Ein ganz normaler Sommer für "TTD", Dominik, Annika und Lea.Als sie von Kommissar Meier ins "Ele Dininjo" eingeladen werden, scheint alles ganz normal, bis sich eine Woche später der Direktor des Hotels verzweifelt bei ihnen meldet und den Diebstahl eines offenbar wertvollen Edelsteins bei ihnen meldet. Sofort fängt das Trio an zu ermitteln, doch schon bald verlaufen die Spuren im Sand. Was hat es wirklich mit dem "Silbermond" auf sich und warum meldete sich der fanatische Direktor erst eine Woche nach dem Diebstahl? Nicht schlimm genug, dass die drei Detektive bei ihren Ermittlungen auf eine alte legende stoßen, und sie teilweise Gegnern begegnen, die bereit sind über Leichen zu gehen, sondern dass auch noch eine liebes Beziehung an der Detektei rüttelt! Ein wildes Abenteuer, bei dem den Spürnasen alle Konzentration abverlangt wird.
Ich schwebte auf Wolke 7! Es waren die schönsten fünf Minuten meines Lebens. Nichts war schöner auf der Welt! Ein Moment für die Ewigkeit, der von den Worten „Ich liebe dich!“ gekrönt wurde. Es ist nicht beschreibbar, wie schön es war!
Ihr denkt jetzt vielleicht, die hat doch nicht mehr alle Tassen im Schrank! Viele werden mich für verrückt erklären, doch viele wiederum kennen dieses Gefühl sehr gut.
Nach dem perfekten Ende klopfte es an der Tür. Es war Harry. Neben ihm standen zwei Sanitäter. Ich wusste, was kommen würde und versuchte Harry klar zu machen, dass Ärzte nicht nötig wären. Alles sei ok. Doch Harry blieb konsequent. „Es tut mir leid, Annika. Aber ich muss das nun mal tun als Aufsichtsperson. Du bist übel umgeknickt und hast dann auch noch das Bewusstsein verloren! Das darf man nicht auf die leichte Schulter nehmen!“
Er klang wie eine Mutter, die ihr Kind zur Einsicht bringen wollte! Da half kein Murren oder Knurren und zähneknirschend musste ich eine Kurzbehandlung über mich ergehen lassen. Nicht das ich Angst vor Spritzen oder allgemein Ärzten hatte, aber ich lag schon zu oft im Krankenhaus, zu oft im Krankenwägen und noch öfter mit Ärzten zusammen, sodass es mir irgendwann gereicht hat! In Krankenhäusern war ich sowieso noch nie gerne.
Die Diagnose war dann keine Überraschung: Verstauchter Knöchel! Subba! Was will man da schon mehr?
„Du hattest Glück. Es hätte schlimmer kommen können.“
Ich hörte dem Gelaber gar nicht richtig zu.
Missmutig sah ich dem weißen Verband zu, wie er sich gleichmäßig um meinen dick geschwollenen Knöchel legte. Tanzen konnte ich erst mal vergessen.
Harry stellte mir frei, ob ich nach Hause wollte, oder dableiben wollte.
Ich wählte letzteres.
Mein Blick war an die Uhr gefesselt. Viertel nach drei. Ungeduldig wackelte ich mit meinen Krücken hin und her, mein Blick wanderte abwechselnd von der Uhr, dessen Zeiger sich nicht rührten, zum gläsernen Eingang und dem dahinter liegenden Flur. Ich wurde immer nervöser, die Mittagssonne brannte unentwegt auf mein Gesicht, ich stand zwar im Schatten des Gebäudes, doch dieser bot nur wenig Schutz.
Paulina hatte nach ihrer Aktion keine weiteren Anschläge mehr gegen mich unternommen, vielleicht hatte sie das Resultat selbst erschreckt?
Wieder sah ich auf den Flur. Keine Spur von Domme und Lea. Ich wartete. 20 nach drei. Ich hatte keine Lust mehr zu warten und mit Langeweile die Zeit tot zu schlagen. Nach kurzem Umsehen entdeckte ich die willkommene Abwechslung: eine Hi-Fi Galerie. Es war direkt gegenüber. Mit einem kurzen Blick ging ich sicher, dass der Gang leer war, dann schwang ich mich los. Am nächstbesten Fernseher blieb ich stehen und lauschte den stummen Worten des Nachrichtensprechers. Normalerweise interessierten mich Nachrichten nicht besonders, weil es mir meistens so vorkam, als würde dort Stunde für Stunde, Tag für Tag, Woche für Woche eine ständig gleiche Kassette immer wieder neu abgespielt werden.
Immer war es dasselbe: Politik, Sport, Wirtschaft, aus aller Welt und dann noch hin und wieder Klatschpresse. Immer gleich. Manchmal vorwärts und manchmal rückwärts. Gerade wechselte das Bild und der Fernseher zeigte den frisch gewählten Präsident Barack Obama. Unter dem Blitzlichtgewitter der Presse schritt er gemächlich und mit einem zuversichtlichen Grinsen im Gesicht zum Rednerpult. Ich wandte meinen Blick ab, denn was Obama seinem Volk und der Welt zu sagen hatte, konnte ich jetzt ohnehin nicht mehr verstehen. Auf allen anderen Geräten, die in dem Laden aufgestellt worden waren, lief das gleiche.
Ich blickte zurück auf den Flur, der auch von hier aus noch gut erkennbar war. Da sah ich die beiden. Ich humpelte auf die andere Straßenseite. Domme war der Erste, der mich sah. Die gläserne Tür ging auf. „Hallo Annika!“, begrüßte Domme mich freudestrahlend. „Wie geht’s dir?“
Ich deute auf meine Krücken. „Wie soll es mir damit schon gehen?“ Ich schenkte ihm ein schiefes Grinsen.
„Null Plan.“
„Tut dein Fuß immer noch weh?“, erkundigte sich Lea mitleidig.
Langsam setzten wir uns in Bewegung. „Nein nicht mehr so stark.“
Geht noch einer mit mir zum Megges?“, fragte Domme in die Runde. Lea zuckte die Schulter und setzte sic h ihre Sonnenbrille auf. „Warum nicht.“
Ihre Blicke wanderten zu mir. „Und du?“, wollte Domme wissen. Jetzt war eine gute Antwort gefordert.
„Nein ich muss noch mal in die Zentrale.“
„Wieso?“, fragte Lea. An ihrem Blick konnte ich lesen, dass sie ahnte, dass ich dort etwas bestimmt vorhatte. Doch ich hatte schon ein Argument parat. „Ich muss da noch mal was am PC machen.“ Obwohl es die Wahrheit war, klang meine Stimme plötzlich unsicher. Domme und Lea sahen mich skeptisch an, als ob sie etwas ahnten. Ihre Blicke verunsicherten mich, obwohl es keinen Grund dafür gab. Ich war den beiden doch keine Rechenschaft schuldig, außerdem war das, was ich in der Zentrale vorhatte ja nicht verboten. Oder?
„Tatsächlich? Du hast doch einen eigenen PC bei dir stehen und außerdem ist der Weg in die Zentrale doch eh länger.“
Mist! Das hatte ich mir eigentlich einfacher vorgestellt! Er hatte aber leider recht. Egal! „Mein PC ist kaputt.“, log ich. Schon jetzt bekam ein schlechtes Gewissen. Ich log in der Regel nie und daher auch nicht gerne, zumal ich das auch nicht gut konnte. Man merkte es mir nun mal immer an, wenn ich es gerade tat. Ich hasste dieses Gefühl! Doch wenn ich es tat, hatte es meistens einen tieferen Grund. Jetzt hoffte ich, dass es diesmal klappen würde.
„Gestern Abend hat er doch noch tadellos funktioniert.“ Jetzt wurde auch noch Lea misstrauisch und wenn Lea misstrauisch wurde, hatte man es schwer, sich daraus wieder zu lösen. Wäre es doch besser gewesen, die Wahrheit zu sagen? „Ich hab mir gestern versehentlich einen Virus drauf geladen.“ Und schon war es wieder passiert. Eine unüberlegte Lüge. Ich konnte jetzt nur noch hoffen, dass ich überzeugt genug rüberkam. „Muss ich hier eigentlich ne Rechtfertigung ablegen?“
Zu meiner Überraschung fing Domme plötzlich an zu lachen. „Schon gut. Aber mach nicht zu lange.“, mahnte er. Yes! Ich strahlte übers ganze Gesicht, ich hätte nie gedacht, dass ich damit wirklich durchkäme!
Ich konnte den beiden nicht sagen, was ich eigentlich vorhatte, weil ich damit wahrscheinlich nur für unnötige Aufregung sorgen würde.
Als es an der Tür der Zentrale klopfte, grinste ich breit. Ich wusste sofort, wer da stand. „Is offen!“, rief ich. Wenige Sekunden später steckte ein braunhaariges, schmales Gesicht den Kopf durch die Tür, dann kam der mittelgroße, hagere Körper zum Vorschein und schließlich die langen, durchtrainierten Beine, die zu seinem Äußerlichen Erscheinungsbild nicht so gut passten. Ich machte noch einige letzte Handgriffe am PC. Tom stellte die mitgebrachte Umhängetasche auf den Boden. Ich gab noch einige letzte Befehle in das Tastenfeld. „Bist du bereit?“
„Ja.“, antwortete ich knapp.
„Du gefällst mir.“, er lächelte mich an, während ich mich aus dem Sessel erhob, um ihm Platz für seine Arbeit zu machen. Er öffnete seine Tasche und holte einen großen Laptop heraus, der sehr teuer aussah. Als er ihn auf dem Holztisch abstellte, strich er darüber, als ob es sein liebstes Gut wäre. „Nagelneu. Mein neues Baby. Technisch auf dem neuesten Stand.“, pries er den Laptop und wieder lächelte er mich. Ich wusste was er wollte. „Erstens: Versuchs erst gar nicht. Zweitens: Nur das du es weist, ich hab schon einen Freund. Also hör auf mich anzubaggern!“, fuhr ich ihn an. Schon seit Wochen lief er hinter mir her. Und immer wieder hatte ich ihm eine Abfuhr erteilt. Doch er gab einfach nicht auf und machte mir sogar Geschenke. Das war schon ziemlich süß aber ich wusste, dass wir nie zusammen kommen würden, vor allem, weil ich schon Robert hatte und außerdem fand ich Tom auch ein bisschen verrückt. Er war ein Technikfreak. Das war zwar nichts Schlimmes, aber ich konnte ihn trotzdem nicht so ganz leiden.
Er schien meine Abfuhr verstanden zu haben und machte sich an die Arbeit, die daraus bestand, seinen Laptop an den PC anzuschließen und im Internet etwas zu tun. Ich konnte nur breit grinsen, als er sich über den technischen Zustand des alten Computers beschwerte, mir viele Ratschläge zur Aufrüstung gab und sich selbst bemitleidete, wie er bloß darauf gekommen sei, sich auf dieses dämliche einzulassen. Das Grinsen auf meinem Gesicht wurde immer größer. Ach ja, die Wette. Wir hatten sie geschlossen, nachdem Domme, Lea und ich unsere erste Besprechung zum Fall „Silbermond“ abgelegt hatten. Ich war damals fest davon überzeugt, dass Kovalksi etwas mit dem Diebstahl des Silbermondes zu tun hatte, was sich bis heute nicht geändert hat. Zwei Tage nach dieser Besprechung mussten wir in ECDL eine Powerpoint Präsentation halten. Thema: Die Geschichte der Erde. Durch Zufall, und ich gebe zu, dass ich auch nicht mehr so genau weiß wie, haben Tom, der Computerfreak der Klasse und ich eine Wette abgeschlossen: Wer von uns beiden am Ende die 1 bekommt. Tom war selbstsicher, denn er war fast immer der Klassenbeste in ECDL. Umso größere Augen machte er, als er eine 1- bekam und ich eine glatte 1! Ich gebe zu, ich habe nicht immer mit fairen Mitteln gespielt, manchmal habe ich einfach in der Schule die Daten auf einen Stick kopiert und zu Hause weiter gearbeitet oder habe mich einiges aus dem Netz runtergeladen. Aber erzählt das bitte keinem! Erst recht nicht Tom! Der Verlierer der Wette musste dem Sieger vom PC aus einen Gefallen tun und ich wusste schon damals, was für ein Gefallen das bei mir sein würde.
