zug fährt bald los.” Mit Augendrehen folgte Kathleen ihrer Mutter. Die musste mal wieder zu einer ihrer 5Fortbildungen, von der Arbeit aus. Sie ist Tierärztin.
Kathleen ist ziemlich stolz darauf, dass ihre Mutter als Tierärztin arbeitet, aber diese Fortbildungen immerzu fand sie ganz schön nervig.
Sie war dann immer alleine zu Hause, denn ihren Vater kannte sie nicht einmal. Er ging, als sie gerade mal 4 Jahre alt war. Na ja, da wäre ihre Oma, die dann auf sie aufpasst, solange ihre 10Mutter auf Fortbildungen ist, aber die konnte man eigentlich nicht mitzählen, da sie ebenfalls nie zu Hause war, sondern lieber mit ihren Freundinnen Eis essen, Enten füttern, spazieren oder Schwimmen ging. Halt solche “Omi-Sachen”.
Kathleen war das ganz Recht, so war da niemand der ihr nervige Fragen stellte und sie konnte in Ruhe im Fernsehen nachmittags auch mal Springreiten schauen, jedenfalls wenn sie dann nicht 15gerade im Stall ist.
“Wo genau soll ich dich denn absetzen? An der alten Tanne oder lieber direkt auf dem Parkplatz?” fragte ihre Mutter hastig. “Bei der alten Tanne, von da aus kann ich alleine gehen.” antwortete Kathleen kurz und knapp.
Kurz darauf kamen sie auch schon bei der alten Tanne an. Kathleen, von ihrer besten Freundin 20Madleine auch liebevoll Katy genannt, stieg aus dem Auto, beugte sich durch das Fahrerfenster und gab ihrer Mutter noch schnell ein Küsschen. Dann ging sie los in Richtung Reitstall.
“Ich habe dich lieb, mein Schätzchen.” flüsterte ihre Mutter, Chantal, ihr noch leise hinterher. Es tat ihr immer furchtbar Leid, wenn sie wieder mal für 2 Wochen weg muss, doch dieses Mal waren
es die gesamten Sommerferien lang; Die Fortbildung ging über mehrere Wochen und war keine gewöhnliche Fortbildung. Ihre Tochter nimmt das Ganze gelassener, was vielleicht auch daran liegt, dass sie jeden Tag bei den Pferden in dem Reitstall, wo sie einmal wöchentlich Unterricht bekommt, verbringt und mit ihrer besten Freundin in Gedanken plant, wie alles ist, wenn man ein eigenes Pferd hat. Ja, das war das was sich Katy wünschte. Ein eigenes Pferd.
Aber welches 14 jähriges, pferdevernarrtes Mädchen wünscht sich das nicht? Ihrer Mutter gegenüber verlor Katy darüber noch kein einziges Wort. Zu groß ist ihre Angst, enttäuscht zu werden. Dann träumt sie lieber von ihrem eigenen Pferd. Ihre Mutter interessiert sich auch nicht sonderlich für Pferde. Höchstens fragt sie Katy, wenn sie aus dem Stall kommt, wie ihr Tag im Stall so war. Aber auch das wirkt auf Katy eher so, als ob ihre Mutter denkt, dass sie das fragen müsste, so tun müsste, als würde sie das wirklich interessieren, wobei es das gar nicht tut. Aber so sind Mütter halt. Katy machte sich nicht viel daraus und antwortete einfach, wobei die Antwort eh immer die gleiche war. Wie soll es im Stall gewesen sein? Würde sie wirklich täglich zum Stall gehen, wenn es nicht dermaßen schön dort sein würde? Kathleen schlurfte und schoss jeden Stein der ihr im Weg lag mit ihrem Fuß weg. Sie musste grinsen. Wenn ihre Oma das jetzt sehen würde, würde sie ihr wahrscheinlich den Kopf abreißen. Ihre Oma ist unheimlich fürsorglich und denkt immer um alle Ecken. In diesem Fall hätte sie wohl Angst, dass der Stein ein Autofahrer durchs offene Autofenster trifft, der daraufhin einen Unfall baut und sie überfahren würde. Okay, das ist vielleicht jetzt etwas übertrieben, aber anders kann man dieses “Um-die-Ecke-Denken” ihrer Oma nun mal nicht beschreiben.