Dingo
»Verdammt, Marc! Lass sie jetzt endlich liegen und wir sehen zu, dass wir schleunigst von hier verschwinden!«
»Bleib locker, Alter. Ich will’s ihr nur noch mal kurz besorgen, bevor sie kalt wird.«
Marc hantierte hektisch an seiner Gürtelschnalle herum. Bill packte Marcs Oberarm und riss ihn zu sich.
»Wir gehen jetzt! Es reicht, verdammt! Wenn uns hier jemand erwischt, droht uns der Stuhl! Ich habe keinen Bock, wegen dieser Schlampe das Funkenmariechen zu spielen. Pack deinen Schwanz wieder ein und los!«
»Hast ja recht, Pussy. Lass uns abhauen.«
Regungslos, mit verschlossenen Augen, lauschte Devanny der Diskussion dieser Bastarde. Sich tot zu stellen, schien ihr die einzig greifbare Möglichkeit zu sein, zu überleben. Ihr Plan schien zu funktionieren. Trotz all der Schmerzen, die an ihrem gesamten Körper bissen, gelang es ihr völlig regungslos zu bleiben. Nackt und blutend lag sie auf dem sandigen Boden dieses stillgelegten Armee-Lagers, in das sie diese Typen gezerrt hatten, um sich gegen ihren Willen an ihr zu vergehen. Und das hatten sie ausgiebig getan. Mehrmals. Ihre wirren Gedanken, an das Geschehene, ließen ihren Magen rebellieren. Doch sie blieb stark, in Hoffnung auf das noch vor ihr liegende Leben. Ihre Handfläche ruhte auf einem handlichen, flachen Stein direkt neben ihr im Sand.
»Hey, bist du eigentlich sicher, dass die Schlampe tot ist?«, fragte einer der Beiden.
»Klar. Die ist kalt, wie eine Eskimo-Möse. Aber kannst ja mal nachsehen, wenn‘s dich beruhigt.«
Schlurfende Schritte näherten sich ihr, wirbelten Sand auf, der in ihre Nase drang. Devanny öffnete ihre Augen, einen winzigen Spalt breit, um die Lage abzuschätzen. Gemächlich schlossen sich ihre Finger um den Stein. Im passenden Augenblick sprang sie auf ihre Beine, holte im hohen Bogen aus und schmetterte den Brocken auf den Schädel des Vergewaltigers. Einem hohlen, berstenden Geräusch folgend, sank dieser mit rollenden Augen zusammen und landete zuckend auf dem sandigen Boden.
»Na? Wie schmeckt dir das, du Stück Scheiße?«, schrie Devanny den sterbenden am Boden an.
»Und was ist mit dir? Komm her zu mir! Ich reiße dir deinen mickrigen Schwanz ab!«
Fassungslos blickte Bill auf die vermeintliche Tote die nun, einen Stein in der Hand schwingend und blutend, vor ihm stand. Was sollte er tun? Ihm blieb nur die Flucht. Er drehte sich um und rannte blindlings davon.
Devanny schwang ihren Arm und warf den Stein in die Richtung des Flüchtenden. Das Wurfgeschoss traf ihn in, mit voller Wucht, in der Kniebeuge.
Ein heftiger Schmerz durchzuckte Bills Körper. Sein rechtes Bein versagte ihm spontan den Dienst. Er stolperte und viel Bäuchlings in eine Rolle NATO- Draht, die dieses Armee- Areal meterhoch umringten. Hilflos zappelnd und vor Schmerz wimmernd verfing sich sein Körper, bei dem Versuch aus diesem Klingen-Geflecht zu entkommen, aussichtslos. Bei jeder Bewegung, schnitten sich die Klingen weiter voran. Erst durch die Kleidung und schließlich in sein Fleisch.
Beruhigt schritt Devanny an den zappelnden, jammernden Körper heran.
»Ist wohl nicht dein Tag heute, du erbärmlicher Wichser! Was glaubst du, sollte ich jetzt mit dir anstellen? Ich lasse dich hier verrecken! Hörst du mich? Verrecke!«
Kraftlos, aber entschlossen, schleppte sie sich Richtung Ausgang dieser Hölle, dem rettenden Highway entgegen.
Begleitet von Schreien des Schmerzes versuchte Bill sich, gefangen in einem Delirium aus Pein und Überlebenswillen, weiterhin aus diesem Klingendraht zu befreien. Es gelang ihm schließlich, unter Verlust etlicher Haut, seinen Kopf durch das Geflecht zu zwängen. Nun blickte er, immer noch hilflos, auf die vor ihm liegende Wüste und den geparkten Pickup. Weinend schrie er in die trostlose Dämmerung hinaus, die vor ihm lag. Nach einiger Zeit nahm er Bewegungen in der Ferne wahr. Eine Hundeähnliche Silhouette formte sich aus der Dämmerung und fraß sich spontan in Bills geschundene Gedanken. Dingos!
Die Situation abschätzend, vorsichtig, näherte sich der hungrige Dingo, herausgefordert durch ihm unbekannte Geräusche, seinem Ziel. Er witterte Blut und Angst. Weiterhin skeptisch schlich er an seine erhoffte Beute heran.
»Verschwinde, du Drecksvieh! AAHH!«
Der Versuch das gierige Tier zu schocken, schlug fehl. Der Dingo leckte, zunächst testend, Bills rechte Wange. Er schmeckte Blut und eine, für ihn undefinierbare, salzige, Flüssigkeit.
Bill versuchte vergeblich, durch Zähnefletschende Grimassen und Schreie, das Tier zu vertreiben. Er täuschte knurrende Bisse vor, doch vergebens.
Der Dingo verbiss sich in Bills Wange und zerrte daran. Hemmungslos rupfte er an der dehnbaren Haut und zog sie scheinbar endlos, vom Kopf des Opfers, in die Länge, bevor sie schließlich riss. Gierig schmatzend schlang das Tier den Hautlappen hinunter.
Bills fixierter Kopf zeigte sich grotesk grinsend und zuckend im Zwielicht. Seine Schreie hallten noch etliche Stunden, ungehört, in die Nacht.
Jack fingerte genervt am Regler des Radios in seinem, in die Jahre gekommenen, VW Käfer. Er vergeudete kaum einen Blick, auf die schnurgerade Strecke vor ihm. Die Trüben Scheinwerfer des Wagens fraßen sich in die Dunkelheit des Highways, als ein Ruck den Volkswagen erschütterte.
Devanny überschlug sich etliche Male, schlitterte mit grotesk verdrehtem Kopf auf dem Grund, und rutschte in den naheliegenden, schlammigen Straßengraben, in dem der nun leblose Körper langsam versank.
Routiniert setzte Jack seine Fahrt fort.
»Scheiß Dingos!«, fluchte er.
Die Rückleuchten des Käfers verschwanden zügig in der Dunkelheit.
Alternatives Ende
Genervt setzte Jack Torrance seine Fahrt, zu dem bevorstehenden Einstellungsgespräch als Hausmeister im Overlook Hotel, fort.
»Beschissene Dingos!«, fluchte er.
Die Rückleuchten des ramponierten VW Käfers verschwanden zügig in der Dunkelheit.