3.Kapitel
Der Wind wehte mir kalt und umbarmherzig um die Ohren, als der Drache uns hoch hinauf in die Luft beförderte. Charlie schrie mir etwas ins Ohr, doch das Brüllen des Drachen übertönte alles. Ich schloss die Augen, fügte mich dem Wind, dem Himmel und der Luft, und flog. Flog in Richtung Freiheit; das, was ich mir immer schon ersehnt hatte. Und er war der Grund dafür. Deagan saß da, ruhig und finster wie immer, mit einem leisen Lächeln in seinem Gesicht, ein fast ironisches, selbszufriedenes Lächeln. Der Wind spielte mit seinem schwarzen Haar und erst jetzt fragte ich mich, was er wirklich dachte. Ich kannte ihn nicht. Ich wusste nicht, was er mit uns vorhatte. Ich wusste gar nichts.
"Was ist das für eine Suche, auf die wir uns begeben?", fragte ich leise. Eigentlich war ich mir sicher gewesen, er könnte mich nicht verstehen in diesem Lärm, doch er wandte seine dunklen Augen mir zu und antwortete. "Ein Auftrag der Königin. Bekomme Gold, wenn ich das tue, was sie will. Irgendeine sinnlose Suche nach irgendeinen blöden Auserwählten, der in diesen Rat eintreten soll. Wenn du mich fragst - der überlebt es keine Minute lang." Deagan lachte. "Auch wenn die Menschenerde ein Teil der Vereinigung der Neun Welten ist - Menschen verstehn einfach nichts davon."
"Von welcher Königin sprichst du? Meinst du diese .... diese ... Queen Elizabeth?", fragte ich, stolz darauf, mich an den Namen der Königin erinnernt zu haben.
"Nein!" Wieder lachte er. Arrogant war er, dieser Deagan. "Ich spreche von den Neun Welten. Die Planeten in unserer Galaxie, jeder mit einem anderen Element. Wir kriegen, wir kämpfen, wir unterdrücken und ihr Menschen kriegt nichts mit. Das war ja wieder einmal klar."
"Ich bin kein Mensch!", zischte ich wütend. "Und wer ist jetzt diese Königin? Welches Element hat sie?"
Deagan lächelte. "Sie? Sie ist die Königin des Lichts. Die Königin von Starsun, des dritten Planeten." Noch während er es sagte, verschwanden die Wolken im Nichts und plötzlich fanden wir uns unter blauem Himmel wieder und ein dicker strahlender Sonnenstrahl umhüllte uns und unsere Körper, umfloss uns wie flüssiges Gold. So schnell wie die Wolken verschwunden waren, tauchten sie auch wieder auf und versteckten die Sonne, schnitten den goldenen Strahl von uns ab.
Deagan schüttelte missbilligend den Kopf. "Sie mag große Auftritte." Und es klang wie ein Insiderwitz, als er es sagte.
"Und wofür brauchst du jetzt uns? Wir sind Bestien. Wir jagen, wir reißen, wir töten. Auch wenn wir so aussehen wie gewöhnliche Menschen, ist jeder Sterbliche, der uns sieht, dem Tode geweiht. Also, was willst du wirklich von uns?", fragte ich, immer noch ein wenig misstrauisch.
"Es mag sein, dass ihr Bestien so ausseht wie Menschen, aber ihr habt Kräfte. Ihr seid stark, habt Krallen unter euren Fingernägeln verborgen, die ihr ausfahren könnt, wann ihr wollt UND ihr habt diesen Geruchssinn. Diesen Geruchssin, der euch erlaubt, jeden aufzuspüren, dessen Geruch ihr einmal in der Nase hattet. Mit eurer Hilfe werde ich diesen vermaledeiten Menschen bald endlich in den Rat der Neun Welten gebracht haben."
"Aber ich kenne seinen Geruch doch gar nicht!", protestierte ich. "Ich -" Auf einmal war Deagan über mir und hielt mir den Mund zu. "Still", zischte er leise.
Der Drache startete den Sinkflug, leise, nicht brüllend. Charlie hinter mir war leise. So leise, dass ich mich fragte, ob er überhaupt noch da war. In der Ferne sah ich schwarzen Rauch in den Himmel aufsteigen, gelbrote Flammen, die selbst in dieser Höhe deutlich zu erkennen waren.
