Beschreibung
"Was ist nur los mit dir?"
„Was ist nur los mit dir? Wieso willst du mir nicht verraten, was mit dir los ist?“, fragte ich das Mädchen vor mir. Sie sah mich aus ihren großen grünen Augen an und schwieg. Schwieg noch immer. Sie wollte nicht mit mir sprechen, sah mich nur die ganze Zeit mit diesen traurigen Augen an.
Ich seufzte und musterte sie. Ihre braunen Haare waren stränig und hingen ungekämmt in wilden Wellen von ihrem Kopf herab. Unter ihren Augen waren dunkle Augenringe und ihre Haut seltsam blass. Sie wirkte nicht lebendig.
Sie atmete nur flach und krampfhaft, sie musste schlucken, fast als müsste sie weinen. Gequält schloss sie ihre Augen und seufzte herzzerreißend. Sie machte Anstalten sich von mir abzuwenden, doch dann schüttelte sie den Kopf und blieb, wo sie war. Sah mich wieder an.
„Was hast du?“, schrie ich sie an und stampfte mit dem Fuß auf. Ich konnte sie nicht so leiden sehen, ich wollte sie nicht leiden sehen, aber ich konnte ihr nicht helfen, wenn sie mir nicht sagen konnte, was mit ihr los war.
Ich spürte die Wut in mir aufsteigen, als sie erneut nur traurig mit dem Kopf schüttelte und noch immer wortlos blieb. Unruhig spielte sie mit ihren Händen, als ich meinen Rücken straffte und sie finster ansah.
Ich machte ihr Angst, doch es war mir egal. Sie musste endlich mit mir sprechen! „Rede mit mir, sonst kann ich dir nicht helfen! Ich werde dir nicht helfen und gehen, wenn du nicht endlich den Mund aufmachst!“, schrie ich noch lauter und hätte sie am liebsten bei den Schultern gepackt und durchgeschüttelt.
Sie zuckte zusammen, zog ihren Kopf ein und sah mich noch verschreckter an und schwieg noch immer so beharrlich. Sie trat von einem Fuß auf den anderen. Endweder hatte ich sie kurz davor etwas zu sagen, oder sie endgültig zu verschrecken. Doch eine Möglichkeit musste eintreten, ich hatte keine Lust mehr.
„Bist du taub? Ich habe dir eine Frage gestellt und ich will jetzt endlich eine Antwort haben!“, fuhr ich sie erneut an und verschränkte abweisend meine Arme vor der Brust. Sie hob ebenfalls ihre Arme und schlang sie sich selbst um ihre Schultern, wie um sich selbst zu halten.
Dann floss eine Träne über ihre Wange und sie begann zu zittern. Meine Wut versiegte sofort. So kam ich nicht weiter, so sollte ich nicht mit ihr umgehen. Ich wusste ja nicht, was mit ihr los war, was passiert war.
Nein, ich musste anders vorgehen. Ich musste ihr zeigen, dass es noch Menschen gab, die sie halten konnten, die ihr Nähe bringen konnten. Dass sie nicht alleine auf der Welt war und nicht alleine mit ihrem Problem war.
Ich hob ganz langsam und vorsichtig meine Hand, um ihr keine Angst mehr zu machen und wollte ihr über die Wange streichen, die Träne aus ihrem Gesicht wischen und sie in den Arm nehmen. Bei ihr sein.
Doch dann prallte meine Hand gegen etwas kaltes, glattes. Ich berührte eine Scheibe, einen Spiegel. Und ich erkannte mich in diesem Mädchen, mein verzerrtes Spiegelbild.