Kleiner Zwist zw. Mann und Frau und Nachdenken des Mannes über sein Selbstverständnis als Mann
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Heut morgen gab’s Stunk. Normalerweise wurde ich mit einem Weckruf aus den Träumen geholt: „Kaffee und Croissant stehen bereit.“ Heute jedoch war ich früher wach. Für ein Frühstück mussten aber zunächst tatkräftig einige Kilometer abgestrampelt werden, weil eine Patisserie nicht gerade um die Ecke eines Zeltplatzes liegt. Frau tat das liebend gern, betrachtete es als nützliche Ãœbung zur Abmagerung. Ich wollte ihr dieses Vergnügen nicht nehmen und ihr diesbezüglich rechtzeitig mit einem Morgenapell einen Gefallen tun, aus dem Bett zu scheuchen versuchen, saudummerweise mit einem ambivalenten Spruch.
Durch den Eingangsschlitz des Zeltes, mit zusammengehaltenen Händen ein Sprechrohr bildend, tönte ich ins Innere hinein: „Willst du zu den törichten oder klugen Jungfrauen zählen? Der Herr ruft Dich. Steh auf!“
Geräusch: Körper-Wälzen von einer zu anderen Seite. Komm jemand einer Bibelfesten mit der Bibel! „Sehr witzig!“, grummelte es scharf zurück.
Weshalb nur war sie so echauffiert: lag’s an der Anspielung zur vermeintlichen Jungfräulichkeit oder auf den Intelligenzquotienten? Lieber nicht nachfragen, spiele den zähnebleckenden  Gnädige-Dame-wünschen-Ober. Vielmehr versuchte ich es.
„Wollen Gnädigste…“, Welch quirliger Scheiß. Wirkung verpuffte natürlich.
Jetzt griff ich zur ultima ratio, einem Mittel, das so ziemlich bei jeder Frau Wirkung zeigt, zumindest einer Landpomeranze: die Flöte. Glaubt mir Leute, ich liebe das Flötenspiel und was immer man dagegen sagen mag, es hat zu manch anderem Instrument sonder Vorteile: der (schräg) anhaltende Ton wirkt Wunder im weiblichen Ohr: Schnecke lässt sofort ihre Fühler einfahren und verkriecht sich in ihr Haus.
Tatsächlich, Schnecke, als ein Muskelstrang, kontraktierte zunächst nach innen, wie erwartet, aber fuhr dann umso schneller aus sich heraus wie der geölte Blitz, um kopfwärts aus dem Zelt zu fahren. Rasch das Folterinstrument zurückziehen. Zu spät. Es wird mir weggeschlagen. Es saust in den Busch ein paar Meter weg. Ich stehe ihrem Kopf Angesicht zu Angesicht gegenüber. Welch erschrecklicher Anblick – für sie. Für mich als Mann normal: halt Mensch mit unausgeschlafenem Blick. Ihrer allerdings sprach Bände und wirkte Kraft der Ungeschminktheit ihrer Blöße - doch will ich nicht ins Detail gehen, stattdessen nur sagen: schaue mal einer Frau ins Gesicht, kurz nachdem sie aufgestanden! Du wirst lange Zeit nicht das Gefühl los, als hält sie dich für ihren persönlichen Mörder.
Ich wandte mich ab von ihr. „Frauen!“
Ich hatte mich in die entgegengesetzte Richtung mit Blick auf See gedreht und anstatt frischgebackenen französischen Gepäcks mit einem, wie man gleich hören wird, sehr erbärmlichen Surrogat begnügt.
Kein Bild für Götter, dieser Indianer vor seinem Tipi.
Warum überhaupt ein solcher?
Bleichgesicht ist von unerbittlicher südlicher Sonne gebräunt zur Rothaut mutiert. In Yoga-Lotus-Beinunten-Verkrümmung sitzt er vor seinem Zelt und stiert in die Ferne. Ein unglamouröse Anblick, da Verhalten unindianerhaft, denn seine Hände machen seinem Erscheinen Unehre. Blindlings greift Linke immer wieder gierig in eine erbrochene Knapperzeug-Tüte, ein Stückchen oder Bröckchen nach dem anderen herausziehend, Kartoffelchips, Sonnenblumenkerne, Getreidekörner, Nüsse, welche allsogleich in seinen Schlund wie der Schatz im Silbersee verschwinden.
Aber wie schwer all dies im Magen liegen wird, der Kopf ist es weit mehr.
Frauen!
Ob diese Frau die Richtige auf Dauer war? Vielleicht war keine Frau richtig für mich. Richtig, richtig, Mensch, was ein Wort für die Sache; übel könnte es einem werden bei dieser Sprache. Dabei wäre selbstverfreilich „die Richtige“ noch hanebüchener.
Vergiss es Mann! Du solltest womöglich das Kapitel Frauen schließen. Und wieder schwul werden. Männer waren unkomplizierter.
Na ja, schwächelst momentan wohl?
Dabei weißt Du genau, dass Dich Schwulsein unbefriedigt ließ. Zu einfach. Sehntest Dich nach der schwierigen Spezies von Mensch, den Frauen. Jetzt hast Du den Salat.
Frauenbeziehungen. Steckst jetzt mittendrin, wie im Stau, und willst wieder raus, kleiner arschlochartiger Feigling, Du!
10 Minuten später: Tütchen leer unterdessen – aus das süße Beruhigungsmittelchen!
Nö, jetzt koste einmal Deine heiß ersehnte Frauenbeziehung aus, bis zur bitteren Neige, wenn es sein muss.
Das klingt wie ein Befehl. Sollte ich mir diese Frage ernsthaft stellen? Befiehlst Du dir selbst etwa?
Ach nein, es handelte sich nur um einen gutgemeinten internen Rat von einem guten, alten Freund, der Dein Bestes will.
Ich kicherte über diese Vorstellung: Du meinst es also gut mit Dir selbst. Ganz schön beklopft heute. Aber nein, kennst genügend, die sich gerne das eigene Leben zur Hölle machen.
Stimmt!
Trotzdem, die Frage bleibt unbeantwortet: wozu neigst Du, mehr zum einen oder anderem Geschlecht? Es drängt sich der Eindruck auf: Du hast Dich fürs Heterosein entschieden, weil es schwieriger ist mit den Frauen. In Wahrheit liebst Du nur Deinen Ehrgeiz, die Hürden, die schwer zu überwindenden.
Egal, weswegen!
10 Minuten später: Unterdessen bilden sich riesige, dicke Brocken aus Kohlenhydrat und Eiweiß in seinem Magen. - Schwer liegt es ihm im Magen, dieses Konvolut. Der Edle dort, ganz in Disharmonie mit der Natur und dem Gegengeschlecht, ist nahe dran, sich zu erbrechen vor Selbstüberfütterung. Wird es geschehen?
Frauen!
Sollte ich Bilanz ziehen? Es wäre zu früh. Trotzdem, einen Schlag hast du schon weg. Zum Beispiel, wenn Du kurzgeschorene siehst, rastet Du völlig aus. Den Busen trotzdem zu sehen - das Gesicht ein Junge. Natürlich, es liegt in Deiner Erinnerung begründet, dass Du da latent ärgerlich bist.
Ich schließe die Augen.
Nein, Ich will mich lieber nicht erinnern.
Erbrechen.
Vorhang.