Lesen Sie, wie Frederik Delon, zufällig, auf einen neuen Plan stößt, wie er doch auf die andere Seite des Grenzzaunes gelangen kann. Titelbild: www.pixelio.de/©Gerd Altmann/PIXELIO
Es ist nicht so, dass der Mensch sich durch Niederlagen aus der Bahn werfen lässt, wen ihm das zu erreichende Ziel so verheißungsvoll erscheint, dass er es, komme was wolle, zu erreichen gedenkt. Und so ging es auch Frederik Delon, der nicht im Geringsten daran dachte, seinen Traum einfach so fahren zu lassen. Auch wenn ihm das gesehene zeitungsbild schwer schockiert hatte und seine Pläne vorerst auf Eis gelegt hatte. Es stand für ihn fest, dass e4r sich nicht einfach auf Fremde verlassen konnte, nur auf sich selbst oder engste Vertraute. Aber da er niemanden kannte, der seinen Plan recht teile wollte, stand fest, dass er nur sich selbst hatte.
Es waren nur wenige Tage seit der Rückkehr in die heimatlichen Gefilde vergangen, da reifte eine Idee in ihm heran. Zuerst nur langsam, dann immer stärker und schließlich machte er sich auf um mehr zu erfahren und den Plan vollkommen auszuarbeiten.
Eigentlich war es viel zu offensichtlich, aber vor allem deshalb war es erfolgsversprechend.
Dem geneigten Leser muss nun etwas genauer erklärt werden, damit er den in Delon reifenden Plan verstehen kann. So strikt, wie man glauben könnte, sind die Lebensräume der Proletarier und Nichtproletarier nicht getrennt. Jetzt wird man den bereits bekannten Grenzzaun, oder genauer, die verschiedenen grenzzäune einwenden. Das mag korrekt sein, aber tatsächlich sind diese durchlässig. Wie aber nun das?
Man kann  sich noch leicht vorstellen, dass die in den Vierteln der Proletariern produzierten Waren auch anderswo genutzt werden müssen. So werden z.B. Zeitungen in den Proletariervierteln gedruckt, was in ihnen steht wird aber in den großen Redaktionen der Nichtproletarier ausgedacht. Sobald man über das Internet die Druckaufträge gesendet hat werden die Pressen in den Druckhäusern angeworfen. Natürlich müssen die Zeitungsexemplare auch zu den Nichtproletariern geliefert werden. Und da wird es interessant. Über die Grenzstationen werden die produzierten waren, in unserem Beispiel die Zeitungen, in zentrale Lager in den jeweiligen Stadtteilen geliefert. Von diesen zentralen lagern werden diese Waren dann nach strengen Verteilungsplänen in die dezentralen Einzellager geliefert, woraus sich dann die jeweiligen Supermärkte und andere Händler beliefert werden. Doch am Anfang steht der Transport über die geheiligte Grenze.
Dafür werden Transporteure der jeweils anderen Seite genutzt. Allerdings gelten hier strengst Sicherheitsmaßnahmen. Immer wird der Transport, sobald er die Grenze erreicht, von 2 Wächtern begleitet, die von der anderen Seite stammen, also der, in die man liefert. Zudem stammen die beiden Wächter von ganz unterschiedlichen grenzabschnitten, kennen sich also nicht, weshalb Absprachen ausgeschlossen sind. Zudem tragen die Wächter ihre Waffen. Sollte der Transport von der vorgegebenen Route, ohne deren Erlaubnis, abweichen, dann haben sie die Pflicht den Fahrer gewaltsam zum Stehen zu nötigen. Notfalls dürfen sie ihn auch erschießen.
An dieser Stelle will ich nochmals kurz einhaken, denn wir haben das Internet angesprochen. Normalerweise könnte der Leser in dieser Zeit das Internet als segensreiches Mittel gegen die Ãœberwachung ansehen. Doch das Internet bedeutet in dieser Zeit auf gar keinen Fall Freiheit. Das Internet ist staatlich beschränkt, selbstverständlich. Nur von der Weltnetzzentrale zugelassene Seiten dürfen überhaupt aufgerufen werden. Andere Seiten gibt es gar nicht, denn diese sind gesperrt. Irgendwelche Kommunikationsdienste gibt es nicht. Es gibt keinen freien Internetverkehr und Nachrichten können nur über die staatlichen Seiten verbreitet werden, die übrigens keine Möglichkeit der Kommentierung zulassen, weil auch hier versteckt Nachrichten übermittelt werden könnten. Kommunikation ist nur über geschäftlichen Mailverkehr möglich, der auch durch Filter überwacht wird, besser gesagt, sind viele Worte nicht gestattet. Mails mit verdächtigem Inhalt werden von den Netzzentralen geöffnet und durchgesehen. Sollte der Inhalt tatsächlich gefährlich sein, wird der Versender wegen Deliktes im Netzverkehr für mindestens 5 Jahre weggesperrt. Die Höchststrafe liegt hier bei 9 Jahren.  Â
Man sieht, dass auch hier nichts dem Zufall überlassen wird. Und trotzdem glaubte Delon, dass er in einer Warenlieferung Automobile hinüberkommen könnte. Da gab es aber noch weitere Probleme. Er mochte unerkannt hinüber gelangen können, zumindest optisch. Allerdings waren da die Chips im Körper, die ihn orteten. Und schon wenige Augenblicke, nachdem man über die Grenze wäre, würden die Alarmglocken schrillen, der Transport gestoppt und er in Gewahrsam genommen. Und das wusste er natürlich. Und sein Drang endlich einmal einen Tag auf der anderen Seite zu verbringen war nicht so groß, als dass er dieses Risiko einfach würde eingehen.