Tom war im Anschließen sehr schnell und schon nach wenigen Minuten war er Einsatzbereit. Er hatte ein Dutzend Kabel miteinander verbunden. Ich konnte über diese Elektronikbeherrschung nur staunen, er hatte das super im Griff. Ich dagegen würde wahrscheinlich schon bei sechs Kabeln die Übersicht verlieren. Er hatte außer seinem Laptop noch ein anderes, kleines Gerät dabei. Für mich sah das aus, wie N- und W LAN Verbindung in einem, doch als ich ihn darauf ansprach, sagte er nur, dass es ein Gerät sei, mit dem er die allgemeine Prozessorgeschwindigkeit erhöhen könnte. Ich hatte keinen Schimmer, wovon er da redete, aber es war mir auch irgendwie egal.
„Und was soll ich jetzt noch mal machen?“, fragte er und gab dabei einige Zahlen und Buchstabenkombinationen in den Editor ein. Während ich von all dem keine Ahnung hatte, schien er sich seiner Sache sicher zu sein.
Ich seufzte. „Du sollt dich auf Kowalksi´s PC einhacken.“
„Und worüber?“, wollte er wissen.
„Wie `worüber`?“
„Annika, wir leben nicht mehr in den 90ern, in denen das Internet schon hoch entwickelt und es Millionen von Nutzern gab.“
„Und was brauchst du?“
„Irgendetwas, von dem ich mich in den PC einhacken kann. Einen Account irgendwo! “
„Ein Account…” Ich überlegte scharf. Wo könnte ein Mann wie Kowalksi einen Account haben. Vor meinem geistigen Auge spulte ich die Stunden zurück, in denen wir uns bei Kowalksi aufgehalten hatten. Doch es war schon zu lange her, die verschwommenen Bilder in ihrem Kopf halfen ihr nicht mehr weiter. Doch! Plötzlich schoss ihr das Bild einer komplett blauen Taskleiste in den Kopf und unten ein Balken, auf dem ständig neue Worte erschienen. Das Bild war nur für den Bruchteil einer Sekunde da, doch es reichte, um etwas damit anfangen zu können.
„Geh mal auf Facebook!“
Mit dem Drücken einiger Tasten war Facebook schnell geladen. Tom loggte sich ein. „Du hast Facebook??“, fragte ich überrascht. Tom sah mich an, als ob diese Frage gerade gegen die Menschenrechte verstoßen hätte. „Natürlich!“
„Sorry, aber ich wusste das nicht, dass du…“
Tom winkte ab. „Is nicht schlimm, aber wer Facebook kennt, hat es auch. Zumindest meistens.“ Er sah mich zuversichtlich an. „Und jetzt suchen wir nach deinem Kowalksi.“
Von ihm gab es nicht viele und sein Profil war eines der ersten, die auf dem Bildschirm erschienen. Tom öffnete das Profil. „Super! Der Mensch ist auch noch on. Mal sehen, was sich da machen lässt.“, flüsterte er. Er klickte den Button „Als Freund hinzufügen“ und in die Kommentarspalte fügte er eine merkwürde Kombination ein, die er aus dem Editor kopiert hatte. Dann schickte er das ganze ab.
„Und jetzt?“, wollte ich wissen.
Tom lehnte sich im bequemen Sessel zurück und reckte sich. Draußen war es noch hell und die Sonne warf den Schatten der Balkontür durch den ganzen Raum. „Warten, warten, warten.“, war seine Antwort.
„Was hast du ihm da eigentlich noch geschickt?“
„Ganz einfach. Einen Link. Auf dem Laptop ist ein von mir hochentwickelter Trojaner. Sobald er den Link anklickt, erscheint auf unserem Schirm ein Fenster. Mein Virenprogramm aktiviert sich ab hier von selbst und ist startklar. Ab hier habe ich dreißig Sekunden um mich über den Editor auf seinem PC einzuloggen. Ein Prozess, den ich bei anderen schon tausendmal gemacht habe und ein Prozess, der bei einigen gescheitert ist.“
„Was passiert denn, wenn er scheitert?“ Jetzt fing selbst ich an, mich für diesen Kram zu interessieren, wenngleich ich etwas beunruhigt war. Ich stand kurz davor, mich für verrückt zu erklären!
„Ab dann gibt es zwei Möglichkeiten: Die erste und häufigste ist, dass auf den betroffenen Monitoren erscheint, dass ein Virus drauf ist, oder drauf gehen will. Auf den betroffenen Computer. Möglichkeit zwei und die seltenste Möglichkeit ist, dass wenn der Betroffene einen hervorragenden Virenscanner hat, oder den Computer von der Polizei untersuchen lässt, oder es ein Polizeicomputer oder ähnliches ist, dass man deine IP Adresse ausfindig machen kann und dann hast du ein Problem. Ein großes Problem.“
Ich schluckte hörbar. „Und, und wie hoch ist die Chance, dass es…“
Wir schauten gebannt auf den Bildschirm, als plötzlich das Fenster erschien, von dem Tom geredet hatte. „Also los!“ Sofort begann er über den Editor Befehle einzutippen, während die Zeit unaufhaltsam hinunterlief! 25, 24, 23… Plötzlich stockte Tom und strich einige Zeilen wieder heraus. 18, 17, 16… Ich wurde immer nervöser, immer ängstlicher, meine Augen starrten immer sorgenvoller auf die Zeit! Tom fluchte immer lauter, er hatte offensichtlich Schwierigkeiten! Auch in ihm kam so langsam Nervosität auf, die sich rasch in Angst umwandelte. Angst, die ihn bei der Arbeit behinderte, Angst, die ihm den notwendigen, klaren Kopf raubten. Seine Bewegungen wurden immer hektischer, immer öfter vertippte er sich! Meine Augen weiteten sich immer mehr, je näher wir uns der Zahl null näherten. 7, 6, 5, 4… Ich schloss die Augen, ich wollte nicht mehr sehen was passierte. Plötzlich schoss mir eine ungeheure Vorstellung durch den Kopf. Ich kauerte auf einem Stuhl in einem Verhörraum der Polizei, neben mir Tom, der schweigend auf den Boden starrte und zwischen uns ein Polizist, der uns Fragen stellte und am Ende des Raumes stand Herr Kowalksi, die Arme vor der Brust verschränkt, uns mit missbilligender Miene ansehend. Eine schreckliche Vorstellung! Die Angst umklammerte mich mit immer festerem Griff, breitete sich die Angst in ihr aus, wie eiskaltes Wasser, das in eine Badewanne gelassen wurde. So durfte es nicht enden! Niemals! Diese Aktion war eine Schnapsidee, diese Wette war eine irre Schnapsidee! Meine Hände, mein ganzer Körper war schweißnass. Ware es Angstschweiß? Angst die gleich in Panik übergehen würde?
In ihrem Unterbewusstsein stellte sich alles auf ein Desaster ein, Tom würde resigniert scheitern, wir würden beide nach Hause gehen, verängstigt, ohne zu wissen, was der nächste Tag brachte, was passieren würde! Sie ertrug diese absurde Vorstellung nicht mehr, aber sie war…
„Annika! Annika!“, hörte ich Toms Stimme rufen. War da etwa Freude in seiner Stimme? Wie konnte er sich über so etwas nur freuen?
„Annika! Ich hab´s geschafft!“
WAS???? Ich konnte es nicht glauben. In der nächsten Sekunde sah ich wieder den Monitor vor meinen Augen. Auf dem Editor erschienen von selbst… DATEIEN! Ich sah Tom freudestrahlend an und er lächelte zufrieden zurück. „Die Verbindung ist sicher und steht. Und wenn er nicht gerade ein Profi ist, wird er es nie bemerken, dass mal irgendjemand in seinem Rechner rumgeschnüffelt hat.“ „Ich hab schon einen Stick angeschlossen.“
„Ich… ich, ich weis nicht was ich dazu sagen soll.“, stammelte ich vor Erleichterung.
Tom lächelte mich zuversichtlich an. Gleichzeitig wollte er mir Mut machen.
„Ich mein, ich, ich hab schon gedacht, das war´s jetzt, wir fliegen auf und kommen in den Knast.“, brabbelte ich.
„Annika, ich mach doch so was nicht zum ersten mal. Denkst du wirklich, ich wäre in einem solchen Fall nicht vorbereitet gewesen und hätte alles unkenntlich gemacht?“, seine Worte wirkten in meinen Ohren wie ein entspannendes Beruhigungsmittel. Er wusste, dass ich wahnsinnige Angst davor gehabt hatte, mit diesen einfühlsam gesprochenen Worten wollte er mir diese Angst wieder nehmen. Das gelang ihm. Ich war noch immer ziemlich mitgenommen, das entging ihm nicht und er nahm behutsam meine Hand, um diese Angst endgültig verschwinden zu lassen. Plötzlich schaute er mich besorgt an. „Du bist ja ganz nass!“
Ich wurde rot. „Ja. Angstschweiß.“, meine Worte waren etwas kleinlaut. Mir war diese Situation peinlich. Aber nicht die Tatsache, dass er meine Hand hielt, sondern viel mehr, dass mir plötzlich ganz warm und ich noch roter wurde. Ich wandte mein Gesicht bewusst ab. Ich wollte nicht, dass er mich so sah.
„Keine Panik auf der Titanic.“ Er streichelte mir sanftüber den Rücken. Ich wehrte mich nicht gegen diese Geste, weil sie eine zu entspannende Wirkung hinterließ.
Meine Verlegenheit war deutlich zu spüren. Als ich merkte, dass mein Körper sich wieder abgekühlt hatte, schenkte ich meine Aufmerksamkeit wieder dem PC. „Was macht der gerade?“, wollte ich wissen.
Tom zögerte mit seiner Antwort, als müsste er mir das, was er eigentlich sagen wollte erst aus dem Fachchinesisch für Computer übersetzten. „Ich drück´s mal einfach aus: Er kopiert gerade den PC von Kowalksi auf den Stick.“
„Und wie hast du das jetzt trotzdem noch geschafft?“ Meine Verwunderung war keineswegs verflogen. Im Gegenteil. Jetzt, wo ich wieder klar denken konnte, wollte ich erst recht wissen, wie er das angestellt hatte. Seine Antwort war einfach aber plausibel. „Ich hab´s zu kompliziert gemacht. Ich hatte eigentlich mit einem schweren Passwort gerechnet. Ich hab alles Mögliche eingegeben, aber ohne Erfolg. Als ich nur noch 5 Sekunden hatte, hatte ich noch einen letzten Versuch: ich gab „Kowalksi“ ein. Ich war von den Socken, als das plötzlich richtig war!“, er lachte.
„Wie naiv kann man nur sein, ein so einfaches Passwort zu haben!“, er schlug sich mit der flachen Hand auf die Stirn, er konnte so viel Dummheit einfach nicht fassen! Ich konnte darüber zwar auch nur verständnislos den Kopf schütteln, aber nur mal so unter uns: Für unsere ideale Voraussetzungen für erfolgreiches Hacking.
„Wie lange bracht der noch?“ Er sah kurz auf den Bildschirm. „Noch ca. 20 Minuten.“ Ich nickte. Plötzlich kam mir eine weitere Frage.
„Wo lernt man sowas eigentlich?“
„Interessierst du dich dafür?“, fragte er zurück.
„Schon. Warum?“
„Ist IT denn nicht etwas Langweiliges? Etwas für Nerds?“
Ich geriet in Erklärungsnot. Ich hatte das zwar tatsächlich gesagt, mehr oder weniger, aber das war doch etwas anderes, oder?
