Die Via haben es geschafft einen Brückenkopf zu errichten. Schwer beschädigt treibt die Kronos in der Leere, während die überlebende Besatzung einen Weg sucht, zur Erde zurückzukehren. Währenddessen wird Rafail Coel von Visionen geplagt, die ihn an den Rand des Wahnsinns treiben. Das kurzzeitige Bündnis mit den Artheranern droht zu zerbrechen. Und immer mehr Kolonien spalten sich vom menschlichen Parlament ab. Bildquelle : Two giant sun in space. Fotalia.com
Enclave war eine trockene Welt. Nahe an dem Stern des Systems, einem blauen Zwergs gelegen erschien der Planet fast winzig obwohl er fast den doppelten Durchmesser der Erde hatte.
,, Wir gehen auf der Nachtseite runter, da werden wir nicht sofort geröstet.“ , wies Seyonn Ägir an. Gelbliche Staubschleier in der Atmosphäre verdeckten stellenweise die Sicht auf die Oberfläche der Welt.
,, Ich weiß, ich war schon mal hier.“ , antwortete der Navigator.
,,Ich nicht.“ , erwiderte Coel. Ohnehin war es ungewöhnlich für einen Menschen, hierher zu kommen. Vertreter der Unity fand man zwar in der ganzen Galaxie verteilt aber nur die wenigsten hatten je auch nur einen Schritt auf Enclave gesetzt. Woran allerdings auch die ungastliche Oberfläche des Planeten ihren Anteil hatte. Der blaue Stern schickte Wellen aus Strahlung über die leeren Wüsten, die jedes Leben wohl über kurz oder lang auslöschen würden. Es gab nur wenig Vegetation, die sich diesen extremen Bedingungen angepasst hatte und praktisch kein tierisches Leben.
,,Na da können sie sich schon mal auf was gefasst machen.“ , meinte Martin. ,, Die Städte sind unterirdisch und… ach das sehen sie bald selbst.“
Coel nickte ihm nur zu. Wenn Martin sich schon für Architektur begeisterte, musste an der Sache ja was dran sein. Er zuckte kurz zusammen, als sich seine Kopfschmerzen zurück meldeten und ihn lebhaft daran erinnerte, warum sie hier waren.
,, Und sie Watergate ?“ , fragte Ägir.
,, Ich hoffe nur das geht schnell.“ , knurrte dieser. ,, Wir verschwenden schon genug Zeit.“
,, Wollen sie das nochmal wiederholen ?“, sagte Aine und bemerkte zu ihrer Zufriedenheit, wie Watergate tatsächlich ein Stück zurückwich.
,, Wie wäre es, wenn wir versuchen, friedlich zu bleiben ?“ Seyonn sah zwischen Aine und Watergate hin und her. ,, Das wäre besser für alle.“
Unsicher, ob die letzte Bemerkung eine Drohung war, trat Aine einige Schritte zurück. ,, Na schön.“
,, Coel, wie geht es ihnen ?“ , wollte der Unity-Abgesandte wissen.
,, Kopfschmerzen, wie immer und diese verdammten Bilder, die mir einfach nicht aus dem Kopf wollen. Immer dieselben Symbole, immer dieselben Zahlen.“
,, Ich weiß, ich habe ihre.. Aufzeichnungen, wenn man das so nenne kann gesehen. Ich würde sie gerne Utgar zeigen. Er wird vielleicht wissen, was zu tun ist.“
,, Wenn sie meinen, dass das wichtig sein könnte.“
,, Es stammt von den Erbauern. So ziemlich alles, was wir daraus erfahren könnten, ist wichtig.“
,, Aber sie wissen noch nicht, ob das überhaupt etwas bedeutet ?“
,, Noch nicht.“ Seyonn betonte das noch, als wäre er bereits überzeugt, dass es mehr war als die Halluzinationen eines überlasteten Verstands.
Der feine Sand auf der Oberfläche von Enclave wurde durch den Luftzug, den die Kronos erzeugte aufgewirbelt und mitgerissen und bildete eine Kilometer weit sichtbare Wolke in der klaren Nacht. Die meisten großen Schiffe waren zu schwer um auf einem Planeten sicher landen zu können oder auch nur von diesen abzuheben, ohne auseinanderzubrechen. Dieser Umstand sorgte dafür,
dass sie meist im Weltall gebaut wurden und auch bis zu ihrem Zerfall oder bis zur Zerstörung dort blieben.
