Romane & Erzählungen
Ein Leben - Kapitel 3 Schulzeit

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"Ein Leben - Kapitel 3 Schulzeit"
Veröffentlicht am 28. Dezember 2012, 10 Seiten
Kategorie Romane & Erzählungen
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Ein Leben - Kapitel 3 Schulzeit

Ein Leben - Kapitel 3 Schulzeit

Kapitel 3

Schulzeit

 

Mit 6 Jahren begann nun der Ernst des Lebens. Ich wurde eingeschult. In der Schule war ich nur in Deutsch, Russisch, Musik, und Sport gut. Es war ja keiner da, der meine Schulaufgaben beaufsichtigte. So kam es, dass ich in der 5. Klasse 2 Vierer im Zeugnis hatte. War also schon sehr schlecht, weil es damals bei uns keine Sechser gab. Aus Angst vor Schlägen habe ich eine kleine Flasche Terpentin getrunken. Natürlich unter Aufsicht der Klasse. Ich genoss es im Mittelpunkt zu stehen und die Märtyrerin zu sein. Damals kam mir schon mein schauspielerisches Talent zu gute. „ Ich habe solche Angst vor meinem Vater, dass ich lieber sterbe, als ihm mein Zeugnis zu zeigen .Er schlägt mich tot.“ In der nächsten Schulstunde war mir die Aufmerksamkeit der ganzen Klasse gewiss. Alles wartete sensationslüstern, was nun mit mir  passierte.Mir wurde speiübel und die Lehrerin schickte mich nach Hause. Nun bekamen die Kinder doch Angst und erzählten ihr von meinem Auftritt. Sie ging zum Rektor, er zu meinem Vater, und so flog alles auf. Gott sei Dank ist es noch mal gut gegangen. Ich habe mir nur die Seele aus dem Leib gekotzt .Das Terpentin  hatte ich mal von meiner Freundin Christiane zur Beseitigung für Flecken in der Kleidung bekommen. Wir spielten öfter in der Werkstatt ihres Vaters. Er war Malermeister. Seine Werkstatt war ein Labyrint aus Farbeimern, hinter denen man sich herrlich verstecken konnte. Mittwochs war bei uns immer Waschtag. Dafür wurde im Keller ein großer Kessel angefeuert. Daneben war ein Riesenzuber, in den das Wasser hinein gelassen wurde. Eine Waschfrau kam, die mit meiner Mutter die Wäsche der Familie, wir waren ja schließlich 9 Personen mit der Hand und einem Waschbrett wusch. Das ganze Haus roch dann nach Kernseife. Im Hof wurde dann die Wäsche aufgehängt, und wir Kinder machten uns einen Spass, uns hinter den großen Laken zu verstecken.

Ein Lichtblick hatte dieser Tag noch. Es gab zu Mittag immer Bratwurst mit Kartoffeln und Rotkohl. Das war mein Lieblingsgericht. Und deshalb freute ich mich schon immer auf den Mittwoch.

Im Herbst war für alle Schulen Kartoffelernte angesagt. Die ganze Klasse wurde mit einem Traktor nebst Anhänger abgeholt und auf die umliegenden Felder gefahren. Diese Tage waren für uns immer eine willkommene Abwechslung. An Kinderarbeit dachten wir damals noch nicht und haben es auch nicht so empfunden. Es ging dabei immer sehr turbulent zu. Die Jungen machten sich ein Gaudi daraus, und bewarfen die Mädchen mit Mäusen, die sie zwischen den Feldreihen fingen. Jedem Kind wurde eine Reihe zugewiesen und dazu ein großer Korb, in den die Kartoffen rein kamen. Wenn der Korb voll war, schleppten wir ihn mit einem Lehrer oder dem Bauern zum Wagen und bekamen einen Gutschein dafür. Pro Gutschein wurden dann später -30 Pfennig abgerechnet. Das war damals unser Taschengeld,. Auch mit Lindenblütensammeln, Lumpen , Altpapier  und Buntmetall verdienten wir uns ein wenig. Ein sogenanntes Taschengeld, wie  die Kinder es heute bekommen, war für uns Utopie.  Ansonsten war ich sehr aktiv bei den Jungen Pionieren und später bei der FDJ.

