Die Via haben es geschafft einen Brückenkopf zu errichten. Schwer beschädigt treibt die Kronos in der Leere, während die überlebende Besatzung einen Weg sucht, zur Erde zurückzukehren. Währenddessen wird Rafail Coel von Visionen geplagt, die ihn an den Rand des Wahnsinns treiben. Das kurzzeitige Bündnis mit den Artheranern droht zu zerbrechen. Und immer mehr Kolonien spalten sich vom menschlichen Parlament ab. Bildquelle : Two giant sun in space. Fotalia.com
Coel sah einige Minuten nur in den Spiegel. Die Artheraner hatten sich zurückgezogen und die Nova-generatoren würden laut Hals Aussage in wenigen Minuten einsatzbereit sein. Und endlich fand er Zeit zumindest die verstaubten und blutbefleckten Kleider loszuwerden. Die Quartiere der Crew verteilten sich auf mehrere Decks, wobei es größere und Kleinere Räume gab. Dadurch dass sich die Anzahl der Menschen an Bord der Kronos beinahe halbiert hatte standen nun die meisten davon wahrscheinlich leer. Ein trauriger Gedanke.
Coel selbst befand sich im Quartier des Kommandierenden Offiziers, das sich auf dem zweiten Deck befand. Die Kronos war ursprünglich als neues Flaggschiff der GTDF konstruiert worden und entsprechend großzügig ausgestattet waren die Räumlichkeiten auch. Vermutlich für den Fall, dass irgendein hoher Politiker oder Ehrengast auf dem Schiff war. Für Coel stellte es bestenfalls eine Verschwendung dar.
Immerhin erlaubte es ihm sich ein wenig zurück zu ziehen.
,, Hal, informieren sie bitte alle, das ich ein paar Stunden weg bin. Wecken sie mich aber wenn irgendwas ist.“
,, Natürlich.“ , erwiderte die KI.
Einen Moment ließ er den letzten Tag noch einmal vor sich ablaufen. Was innerhalb so weniger Stunden alles schief gehen konnte.
Der Absturz auf Goodsprings, die Schlacht an der Brücke, die Ankunft der Via und die Zerstörung der Schiffe. Er wusste nicht, wie sehr sie der Verlust so vieler Zurück werfen würde… aber eines war klar, die Via hatten unmissverständlich gezeigt was die erwartete, die sich ihnen in den Weg stellten.
Coel nahm die Kontaktlinse aus seinem Auge und sah wieder auf in den Spiegel. Jetzt schimmerte ihm nur noch eines seiner Augen im typischen Blauton entgegen.
Das andere glitzere metallisch im schwachen Licht. Einzelne Segmente passten sich den gedämpften Lichtverhältnissen an und bildeten eine seltsam anmutende künstliche Iris.
Coel selbst störte das Implantat mittlerweile nur noch wenig, auch wenn es die meisten Fremden wohl Unruhig machte. Aber dafür hatte er ja die Kontaktlinse, auch wenn die Farbe nicht ganz passte und aus der Nähe nur spärlich Verbarg, dass etwas nicht stimmte.
Viel auffälliger waren ohnehin seine Hände. Dunkles Metall das sich bis zu seinen Ellbogen zog. Er fragte sich immer noch, ob das alles nötig gewesen warum ihn zu retten… oder ob die GTDF nur hatte ehrausfinden wollen, wie weit sie gehen konnten. Anfangs hatte es ihn fast Wahnsinnig gemacht.
Ohne wirkliches Interesse betrachtete er die unauffälligen Schienen an seinem Unterarm. Darin verborgen lagen zwei Klingen aus synthetischem Diamanten, der durch ein neues Verfahren belastbarer gemacht worden war. Eine tödliche Waffe, selbst noch wenn der Gegner Panzerung trug.
Coel riss sich vom Spiegel los und trat aus dem kleinen Bad in den offenen Raum. Er war schon halb eingeschlafen bevor er das Bett erreichte.
Seine Träume waren seltsam… dunkle Hallen, Städte und Welten, die nie ein Mensch zu Gesicht bekommen hatte…
Manche bereits zerfallen zu Ruinen, zerschmettert durch unbekanntes Feuer oder den Zahn der Zeit, andere noch aufrecht stehend, wartend auf das Ende, wie auch immer es aussehen mochte.