„Sorry, dass ich das gesagt habe. Aber das war ja auch, bevor du diese Kunst des Hackens mir vorgeführt hast. Das ist etwas ganz Neues für mich.“
Tom sah mich mit einem prüfenden Blick an. Er seufzte. „Hacken ist keine Kunst, es ist nichts weiter als pure Übungssache. Macht man es regelmäßig, wird man besser und macht weniger von Glück abhängig. Macht man es nie, wird man es nie gut können. Aber gut. Was willst du wissen?“ Er erinnerte einen an einen Professor, der nur wenige bestimmte Personen in sein Können einweihte. Wie ein großer, dürrer Professor mit Nickelbrille. Und eitel noch dazu, da er wusste, was er konnte.
„Wo hast du das gelernt?“
„Von meinem Bruder. Wir sind mit Computern groß geworden. Er hat sich exzellentes Wissen über einen Freund erlangt und das hat er an mich weiter gegeben. Er ist ein Profi. Er hat ein EDV Unternehmen gegründet. Die Computer hat er selbst programmiert.“
Je mehr er mir erzählte, desto mehr wurde mein Interesse und Eifer geweckt. „Kannst du mir das beibringen?“ Er sah mich wieder prüfend und zugleich abschätzend an. Der eitle Professor machte sich ein genaues Bild von seinem Lehrling, las in seinen Augen und sah so in ihn hinein, als wäre er ein Buch, ein Buch, in dem geschrieben stünde, welche Absichten der zukünftige Lehrling mit seinem Wissen hätte. Wenn er wusste, was er wissen wollte und das Seelenbuch ausgelesen hatte, beurteilte er, ob er es gut fand oder nicht, ob er es nahm oder nicht. „Nur Hacking oder alles andere auch?“, fragte er und sein weiterhin abschätzender Blick wirkte auf mich, als würde er tatsächlich versuchen aus meinen Augen zu lesen, wie aus einem Buch. Als ob er lesen wollte, wie ernst es mir wirklich war.
„Alles.“
„Ok. Hast du einen Laptop?“
„Ja.“
Plötzlich änderte er die Sprache seines Blickes und der genau prüfende, augenlesende Professor war aus seinem Blick verschwunden und nun saß wieder der 14 jährige Tom vor mir. Ein Junge, der wegen seiner Leidenschaft gegenüber von Computern oftmals nicht beachtet wurde, der aber sonst ganz lässig war. Der Junge, der jetzt bequem im abgewetzten Sessel saß. „Super! Kann ich dann morgen Abend um 21 Uhr mit dir rechnen?“
„So früh schon?“, fragte ich überrascht.
„Natürlich. Es sei denn, du hast da schon was vor.“
Ich schüttelte den Kopf. „Nein, nein.“ Ich war etwas überrumpelt, weil ich solch kurzfristige Termine eigentlich nicht gewohnt war. Aber immerhin war es eine lukrative Sache.
Nach etwa 10 Minuten hatte der Computer alle Dateien von Kowalksi´s PC kopiert. Vor allem jetzt wurde mir klar, dass ich mir das Ganze zu einfach vorgestellt hatte. Ich war sogar extrem dämlich.
Ich hatte nicht bedacht, dass wenn der ganze Computer synchronisiert würde, dass dann auch wirklich alle Dateien dazugehörten. Ich sah in einer Mischung aus Verzweiflung, Fassungslosigkeit und „Das kann doch nicht wahr sein“ auf den Monitor. Tom konnte sich nur schwer einen Lachanfall verkneifen, als mir vor lauter Fassungslosigkeit der Mund offen stehen blieb. Ich wurde fast hysterisch, was bei 135.773 Dateien sicherlich kein Wunder war!
„Kannst du das Ganze nicht noch ein bisschen komprimieren?“ ich sah ihn verzweifelt an, während ich nur ein breites Grinsen erntete. Ich gab mir keine Mühe das zu verbergen. Er konnte mich doch mit so vielen Dateien nicht einfach so sitzen lassen! Doch schon gleich darauf musste ich feststellen, dass er es doch konnte, als er seine Sachen abbaute und schnell aus der Wohnung huschte.
Bei der Fülle von Dateien bekam ich einen Kloß im Hals und missmutig wandte ich mich wieder dem Bildschirm zu.
Ich rieb mir müde die Augen. Die Digitalanzeige der Uhr zeigte 22 Uhr an. Seit nunmehr 4 Stunden saß ich am PC. Pausenlos. Ich blickte kurz in die blaue Tasse neben der Tastatur. Noch vor etwa 30 Minuten war die Tasse mit heißem Kaffee gefüllt gewesen. Jetzt war die Tasse kalt und der Inhalt? Fast leer. Mit einem Zug trank ich die Tasse aus. Ich hatte einen bitteren Geschmack im Mund. Müde und ächzend erhob ich mich. Der Stuhl unter mir knarrte laut, was er immer machte, wenn er lange Zeit ein Gewicht zu tragen hatte. Mein Rücken steif und kaum beweglich, meine Gelenke konnten auch nicht besser reden. Ich trottete in die Küche, um mir einen Kaffe aufzubrühen. Ich fühlte mich wie erschlagen, ich fror, meine Hände waren blau und so fühlte ich mich auch. Ich suchte den Lichtschalter, fand ihn und drückte. Sekundenspäter flammte eine Neonröhre an der Decke auf, die grellen. Kaltes Licht in den kleinen Raum warf. Es gab nur ein kleines Fenster, das 3 Meter weiter an der Wand war. Mittlerweile hatte ich starke Zweifel. Ich hatte bis jetzt gerade mal 150 Dateien durchsucht. Artikel aus zahlreichen Zeitungen, Geschäftsunterlegen, durch Passwörter geschützte Dokumente. Allerlei Sachen, von denen ich keine Ahnung hatte. An der Kaffemaschine drückte ich den gleichen blauen Knopf, den ich zwei Stunden zuvor schon einmal gedrückt hatte. Ich seufzte ich ließ mich auf den kalten Küchenboden sinken. Geistesabwesend spulte ich die Erinnerungen an unseren ersten Fall zurück. Es war fiel passiert. An der Schule wurden wir als Helden gefeiert. Es war ein tolles Gefühl! Ich hatte es noch vor Augen. Unser Schulleiter in Festtagsgewand. Im Spätwinter. Bei 5 Grad minus wurde das Winterfest gefeiert. Bei Glühwein, Tee, Crêpes, heißen Waffeln, Würstchen und Musik. Eine angenehm weihnachtliche Atmosphäre. Man wollte die letzten Spuren des schweren Sturms fröhlich beseitigen und das Fest als eine Art Neuanfang gelten lassen. Der Schatten sollte vergessen werden, das Hier und Jetzt zählte. Auf der gebauten Bühne hielt der Direktor seine Rede: „Und nun lasst uns die feiern, ohne die ein Ende des Terrors wahrscheinlich nicht so bald möglich gewesen wäre und ohne dessen Gespür wir hier jetzt nicht stünden und feiern würden, dass wir diesen Schatten besiegt hatten.“ Domme, ich und Lea. Wir standen ganz vorne und wurden auf die Bühne geholt. Tosender Applaus folgte. Wir genossen jeden Augenblick dieses Events und des Triumphes. Wir waren sprachlos, suchten dennoch nach Worten, die unserem Empfinden Sprache verleihen würde, aber das nur selten. In der nächsten Sekunde waren wir unter den Partygästen verstreut. Ich stand mit einer heißen Waffel und einem Glühwein an einem der zahlreichen Stehtische, dessen rote Plastiküberzüge mir sehr gut gefielen. Heißer, nach Himbeere schmeckender Kinderpunsch und dazu die weiche Waffel und süße Geruch von Puderzucker. Ein absoluter Traum. An diesem tag schien die Zeit generell still zu stehen. An diesem Tag lernte ich Robert kennen. Eine verrückte Begegnung, über die ich heute noch lachen konnte.
Ich hatte meinen Punsch ausgetrunken und wollte mir gerade einen neuen holen, als ich plötzlich im Gedränge mit einem Jungen zusammenstieß, der davor durch die Menge gerannt war. Vor Schreck ließ er seine Tasse fallen, die bis zum Rand mit Punsch gefüllt war. Die Hälfte des Punsches landete auf meiner Jacke, meinem Pulli und meiner Hose! Der Rest verteilte sich auf dem Boden, als die dort Tasse zerbarst.
„Verdammt! Sorry, tut mir echt leid.“, er lächelte entschuldigend. Danach passierte alles relativ schnell. Als ich drei Tage später meine Sachen aus der Reinigung holen wollte, fand ich dort Robert vor. Er war sichtlich überrascht mich hier anzutreffen, aber das konnte ich bei ihm auch nicht anders sagen. „Ich, ich bin hier um meine Sachen abzuholen.“, hatte ich gesagt.
Robert lachte. „Was für ein Zufall! Ich wollte sie abholen und sie bei dir zu Hause anschließend abliefern.“
Ich wurde rot, denn mit so etwas hätte ich nun gar nicht gerechnet. „Danke.“
„Die Sachen sind noch nicht ganz fertig. Wie wäre es wenn wir hier gemeinsam warten. Kommt schließlich nicht gerade oft vor, dass man auf ein so attraktives Mädchen wie du trifft, wenn ich das so sagen darf?“ Er deutete eine Verbeugung an und bot mir mit einer Handbewegung den Platz neben sich an. Mir wurde auf einmal ganz warm ums Herz und ich wurde noch roter. Zuerst war ich mir nicht ganz schlüssig, ob es das richtige sei, zugleich war ich etwas unsicher, aber schließlich dauerte es ja nicht sehr lang und etwas unsicher setzte ich mich neben ihn. Aus den paar Minuten wurde letztlich fast eine Stunde. Doch das fiel niemandem auf. Ich war am Anfang ziemlich unsicher, doch Tom, so hieß der Junge, konnte das verstehen und verhielt sich auch dem entsprechend. Doch je mehr wir redeten, desto mehr verließ mich diese Unsicherheit. Wir plauderten über alles Mögliche: Schule, das Leben, internationales, Politik usw. Die Chemie zwischen uns beiden stimmte sofort. Wir verabredeten uns immer öfter, immer länger, wir gingen essen und dann der Höhepunkt: unser erster Kuss! Danach sahen wir uns immer öfter, hin und wieder hatte ich den Eindruck, dass er mit anderen Mädchen flirten würde, weil ich ihn hin wieder mit anderen sah und auch andere Mädchen sagten mir, dass er mit anderen Mädchen flirtete, mich sogar betrügen würde. Doch diese Gedanken verwarf ich sofort, genauso die Gedanken, nachzuforschen, ob da was dran war, oder überhaupt nachzufragen. Das ist jetzt schon fast 1 Jahr her, und so wie es war, war es gut.
Viele fragten, was wir aus dem Geschehenen gelernt hätten. Was wir gelernt hatten? Detektivarbeit ist gewiss kein Kindergarten. Es ist nicht wie in einem Krimi. Man beginnt mit dem Auftrag, spannende Ermittlungen folgen und dann das Happy End. So konnte es enden. Aber eben auch nicht. In unserem Fall war das happy End nicht so passiert. Wir erlebten Detektivarbeit ganz real. Es doch ein gewaltiger Unterschied wenn man ein Buch aufschlägt und anfängt zu lesen, man erlebt vor dem geistigen Auge das Abenteuer, oder wenn man selbst mittendrin steckt. Die Hauptperson ist. Vieles erinnert an Kriminalromane und manchmal helfen diese Romane sogar bei den Ermittlungen. Doch der Unterschied ist spürbar.
Ich habe damals jedenfalls eines gelernt: In der Welt des Verbrechens ticken die goldenen Uhren anders. Es gilt kein Gesetz. Nur das des Stärkeren. Auch hier wurde wieder eines bewiesen: In den vielen Krimis fällt auf, dass die Autoren die Spannung meistens heben und anhalten. Und das solange, bis in letzter Minute oder schon früher die rettende Hilfe eintrifft. Gerade wenn kleine Hausdetektive solche Krimis lesen, wird ihre Fantasie beflügelt, man macht sich die Romanhelden zum Vorbild und will später einmal genauso werden wie sie! Man gründet mit Freunden ein Detektivbüro und träumt von einer großartigen Detektivkarriere! Dieses Gefühl kannte ich nur zu gut. Die Einsicht kommt, wenn man älter wird. Meistens zumindest. Man konzentriert sich mehr auf Schule und andere Hobbys, der Detektivclub gerät in den Hintergrund, bis er eines Tages ganz weg ist. Die Träume von spannenden Abenteuern verfliegen mit der Zeit und man sieht ein, dass der Beruf des Detektivs doch nicht so schillernd ist, vor allem dann, wenn die Fantasie einen dazu ermuntert, zu glauben, dass die Fälle schon kommen werden. Man muss nur Geduld haben. Die Einsicht kommt hier dann, wenn einfach keine Fälle kommen.