Die Kronos war leicht genug, um in der Schwerkraft eines durchschnittlichen Planeten nicht zerrissen zu werden, aber es stellte immer noch eine Herausforderung dar, die tausende Tonnen Stahl auf den Boden zu bringen.
Trotzdem schaffte es Ägir irgendwie an der von Seyonn beschriebenen Position zu landen. Eine große steinerne Plattform erhob sich wie ein künstlicher Berg über den Dünen. Als das Schiff darauf aufsetzte rieselte die Sandwolke in der Ferne zu Boden und erfüllte die Luft mit dem knistern von Tausenden langsam zu Boden fallenden Sandkörnern.
,, Das also ist es ?“ , fragte Coel, nachdem er, Martin, Aine und Seyonn das Schiff verlassen hatten. Der Rest würde an Bord bleiben und versuchen einige letzte Schäden zu reparieren, um die sie sich im All nicht hatten kümmern können. Er ließ seinen Blick eine Weile über das endlose Sandmeer schweifen.
,, Es wirkt fast friedlich.“ , meinte Aine
,, Friedlich ? Es gibt hier draußen praktisch kein Leben. Mir macht der Gedanke eher Angst.“ Martin sah zu Seyonn. ,, Also, können wir ?“
Der Unity-Abgesandte nickte, dann… begann die Steinplatte sich abzusenken. Coel trat vom Rand der Plattform zurück, während diese langsam im Sand verschwand der , anstatt sie zu begraben , durch irgendetwas zurück gehalten wurde und einen senkrechten Tunnel bildete.
,, Ich sagte doch, das ist beeindruckend.“ Sagte Martin.
Coel sah sich einen Moment sprachlos um. ,, Ja… Ich schätze das ist genau das richtige Wort.“
Die Plattform erreichte das Ende des seltsamen Tunnels und schwebte plötzlich frei in der Luft. Coel musste ein paar Mal blinzeln, bis er seinen Augen traute. Unter ihnen und auch an den seltsam kristallin wirkenden Felshängen lag eine ganze Stadt. Schwindelerregende Bauten, die sich in den dunklen Himmel der Höhle erstreckten, Straßen und Wege die wie aus dem Stein poliert wirkten und über allem… über all dem lag ein grauer Nebel, der sich hier und da zu flüchtigen Formen anzuordnen schien, an manchen Stellen dichter wurde, während er sich an anderen Auflöste.
,, Ist das…“ , begann Aine.
,, Das sind wir.“ , erwiderte Seyonn.
Ohne Vorwarnung verdichtete sich der Nebel auf Höhe der Plattform und zwei Gestalten bildeten sich heraus. Ein Mann und eine Frau die wie Menschen aussehen, aber Coel brauchte sich nichts vormachen. Er hatte zwei Vertreter der Unity vor sich und anders als Seyonn wirkten sie kalt und unversöhnlich, auch wenn er nicht wüsste, was er getan haben könnte um sie zu verärgern… außer…
,, Weshalb kommt ihr hierher ?“ Die Augen der Frau fokussierten ihn, als Seyonn sich an der Gruppe vorbei nach vorne drängte. ,, Wir benötigen Hilfe. Es gab einen Unfall in einem Archiv.“ Wenn die Nachricht die zwei überraschte, so zeigten sie es nicht. Seyonn schildete Grob, wie sie in das Archiv gelangt waren und was danach geschehen war.
,, Ihr solltet Utgar aufsuchen.“ Es klang wie ein Befehl, nicht wie ein Vorschlag.
,, Das hatten wir ohnehin vor.“ , erklärte Seyonn.
,, Gut, aber vergesst nicht Seyonn, ihr seid für diese Leute verantwortlich. Und ihr habt hier nicht mehr viel Rückhalt.“ Mit diesen Worten verschwanden die zwei Gestalten in einem Wirbel aus grauen Partikeln.
,, Na da fühle ich mich doch gleich viel besser.“
Einige Augenblicke später kam die Plattform endlich zu einem halt, als sie den Boden erreichten.
,, Ich denke mal, damit ist klar wohin wir müssen.“
Seyonn nickte. ,, Utgar ist ohnehin vermutlich der einzige der ihnen helfen kann Coel.“
,, Vermutlich ?“
,, Da wären noch die Via. Die würden einfach aus ihrem Verstand rausreißen was sie brauchen. Das wäre ihrer Gesundheit nicht sehr zuträglich.“
,, Klingt ja freundlich. Womit muss ich rechnen?“
,, Utgar ist einer der ältesten unter uns. Sie sollten auf jeden Fall respektvoll sein.“ , erwiderte Seyonn.