Und so stand er wieder vor dem gleichen Problem, bei dem ihn dieser Dexter helfen sollte. Sein Chip, oder genauer, die Chips mussten so manipuliert werden, dass er, ohne dass man es sofort merkte, auf die andere Seite gelangen konnte.
Der Plan war ebenso dazu geeignet zum Traumgebilde zu verkommen. Doch dann lud sein Freund Dietrich zu einer kleinen Privatvorstellung ein. Er hatte, so sagte er, in den letzten Monaten an einem revolutionären kleinen Maschinchen gearbeitet. Dem Leser wurde die große Leidenschat für Basteileien von Seiten Dietrichs bereits vorgestellt.
Deshalb begab sich Frederik in die kleine Werkstatt, welche sein Freund neben dem Wohnblock hatte, in welchem dieser wohnte. Normalerweise stellte man den Bewohnern von Wohnblöcken lediglich kleine Garagen zur Verfügung, wenn sie ein Automobil besaßen. Man verlor dieses Privileg sofort, wenn man sein Auto nicht mehr hatte und sich auch in einer entsprechenden Frist kein Neues kaufte. Manchmal passierte es aber, dass man eine Sondergenehmigung erwerben konnte um diese Garage als zusätzlichen Wohnraum zu nutzen, also wie ein zusätzliches Zimmer. Dafür musste man viel Geld bezahlen und noch mehr Formulare ausfüllen, als man Wertmarken hinblätterte. Doch Dietrich wollte diese Werkstatt seinerzeit unbedingt haben, also scheute er nicht die Mühen und war erfolgreich gewesen. Und so betrieb er nun die Werkstatt seiner Träume, in der er auch nach Arbeitsende weiter basteln konnte. Wie gesagt, für Delon unvorstellbar, dass man seine Arbeit irgendwie auch in seinem Hobby verwirklichte, doch Dietrich war eben so ein spezieller Mensch.
Stolz hatte er eine Armbanduhr, mit auffällig dickem Gehäuse, welches er selbst hergestellt hatte und ein Mobiletelefon danebengelegt. Delon saß auf einem Stuhl und starrte auf die Arbeitsplatte.
„Und, was soll das jetzt?“, fragte er verwundert.
„Du siehst hier mein Mobiltelefon? Ruf mich mal an.“
Delon blickte auf die Arbeitsplatte, als würde sein Freund sich einen Scherz mit ihm erlauben.
„Wieso sollte ich dich denn bitte anrufen?“
„Demonstrationszwecke. Jetzt mach!“, forderte er ihn aufgeregt auf.
Delon tat wie ihm geheißen und wartete auf das Ergebnis. Er wartete, dass es klingelte, doch nichts geschah. Eine Computerstimme meldete ihm, dass der Angerufene nicht erreichbar sei. Verwirrt probierte er es noch ein paarmal und mit jedem gescheiterten Versuch wurde das Grinsen im Gesicht seines Freundes breiter. Am Ende musste man gar fürchten, der Mund würde das Gesicht sprengen.
„Was soll denn das?! Ist mein Telefon kaputt?!“, beschwerte sich Frederik wütend und packte sein Telefon schnell weg, bevor er es noch auf den Boden donnerte.
„Die Uhr ist schuld“, kam es triumphierend von Dietrichs Lippen.
„Geht es vielleicht ein wenig genauer?“
„In der Tat! Also. Du dürftest bemerkt haben, dass die Uhr ein auffällig großes Gehäuse hat, also es ist recht groß für eine Armbanduhr, aber sieh mal, es geht eigentlich, es ist auch nicht allzu schwer.“
Er zog den Drehknopf heraus, mit dem man die Uhr stellen konnte, sodass diese schlagartig nicht mehr tickte.
