Beschreibung
Ein Klassentreffen, ein Wiedersehen mit dem Mann, der zufällig deine erste, unvergessene große Liebe war. An sich nichts Ungewöhnliches, doch was, wenn dieser Mann seitdem Karriere gemacht hat? Und noch dazu ein Geheimnis hat, wegen dem er eine ungewöhnliche Bitte an dich richtet? Eine Spirale in den Abgrund bahnt sich an....
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Hahnöfersand, den 17.02.1998
Zeit ist das einzige, was ich im Moment noch habe. Zeit, alles auf zu schreiben, Zeit, nachzudenken, wie das alles hat passieren können.
Ich weiß nicht, ob diese Zeilen jemals jemand lesen wird. Aber dafür sind sie auch gar nicht in erster Linie da. Sie gehören mir, genau so wie die Erinnerung. An Momente, in denen nicht alles schlecht war....
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Doch wenn es jemand liest, dann hoffe ich, er versteht, warum alles so gekommen ist, wie es eben gekommen ist.
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„Das Dietrich-Bonhoeffer-Gymnasium lädt ein:
Klassentreffen des Abitur-Jahrgangs 1981!”
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Ja, die Klasse von 1981! Das waren wir gewesen, du meine Güte, war das auch schon wieder 15 Jahre her? Gruselig.
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Mit zusätzlichem Schaudern dachte ich an meine Schulzeit zurück. Obwohl unser Bezirk SPD-regiert war, herrschten grade am Gymnasium noch immer verknöcherte Strukturen, waren die meisten Lehrer zu Zeiten ausgebildet worden, wo noch Zucht und Anstand gelehrt wurden. Eben das gleiche Problem, gegen das schon die 68er an ihren Unis protestiert hatten...
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Aber unsere Provinz hier im schönen Bezirk Reinickendorf hatte nicht unbedingt Vorrang, wenn es um die Besetzung der Stellen mit jungen Lehrern ging. Ich war zwar nicht grade eine Vollzeitrebellin, aber eckte doch recht häufig an. Es fiel mir schwer, mich in diese Strukturen einzuordnen.
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Wir fühlten damals ja generell so eine Art Aufbruchszeit, vor allem, als Ende der 70er die Punkwelle zu uns schwappte. Nun gut, ich trieb es nicht so weit wie mein damaliger Freund, der sich nach unserer Klassenfahrt nach London zum Punk erklärte. Damit war er einer der Ersten an unserer Schule, aber auf jeden Fall der einzige in seiner Reihenhaussiedlung, sehr zum Leidwesen der Nachbarn.
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Aber er hatte aus seinem Anderssein eine Tugend gemacht, 'mein' Kai, und dann später Karriere gemacht als Schauspieler. Also war es wohl schon mal ausgeschlossen, dass er kommen würde!
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Was schade war, denn er allein wäre für mich ein Grund gewesen, hin zu gehen. Nicht wegen seines Ruhms, sondern weil uns damals schon früh, noch bevor wir zusammen kamen, eine Freundschaft verbunden hatte, geboren aus dem Gefühl, unter dem gleichen System zu leiden.
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Da ich auch nicht als sonderlich angepasst galt – schon gar nicht an das, was Mädchen sein damals noch definierte - hatten wir und ein paar andere uns ab und zu solidarisiert, wenn es darum ging, Unruhe zu stiften und gegen ein paar verknöcherte Strukturen anzustinken.
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In unserem jugendliche Leichtsinn waren wir allerdings nicht sonderlich erfolgreich; muss ich leider zugeben. Aber wir hatten schon unseren Spaß damals, ich vor allem, weil ich als Mädchen in den Augen der Lehrer nie für die Aktionen als Schuldige in Frage kam, so dass den Ärger meistens Kai und die anderen Jungs bekam! Sie haben das aber immer heldenhaft ertragen, sozusagen Märtyrer auf dem Schlachtfeld der Revolution.