,, Sie sagten er sei auch ein Archivar… wo genau liegt der Unterschied zwischen Archivaren und Unity ?“ , fragte Coel, der sich immer noch nach allen Seiten um sah. Ab und an schimmerten wieder Symbole und geometrische Formen an den Rändern seines Gesichtsfelds auf.
,, Archivare sind… Verwalter wenn man so möchte. Das Wissen, das die Unity vor und auch nach dem Zusammenbruch ansammelte ist gewaltig. Es braucht mehr als einen Computer um damit umgehen zu können. Unsere Lösung waren organische KIs, ein echtes Bewusstsein, vernetzt mit dem gesamten Fundus unseres digital gespeicherten Wissens. Wissenschaft, Geschichte, Taktiken…
Es ist schwer nur mit Worten zu beschreiben.“
,, Grob gesagt… eine Art Nexus für sie ?“ , wollte Aine wissen.
,, So ähnlich.“ , bestätigte Seyonn. ,, Aber viel mehr. Gehen wir.“
Coel wusste nicht, wie lange sie durch diese seltsame, fast leere Stadt wanderten. Unterwegs begegneten sie fast niemand. Nur ab und zu gelang es ihnen einen Blick auf eine entfernte Gestalt zu erhaschen, die sofort wieder verschwanden.
Schweigend betrachtete er die Gebäude und Straßen unter ihnen. Mittlerweile folgte die kleine Gruppe einem Weg, der an der Seitenwand, welche die Anlage begrenzte, nach oben führte, so dass er sich einen Überblick über die Stadt verschaffen konnte. Kristalline Strukturen, die ihn mehr an ein Lebewesen als an ein Gebäude erinnerten wechselten sich ab mit Bauten, die einfach aus dem Stein geschnitten schienen. Aber über die Oberfläche all dieser Bauwerke lief ein seltsamer Schimmer, der eine sanfte Helligkeit spendete und es ihnen erlaubte sich bequem zu orientieren.
Etwa auf halbem Weg die Straße hinauf sah Coel noch einmal nach unten.
Ein Kristallturm zerfiel, ohne Vorwarnung, vor seinen Augen zu staub.
Es gab keinen Übergang oder ähnliches, das Gebäude verschwand einfach von einem Augenblick zu anderen.
Er blieb einen Augenblick unsicher stehen. Seine Kopfschmerzen waren vergessen.
,, Wir müssen weiter.“ , hörte er Martins Stimme.
,, Ich komme gleich.“ Einen Augenblick noch starrte er misstrauisch auf die leere Stelle, dann drehte er sich um und folgte den anderen.
Letztlich erreichten sie eine kaum sichtbare Tür in der Wand. Es war mehr eine Vertiefung und wenn Seyonn sie nicht darauf aufmerksam gemacht hätte, wären sie vermutlich glatt daran vorbei gelaufen. Die Tür selbst bestand aus einem dunklen, glasartigen Material.
,, Und was jetzt ?“
,, Wir gehen rein.“ , erwiderte Seyonn und legte eine Hand auf das schwarze Glas. Der vorher massiv wirkende Block Material teilte sich plötzlich und verschwand, wie auf ein unsichtbares Signal hin, in der Wand.
,, Ich vermute mal, sie haben mehr getan, als nur ihre Hand darauf zu legen ?“
,, Nein, ich habe lediglich bestätigt, wer ich bin.“ , entgegnete er ,, Hätten sie, oder ein Via ihre Hand auf diese Tür gelegt… wären sie abgewiesen worden. Schmerzhaft.“
Seyonn trat durch die dunkle Öffnung und sie fanden sich in einem Kreisartigen Raum wieder, der ebenfalls komplett aus Obsidian zu bestehen schien. Die Wände formten eine Kuppel über ihren Köpfen, sofern Coel das im schwachen licht erkennen konnte.
Ein Geräusch ließ ihn herumfahren und das letzte was er sah, bevor das Licht von draußen verschluckt wurde war, wie die schwere Glas-Tür wieder zufiel.
,, Was soll das ?“ , fragte Aine.
,, Geduld.“ , ermahnte Seyonn sie.
,, Ich bin einfach nicht gerne eingesperrt.“
,, So wie jeder von uns.“ , erwiderte Martin.
Coel hingegen sagte nichts. Langsam nahm er auf den dunklen Wänden so etwas wie einen rötlichen Lichtschimmer war. Zuerst war der Schein ganz subtil, dann jedoch bildeten sich aus den Lichtern Buchstaben, Zeichen…. Er erkannte einige davon, darunter auch Symbole, die er auf Goodsprings und letztlich auch in seinen Visionen gesehen hatte.