Und wir hatten wohl einfach nur Glück.
Ich sah am Küchenfenster einen dunklen Schatten vorbei huschen. Was war das? Eine Katze? Ein Vogel Angestrengt blickte ich in die Lauwarme Dunkelheit, ohne etwas erkennen zu können. Wie konnte das bloß sein? Das leben als Vogel? Es musste toll sein! Man war frei, konnte fliegen, die Welt entdecken, hatte keine Verpflichtungen, zwar auch keine Rechte, aber immerhin keine Verpflichtungen. Der Nachteil: Keinerlei Rechte, ein langweiliges Leben und keine Chance, mehr aus dem Leben zu machen. Andererseits konnten diese Vögel nichts dafür. Niedrige Intelligenz, geringe Lebensdauer und ein einfältiges Leben. Also gut. Doch nicht so der Burner.
Tief versunken war ich in meinen Gedanken, als ich ein lautes Zischen vernahm und aufschreckte.
Der Kaffee war fertig!
Als ich die Kanne aus der Maschine nahm, streifte mein Blick die Kaffeepackung. Auf der Rückseite stand groß geschrieben: Kaffee besonders stark. Die Art von Kaffee, die ich am meisten mochte, und die Art von Kaffee, ohne die ich aufgeschmissen wäre, die einzige Art, die meinen Kreislauf richtig in Schwung brachte. Alle anderen erzielten in mir keine Wirkung.
Ich zog ungläubig eine Augenbraue hoch. Das sollte starker Kaffee sein? Am liebsten hätte ich den Kaffee wegeschüttet und die halbleere Packung weg geworfen, doch noch war ich auf den seine Wirkung zu stark angewiesen, auch wenn ich feststellen musste, dass die Wirkung bei mir gleich null war. Ich konnte es nicht leiden, wenn auf einer Verpackung eine Garantie ausgeschrieben war, die letztlich nicht erfüllt wurde. Bei diesem Kaffee war das der Fall! Super! Gerade dann, wenn ich ihn brauchte, ließ er mich hängen! Dennoch goss ich die schwarze Flüssigkeit in die Tasse und schlürfte wieder an den Schreibtisch. Der einzige Grund, warum ich ihn trotz allem noch trank, war wahrscheinlich, dass er sehr gut schmeckte. Es war 11 Uhr 30. Mein Körper sehnte sich nach Schlaf, in mir wehrte sich alles gegen die Nachtarbeit, doch ich hatte keine andere Wahl. Wenn ich die Dateien so früh wie möglich durchsuchen wollte, war Nachtarbeit ein Muss. Dennoch wunderte mich meine plötzliche Müdigkeit, schließlich war es nicht das erste Mal, dass ich nachts durcharbeitete.
Also setzte ich mich widerwillig den PC, ohne zu wissen, was mich erwarten oder wie lange es noch dauern würde.
Mein Gesicht wurde von der Neonröhre angestrahlt. Ich blickte in die versteinerte Miene des dunkelhäutigen Polizisten mir gegenüber. Unsicher sah ich mich im Raum um. Und da war diese eine Frage in meinem Kopf. Was machte ich hier? Neben mir nahm ich einen Schatten war und versuchte, einen Blick nach hinten zu erhaschen, doch es gelang mir nicht. „Du hast die Frage verstanden!“, sagte der dunkle Stein plötzlich. Ich fast so aus, als könne er nicht reden, so versteinert, wie er da saß. Der Ton des Mannes war befehlshaberisch, als wolle er mir unmissverständlich klar machen, dass er keine Lust auf Spielchen hatte. Erwartete er das etwa von mir? Ängstlich kauerte ich auf dem unbequemen Stuhl. Dass der Stuhl unbequem war, war wohl beabsichtigt, um die Haftlinge zum Sprechen zu bringen, damit sie wieder schnell hier raus kamen. Ein sehr gutes Druckmittel, das Sinn machte. Die Statistik stellte den Staat zufrieden, was wiederum die Mitarbeiter zufrieden stellte. Ich tat so, als hätte ich die Frage nicht verstanden. „Wie war die Frage nochmal?“ Meine Stimme klang ängstlich. Wie eine Maus, die sich ängstlich in ihr Loch verkroch. Ich war die Maus und der Polizist mir gegenüber die schwarze Katze, die Jagd auf Mäuse wie mich machte. Eine große schwarze Katze mit scharfen Zähnen und scharfen Krallen. Die scharfe Antwort kam nicht vom Polizist, sondern von dem Schatten hinter mir, dessen forsche Stimme das Blut in meinen Adern gefrieren ließ!
„Tu doch nicht so, als wüstest du nicht, von was wir reden! Wieso hast du dich bei mir eingehackt?“
Mir lief ein eiskalter Schauer über den Rücken und bekam eine Gänsehaut. Ich wagte es nicht, mich umzudrehen! Der Polizist verschränkte die Arme vor der Brust. „Also?“
„Ich habe mich nicht eingehackt, nur ein bisschen rumgeschnüffelt.“, erwiderte ich kleinlaut. Doch ich wusste auch ohne den Blick des Polizisten, dass die Antwort idiotisch war. „Das macht aber keinen Unterschied.“, kommentierte der Mann in gespielt ironischen Mitleid.
Ich versuchte Worte zu finden, der Polizist behielt mich im Auge, als wäre ich ein Mensch, wie er ihn schon oft vor sich hatte. Menschen, die man immer im Auge behalten musste, weil davon auszugehen war, dass sie irgendetwas anstellen oder Flucht begehen konnten. Erwartete er das etwa von mir? Hielt er mich für so einen Menschen?
Sein Blick war nichtssagend, weder gelangweilt noch aufmerksam. Weder interessiert noch abwesend. Der Blick verunsicherte mich, da ich nicht wusste, ob er eine Antwort, oder sonst etwas von mir erwartete. Doch zu fragen, was genau er nun hören wollte, war sinnlos.
„Ich war felsenfest davon überzeugt, dass Kowalksi etwas mit dem Diebstahl des Silbermondes zu tun hatte!“, kam es mir über die Lippen. Es war eigentlich leicht. Doch die Worte waren zu leicht für Argumente. Der Blick des Polizisten bestätigte das. Mein Versuch, mich zu verteidigen, war gescheitert. Doch plötzlich weckte etwas anderes meine Angst: Mit einer Handbewegung holte er einen dunklen Schatten aus der Ecke hinter ihm hervor. Doch diesmal war es eine Frau, die sich neben ihm aufbaute. Es war eine große Frau, breitschultrig, ebenso kräftige Arme und Hände, die offenbar gut zupacken konnten. Ein Kampfapparat von Frau. Obwohl ich auch kräftig war, mit ihr konnte ich es nicht aufnehmen. Die Augensprache verriet, dass sie darauf programmiert war, zu gehorchen. Ihre Augen starrten ins Leere. Ein menschlicher Kampfroboter.
„Du wirst es mir doch sowieso nie nachweisen können, egal was du noch tust oder sagst!“ Die Worte klangen spöttisch, machten mich lächerlich. Ich sah die beiden Polizisten fassungslos an. Doch diese gingen nicht auf diese klaren Worte, auf dieses Geständnis ein. Ihre Mienen blieben weiterhin wie in Stein gemeißelt. Jetzt drehte ich mich wütend zu Kowalksi um und ich hätte ihm am liebsten die höhnisch grinsende Fresse poliert, doch etwas hinderte mich daran, hielt mich fest! Ich stand etwas auf, um mich zu vergewissern, dass ich nicht auf dem Stuhl festsaß, doch das war nicht der Fall. Plötzlich presste mich eine kräftige Hand auf den Stuhl. Sie hinderte mich zwar daran, aufzustehen, aber nicht, mich umzudrehen. Ich sah Kowalksi, dann den Polizisten fassungslos an. Ich begriff es einfach nicht! „Das ist doch ein 1a Geständnis!“, hallten meine Worte durch den Raum. Doch meine verzweifelten Worte stießen auf einen bewegungslosen Stein. Die Polizisten verzogen keine Mienen. Doch plötzlich machte das Nichtssagende etwas anderem Platz.
„Hör zu Mädchen! Wir dulden hier keine Nebenkriegsschauplätze!“, knurrte er.
Das konnte doch nicht sein Ernst sein! „Aber das ist doch…“
„Schluss jetzt!“, brüllte er und schlug laut mit der Hand auf den Tisch. Ich zuckte zusammen und machte mich auf meinem Stuhl ganz klein.
„Hast du das verstanden?“, bellte er.
Ich spürte etwas Kaltes in meiner Kehle, das mir die Sprache nahm. Ich nickte nur. Plötzlich hatte ich nicht mehr den Mut, irgendetwas entgegen zusetzen. Aber irgendwie wollte ich das auch gar nicht mehr.
„Ist das alles, was du zu sagen hast?“ Seine forsche Stimme durchschnitt die Luft wie eine unsichtbare Schere. Der Kampfhund zeigte keine Regung. Ich rag nach Worten, doch wenn ich sie hatte, entwischten sie mir sofort wieder. Schließlich schüttelte ich den Kopf mit gesenktem Blick.
Die Frau blickte den Polizisten stumm an. Der nickte. Was das bedeuten sollte bekam ich sofort zu spüren, als mich der kräftige Arm abermals packte, mich hochzog und mir grob die Arme auf den Rücken presste, obwohl ich keinen Widerstand leistete. Ich spürte kalte Handschellen, die sich um meine Knöchel legten.
Jemand öffnete die Tür und die Polizistin schob mich regelrecht aus dem Raum. Als wir schon fast draußen waren und ich Kowalksi zum letzten Mal in die Augen sehen wollte, traute ich meinen Augen nicht! Ich rüttelte, versuchte freizukommen, irgendwie! Irgendwie wollte ich den Polizisten, der sich genervt umdrehte, auf Kowalksi aufmerksam machen, der plötzlich den Silbermond in der rechten Hand hielt, ihn auf der Handfläche kreisen ließ. Sein dröhnendes, lautes Lachen war deutlich zu hören! Ich brüllte, versuchte mich zu wehren, während der Griff um meinen Arm immer fester wurde! Kowalksi lachte höhnisch, lachte mich aus, mich, Annika, die an den Handschellen daran gehindert wurde Kowalksi zu Hackfleisch zu machen! Der Türspalt wurde immer kleiner, ich sah Kowalksi, der den Stein in seinem Jackett verschwinden ließ, bevor die Tür laut ins Schloss fiel! Der feste Griff der Polizistin zwang mich in die Knie, wurde verstärkt, doch ich spürte die Schmerzen in meinem Arm nicht. Als ich am Boden kniete, war da plötzlich nicht mehr ein Kowalksi! Urplötzlich waren sie überall! Panisch sah ich mich um! Sie waren einfach überall! Überall war das Gelächter, das höhnische, unerträgliche Gelächter zu hören, das mit mir spielte! Ich wollte mir die Ohren zu halten, doch meine Hände waren taub, immer noch in Handschellen! Es sollte aufhören, es musste aufhören“ „Aufhören! Aufhören!“, brüllte ich in das Gelächter, das immer lauter wurde, obwohl kein Ton aus meiner Kehle kam! Ich pfetzte meine Augen zu, krümmte mich auf dem grauen Teppichboden zusammen. Ich wurde wahnsinnig, ich musste wahnsinnig werden! Jetzt war ich da!
Langsam hob ich meinen knallroten, von Schweißperlen übersäten Kopf.
Und ich begann zu Schreien!
