Heute auf der Autobahn, natürlich war wieder einmal Stau, fuhr auf der äußeren linken Fahrbahn ein Cabrio an uns vorbei, in dem sich vier junge Leute befanden, zwei junge Männer auf der linken Seite und zwei junge Frauen auf der rechten Seite. Es war sehr heiß heute. Dementsprechend dürftig waren auch die Frauen – falls man sie schon als solche bezeichnen kann – angezogen. Offensichtlich war die Stimmung in diesem Fahrzeug sehr gut. Die beiden Mädchen hatten der Frontseite den Rücken zugekehrt, also waren sie offensichtlich nicht angeschnallt. Bislang dachte ich immer, dass selbst Cabrios über Sicherheitsgurte verfügen. Nun ja, dieses Fahrzeug aber leider offensichtlich nicht. Die Mädels wippten im Takt der Musik schwangen Arme, Hüften und Bierflaschen. In der freien Hand hielten sie eine Zigarette.
Wie gesagt: Es war Stau. Nur dadurch ist es zu erklären, dass das Fahrzeug mal vor uns fuhr, mal hinter uns zurückblieb, sich aber auch mal mit uns auf gleicher Höhe befand. Immer dann, wenn wir Blickkontakt hatten, spürte ich förmlich, wie die Blicke mich durchbohrten, wie der Gesichtsausdruck bei allen diese mitleidige Form annahmen: Die fahren nur einen Ford-Focus.
Ich muss an dieser Stelle gestehen, dass mir dieses Getue im Auto neben uns rechtschaffen auf die Nerven ging, zumal der Stau auch gehörig bei mir zur Stimmungssenkung beitrug. Können die sich nicht anschnallen wie alle anderen Verkehrsteilnehmer auf der Autobahn auch? Meine Tochter stimmte mir zu.
Nach wenigen Metern Fahrt – es ist schon erstaunlich, wie man auf der Autobahn in einem Stau jeglichen Orientierungssinn verliert nach dem Motto: Ach hier sind wir erst? – Sagte meine Tochter zu mir: „Du Mama, die verlieren irgendetwas Flüssiges, Wasser oder so. Guck doch mal.“ So sehr ich mir auch den Hals verrenkte, ich konnte nichts entdecken. Von ihrem Fahrersitz aus hatte Swea einfach den besseren Blickwinkel. Langsam fielen wir wieder etwas zurück im Vergleich zu diesem Fahrzeug.
Als wir sie wieder einholten, war das Warnblinklicht eingeschaltet. Unter dem Fahrzeug befand sich eine relativ große Lache einer unbestimmten Flüssigkeit. Alle Fröhlichkeit war aus den Gesichtern gewichen. Sogar dieser mitleidige Gesichtsausdruck war verschwunden. Ich sah weder Bierflaschen, mit denen gewunken wurde, noch wippende Bewegungen, nur noch lange Gesichter und einen sehr jungen Fahrer, der die Kühlerhaube geöffnet hatte und hilflos hineinsah.
Was später geschah, weiß ich nicht, denn wir konnten und mussten langsam unsere Fahrt fortsetzen. Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich eine gewisse Schadenfreude nicht verleugnen konnte. Wären sie angeschnallt gewesen, hätte ich ihnen wahrscheinlich noch fröhlich zugewunken und ihnen jeden Spaß gegönnt. Anschnallen halte ich persönlich aber für sehr wichtig und bin da auch recht eigen.
Ausgelassenheit, Fröhlichkeit, Bierchen, Zigarette, alles kein Problem, aber bitte auch im Cabrio angeschnallt – auch im Stau auf der Autobahn.
Meine Mutter sagte immer wieder gerne: Die kleinen Sünden bestraft der liebe Gott sofort, die großen etwas später.