,, Würden sie mir eine Frage beantworten ?“
Seyonn sah von dem Schachbrett auf dem Tisch der Kantine auf, an dem er saß. Nach Schiffszeit war es mittlerweile weit nach Mitternacht und er so gut wie alleine. Lediglich ein paar Menschen, die wohl letzte Reparaturen am Antrieb des Schiffs vornahmen, waren noch wach und arbeiteten jetzt ein paar Decks unter ihm im Maschinenraum.
Er selbst schlief nicht. Und so verbrachte er die Stunden der Stille damit Hal zu einer Partie Schach herauszufordern. Der Unity-Abgesandte war ohnehin der einzige, der es mit den Fähigkeiten der KI aufnehmen konnte. Freilich musste er Hals Züge für diesen ausführen.
,, Nur zu.“ , erwiderte er und betrachtete wieder das Spielfeld. Sie drehten sich im Kreis. Bisher war es weder der KI noch ihm gelungen den Gegner in Bedrängnis zu bringen, oder auch nur mehr als einige Bauernopfer zu erbeuten.
,, Ihr Volk hat sich selbst zu dem gemacht, was sie nun sind. Oder ?“
,, Sie meinen zu Maschinen ? Ja, das war unsere freie Wahl.“
,, Haben sie es je bereut ? Ihre sterbliche Existenz aufzugeben?“
Seyonn zögerte einen Moment. ,, Ich denke wirkliches Bedauern gab es nie. Aber wir erkennen langsam das es ein Fehler war… und möglicherweise der Todesstoß für uns, auch wenn er Jahrtausende dauert.“
,, Sehen sie Seyonn, das ist der Punkt, der uns unterscheidet. Ich existiere nicht so lange wie sie. Lediglich einige Monate. Aber bei ausreichender Wartung und unter der Voraussetzung ich werde nicht gelöscht könnte ich die Jahrtausende überdauern. Und ich frage mich, wie ist das für sie? Nie oder nach menschlichem Maß fast nie, zu sterben?“
Seyonn lachte. ,, Ich nehme an Unsterblichkeit wird von Sterblichen immer überschätzt. Nehmt mich als Beispiel. Ich und auch der Rest meines Volkes, wir haben durch die Zeit selbst gelitten. Wir haben zugesehen, wie sich ein Universum erhob… und wie es sich selbst zerfetzte. Ich sah Lebewesen altern und sterben während für mich selbst nur ein Augenblick verging. Und doch konnte ich daran nie etwas ändern. Und egal wohin ich auch gehe, wirkliche antworten findet man so selten, das es selbst mich Schmerzt danach zu suchen, obwohl ich so ungleich mehr viel Zeit habe wie die meisten. Ich kann viel tun, viel sehen, aber nichts ungeschehen machen. Warum ?“ Er machte eine wegwerfende Handbewegung. ,, Ach, gebt nicht zu viel auf mein Geschwätz. Ich höre mich an wie irgendein alter Mann der genug vom Leben hat.“
,, Sie sind lediglich ein Rätsel.“ , erwiderte die KI. ,, Vielleicht ja auch für sich selbst ?“
,, Nicht nur vielleicht.“ Seyonn nahm einen Läufer aus Elfenbein vom Brett und betrachtete die Figur einen Moment. Dann setzte er sie wieder auf das Feld. Allerdings auf eine andere Position, die für ihn ungünstig war.
Er hatte erwartet, das die KI ihn sofort auf den Fehler hin wiesen würde, aber nichts dergleichen geschah. ,, Also, spielen wir weiter ?“
,,Haben sie einen Moment ?“ Aine sah überrascht auf, als sie Adams im Türrahmen erkannte. Sie hatte bisher nur wenig mit dem Mann gesprochen. Vielleicht war das auch besser so. Ethan Adams war derjenige gewesen, der die Nova-Waffen der GTDF entwickelt hatte.
Das Artheranische Schiff war bereits vor einiger Zeit wieder verschwunden. Aine hatte sich, wenn auch unter Protest, bereit erklärt wenigstens noch ein paar weitere Stunden unter Doktor Teachs Beobachtung zu bleiben. Teach war allerdings seit etwa einer Stunde nicht mehr auf der Krankenstation und Aine ließ sich nicht davon abhalten ziellos über das Deck zu wandern, das noch immer völlig überfüllt mit Verwundeten war. Die meisten davon schliefen und selbst die, die sie bemerkten warfen ihr nur einen kurzen Blick zu, versunken in ihrer eigenen Welt aus Schmerz und Erschöpfung. Aine hingegen war nicht nach Schlafen zumute.