„Nein Annika! Nicht so hastig! Du musst da mehr Gefühl reinbringen!“, rief mir der Tanzlehrer. Ich sah ihn auf mich zu eilen. Als er bei mir war, fasste er mir vorsichtig um die Taille und ließ meine Hüften kreisen. Es war ein verrücktes Bild, das sich der Klasse bot. Alle Blicke waren auf uns gerichtet, während Harry, unser Tanzlehrer, seine Hüften schwang und durch seinen geübten Griff meine in seinen Takt einfügte. Ich konnte es mich nicht verkneifen, laut los zu lachen. Harry stieg in das Gelächter ein. Heute war unsere erste Tanzstunde. Die ganze Schule war in verschiedene Tanzschulen eingeteilt worden. Unsere Klasse wurde zusammen mit drei anderen in die Schule „Harry`s“ eingeteilt, die etwas außerhalb von Ludwigshafen war. Unser Lehrer hieß Harry. 1,90 m groß, breitschultrig, dünn und schwarze, zurück gegelte Haare.
Wir befanden uns im Kellergeschoss des Hauses und während draußen die heiße Mittagssonne ungehindert den Asphalt heiß werden ließ, tanzten wir hier angenehm bei 20 Grad. Die Stoffvorhänge ließen gedämpftes, warmes Licht in den Raum fallen. Doch selbst die leistungsfähige Klimaanlage konnte nicht verhindern, dass wir ordentlich schwitzten.
Nach den Übungsstunden Walzer kam Polka. Glücklicherweise war Roberts Klasse zu unserer verlegt worden, aus irgendwelchen organisatorischen Gründen. Doch mich kümmerte das herzlich wenig, da ich nur Augen für Robert hatte, der mir jetzt gegenüber stand. In unseren beiden Augen leuchtete ein wildes Feuer, unersättliche, freudig sprühende Feuer!
Die Wanduhr zeigte 12 Uhr an, als Harry in die Hände klatschte und eine halbe Stunde Pause ausrief. Wir waren alle erschöpft von einer Stunde durchtanzen und in der mittlerweile etwas stickigen Luft lag der Geruch von frischem Schweiß. Ich nahm mir die klebrigen Haarsträhnen aus dem Gesicht und rannte nach oben und stieß dort die Tür der Mädchentoilette auf. Zu meiner Überraschung war außer Lea niemand hier. Sie war von oben bis unten durchgeschwitzt und hatte ein rotes Gesicht. „Hey Annika!“
„Hey Lea.“ Ich ließ mich auf einen Stuhl sinken.
„Und wie findest du es bis jetzt?“
„Gar nicht übel. Aber Felix ist kein wirklich guter Tänzer.“
Ich lachte leise. „Was man von Robert nicht sagen kann.“
Was stinkt hier eigentlich so?“ ich rümpfte mir argwöhnisch die Nase. Lea deutete mit dem Kopf auf die gekippten Milchglasfenster. „Ein paar rauchen da draußen.“ Ich nickte und starrte auf die nackten kleinen weißen Kacheln.
Ich sah Lea dabei zu, wie sie ihre Wimperntusche aus ihrer Tasche nahm. „Du willst jetzt Wimperntusche nehmen?“, ich sah sie ungläubig an. Sie bemerkte das und sah mich über den Spiegel an. „Ja. Warum nicht.“
„Wir werden ordentlich ins Schwitzen kommen. Was ist, wenn es läuft?“
Lea zuckte die Schultern und wandte sich wieder dem Schmickapparat zu. Ich stand auf. „Wie du meinst. Aber sag nicht, ich hätte dich nicht gewarnt.“, sagte ich, als die Tür öffnete und sie hinter mir ins Schloss fiel.
Ich lief auf die Treppe zu und blieb direkt davor abrupt stehen und sah entgeistert hinauf. Am anderen Ende stand Robert vor ihm Paulina. Sie hatte ihre Arme um ihn geschlungen und redete auf ihn ein. Ich blieb wie angewurzelt stehen, Wut schäumte in mir auf! Ich konnte nicht glauben, was ich da sah! Ich ballte meine Hände zu Fäusten! Ich räusperte mich hörbar. Robert war der erste, der den Kopf in meine Richtung drehte und ein erschrockenes Gesicht machte. Natürlich bemerkte mich auch Paulina.
Paulina war eine der reichsten Mädchen der Schule, sie war am Anfang des Schuljahres neu in die Klasse gekommen. Offenbar hielten sie viele Mädchen für eine Diva. Sie wurde bewundert, aber auch wegen ihrer Barbie- Erscheinung abgestoßen. Und so benahm sie sich auch. Die pechschwarzen Haare passten mit ihrer Erscheinung wie die Faust aufs Auge. Sie war hochnäsig, aufmüpfig, ekelhaft freizügig, frech, vorlaut, forsch… Ihr merkt es sicher schon, aber für alle anderen die Kurzfassung. Ich hasste sie wie Pest und sie hasste mich wie die Pest. Ich versuchte zwar ihr so weit wie möglich aus dem Weg zu gehen, weil sie die Gabe hatte, innerhalb von 5 Minuten einen Zickenkrieg zu verursachen, in dem ich natürlich das schwarze Schaf war! Und das aus Lust und Laune. Wie es ihr gerade passte! Einfach eine behinderte Tussi, das kann ich euch sagen!
„Is was?!“, fragte sie bissig. In ihrer Stimme der gewohnte Ton, wenn ihr etwas nicht passte, oder wenn sie sich gestört fühlte. Doch da schon oft Erfahrungen damit gemacht hatte, wusste ich inzwischen, damit umzugehen.
„Könntest du mal bitte meinen Freund in Ruhe lassen?“
„Wieso sollte ich?“, fuhr sie mich an. „Außerdem ist er doch dein Freund, oder?“
Ich blickte sie wütend an, während die Wut in mir die Macht über meinen Körper erlang. Doch Paulina ließ sich nicht von meinem Blick beeindrucken. Stattdessen sah sie von oben auf mich herab, im wahrsten Sinne des Wortes! Das war Paulina, wie leibt und lebt! Einfach arrogant! „Außerdem hast du so was wie ihn doch überhaupt gar nicht verdient!“, höhnte sie. Jetzt reichte es mir! Ich stampfte die Stufen bis zu ihr empor. „ich weis, was du dir gleich verdienst!“, fauchte ich und verzog meine Augen zu drohenden Schlitzen! Demonstrativ zeigte ich die nackte Faust und ich wusste aus Erfahrung, dass in dem scheinbaren Dinosaurier eine kleine, ängstlich kauernde Maus steckte.
Es war offensichtlich nicht nötig, meiner Drohung Nachdruck zu verleihen. „Das wird dir noch leid tun!“, zischte sie und machte mit beleidigter Miene einen Abgang! Sie wusste, dass es meistens sinnlos war, sich mit mir anzulegen, besonders wenn ich sauer war. Es wäre schließlich nicht das erste Mal gewesen, dass mir die Hand ausgerutscht wäre. Das kam zwar glücklicherweise nur selten vor…, aber das ist jetzt unwichtig. Das war also meine Erzfeindin. Ich machte mir nicht die Mühe, ihr nachzusehen, wandte mich lieber Robert zu. „Sorry, dass ich das jetzt so lösen musste.“ Ich war noch immer extrem sauer, was man mir auch deutlich anmerkte. Doch Roberts lieblicher Blick ließ die Donner sofort zu unbedeutenden Wolken werden und küsste mich auf die Stirn. Aller Ärger schien jetzt wieder unbedeutende Zeitverschwendung.
Was ich aber leider nicht wissen konnte war, dass Paulina jetzt nur noch eins im Sinn hatte: Rache!
Rache dafür, dass ich ihr nahm, was sie haben wollte!
Ich bekam es in der nächsten Tanzstunde zu spüren.
Am Anfang schrie sie Daniel, ihren Tanzpartner, dass er ein Übels grottiger Tänzer sei, die beiden stritten sich heftig und Harry ging nach einer Zeit dazwischen. Irgendwann schmiss Daniel das Handtuch und verließ wütend den Raum. Harry musste dann Trostarbeit leisten und weil er wusste, dass es länger dauern würde, sehr viel länger, gab er uns frei.
Als er uns nach über einer Stunde wieder in den Saal rief, war die Stimmung auf dem Tiefpunkt, was durch einige letzte Rettungsversuche durch Witze und anderen Blödsinn nicht rückgängig gemacht werden konnte. Harry hatte offensichtlich alles getan, was er konnte. Paulina und Daniel waren zwar auch wieder vereint, aber die Spannung zwischen den beiden war deutlich zu spüren. Ständig keiften sie sich gegenseitig an! Harry war bemüht zu verhindern, dass die beiden sie gegenseitig umbrachten. Bei jedem falschen Schritt keiften sie sich gegenseitig an und immer wieder musste Harry die Musik stoppen und dafür sorgen, dass sich das Tanzpaar nicht trennte.
Dann passierte es!
Es geschah mitten in einer Tanzübung. Robert und ich harmonierten perfekt miteinander. Dann kam der Moment. Das „Halbfinale“ wie Harry es nannte. Robert ließ mich los, ich nahm Schwung und war mitten in einer wunderbaren 360 Grad- Drehung, als mir irgendein Vollidiot das Bein stellte! Mit schmerzverzerrtem Gesicht fiel ich hart auf den Boden. Mein umgeknickter Fuß tat höllisch weh! Mir schossen Tränen in die Augen. Paulina stand direkt neben mir. „Oh! War ich das? Das tut mir aber leid!“ Ich brauchte den schadenfreudigen Blick nicht genau zu deuten, ich wusste auch so, dass ihre Miene nur Show war. Gigantische Wut brodelte in mir auf und jetzt hätte ich ihr am liebsten die höhnisch grinsende Fresse poliert, aber zu ihrem Glück hatte ich zu große Schmerzen! Das Bild vor meinen Augen wurde verschwommener, der Schmerz in meinem Knöchel dafür immer intensiver!
Eine Menschentraube um mich herum. Wo war Paulina? Wo war Robert? Ich verlor zunehmend die Kontrolle über meinen Körper, meine Hand, die nach Robert suchte, fühlte sich taub an.
Viele die meinen Namen riefen. Undeutliche Stimmen? Ein Schatten, der sich über mich beugte. Harry?
Ich spürte immer weniger, die Masse vor meinen Augen wich undeutlichen, bunten Punkten auf meiner Netzhaut.
Und dann sah ich langsam gar nichts mehr.
Es war das zarte Streicheln an meiner Wange. Eine liebevolle, warme, weiche Bewegung. Langsam erwachte ich wieder. Meine Hände kribbelten. Ich lag auf einem bequemen Sofa und war zugedeckt. Das, was ich am stärksten spürte, war mein pochender, noch immer schmerzender Knöchel. Ich öffnete langsam die Augen, musste sie aber gleich wieder schließen, da mir das grell, gelbliche Licht auf der Netzhaut brannte. Erst einige Sekunden später öffnete ich sie wieder, hielt mir schützend die Hand davor. Langsam erlangte ich mein Bewusstsein wieder. Ich sah einen undeutlichen Schatten neben mir. Die Umrisse wurden schärfer und anhand der vertrauten Stimme erkannte ich Robert.
„Wie geht es dir?“, flüsterte er.
Ich wollte mich aufsetzten, wurde aber von meinem Bein heran gehindert. Ein ordentlicher Schmerz durchzuckte meinen Fuß. „Ah!“
Sitzen war nicht drin, also musste ich wohl liegen. „Bin ich ohnmächtig geworden?“
Robert nickte.
Ich ließ meinen Kopf tief ins Kissen sinken. Wie peinlich, auch wenn ich nichts dafür konnte!
„Was ist mit Paulina?“
„Was soll mit ihr sein?“
„Ich weiß, dass diese Schlampe mir das Bein gestellt hat! Ich würde ihr am liebsten so in ihre Fresse schlagen.“
„Nun mal langsam.“, beruhigte er mich.
„Ich mit ihr geredet. Es tut ihr leid.“
Wie kann man nur so naiv sein?
