Brennende Begierde
oder Verlorener Umsatz
Was für ein trüber Oktobertag. Gelangweilt schaute ich aus dem Fenster. Ob sich denn nicht endlich ein Gast in mein kleines gemütliches Lokal verirrte! Der Monat neigte sich seinem Ende zu und die Pacht war am ersten November fällig. Jeden Monat das gleiche Theater. Aber den Gästen ging es wahrscheinlich wie mir. In den letzten Tagen saß das Geld nicht mehr so locker.
Konnte mir der liebe Gott nicht endlich mal ein paar Gäste schicken!!
Und als ob der da oben mein Flehen gehört hätte, öffnete sich die Tür und ein etwas betagter, untersetzter Herr mit dicker Brille betrat das Lokal. Ich hatte ihn schon öfter bei mir gesehen, wenn er am Tresen ein Bier trank. Doch heute war es anders. Er guckte sich nach rechts und links um, Aber es war ja keiner da. Dann beugte er sich vertrauensvoll über den Tresen und fragte leise: „Könnten Sie mir einen Gefallen tun? Ich treffe mich heute mit einer ganz besonderen Dame. Würden Sie mir den kleinen Tisch in der Nische dort reservieren? Wir würden um 18..00 bei Ihnen sein.“ Hinter seinem Rücken holte er schwungvoll einen großen noch eingewickelten Strauß Blumen hervor. „Es wäre nett, wenn Sie mir die Rosen mit einer Kerze auf den Tisch stellen würden und eine Flasche Sekt im Kühler bereithalten. Es soll doch ein schöner Abend werden. Anschließend würden wir auch gern noch etwas Leckeres bei Ihnen essen.“ Ich konnte mir ein leises Lächeln nicht verkneifen, denn der Herr schien mir doch weit über 70 zu sein und Personen in seinem Alter erschienen mir immer etwas jenseits von Gut und Böse. Doch was solls, wenn es ihn glücklich macht, dachte ich. Natürlich versprach ich ihm, den Tisch besonders schön herzurichten, damit er einen gelungenen Abend hätte. Mir würde dieser Tisch ja auch ein ansehnliches Sümmchen einbringen !
Erleichtert verabschiedete sich der Herr und verließ mein Lokal. Und ich machte mich frohgemut an die Arbeit. Endlich mal ein Lichtblick in diesen traurigen Tagen!
Punkt 18.00 öffnete sich die Tür. Der besagte Herr erschien mit einer üppigen, auffallend geschminkten blonden Dame mit hochtoupiertem Haar. Sie war dunkelbraun gebrannt und überragte ihn mindestens um einen Kopf. Zielbewusst steuerte er auf den Tisch zu, auf dem die roten Rosen, die ich frisch angeschnitten in einer Glasvase dekoriert hatte, ihnen entgegen leuchteten. Beflissen nahm er ihr türkisfarbenes Cape ab und wartete ganz gentlemanlike bis sie ihren Platz einnahm. Nun hatte ich die Gelegenheit, sie mir näher zu betrachten. Sie war mindestens 65 Jahre alt, strahlte aber so viel gebündelte Erotik aus wie ich es bei Frauen in ihrem Alter noch nie gesehen und erlebt hatte.
Na, dachte ich so bei mir, das scheint mir ja ein netter Abend zu werden. Flugs öffnete ich die Flasche Sekt, stellte sie in den blank geputzten Kühler mit Eisstückchen, zündete die Kerze an, und servierte beiden das erste Glas Sekt. Mit zitternden Händen prostete er ihr zu.
Sie war wirklich eine äußerst attraktive Erscheinung, die wohl gerade, wie ich aus dem Gespräch entnahm, von einer Kreuzfahrt zurück gekehrt war. Walter, so nannte sie ihn, gingen bald die Augen über, wenn er sich zu ihr beugte und lüstern in ihr Dekolleté schielte. Ich konnte nicht umhin, ihrem Geplänkel zuzuhören. Er machte ihr Komplimente über ihr Aussehen und die wunderbare Bräune, und sie antwortete kokett, dass sie nahtlos braun sein würde. Das veranlasste ihn zu noch stärkerem Zittern. Ich vermeinte fast zu sehen, dass ihm das Wasser im Munde zusammen lief.
Bei mir am Tresen hatte sich inzwischen ein anderer Stammgast namens Berni eingefunden, der diesem Geschehen mit sichtlichem Interesse zusah.
Walter indessen konnte seine Hände nicht im Zaume halten und tätschelte ihre nackten wohlgeformten Beine mit der Nachfrage, ob sie denn wirklich überall so braun wäre, was sie mit einem Kichern bejahte. Bernis Augen wurden immer größer. Unruhig rutschte er auf dem Barhocker hin und her. Nun schrieb er etwas auf einen Bierdeckel . Was hatte er vor??
Plötzlich erhob sich Walter, um die Toilette aufzusuchen. Ich glaubte meinen Augen nicht zu trauen, als sich Berni blitzschnell erhob und auf den Tisch zu steuerte. Er reichte ihr den Bierdeckel und beugte sich ungeachtet der Kerze über den Tisch, um die Dame, die ihm bereitwillig ihren Mund hinhielt,zu küssen. Es folgte ein Aufschrei. Der Trenchcoat von Berni hatte Feuer gefangen. Wild schlug Berni um sich. Die Blondine sprang mit spitzem Schrei auf. Mit ein paar Schritten war ich bei ihnen. Hastig ergriff ich den Sektkübel ,übergoss den brennenden Berni mit dem eiskalten Wasser und löschte so jegliches lodernde Feuer. Gott sei Dank war ihm nichts passiert, nur der Mantel war hin.
In dieses Chaos platzte nun auch Walter , der gerade von der Toilette kam. Er stand ganz verdattert da, und begriff offenbar gar nicht, was inzwischen geschehen war. Er sah auf den verkohlten Mantel, auf seine kreischende Angebetete und fragte :“Was ist denn hier los?“ Ich war gespannt auf ihre Antwort, doch sie greinte nur:„Ach lass uns gehen Walter, ich habe um 20.00 sowieso noch eine andere Verabredung.“ „Schade“ registrierte ich, „also kein Abendessen.“ Walter bezahlte widerstrebend den Sekt. Für ihn war der Abend wohl gelaufen. Für mich auch, denn kein Abendessen, kein Umsatz. Zu allem Ärger bat mich Berni nun auch noch, seinen verbrannten Mantel zu entsorgen. Seiner Frau würde er erzählen, er hätte ihn irgendwo hängen lassen. Er bezahlte sein Bier und ließ mich in meinem Elend allein. Seufzend räumte ich den Tisch auf und vertilgte die Brandspuren. Dabei fiel mir der Bierdeckel in die Hände, worauf in großen Lettern stand :
ICH BEGEHRE SIE