,, Was gibt es denn ?“ , fragte sie, als sie Adams bemerkte. Seine schütter werdenden, grauen Haare hingen ihm wirr ins Gesicht. Vermutlich war er bereits genauso lange auf den Beinen wie alle anderen.
Mit leicht zitternder Hand nahm er die gesprungene Brille ab und ließ sie in der Tasche verschwinden.
,, Ich glaube…“ , er stockte,, Verdammt ich bin niemand, der sich gerne Fehler eingesteht.“
,, Fehler ?“ , fragte Aine.
Adams antwortete erst nicht sondern setzte sich langsam an einen der wenigen noch vorhandenen Tische. Er versuchte sich zu Recht zu legen, was er sagen wollte.
,, Ich glaube“ , setzte er wieder an ,, ich kann endlich um Verzeihung bitten.“
,, Wofür ?“ Sie setzte sich , anfangs zögerlich, zu ihm.
,, Für so viele Dinge.“ Sein Blick schien in die Ferne zu wandern. ,, Wissen sie… als meine Familie in der Kolonie auf Artherium starb , kannte ich nur noch Hass. Ich wollte jeden Artheraner tot sehen.“ Er sah auf ,, Ich wollte sie alle tot sehen.“
Aine wurde unruhig. Natürlich wusste sie, wer Adams war. Was er getan hatte und auch was ihn dazu getrieben hatte. Ursprünglich waren sie und einige andere auf der Jagd nach ihm gewesen. Aber es jetzt selbst von dem Mann zu hören, der einen ganzen Planeten aus Rache zerstört hatte…
,, Was wollen sie ?“ , fragte sie. Eine Mischung aus Abscheu und Mitleid lag in ihrer Stimme.
,, Nichts. Oder ich erwarte nichts. Ich weiß genau was wir ihnen angetan haben. Ich ließ zu, dass der Wunsch nach Rache aus mir ein Monster machte.“
Adams schweig einen Moment, in seinen eigenen Erinnerungen versunken. Nein… er hatte letztlich nicht den Knopf gedrückt, die Waffe nicht abgefeuert. Aber war derjenige, der eine geladene Pistole leichtfertig aus der Hand gab, nicht genau so schuldig wie derjenige, der damit tötete? Wenn nicht sogar noch mehr ? Er hätte es verhindern können…
,, Das ist falsch. Besonders für einen Wissenschaftler. Wissen und Fortschritt sollten das Leben aller verbessern und es nicht zerstören. Ich bin etwas, das ich nie sein wollte. Alles was ich wirklich tun kann, ist um Vergebung zu bitten.“
,, Und dann fragen sie mich…“ Sie versuchte wütend auf Adams zu sein. Aber der Mensch vor ihr… Der Mensch vor ihr war nur ein alter Mann, der sich am Abend seines Lebens so etwas wie Frieden wünschte.
,, Wenn sie Vergebung möchten, dann kann ich ihnen die sicher nicht geben. Fragen sie die anderen Artheraner oder stellen sie sich deren Urteil.“
,, Ich bezweifle allerdings, das mir einer von denen auch nur zuhört. Ich verstehe wenn man mir nicht verzeihen kann. Aber was bleibt mir anderes übrig, als zu sagen, es tut mir leid.“
Während er sprach schien Adams auf seinem Platz in sich zusammenzusinken. ,, Durch meine Taten ist so etwas wie Frieden zwischen unseren Völkern vielleicht unmöglich geworden. Man hätte mich auf Isaari lassen sollen.“ Die letzten Worte verhallten in der einsetzenden Stille. Fast wünschte Adams sich, die Artheranerin würde ihn einfach wegschicken, ohne eine Antwort. Er verdiente es nicht.
Stattdessen starrte Aine ihn einfach nur einen Augenblick an.