„Du verstehst das nicht. Die hat sich übel an mir gerächt, bloß weil ich sie verjagt habe.“
„Und jetzt musst du dich wieder zurück rächen, oder was?“
Ich schüttelte den Kopf. Doch so sehr ich Paulina die Attacke unter allen Umständen heimzahlen wollte, musste ich Robert recht geben. Es hatte keinen Sinn ihr noch mehr ihr noch mehr Gründe für Angriffe zu geben. Schließlich wollte ich ihr aus dem Weg gehen und allein das war schon schwieriger als schwer.
Robert beugte sich vor, ganz dicht an mich heran. „Doch jetzt zählen nur noch wir.“, flüsterte er lieblich in mein Ohr. Ich spürte es plötzlich! Mir wurde angenehm warm ums Herz, das anfing wie wild zu schlagen! Mein Puls raste! In unseren beiden Augen entbrannten wieder die wundervoll leuchtenden Feuer von Liebe und Leidenschaft!
Ich konnte seinen warmen Atem spüren, als wir uns immer näher kamen und urplötzlich überkam mich ein riesiger Tsunami aus Gefühlen, als mich Roberts weiche Lippen küssten!
Der wahrscheinlich schönste Augenblick meines Lebens!
Ein wundervolles, riesiges Feuerwerk, das nie hätte aufhören sollte. Die Zeit schien komplett still zu stehen und für einen winzigen Augenblick schien es, als wären Robert und ich die einzigen Menschen auf der Welt!
Ein Moment für die Ewigkeit.
Nichts existierte mehr, bis auf uns. Die Welt hätte untergehen können, wir wären mit ihr untergegangen, eng umschlungen, ohne das wir das Geschehene bemerkt hätten!
Langsam, ganz langsam trennten wir uns wieder. Von mir aus hätte dieser Moment eine ganze Ewigkeit sein können. Ein wahres, unbeschreibliches Feuerwerk aus Emotionen!
„Annika?“
Ich lächelte ihn glücksselig an. „Ja?“
„Ich liebe dich!“
„Herein?“, rief eine Stimme, als Lea an die Tür klopfte. Wir traten ein. Der aufgewirbelte Kommissar hatte uns bereits erwartet und saß hinter seinem Schreibtisch. Er las einige Akten. „Setzt euch.“
„Was hat die Spusi herausgefunden?“, erkundigte sich Domme. Herr Maier antwortete nicht und legte uns stattdessen eine Mappe auf den Schreibtisch. Domme schlug sie auf und hielt sie so, dass alle den Inhalt sehen konnten. Ich las nur wenige Zeilen, denn ich verstand das geschriebene nicht, während Lea Domme offenbar etwas mit den vielen lateinischen Wörtern anzufangen wussten. Mir war das etwas peinlich. „Was steht da genau?“, fragte ich etwas kleinlaut. Die Antwort lieferte Domme. „Das was zu erwarten war.“ Er verzog gelangweilt die Miene. Meine Frage war geklärt und die Antwort hatte sichtlich niemanden überrascht.
„Eben.“, übernahm Maier wieder das Wort. „Keine Fingerabdrücke, kein gar nichts.“
„Lohnt sich der Fall eigentlich noch?“, fragte Lea skeptisch in die Runde und ihre Frage war durchaus berechtigt.
„Keine Ahnung. Tatsache ist, dass der Staatsanwalt schon nächste Woche Ergebnisse sehen will.“, in seinem Ton schwang ein wenig Ärger mit, was man verstehen konnte. Doch wie sollten wir aus nichts Spur finden?
„Nächste Woche schon?“, rief Lea.
„Wie sollen wir das schaffen?“ Ich runzelte die Stirn.
„Ganz einfach. Wir müssen ermitteln. In alle Richtungen!“ Auf diesen Vorschlag brach ein Gestöhne im Zimmer aus. „Und wie soll das gehen, so ganz ohne Spuren?“, wollte Lea genervt wissen. Auf diese Frage hatte selbst ich keine Antwort parat, denn es herrschte Stille im Zimmer. Ich sah gebannt auf die Bewegung des Bleistifts, mit dem Herr Maier unruhig spielte. Da kam ihm ein Gedanke. „Wie habt ihr es denn beim letzten Mal gemacht?“
„Im Netz recherchiert und in der Bibliothek gesucht.“
„Dann macht ihr es einfach so noch einmal.“
„Mit anderen Worten: Ermitteln, ermitteln, ermitteln!“, stellte Lea klar.
„Aber ist das nicht merkwürdig?“ Für mich war die Sache längst nicht erledigt, denn dazu gab es zu viele offene Fragen. Alle sahen mich an, als wüssten sie nicht, was ich meine. „Ihr Freund hat einen Einbruch fast eine Woche geheim gehalten! Da ist doch was faul!“
„Stimmt.“
„Leider.“
Der Kommissar schüttelte wiederwillig den Kopf, doch man konnte ihm ansehen, dass er das nicht wahr haben wollte. Doch wir konnten ihn gut verstehen. Wenn uns so gehen würde, hätten wir das auch nicht wahr haben wollen. Doch auch Domme und Lea wussten, dass ich trotz aller Zweifel recht behielt.
„Ich stand am Abgrund, auf dem Dach des Empire State Building. Es war stockdunkle Nacht. Mehrere Hundert Meter unter mir rauschte dröhnend der New Yorker Verkehr vorbei, die Straßen waren bewegt und die Lichter der Stadt funkelten wie große Sternenhaufen in den kalten Nachthimmel. Mit meinen Augen und Ohren tastete ich die Umgebung ab. Zunächst war niemand zu sehen, doch plötzlich spürte ich ihn! Den schatten, der sich mutwillig mir näherte. Eiskalter Angstschweiß rann an meinem ganzen Körper hinunter und die Angst umklammerte mich in immer festeren Griffen! Panisch sah ich mich um! Ich konnte ihn offenbar nicht sehen, aber spüren! Er kam immer näher! Gefährlich näher, tödlich näher! Es brauchte nur wenige Schritte, bis ich in das tiefe Lichtermeer fallen würde. Ich zog meine selbst gebaute Kanone aus der Scheide, denn ich spürte meinen Feind, der mich bald in Stücke zerreißen würde! Mein Atem wurde immer schwerer, die Angst breitete sich als Schauer immer weiter aus, ich hielt schützend meine Kanone vor mich. Meine Bewegungen wurden immer schwermütiger, ich wurde immer panischer, meine Bewegungen immer hektischer. Ich konnte ihn immer noch nicht sehen, dafür aber spüren und hören. Die Nachtluft trug das klack Geräusch in alle Richtungen. Klack, klack, klack! Die schritte kamen immer näher, wurden lauter und schneller! Als ich glaubte, ich hätte die Richtung erkannt, ertönte hinter mir ein schwerfälliges Stöhnen. Panisch fuhr ich herum und da sah ich ihn: Meinen Schatten!“ ich hörte auf zu lesen. Um mich herum nichts als Stille. Alle hatten sich auf die Zeilen des Buches „Mirrow of Secrets“ konzentriert. Es war das erste Kapitel und schon jetzt hochspannend. „Sehr gut, Annika.“, sagte Frau Dell und nahm sich die braunen Haare aus dem Gesicht. „Wir machen morgen weiter. Lest euch bitte das 2.Kapitel durch.“ Es gongte zur Pause. Alle standen auf, um in die Pause zu gehen. „Einen Moment noch.“, hallte Frau Dells klare Stimme durch den Raum. Sie teilte Flugzettel aus, auf denen ein Tanzpaar und darüber in schnörkeliger Schrift „ 25 Jahre MRSM“ stand. Im Vordergrund standen ein Datum und eine Uhrzeit. „Wie unschwer zu lesen ist“, erklärte sie, während sie die Zettel austeilte. „findet am 13 Juli ab 17 Uhr in der Schule eine große Tanzveranstaltung statt. Ihr werdet euch entsprechende Partner aussuchen und von der Schule ausgewählte Tanzkurse besuchen. Die Lehrerin machte sich keine Mühe die Unruhe in der Klasse zu kontrollieren. Als sie ihre Rede endlich beendet hatte, waren fast drei von den ohnehin mickrigen 5 Minuten vergangen. Ich schnellte aus dem Klassenzimmer und stürmte die Treppe hoch. Völlig außer Atem erreichte ich das Dachgeschoss, in dem sich nur ein einziges Klassenzimmer befand. Vor dem Klassenzimmer hatte sich eine große Menschenmenge versammelt. Ich versuchte, durch die redenden Gestalten einen Blick zu erhaschen, doch noch hatte ich ihn nicht. Ich suchte nach Robert. Von ihm kann ich nur sagen euch nur sagen, dass er ein absoluter Traum typ ist. 1,80 m groß, breitschultrig, muskulös, Augen wie Haare braun und leicht italienischer Akzent. Was ich an ihm besonders schätzte, war sein Einfühlungsvermögen, sein Humor, sein Charme. Ich weis, ich fange gerade an zu schwärmen, aber es war ganz anders als ihr jetzt wahrscheinlich denkt. Aber wie gesagt, er war es. Warum, werdet ihr später noch früh genug erfahren. Doch dann hatte ich ihn endlich gefunden. Im Klassenzimmer stand er. Mit einigen Freunden redend. Ich wank ihm zu, er sah mich, machte ein erfreutes Gesicht und kam zu mir rüber. Wir fielen uns in die Arme, doch ich löste mich schnell wieder und Robert machte ein irritiertes Gesicht. „Sorry, aber ich hab keine Zeit mehr. Ich wollte dich nur wegen des Balls fragen.“ Er sah mich zärtlich an, seine klaren braunen Augen ließen mich nicht los. „Wir chatten heute wie gewohnt, ok?“ Es waren warm gesprochene Worte, wie sie nur von ihm hätten kommen können.
„Mit wem geht ihr zum Ball?“ Lea legte das Buch zur Seite.
„ich geh wahrscheinlich mit meiner Freundin.“, antwortete Domme.
„Wie heißt die gleich noch mal?“
„Sarah. Warum?“
„Ist das nicht die schwarzhaarige mittelgroße?“
„Genau“
Zum Glück fragte mich niemand.
„Und mit wem gehst du?“
Schön wars gewesen.
„Ich äh, ich gehe mit einem guten Freund.“
Sie sahen mich an. Lea flüsterte Domme etwas zu und die beiden grinsten mich an. „Lea, ich wette um einen Euro, dass es der Typ aus dem Chat ist.
„Ist er es tatsächlich?“, fragte Lea neugierig.
„Werdet ihr mich nicht mehr aufziehen, wenn ich es euch sage?“
Nicken.
„Ja, er ist es.“ Ich wurde langsam rot.
„Haben wir es uns doch gedacht.“
„ist es was Ernstes?“, wollte Lea grinsend wissen.
„Noch nicht, aber hoffentlich bald.“
„Na gut, Kollegen. Konzentrieren wir uns wieder auf den Fall. Wie weit sind wir?“
Schweigen.
„Gibt es für Nichts eine Definition?“, fragte ich unsicher. Domme rieb sich das Gesicht mit den Händen. „Ok, dann machen wir es so: Lea, du versuchst in der Bücherei etwas Brauchbares herauszufinden. Annika, du machst dich im Internet schlau.“
„Und was machst du?“, fragte ich.
„ich halte mit Herr Maier Kontakt.“ Ich sah auf die Wanduhr. Fast 20 Uhr. „Aber nicht mehr heute.“ Ich reckte mich müde. „ich muss noch für morgen lernen.“
„Na gut. Dann morgen Nachmittag wieder in der Zentrale.“
Nach dieser raschen Entscheidung mussten wir alle nach Hause, denn wir schrieben am nächsten Tag einen Test, im schlimmsten Fach der Welt: Mathe!! Viel lieber wäre noch in die Bibliothek gefahren und hätte gesucht. Aber was nicht ging, ging nun mal nicht. Jeder von uns hätte das gerne so gemacht, doch die Schule wollte es uns nicht gönnen und während langsam die Dämmerung eintrat und die Schatten der Menschen und Häuser immer länger wurden, fuhren wir müde nach Hause, ohne zu ahnen, was sich noch ereignen würde…
Während es dunkel war und wir längst im Bett lagen, fing für andere der Tag erst an.