Und dann trat etwas aus dem halbdunkel. Ein zuerst kaum wahrnehmbarer Schemen, der wie die Lichter zuvor nur langsam eine feste Gestalt annahm.
,, Utgar, ich möchte euch…“ , setzte Seyonn an.
,, Man hat mich bereits über deine Rückkehr informiert Seyonn. Und auch über unsere Gäste.“ Er schien jeden der vier eindringlich zu Mustern. Martin nickte die jetzt deutlichere Gestalt sogar kurz zu, wanderte dann weiter zu Aine, wobei er keine Überraschung zeigt, neben den Menschen auch noch eine Artheranerin vorzufinden und blieb dann bei Coel hängen.
,, Sie leiden.“ ,stellte er schlicht fest.
,, Nun es gibt so einiges unter dem ich leide.“ , erwiderte Coel. Er hatte keine Angst… aber dieses Wesen vor ihm strahlte etwas aus, das ihn von den wenigen anderen der Unity denen er bisher begegnet war und den Via unterschied. Etwas Kaltes, auf unbestimmte Art erhabenes.
,, Offenbar.“ Utgar wendete sich an Seyonn. ,, Wie lange, seit er dem Archiven ausgesetzt war ?“
,, Etwa ein Tag.“
,, Das könnte schwierig werden.“ Zum ersten Mal meinte er so etwas wie Unsicherheit oder Besorgnis in der sanften, aber monotonen Stimme zu erkennen.
,, Und zwar weil…“ , setzte Coel an.
,, Weil ich nur entfernen kann, was ihr Verstand noch nicht gespeichert hat. Die Veränderung ist zeitabhängig und vollzieht sich langsam, wie ein Impuls, der sich langsam ausbreitet wiederholt und letztlich immer mehr Verstärkt. Aber was sie bereits haben… bleibt. Erinnerungen direkt aus dem Gedächtnis zu entfernen ist mehr als Fahrlässig.“
,, Und das wissen sie woher ?“ , fragte Martin.
,, Ich habe es bei mir selbst versucht. Ich besitze nur einen kleinen Teil des ursprünglichen Wissens der Erbauer und doch hat es mich und meine ganze Art verändert. Was mit ihnen geschehen wird, wenn ihnen nicht geholfen wird… ist überhaupt noch gar nicht abzusehen.“
,, Nun es bringt mich um.“ , rief Coel.
,, Ja… das ist die wahrscheinlichste Folge.“ , entgegnete der Archivar ruhig. ,, Soweit ich weiß konnten selbst unsere Vorfahren die gesamten Informationen eines Archivs nur für begrenzte Zeit beherbergen. Das war ja der ursprüngliche Grund, aus dem sie Archivare erschufen.“
Coel sah sich, genau wie die anderen langsam in der kreisrunden Kammer um. Die Kuppelförmige Decke über ihnen schien sich im Licht der darauf projizierten Symbole ständig zu verändern und zu verschieben. Der gesamte Saal musste so etwas, wie eine einzige holografische Projektionsfläche sein.
Aber wenn er sich den Archivar betrachtete… er wagte nicht einfach eine Hand auszustrecken und das Wesen zu berühren, trotzdem schien Utgar mehr als ein simples Hologramm zu sein.
Es gibt da etwas“ , fuhr dieser fort, ,, das vorher meine Aufmerksamkeit erfordert. Ihr Volk baut Waffen, die gegen uns verwendet werden können. Stimmt das?“
,, Das schon wieder.“ Coel seufzte. ,,Ja verdammt, wir haben einen Prototyp. Besser gesagt habe ich den. Und ? Wir müssen uns irgendwie gegen die Via verteidigen können und ich weiß dieses Detail ist ihnen vielleicht entgangen, aber Kugeln richten gegen die nicht viel aus. Also was ? Wollen sie mich jetzt sterben lassen, weil wir uns verteidigen während ihr euch hier versteckt?“
Coels Stimme war laut genug geworden, dass sie von den Wänden wiederhallte.
,, Nein, aber wir mussten die Wahrheit wissen. Ihre Wut ist verständlich.“
,, Das glaube ich auch. Habt ihr überhaupt eine Ahnung, was los ist?“
,, Wir wissen mehr als ihr glaubt, brachtet ihr,“ Utgar sah in Martins Richtung, ,, uns doch einen Via.“
,, Wovon Sprechen sie ?“ , wollte er wissen.
,, Grace Hemingway.“