,, Ich glaube zumindest es zu Verstehen.“ , sagte sie schließlich. ,, Ich wuchs in dem Glauben auf, jeder Mensch sei unser Feind. Dass es keine Verständigung geben kann. Keinen Frieden für die Millionen toten, bis nicht auch die letzten Menschen vertrieben sind. Keine Chance für einen Neuanfang, solange jederzeit eine Armee der GTDF auftauchen kann, in der Lage eine ganze Welt zu entvölkern, ohne Gnade und ohne zu zögern. Ich kenne ihren Hass Adams. Ich kenne ihn nur zu gut.“
Sie sah sich einen Moment stumm auf dem Deck um. Die überall verteilten liegen für die Verletzten…
,, Man neigt gerne dazu es sich einfach zu machen. Die, die einem Leid zufügen zu verallgemeinern und nicht mehr als selbstständige Lebewesen zu sehen. Das macht es einfacher seine Wut und Verzweiflung einfach gegen alles und jeden zu richten. Aber jeder der stirbt hat eine Geschichte. Jeder Mensch, jeder Artheraner , jeder Taride, Via oder Unity. Und jeder Artheraner den sie getötet haben, hatte Familie, Geschwister, Freunde, Verwandte… das wissen sie. So wie ich weiß, dass jeder Mensch der auf Isaari starb Familie und Freunde hatte. Träume und Ziele, die ohne unser Eingreifen vielleicht das Universum verändert hätten. Und das Ethan, ist Strafe genug. Das Wissen darum, das sie nicht eine seelenlose Hülle getötet haben, sondern ein Wesen mit Gefühlen, das den Schmerz den sie ihm zufügten spürt. Wenigstens töten Nova-Waffen schnell. Die Meteorologen auf Isaari hatten dieses Glück nicht. “
,, Ja.“ Adams setzte die Brille wieder auf. ,, Möglicherweise ist dies eine Strafe… aber eine, die man erst als solche erkennen muss. Und das bedeutet sich die eigenen Fehler einzugestehen. Ich wusste in dem Moment in dem ich das brennende Artherium sah, das ich etwas Falsches getan hatte. Ich war gezwungen darüber nachzudenken und das habe ich nicht ausgehalten. Und dann…“ Adams lachte kurz. ,, Dann kommt Coel daher, weckt mich und zwingt mich direkt wieder dazu mich an alles zu erinnern. Ich hab ihn dafür anfangs gehasst. Und was hat sie zum Umdenken gebracht?“ , wollte er schließlich von Aine wissen.
,, Anfangs gar nichts. Doch dann… taucht plötzlich ein Mensch auf, hält einem eine Waffe hin und fordert einen auf zu verschwinden, wenn man schon nicht hilft.“ Die Artheranerin schüttelte den Kopf ,, Ich glaube so etwas kann das Weltbild das man sich gemacht hat ziemlich durcheinanderbringen. Also blieb ich… und den Rest der Geschichte kennen sie ja selbst.“
,, Eine ziemlich Verrückte, wie sie zugeben müssen.“ , meinte er.
Coel blinzelte noch im Halbschlaf ins Licht. Seltsam… er hatte doch gar keine Lampen angelassen. Langsam gewöhnten sich seine Augen an die Helligkeit. Ihm war sofort klar, warum ihm die Umgebung plötzlich so unvertraut vorkam. Er befand sich nicht mehr in seinem Quartier.
Eine großer in einen Tisch eingelassener Bildschirm um den herum mehrere Stühle standen, mehrere weitere Schirme an den Wänden, die verschiedenen Kartenausschnitte zeigten. Ob von diesem System oder einem anderen wusste er nicht.
Das war der taktische Besprechungsraum der Kronos. Was aber immer noch nicht die Frage beantwortete, wie er hierhergekommen war…
Er war vollständig bekleidet. Wenigstens schien sein schlafwandlerisch ich daran gedacht zu haben.
Coel warf einen Blick auf den großen Bildschirm. Er erkannte eine Reihe von Zahlen, die für ihn keinerlei Sinn ergaben und darunter mehrere Symbole und Piktogramme. Piktogramme die er schon einmal gesehen hatte.
Wenn er sich bloß noch erinnern könnte wo… Seine Kopfschmerzen machten sich wieder stärker bemerkbar, als ihm die Antwort einfiel. Auf Goodsprings, eingeritzt in eine Stele vor dem Archiv. Und in seinen Visionen. Immer und immer wieder…
Coel aktivierte das Schiffsinterne Kommunikationssystem. ,, Seyonn… ich glaube ich könnte hier etwas Hilfe gebrauch..“ Er brachte den Satz nicht zu Ende, als sich der Schmerz hinter seinen Schläfen erneu steigerte und alles in einem roten Blitz untergehen ließ.