"ER hat uns noch nicht entdeckt", flüsterte Deagan, doch das Lächeln auf seinem Gesicht war nun gänzlich verschwunden. Er lag noch immer auf mir drauf, drückte mich in die kalten, harten Schuppen des Drachens. Obwohl der Drache nun fast senkrecht in die Tiefe flog, wurden wir nicht nach vorne gedrückt, sondern pressten unsere Körper fest an den des Drachen.
"Wer ist ER?"
"ER", war Deagans schlichte Antwort.
Der Drache stoppte abrupt. Hielt mitten in der Luft an, die ihn trug, obwohl seine Flügel aufgehört hatten zu schlagen. Und verharrte schließlich in einer waagerechten Position.
Und da flog ER, ein leiser, aber gewaltiger Schatten; strahlend und grell wie dunkel und finster. Gefährlich und gleichzeitig mächtig und ... wunderschön. Die Flügel schlugen schön und majestätisch in der um IHN herum flirrenden Luft und SEIN Brüllen klang schön wie ein leise plätschernder Bach. SEINE Schuppen glänzten blau und glitzerten in der Sonne, verstärkten den Eindruck ER wäre gut, ein Drache von wahrer Schönheit.
Ich konnte nicht anders, ich fiel auf die Knie. Deagan erhob sich. Fest und zwischen zusammengebissenen Zähnen, aber mit seinem üblichen Grinsen verkündete er seinem Gegenüber arrogant: "Habe ich dir schon meinen Drachen vorgestellt? Töter. Sein Name ist Töter." Er schlug einen Salto, zog zwei Kurzschweter aus der Schnalle auf seinem Rücken wirbelte durch die Luft und landete elegant auf dem Drachen. DIESER verwandelte sich in einen ... Menschen. Einem verkrüppelten, alten Menschen. Auch der Mensch hatte ein Schwert und rang mit Deagan in der Luft, während sie fielen und fielen. Erst jetzt kam Bewegung in Deagans Drachen. Er brüllte und stürzte hinterher, holte die beiden ringenden Gestalten wieder ein und machte sein Maul auf. Feuer flammte zornig auf und wollte den Verkrüppelten genau wie Deagan verschlingen. Ich schrie auf, doch noch bevor das Feuer Deagan erreichte, sprang er mit einem übermenschlichen Sprung auf seinen geliebten Drachen zurück und endlich tötete das Feuer. Dachte ich jedenfalls. Ich bildete mir ein, den Umriss eines Wolfes im Feuer zu erkennen; ein Wolf der davonlief, oder viel mehr DAVONFLOG. Das Feuer erlosch und Deagan befahl seinem Drachen zu landen. Er wirkte erschöpft, wandte sich fast resigniert an mich mit den Worten: "Weißt du, ich mag Drachen. Ehrlich. Ich komme vom Planeten Livon, der Planet der Drachen aber ER ... äußerst eigensinnig der Kleine ...." Er schüttelte missbilligend den Kopf, als wäre ER bloß irgendein ungehorsamer, kleiner Junge gewesen. Bei dem Gedanken daran, wandte ich mich um und erkannte mit panischem Schrecken, dass Charlie fehlte.
"Charlie! Charlie!!", schrie ich.
"Ist ja schon gut", beruhigte mich Deagan ärgerlich. Wir kamen bereits am Boden an."Da ist er doch."
Und da war er tatsächlich. Winkte fröhlich zu mir herauf, an der Hand von ... ihr.
"Abbie! Ich bin gefallen! Aber zum Glück hat Coral mich aufgefangen!" Er strahlte das Mädchen mit den intensiven, grauen Augen an, das immer noch feuchte Tränenspuren auf ihrem Gesicht hatte.
"Da bist du ja endlich, Co", begrüßte Deagan sie. "Wurde langsam Zeit. ER hat uns angegriffen und ist vermutlich immer noch hinter uns her." Offenbar kannten sie sich schon. Ich fauchte diese Coral böse an. Schon unser erstes Aufeinandertreffen war nicht besonders erfreulich gelaufen. Doch diesmal würde ich nicht weglaufen.
"Los, steig auf", sagte Deagan und bot ihr charmant die Hand an.
Und während wir wieder in die Luft stiegen, hatte ich den Gedanken, dass irgendetwas, ich wusste bloß noch nicht was, nicht stimmte, definitiv falsch war.
Coral lächelte mir freundlich zu.