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Zum Glück gab es auch ein paar eher nette Lehrer, sonst wäre es komplett unerträglich gewesen, die uns dann auch durchs Abi hievten. Wie zerbrechlich unsere kleine Notgemeinschaft war, sieht man daran, dass sie die Abi-Feier nicht lange überlebte. Jan ging in die Firma seines Vaters, wurde also sofort vom Establishment verschluckt, ich und Reinhold gingen an die Uni...
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Da hatte Kai auch hin gewollt, machte aber dann lieber als Schaupieler Karriere. Tja, so kann's gehen. Anfangs waren wir noch zusammen und ich bin ihm auf einige seiner Gigs gefolgt. Was für ein Chaos das immer war! Aber eine tolle Zeit...
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Doch mit dem Fortlauf meines ersten Studiums, Sozialwissenschaften, wurden andere Dinge wichtiger, ich konnte mir irgendwann nicht mehr die Nächte um die Ohren schlagen. Eines Tages war es dann so weit, wir trennten uns, seltsam einvernehmlich, hatten auch eine Zeitlang noch freundschaftlichen Kontakt.
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Irgendwann begann ich eine feste Beziehung mit einem Kommilitonen (ein Idiot, wie sich später herausstellte, aber das weiß man ja selten vorher), Kai ging ziemlich in seiner Karriere auf. Die Kontakte zu ihm und den Schulfreunden wurden jedenfalls spärlicher, bis
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sie schließlich ganz abrissen, nur mit Kerstin hatte ich auch jetzt noch Kontakt....
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Ich warf den Brief in die Ablage. Wegen dem Scheiß würde ich bestimmt nicht die Fahrt von Köln nach Berlin auf mich nehmen! Dann ließ ich die Fingerknöchel knacken und widmete mich wieder meiner Arbeit. Nach dem Diplom hatte ich noch ein kleines BWL-Studium dran gehängt (schäm) und erstellte nun Geschäftsmodelle für Firmen-Neugründungen.
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Auch nicht grad das, was unsere 'Rebellion' damals im Sinn hatte, aber ich konnte immerhin noch darauf achten, WEN ich da beriet und ob mein Gewissen dabei rein blieb. Kerstin war gleich ganz zum Feind übergelaufen, sie hatte die Beamtenlaufbahn eingeschlagen.
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Nur konnte ich mich heute irgendwie nicht so richtig konzentrieren. Statt dessen ging ich an den Schrank und zerrte mein altes Fotoalbum heraus. Darin fand ich, was ich suchte, die Zeit der Oberstufe. Himmel, warum ist das immer so komisch, wenn man die alten Fotos sieht?!
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Da war die Klassen-Fahrt nach Südtirol, auf der Kerstin und ich so richtig Freundschaft geschlossen hatten. Und auf welcher der gute Öli lernte, beim ersten Schluck am Morgen trotz Bleis auf den Augen erst mal die Flasche zu checken. Denn es könnte sich ja um die Flasche handeln, die am Abend als Aschenbecher gedient hatte. Den Aufschrei hab ich noch heute im Ohr!
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Ah, da war ja auch ein Foto von Kai aus der 8. Klasse, noch mit dem klassischen Prinz-Eisenherz-Schnitt und dunklen Haaren. Auf den Fotos von der Fahrt in der 10. nach London hatte er dann schon die grünen Zottelhaare,
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mit denen er sich zum Punk erklärte. Mann, hatte der einen Ärger mit seiner Gastmutter gehabt, weil die blöde Tönung das Kopfkissen gründlich ruinierte!
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Aber egal, Hauptsache er hatte endlich was gefunden, mit dem er sich identifizieren konnte. Oje, da war ja auch ich, gerade von ihm in den Schwitzkasten genommen, mit kurzen Haaren und wie immer zu weiten Klamotten.
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Das muss auch die Zeit gewesen sein, in der wir mit unseren ersten kleinen Knutschereien anfingen, anfangs aus einer Kabbelei heraus, dann, weil wir uns so richtig mit Wumms und Kribbeln im Bauch ineinander verliebten. Was dann sogar darin gipfelte, dass wir beide unser 'Erstes Mal' miteinander hatten...
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