 

                                 Nicht weinen mein Junge, es ist geschehn

                                 du kannst deinen Vater nie wiedersehn

                                 sie haben ihn auf der Flucht erschossen

                                 Junge, einen unserer besten Genossen

                                 auf der Flucht erschossen, Junge du weißt

 

 

 

 

                            sie haben dir schon gesagt, was das heisst.

                                   2 Kugeln von vorn, in die Stirn, in die Lunge.

                                 Sie haben ihn hingerichtet mein Junge.

                                 Du siehst mich an so entsetzten Gesichts

                                 Sei tapfer mein Kind, ich erspare Dir nichts.

                                 Sie haben ihn wie einen Hund geschunden,

                                  er hat den qualvollsten Tod gefunden.

                                  Als sie ihn holten, da hast du geschrien

                                   und als er dich streichelte schlugen sie ihn

                                   er konnte kein Wort des Abschieds mehr sagen

                                   sie hatten ihm schon den Mund zerschlagen

                                 Sie schlugen auf ihn 3 Tage lang, bis dass ihm

                                   die Haut auseinander sprang. Zittre nicht Junge

                                   du musst es erfahren, ich will dir das Schrecklichste

                                   nicht ersparen. Sie setzten ihm das Gewehr auf die Brust,

                                   aus blutendem Mund hat er Singen gemusst

                                  Ihre Mordbrennerlieder musste er singen      .  

                                   auf blutenden Füßen musste er springen.

                                    Und sähest du heute sein totes Gesicht,

                                    du würdest schreien, du känntest ihn nicht.

                                    Getreten, zerschunden, zerrissen, zerschossen,

                                    Junge, einen unserer besten Genossen !

                                    Wir trauern nicht Junge, das ist nicht gut,

                                    jetzt nichts mehr fühlen, als brennende Wut.

                                    Und diese Glut darf nie mehr erkalten, für

                                    den Tag Junge, wo wir Abrechnung halten.

                                                                                     Erich Weinert

,

Dieses Gedicht, welches ich wirklich heute noch im Kopf habe, musste ich bei allen wichtigen Veranstaltungen, was die Pioniere und die 'FDJ betraf, rezitieren.

Ich kann mich erinnern, dass ich es das erste Mal aufsagte, nachdem wir die ersten MPs unserer NVA (Nationale Volksarmee) bei Fackelschein übergeben mussten. Das war für mich ein ungeheuer feierlicher Augenblick.           

Bei allen agitatorischen Ereignissen stand ich in der 1. Reihe und schwang die Fahne. Dadurch erhielt ich viele Auszeichnungen, meist in Form von Büchern mit Widmungen, die mich besonders stolz machten. Die Aktivitäten bei den Jungen Pionieren und die Auszeichnungen stärkten  mein Selbstbewusstsein natürlich enorm.

Auch im Pionierchor war ich  aktiv. Einmal fuhren wir aufgrund einer Einladung eines polnischen Pionierchores nach Zielona Gora in Polen. Nach gegenseitigen Chorgesängen tauschten wir unsere blauen Halstücher mit den roten der polnischen Pioniere. Ein Symbol der Völkerfreundschaft !  Adressen wurden ausgetauscht, und ich hatte eine neue Brieffreundin Bozena. Das hatte sich aber leider nach 2 Briefen hin und zurück wieder erledigt. Die Sprachschwierigkeiten waren denn doch zu groß.  Auch im Schultheater habe ich viel gespielt. So ist  mein größter Wunsch entstanden, später Schauspielerin zu werden.

Damals gingen viele Männer Sonntags morgens in die Kneipe zum Frühschoppen.So auch unser Vater. Ich kann mich daran erinnern, dass wir ihn öfter zum Mittagessen aus der Kneipe holen mussten, was uns sehr peinlich war. Sonntags nachmittags ging dann die ganze Familie ins Forsthaus, Da gab es für jeden von uns 1 Glas Brause oder 1 Malzbier. Meist sang dann dort auch der Männerchor, in dem mein Vater Mitglied war.