Als er vor über einer Woche angerufen wurde und über den verlauf des Auftrags informiert wurde, den er seinem Untergebenen anvertraut hatte, war er höchst erfreut. Er hatte sich so schnell wie möglich einen geeigneten Treffpunkt gesucht, sowie einen Zeitpunkt. Jetzt stand er mit seinem Rolls Royce am Straßenrand eines kleinen, verlassenen Waldstücks im Neuenheimer Feld. Es war stockdunkle, sternenklare Nacht. Seine tiefliegenden blauen Augen starrten auf die dunkle Straße vor ihm. Die Scheinwerfer seines Wagens schienen wie kalte Augen auf die Straße. Er wirkte dort wie ein Raubtier, das mit weißlich, glühenden Augen auf Beute wartete. Seine Halbglatze sah von oben aus, wie eine Sichel aus dichten braunen Haaren. Ungeduldig trommelte er mit dem Finger auf dem Armaturenbrett. Angespannt sah er auf die Uhr des Wagens. 23.45 Uhr. Sein Klient war schon eine gute Stunde überfällig. „Zehn Minuten.“, murmelte er leise. Er war nie besonders nachtragend, aber wenn es eine Sache gab, auf die er so viel Wert legte, wie nirgendwo anders, dann war es Pünktlichkeit. Der Innenraum gab die unheimlich, nächtlichen Geräusche des Waldes dumpf wieder. „Zehn Minuten gebe ich ihm noch.“ Die Zeit schwebte an dem Mann vorbei, der fast regungslos im Ledersitz saß und unbeirrt auf die Straße. Jeder andere hätte vermutlich einen schönen Sommertag in einem Innenstadtcafe bei einem Stück Sahnetorte gewählt. Aber nicht er.
Er hatte fast sein ganzes Leben bei der italienischen Mafia verbracht. Morde, Überfälle und Anschläge zählten zu seinen Aufgaben. Zuerst noch viel zu grausame Vorstellungen, doch nach einigen Jahren war die diese Skrupel längst verflogen.
Plötzlich sah er ein sich rasch näherndes Licht, das von den Bäumen reflektiert wurde. Dann kamen runde Scheinwerfer zum Vorschein. Im Licht der Scheinwerfer zeichnete sich der Umriss eines Autos ab. Die Umrisse einer Kastanien- farbenen Limousine, dessen helle Scheinwerfer den Mann blendeten. Der Wagen hielt gegenüber am Straßenrand. Aus dem wagen stieg ein elegant gekleideter, glatzköpfiger Mann. Die dunkle Sonnenbrille deckte sich perfekt mit seiner aalglatten Erscheinung. Gelassen ging er auf die andere Seite, öffnete die Beifahrertür und stieg ein. „Sie sind zu spät!“, fuhr der andere ihn an, ohne ihn anzusehen. „Ich weis. Ich bin aufgehalten worden.“, erwiderte die fast totenblasse Erscheinung auf dem Beifahrersitz. Der andere Mann schüttelte verständnislos den Kopf. „Wissen sie eigentlich, dass sie genau das immer und immer wieder sagen?“
„Durchaus möglich.“
Señor Karpone. Ich habe nur wenig Zeit. Worum geht es?“
„Ich will wissen, wie es um meinen Auftrag steht.“
„Es könnte nicht besser laufen, Señor. Ich habe in zwei Tagen ein treffen mit einem Fachmann.
Der andere nickte. „Gut.“
„ich hörte, dass sie einen Nachfolger suchen. Ist das zutreffend?“, fragte Ibi leicht zögerlich. Der andere lächelte spöttisch. „Ja, Señor Ibi, es ist wahr, ich suche tatsächlich einen Nachfolger.“
„Und wer soll es sein?“
„Ich weis noch nicht wer, aber ich weis ganz sicher, dass sie es nicht sein werden.“ Karpone lachte über seinen Spruch und Señor Ibi machte ein grimmiges Gesicht. Dieser Hieb hatte gesessen. „Sie sagen, sie haben ein Treffen mit einem Fachmann. Wie gut ist er?“
„Wie gesagt. Er ist ein Fachmann. Warum?“
„Nun, ich erinnere sie nur ungern an ihren letzten Fall. Ich hatte sie gebeten, mein `Erbe` aufzuspüren, sie sagten, sie hätten einen Fachmann engagiert und was ist passiert?“
Ibi erinnerte sich. Es war eine von wenigen Erinnerungen, die Ibi lieber verdrängte. Aber das war nun mal nicht immer möglich. Der Grund dafür war, dass er schon sein ganzes Leben lang ein ehrgeiziger Mensch gewesen war, der versuchte, möglichst fehlerfrei zu arbeiten. Fehler, wie damals bei Herrn Kalli passten nicht in dieses Schema, da sie für ihn einen unnötigen Imageschaden verursachten. Doch bei fast jedem Auftrag, den er bekam, ging er das Risiko ein, einen Handlanger zu engagieren, der für ihn die Drecksarbeit machte, um sich selbst nicht die Hände schmutzig machen zu müssen. Im Falle eines Auffliegens, wie es schon oft in seiner Karriere vorkam, bot diese Methode den Vorteil, unerkannt zu bleiben. Bei Fehlern jedoch machte er in der regel kurzen Prozess.
Unwirsch scheuchte er sie wieder in ihr Loch zurück. „Es tut mir leid, Señor. Ich konnte und kann nichts dafür. Er hat unprofessionell gearbeitet.“, verteidigte sich Ibi abermals. Solche Situationen hasste er.
„Und wieder bist du über Leichen gegangen. Doch da gibt es noch etwas, was ich nicht verstehe.“ Ibi drehte den Kopf in seine Richtung. „Und das wäre?“
„Kalli brachtest du um, das verstehe ich. Er war ein hohes Risiko, das verstehe ich. Aber was war mit dem Mädchen?“
Im bleichen Gesicht stand ein Fragezeichen geschrieben. Señor Karpone schüttelte den Kopf. „Sie wissen von wem ich rede.“
„Cem hat mir alles erzählt. Ich meine das Mädchen, dass Probleme gemacht hatte.“ Karpone verbarg seinen ärger nicht.
„ich erinnere mich. Was soll mit ihr sein?“, erwiderte Ibi trocken.
„warum haben sie sie nicht umgebracht?“
„ich habe sie umgebracht. Durch Cem.“, erwiderte Ibi.
„Nein Ibi! Sie lebt!“
„was soll das heißen, sie lebt!?“, fragte Ibi bissig.
„Die Kugel war nicht tödlich. Zumindest fast. Ein kleiner Zentimeter hätte gereicht, ihr Herz zum Stillstand zu bringen.“
Seine Augen waren zwar durch die dunkle Sonnenbrille versteckt, doch Karpone konnte die finstere Miene seines Nachbarn spüren. Eine Situation, die Ibi hasste, da sie unnötige Flecken der Schmach auf seinem schwarzen Anzug hinterließen. „Aus welchem Grund haben sie sie nicht schon früher getötet?“
Ibi zögerte mit seiner Antwort, auch wenn er wusste, dass es vor dieser Frage kein Entkommen gab. Cem hat mir ebenfalls alles erzählt. Das Mädchen hatte, wie auch ihre Freunde, nachgeforscht. Sie drohte zum Problem zu werden. Cem und Kalli ließen insbesondere sie nicht aus den Augen. Besonders nach dem treffen in der Bibliothek. Ich weis nicht was Kalli danach unternommen hat, aber es hat wohl funktioniert-bis sie entkommen ist!“
„das beantwortet aber nicht meine Frage.“, stellte Karpone klar.
„Ihre Freunde haben nach ihr gesucht. Kalli wollte wohl kein Risiko eingehen.“
„Sie hätten sie in den Rhein werfen können, wie sie es mit Kalli gemacht haben.“
„Zu hohes Risiko.“
„Warum?“, bohrte Karpone nach. Ibi kannte dieses Spiel seines Vorgesetzten. Dennoch antwortete er.
„Kalli war Einzelgänger. Es hätte einige Wochen gebraucht, bis man nach ihm gesucht hätte. Bei dem Mädchen war das Gegenteil der Fall.“
Der andere nickte kaum merklich.
„In Ordnung Ibi. Hören sie mir zu. Vergessen sie den Auftrag ich habe etwas Neues für sie.“
Ibi entging die ernste Miene Karpones nicht. Er glaubte nicht recht verstanden zu haben. Wieso sollte Karpone seinen Auftrag wiederrufen? Er kannte seinen etwas faltigen Vorgesetzten schon lange. Karpone brach nie etwas Begonnenes ab. Nie! „Ich fürchte, ich verstehe nicht ganz.“ Ibi machte ein irritiertes Gesicht.
„Nein, Sie haben mich verstanden!“, Karpones Stimme war streng, wie die Stimme eines Offiziers, der seinen Soldaten einen Befehl gibt. „Aus welchem Grund lassen sie den Auftrag fallen?“ Unsicherheit schwang in Ibis Stimme mit, der mit diesem Ernst seines Vorgesetzten nicht gerechnet hatte.
„Mein Onkel ist gestorben, Ibi. Wissen sie was das bedeutet?“, fragte Karpone tonlos.
„Einen untragbaren Verlust?“, erwiderte Ibi mit einem Hauch Mitleid in der Stimme.
„Ja, das natürlich.“, Der Anflug eines Lächelns streifte die sonst steinernen und trockenen Gesichtszüge. „es war ein rabenschwarzer Tag, als wir ihm seine letzte Ehre erwiesen.“, begann Karpone zu erzählen. „Nur wenige Stunden vor seinem Tod bat er mich zu sich. `Fernandezt! röchelte er. `Du bist der Einzige, dem ich gut genug vertraue. Höre mir zu, mein Junge:
Du musst einen Auftrag für mich erledigen. In Mannheim wird in Kürze ein Diamant ausgestellt: Du wirst einen Einbruch ins „Ele Dininjo“ vorbereiten und den Stein klauen. Anschließend wirst du eine von mir Erwählte Person kontaktieren. Du wist dieser den Stein geben, welcher ihn zu seinem eigentlichen Platz zurück bringen wird. Sicher fragst du dich jetzt, warum mir das so wichtig erscheint?“
Ich nickte und bekam vor lauter Rührung Tränen in die Augen. Es war auf beiden Seiten ein emotionaler Moment. Seine sterbenden Augen hatten ihren Rubinglanz nicht verloren. Sein Gesicht bleich und tief gefurcht, an seiner linken Wange zog sich eine lange Narbe. Er war stämmig, muskulös. Seine Hände auf dem Sterbebett Klauen ähnlich, von dicken Venen durchzogen. `Ich werde es dir sagen. Der Stein trägt einen Fluch in sich. Der Fluch ist gefährlich, tödlich um genau zu sein. Vor sehr langer Zeit brachte ein Vorfahre eine goldene Statue aus Ägypten mit. Sie war sehr alt und wertvoll und sie trug eine Inschrift:
Wer diesen Stein unrechtmäßig besitzt, wird ihn haben, bis sich der Schatten des Todes über ihn legt. Nur, wer reinen Herzens ist, braucht keine Furcht vor ihm zu haben. Doch ohne diese Statue kann Arsankhiniekollov nicht in den Tod gehen und wer ihn nicht zurückgibt, wird dem Pharao in den Tod folgen. Erst wenn alles seinen Platz hat, kann der Fluch schweigen!
Für die Ewigkeit, in Ewigkeit.
Unser Vorfahre hatte nie auf diesen Fluch gesetzt, was auch die nachkommen nicht taten, obwohl es immer wieder zu mysteriösen Todesfällen und anderen Unfällen kam und fast immer waren die Opfer die derzeitigen Besitzer des Steins. Er wurde immer weiter gegeben, forderte immer mehr Opfer bis zu meinem Onkel. Er war der festen Überzeugung, dass der Fluch für den Tod seiner Schwester verantwortlich war, und weil er ihr versprochen hatte, den Fluch zum schweigen zu bringen, sah er es als seine Plicht, das Erbe zu erfüllen.“
„Wie lautet mein Auftrag?“, wollte Ibi entschlossen wissen.