„Leg sie einfach mal um, so wie sie ist und dann gib sie mir einfach wieder.“
Delon schüttelte seinen etwas beschwerten Arm, stellte aber fest, dass man sich an das geringe Mehrgewicht durchaus gewöhnen könnte.
„So und nun will ich sie wieder haben. Das ist nämlich keine normale Uhr.“
Abgeschalten legte er sie wieder neben das Mobiltelefon.
„Nun ruf mich nochmal an.“ Â Â Â
Delon tat es widerwillig, doch diesmal vibrierte das Gerät. Er war durchgekommen.
„Aber…wieso?“, fragte er staunend.
„Ganz einfach, im Grunde. Die Strahlen des Mobiltelefons, also seine Signale, haben eine bestimmte Frequenz. Diese habe ich leicht ermitteln können. Nun habe ich ein Signal gebaut, welches ebenfalls genauso stark ist. Und da beides auf der gleichen Frequenz sendet stören sich die Signale und damit kann man das Telefon nicht mehr erreichen, so einfach ist es im Grunde. Natürlich war mein erster Prototyp recht groß, aber nun habe ich die richtigen teile besorgt um diese kleine Uhr zu bauen, die man recht unauffällig am Arm tragen kann. Und, was sagst du dazu?“
Frederik war platt.
„Du kannst, wenn die Uhr an ist, das Signal stören? Kannst du das mit jedem Signal?“
„Natürlich! Chips, Mobiletelefone, Uhren, alles was ein Signal sendet kann gestört werden.“
Delon schreckte auf. In ihm war ein fehlendes Puzzleteil seines Plans gerade eben hinzugekommen.
„Kannst du mehr von diesen Frequenzstörern bauen, also eines zur Störung und eines, welches dann aber auf der gleichen Frequenz sendet, sodass die Störung nicht auffällt?“
Dietrich blickte ihn erfreut und verwundert zugleich an.
„Ja, kann ich. Aber sag mal, wieso interessierst du dich plötzlich so sehr dafür?“
„Du hast mir gerade die Fahrkarte nach drüben eröffnet! Ich werde auf die andere Seite gelangen können! Mein Chip wird von einer Uhr, wie dieser gestört und dann senden wir durch ein anderes gerät das gleiche Signal. Ich kann mich fortbewegen, während das andere gerät vortäuscht, ich wäre noch da! Ja, so klappt es!“
Dietrich verarbeitete kurz, was er gerade gehört hatte.
„Moment, das ist widerrechtlich und totaler Irrsinn, was du da machst!“, warf er erregt ein.
„Natürlich! Aber endlich habe ich einen Weg für mein Ziel, also, wirst du mir helfen?“
Sein Freund wandte sich ab.
„Nein! Auf gar keinen Fall werde ich das unterstützen. Kleine technische Spielereien hin und wieder, aber ich werde es nicht zulassen, dass sie dafür missbraucht werden.“
„Was heißt denn hier missbraucht? Du hast eine Armbanduhr gebaut! Das ist schon so gut wie ein Verrat, weil du das gebaut hast. Es geht doch genau in die Richtung, dass es unauffällig genutzt werden kann“, hielt er ihm vor.
„Aber das ist doch nicht das Gleiche!“, heulte Dietrich. „Ich meine, nur weil ich sowas gebaut habe bin ich doch noch kein Verräter. Das ist doch der, der die Sache so verwendet und nicht der nichtsahnende Baumeister!“
Delon nickte. „Mag ja sein, aber glaubst du nicht, dass man das vielleicht nicht anders sehen wird? Du kennst meinen großen Traum und wenn das funktioniert und das wird es bestimmt, das haben wir doch gar kein Problem, denn sobald ich zurück bin wird alles wieder auf Normalzustand umgeschalten und fertig. Dann hat niemand etwas gemerkt und wir sind alle glücklich.“
Dietrich nickte.
„Das Risiko ist hoch, aber ich weiß ja, was du willst. Und ich werde dich davon auch nicht abbringen können, jetzt wo du diesen Plan einmal in deinem sturen Kopf drin hast. Also schön, ich bau dir, was du brauchst. Dafür musst du mir versprechen, sollte alles schief gehen, dass ich nicht verraten werde, klar?“
Delon schlug ein. „Hoch und heilig ist es versprochen!“
Und so verblieben sie. Dietrich wollte ihn wieder zu sich rufen, sobald er mit der Arbeit fertig war. Deshalb lief Delon an diesem Abend fröhlich nach Hause und malte sich schon das gelingen seines Planes aus, der nun endlich konkrete Formen annahm.