Eines Morgens , wir schrieben das Jahr 1956, kam ich in die Küche um zu frühstücken, Dort sass dort meine Stiefmutter und schluchzte laut. Die Stasi hatte meinen Vater abgeholt. Er hatte im Alkoholrausch in der Kneipe wiederholt Hetze gegen den DDR Staat verübt und immer wieder  gesagt, dass er in seine Heimat Pommern zurück wollte. Er griff sogar noch einen Parteifunktionär tätlich an. Das war zu viel. Er wurde wegen dieser staatsfeindlichen Äußerungen zu 2 ½ Jahren Zuchthaus verurteilt.  Für mich war das der Anlass mich noch mehr für die Pionier- und FDJarbeit zu engagieren. Ich war ja überzeugt davon, und wollte beweisen, dass ich für des Vaters Vergehen nichts konnte. Denn ich war ja nun die Tochter eines Verbrechers.. Nun wurde ich für die Schauspielschule vorgeschlagen, doch mein Vater bestimmte aus der Haft, dass ich von der 8. Klasse abgehen  und im elterlichen Betrieb arbeiten sollte.

Aus der Traum von der Schauspielschule !!!  

                                                               

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Brigitte

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Brigitte Re: Meine Güte... -
Zitat: (Original von Enya2853 am 09.07.2013 - 19:26 Uhr) hier musste ich ein paarmal schlucken.
Du bist mir ja eine...die sache mit dem terpentin hätte bös schief gehen können. Aber in dem Alter liebt man "elegische" Auftritte, besonders, wenn man den Traum hat, Schauspielerin zu werden.

Vieles kenne ich auch - so den Waschtag. bei uns fand das allerdings in der Küche statt, in einem großen Topf, der auf dem Herd stand, wurde die Wäsche gekocht und andere Stücke, die solche Hitze nicht vertrugen auf dem Waschbrett gescheuert. Es roch immer merkwürdig...ich kann diesen Geruch nach Seifenlauge noch heute erinnern.

Mit den Pionieren kann ich nicht so viel anfangen, aber ich kann nachvollziehen, dass du stolz warst und dich engagiert hast. Zudem war es bestimmt ein großes Gemeinschaftsgefühl.

Die Sache mit deinem Vater hat mich am Ende noch mal den Atem anhalten lassen. Schon verrückt, wie damals agiert wurde.
Du sahst ihn als "Verbrecher" - sicher nicht leicht für ein Mädchen in deinem Alter.

Sehr schade, dass sich dein Traum von der Schauspielerei zerschlagen hat - aber ich denke, es ist ein hartes Brot.
Ich wollte lange Zeit Clown werden - hat sich leider auch nicht bewahrheitet (höchstens im Geiste....)

Eine sehr schöne, informative Fortsetzung. Gern gelesen, Brigitte.

Liebe Grüße
Enya

Danke liebe Enya für Deinen tollen und langen Kommentar. Ja Gott sei Dank hatte ich in meinem Leben immer einen besonderen Schutzengel. Schön, daß Du auch diesen Teil gelesen hast. Ich wünsche dir eine gute Nacht und viele schöne Träume. Ganz liebe Grüße Brigitte
Vor langer Zeit - Antworten
Enya2853 Meine Güte... - hier musste ich ein paarmal schlucken.
Du bist mir ja eine...die sache mit dem terpentin hätte bös schief gehen können. Aber in dem Alter liebt man "elegische" Auftritte, besonders, wenn man den Traum hat, Schauspielerin zu werden.

Vieles kenne ich auch - so den Waschtag. bei uns fand das allerdings in der Küche statt, in einem großen Topf, der auf dem Herd stand, wurde die Wäsche gekocht und andere Stücke, die solche Hitze nicht vertrugen auf dem Waschbrett gescheuert. Es roch immer merkwürdig...ich kann diesen Geruch nach Seifenlauge noch heute erinnern.