„ich will nicht, dass der Stein noch mehr Unheil anrichtet. Er ist ein Teil der Statue. Ihr auftrag besteht darin, ihn und die Statue wieder nach Ägypten zurück zu bringen. Und für den Fall, das ihnen jemand in die Quere kommt, exekutieren sie ihn einfach!“ Karpone griff auf die Rückbank und ein großer Lederkoffer kam zum Vorschein. „200.000 Euro. Wollen sie noch einmal schauen?“, fragte Karpone spöttisch.
„Sie bezahlen mich für einen Freundschaftsdienst?“, erwiderte Ibi höhnisch.
„Nein, das ist für den verpassten Auftrag.“
„ich werde sie nicht enttäuschen!“, versprach Ibi.
„das hoffe ich für sie. Dieser Auftrag ist sehr wichtig. Wenn sie versagen sollten, hätte das weitreichende Folgen!“ Der ernste, fast schon drohende Ton schuf eine unbehagliche Atmosphäre zwischen dem luxuriösen Armaturenbrett und den weichen Ledersitzen.
„ich weis.“
„Und denken sie dran: Ich will Ergebnisse!“
„Fällt irgendjemandem von euch ein Wort mit drei Buchstaben und einem a am Ende ein?“, fragte Lea über ihrer Zeitschrift in die Runde. Der Ventilator, der hinter ihr stand, blies ihr die mittellangen, braunen Haare in die Nacken. Ich arbeitete am Computer. „Null Plan.“, antwortete ich teilnahmslos. „Wie wäre es denn mit „Lea“?“, drang Dommes dumpf klingende Stimme aus der Küche. Er brühte gerade einen Kaffee auf, was er zwar immer machte, wenn wir in der Zentrale saßen, was aber heute überflüssig war. Immerhin zeigte uns das Thermometer draußen auf dem Mini Balkon 35 Grad. Und das im Schatten! Doch er war offenbar ein Mensch, der einfach immer Kaffee trinken konnte, selbst, wenn es noch so warm war. Oft fragten wir uns, wie er das bloß aushielt. Schließlich hatte ich heute ein T- Shirt an, dazu eine braune Sommerhose. Das Outfit war zwar sehr luftig, doch es war immer noch warm!
„Sehr witzig!“, antwortete Lea und ließ ihren Kopf wieder unter der Zeitschrift verschwinden.
„Was?! Du wolltest ein Wort mit drei Buchstaben und einem a am Ende. Hier hast du eins.“
„Das Problem ist, es passt nicht in die Lücke. Ich hab alle Lexika durchstöbert, aber das Wort ist nirgendwo dabei gewesen!“
„Ich sehe dich fast immer mit einem Kreuzworträtsel, aber an dem sitzt du jetzt schon seit Tagen rum. Was ist denn das besondere daran?“, fragte Domme aus der Küche.
„Ganz einfach. Da kann man 1 Millionen Euro gewinnen!“
„Und was würdest du mit dem Geld machen?“, wollte ich wissen.
„Na was wohl! Shoppen!“, rief Lea, als wäre ihr der Gewinn zum Greifen nahe. Ich schüttelte verständnislos den Kopf und arbeitete am PC weiter. Lea nahm ihre Zeitschrift runter. „Was machst du eigentlich?“
Ach. Ach nichts. Besonderes.“
Lea legte die Zeitschrift weg und stand auf. „Lass mal sehen.“ Ich minimierte die Seite, auf der ich war, doch es brachte nichts, denn Lea holte sie bereits wieder zurück. Ich hätte die Seite besser gleich schließen sollen. „Na was haben wir denn da?“ Ich konnte es nicht verhindern, dass ich feuerrot wurde und drehte mich weg. „Unsere Annika flirtet mit einem uns (noch) unbekannten Jungen.“ Ich vergrub vor Scham mein Gesicht in den Händen. Leas Stimme hörte sich an, als ob da was Ernstes wäre. „ Ich flirte nicht, ich chatte!“, versuchte ich verzweifelt abzulenken. „Also wenn ich mir das geschriebene da so ansehe, habe ich nicht wirklich den Eindruck, dass das ne einfache Bekanntschaft ist.“ Lea grinste, als hätte sie riesigen Spaß an der Sache. „Und siehe da, er ist auch noch auf unserer Schule! Was will man da noch mehr?“ Ein Kommentar aus der Küche blieb mir glücklicherweise erspart. Plötzlich öffnete Lea den Chatroom und tippte etwas ein. „Ey Lea! Lass das! Ich warn dich!“ ich wusste nicht, was sie geschrieben hatte, doch ich wollte es auch gar nicht wissen und als sie gerade auf Enter drücken wollte, klingelte das Telefon, das auf dem Tischchen neben uns stand. „Geht mal einer hin? Ich kann grad nicht!“, dröhnte es aus der Küche.
„Ich mach schon!“, rief ich zurück, ich tippte gerade noch etwas ein. Doch Lea wollte ich keinen Gefallen tun, also meldete ich mich ab. Anschließend nahm ich den Hörer ab. „Ja? Annika Kreid von der Detektei TTD?“
„Hallo?“, meldete sich eine kleinlaute Stimme.
„Bin ich mit der Detektei TTD verbunden?“
„Ja. Wer sind sie?“
„ich bin Herr Kovalksi, Thomas Kovalksi. Ich bin der Freund von Herr Maier“ Ich stellte den Lautsprecher an. „Erinnert ihr euch noch an mich?“
„Natürlich. Worum geht es denn?“
„Wie hat euch denn das Stück vorgestern gefallen?“ Ich wurde etwas stutzig.
„Ja. Gut. Aber sie rufen doch wohl kaum an, nur weil sie die Meinung zu ihrem Stück einholen wollen.“ Ihr Gesichtsausdruck verriet mir, dass sie genau das gleiche bemerkt hatte, wie ich. Die kleinlaute Tonart fiel sofort auf, aber seine Frage verriet, dass irgendetwas im Busch war.
„Du hast recht, das ist nicht der eigentliche Grund meines Anrufs. Ich, ich habe seit gestern Nacht kein Auge mehr zugetan, weil der Schrecken einfach zu tief saß und, und ich nicht wusste, was eigentlich passiert war, oder wie es passieren konnte.“ Jetzt war in seiner Stimme zu kleinlaut auch Entsetzen und Panik gekommen.
„I… i… ich, ich wusste einfach nicht, an wen ich mich wenden sollte, und ihr seid genau richtig, hab ich gedacht.“
„Beruhigen sie sich erst einmal und sagen sie mir bitte dann was passiert ist.“, versuchte ich auf ihn einzureden, doch meine Formulierung war mehr als blöd. Domme kam aus der Küche und lauschte angespannt.
„Zum ersten Mal in meiner Karriere als Administrator, ist es passiert! Nach fast 20 Dienstjahren!“, plötzlich glaubte ich ihn schluchzen zu hören. Ich wusste nicht, wie ich weiter machen sollte und Domme nahm mir den Hörer aus der Hand, zum Glück. „Herr Kovalksi! Was ist passiert?“, sagte er bestimmt, aber mitfühlend.
„Mein wertvollstes Exponat ist gestohlen worden. Der Silbermond!!!“, rief er bestürzt in den Hörer. Auf uns allen breitete sich eine Gänsehaut aus. Keiner wagte es etwas zu sagen. Für einige Sekunden war es still in der Zentrale. „Kommt bitte so schnell wie möglich ins Dininjo.“, sagte er leise. Ich hatte keine Gelegenheit mehr, irgendetwas zu erwidern, denn gleich darauf wurde aufgelegt. Ich legte langsam den Hörer auf. Wir waren enorm betroffen. „War das nötig?“, fragte Lea. Domme antwortete nicht sondern holte seine Jacke. Ich wusste auch nicht, ob das wirklich richtig war, aber hatte keine andere Wahl. So schwer es ihm auch jetzt fiel. Doch ich traute mich in diesem Moment nicht, das zu äußern.
Auf dem schnellsten Weg machten wir uns auf den Weg ins Dininjo. Es ging schnell, denn an diesem Tag fuhren viele Bahnen. Es war ein warmer, wolkenloser Tag und die Massen strömten entweder auf die Wiesen oder ergötzen sich an riesigen Eisbechern. Und wir dagegen saßen in unserer Zentrale und waren damit beschäftigt, Fälle zu lösen, die sonst vielleicht kein anderer aufzuklären vermochte. Manchmal stellte ich mir die Frage, was gewesen wäre, wenn es den Fall `Späte Abrechnung` nie gegeben hätte, genauso wie `The three Detectives`, unsere Detektei? Was wäre gewesen, wenn es niemals eine Detektei A&D gegeben hätte? Hätten wir dann vielleicht das getan, was jeder andere in unserem Alter auch getan hätte? Partys, Shoppen, Kino, Fußball oder Playstation? Nicht das ihr mich und meine Kollegen jetzt für totale Langeweiler oder sogar Hinterweltler haltet. Selbstverständlich hatten auch wir unsere Hobbys was auch heute noch so ist. Aber in der Gesellschaft wird das Hobby `Detektiv` eigentlich nur bei Kindern akzeptiert. Wohl deshalb, weil sie noch klein sind und die Welt erforschen wollen. Wenn ich mit meinen 14 Jahren heute auf Partys ging (was ich sehr gerne tat und tue) und teilweise stolz mein Hobby angab, erwachte ich sehr früh aus dem Dornröschenschlaf, denn meistens wurde ich damit einfach nur belächelt, nicht ernst genommen! Dann gab es aber zum Glück noch die Art von Menschen, die dieses Hobby als „für ein Mädchen ungewöhnlich“ bezeichneten und welche, die es begrüßten waren fast immer nur Schleimer gewesen. Auf diese Weise musste ich lernen, dass „für ein Mädchen ungewöhnlich“ der positivste Kommentar war, den ich von einem Erwachsenen ernten konnte. Zu dieser Personengruppe zählte auch meine Mutter. Als ich mit Domme in der 5. Klasse die Detektei A&D gegründet hatte, sagte sie natürlich nichts, da wir entweder gar keine Fälle hatten, oder uns nur mit Katzen und Hunden beschäftigten. Darin waren wir sogar oft erfolgreich, doch auf die Dauer wurde es eintönig, langweilig. Einige Male stand die Detektei kurz vor dem Aus. Hätte es die Zwischenfälle in der Schule nicht gegeben, wäre es bestimmt bald zu einer Trennung gekommen. Den Rest der Geschichte kennt ihr schon, falls ihr unser letztes Abenteuer verfolgt habt.
Nach etwa 20 Minuten hatten wir das „Ele Dininjo“ erreicht. Es standen nur einige Nobelwagen auf dem Vorplatz. Wir schritten die Treppe hoch und öffneten die schwere, mit Gold beschlagene Holztür. Im Inneren des Gebäudes herrschte nicht viel Betrieb und als der einzige Mann hinter den Tresen uns erblickte, verzog er erst einmal mürrisch das Gesicht. Als wir uns dann auf ihn zubewegten, tat er so, als arbeitete er am PC.
„Guten Tag.“, begrüßte Annika ihn.
„Guten Tag.“, sagte der Mann gleichgültig.
„Wir möchten Herrn Kowalksi sprechen. Ist er im Haus?“
„Er ist im Haus, ja. Allerdings bezweifle ich es stark, dass er bereit ist jemanden zu empfangen.“ Er sprach es von oben herab aus. Er machte sich nicht die Mühe aufzuschauen, doch es war deutlich, dass er nur so tat, als würde er arbeiten.
„Nun in unserem Fall glaube ich es schon.“
„Seid ihr wegen Spendenaktionen hier, oder aus einem ähnlichen Grund? Wenn ja, möchte ich euch bitten zu gehen. Wir geben dieses Jahr keine Spenden mehr.“, sagte er, als würde ihn allein unser Dasein nerven. Jetzt reichte es mir! Ich holte meinen Geldbeutel aus meiner Tasche, holte eine Visitenkarte hervor und legte sie dem Mann auf den Tisch. Wenigstens jetzt blickte er auf.