Mit den Pionieren kann ich nicht so viel anfangen, aber ich kann nachvollziehen, dass du stolz warst und dich engagiert hast. Zudem war es bestimmt ein großes Gemeinschaftsgefühl.

Die Sache mit deinem Vater hat mich am Ende noch mal den Atem anhalten lassen. Schon verrückt, wie damals agiert wurde.
Du sahst ihn als "Verbrecher" - sicher nicht leicht für ein Mädchen in deinem Alter.

Sehr schade, dass sich dein Traum von der Schauspielerei zerschlagen hat - aber ich denke, es ist ein hartes Brot.
Ich wollte lange Zeit Clown werden - hat sich leider auch nicht bewahrheitet (höchstens im Geiste....)

Eine sehr schöne, informative Fortsetzung. Gern gelesen, Brigitte.

Liebe Grüße
Enya
Vor langer Zeit - Antworten
Brigitte Re: - Danke liebe Petra, schön dass es Dir gefällt. Das Du das Gedicht auch kennst, ist ja komisch. So lange hat es sich gehalten. Wenn ich jetzt den Text überdenke, sträuben sich bei mir die Haare. Wie grausam ist man mit uns Jugendlichen umgegangen. Liebe Grüße Brigitte
Vor langer Zeit - Antworten
Goldmarie Erinnerungen werden wach bei Deinen Zeilen, was für eine Zeit.
Das Gedicht von Erich Weinert kenne ich auch, mussten es auch auswendig lernen. Gut geschrieben!
Vor langer Zeit - Antworten
Brigitte Re: Mit Deinen Erinnerungen - Nein leicht war es nicht liebe Bärbel, aber wir kannten es nicht anders, also vermissten wir es auch nicht. Danke, für Deine Bewertung und einen schönen Abend noch. Liebe Grüße Brigitte
Vor langer Zeit - Antworten
baesta Mit Deinen Erinnerungen - kommen auch bei mir wieder viele hoch. Kartoffeln buddeln, Altpapier und Flaschen sammeln, um sich sein Taschengeld etwas aufzubessern...das heißt, ich hatte nie Taschengeld und so waren die paar Pfennige, das einzige, was ich hatte.
Aber leicht war es damals sichrlich nicht.

Liebe Grüße
Bärbel
Vor langer Zeit - Antworten
Brigitte Re: - Danke lieber Paul für das Lesen meiner Geschichte, gerade habe ich Dir einen Kommentar für Deine neue Geschichte geschickt. So haben sich unsere Gedanken gekreuzt. Ist doch schön! Hoffen wir, daß es im neuen Jahr auch so bleibt. Liebe Grüße Brigitte
Vor langer Zeit - Antworten
Luap Einfach war das Leben. - Und doch, eben nicht einfach...
Sehr gut geschrieben. Beim Lesen fühlt man mit, als wenn man es gerade selbst erleben würde...

Liebe Grüsse
Paul
Vor langer Zeit - Antworten
Brigitte Re: Eigentlich sehr traurig für dich, - Liebe Fleur, ich danke Dir ganz herzlich für Deine Bewertung. Ja, in einem Leben kann schon sehr viel passieren. Jedenfalls freut es mich sehr, dass Dir mein Schreibstil gefällt, weil ich Deine Bücher auch immer sehr schön finde. Ich wünsche Dir für das Neue Jahr ganz viel Gesundheit und Kreativität. Und das wir uns weiterhin alle so gut verstehen.
Ganz lieb Grüße Brigitte
Vor langer Zeit - Antworten
FLEURdelaCOEUR Eigentlich sehr traurig für dich, - doch ich habe es sehr gern gelesen, weil mich etliches an meine eigene Kindheit und Jugend erinnert. Allerdings wollte ich nicht Schauspielerin, sondern Schriftstellerin werden. Gut, dass ich davon abgebracht wurde! ;-)))

Liebe Grüße
fleur
Vor langer Zeit - Antworten
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