Beschreibung
Hatte ich es nicht so gewollt?
James
Die Dunkelheit lastete schwer auf meinen Schultern.
Scheeflocken verfingen sich in meinem Haar, weiß auf schwarz.
Das Metall brannte sich in meine Haut, das eisige Metall der Tür. Mit meiner Hand umklammerte ich den Türknauf. Ich konnte genau sehen wie sie immer bleicher und bleicher wurde, doch ich beachtete es nicht.
Ich beachtete gar nichts, starrte nur auf das Namensschild. Ausdruckslos. Mit leerem Blick. Ich starrte dieses Wort, diesen Namen an, als ob es das rückgängig machen könnte, was passiert war, als ob es helfen würde.
Skye-Ava Hell.
Ein scharfer Schmerz zerriß meine Brust, gewälzt in Hass und Furcht. Ich taumelte zurück, meine Füße versanken im Schnee. Im frostigen Schnee, der nichts im Vergleich zu der Kälte in mir, in meinem Herzen war.
Frustriert schrie ich auf und trat gegen eine Blumenkübel, er zersprang. Verzweifelt raufte ich mir die Haare.
Der Schnee wirbelte auf und hoch über mir entdeckte ich den vollen Mond. Bei diesem Anblick sank ich in mich zusammen. Alle Kraft wich aus mir, hinterließ eine leblose Hülle. Ich wurde ruhig. Ich lehnte mich an die kühle Hauswand und starrte weiterhin gen Himmel, verbannte die restlichen Gefühle, bis nichts mehr übrig war, außer eine tiefe, einsame Leere. Eine unheilbare Kluft in meinem Herzen. Ich seufzte, schloss meine Augen.
" Skye? "
Die Erinnerung war klein, ein glühendes etwas in meinem Kopf, erfüllt mit Wärme.
" Skye? Bist du das? "
Ich schluckte schwer.
Der volle Mond schien damals auf uns herab, tränkte uns in seinem Licht. Vor mir stand Merry. Sie hatte mir den Rücken zugewandt.
" Keine Sorge, James ", sagte sie, drehte sich zu mir um. Ihr Lächeln war umwerfend. Ihre braunen Augen blitzten freundlich. Sofort schmolz ich dahin und erwiderte das Lächeln. Ihr glockenhelles Lachen erfüllte die Luft. Sie hielt mir eine Hand hin.
" Komm. "
Ich ergriff ihre Hand.
Ich legte den Kopf in meine Hände, ich sah wie eine Träne in den Schnee fiel. Meine Träne. Doch die Erinnerung gich weiter.
" Wohin führst du mich? "
Sie lachte. " An eine geheimen Ort. "
Bis hierhin konnte ich den unglaublichen Duft ihrer braunen, gewellten Haare warnehmen. Wir gingen barfuß einen schmalen Weg entlang, er schlängelte sich entlang einer Klippe, bis er auf einem Vorsprung endete wo wir stehen blieben, sie zog mich bis zum Rand der Klippe. Unter uns kämpfte das Meer mit dem Wind, über uns leuchteten Sterne und der Mond. Der volle Mond.
Hand in Hand standen wir da, betrachteten die nächtliche Szene.
" Schön, nicht? ", fragte sie zaghaft und sah mich von der Seite an. Der Wind strich sanft über uns. Ich lächelte, zog sie an mich und legte meine Arme um sie.
" Ja ", flüsterte ich ihr leise ins Ohr. Sie drehte ihren Kopf leicht und sah mir mit ihren großen braunen, von dichten Wimpern umsäumten Augen in die meinen. Ich gab ihr einen kleinen Kuss auf die Nasenspitze.
" Du bist wunderschön ", murmelte ich ihr sanft ins Haar. Sie lächelte.
Ich atmete scharf ein.
" Ich liebe dich, James "
Unsere Lippen fanden aufeinander.
" Nein "
" Ich liebe dich auch, Skye "
Dieser Augenblick, erfüllt von Glück, erfüllt von ihr.
" Nein "
Dieses Wort, es kam mir über die Lippen, schwach und kraftlos. Der Schnee schmolz an den Stellen, an denen er sich mit meinen salzigen Tränen vermischte.
Ich weinte stumm. Stumm aber voller Schmerz. Ich hätte aufstehen und gehen können, die Vergangenheit ruhen lassen könne, doch ich tat es nicht. Ich konnte es nicht. Mir fehlte die Kraft, jemand der mir Mut gab. Mir fehlte sie. Merry.
Aber hatte ich es nicht so gewollt? Hatte ich sie nicht angelogen, in den Glauben es sei richtig? War ich nicht daran Schuld, dass sie weg war? Nie wieder kommen würde?
Ich hörte ein Geräusch, das Quietschen einer Tür. Erschrocken fuhr ich hoch, die Haustür, sie war offen. Eine letzte Träne verschmolz mit dem Schnee. Misstrauisch ging ich hinein. Ich sah gerade eben noch, wie jemand die Treppe hocheilte. Unentschlossen stand ich auf der Schwelle. Sollte ich diesem Jemand folgen? Ich hatte nichts mehr zu verlieren, mit Ausnahme meines Lebens, aber auch das war mir egal geworden. Ich ging die Treppe hoch.
Auf der dritten Stufe fiel hinter mir die Haustür zu. Einen Moment starrte ich auf sie, mitt gerunzelter Stirn, dannn ging ich weiter.
Ich gelang zu einem dunkelen Flur und blieb stehen. Nur in der Mitte der Koridoors sah ich eine halboffene Tür, aus der schwaches Licht drang. Lautlos schlich ich hin und schielte durch den Türspalt.
Der Raum dahinter war leer, bis auf einen Kronleuchter an der Decke und einen roten Sessel in der Mitte des Raumes. Ich erkannte einen alten Mann, der auf dem Sessel saß und eine Pfeife rauchte.
Plötzlich lachte der Mann, lachte ein tiefes, raues Lachen. Er beugte sich über die Armlehen und drehte sich zu mir um, sah mir direkt in die Augen. Er grinste und zwinkerte mir zu. Entsetzt stand ich da, unfähig mich zu rühren. Wieder lachte er laut und nahm anschließend einen genüsslichen Zug aus seiner Pfeife.
Da ergriff ich die Flucht, panisch rannte ich den Flur entlang, rannte in einen dunkelen, von Schatten durchflossenen Raum, schloss die Tür. Ich war wütend.
Ich schlug mit meiner Faust gegen die Wand, trat gegen einen Tisch.
Aber ich hatte es doch so gewollt, oder? Boshaft lachte ich auf.
" Da bist du ja. "
Schlagartig drehte ich mich um und erstarrte.
Dort stand sie, vor dem geöffnetenn Fenster.
Ihre Haare waren in ihrem Nacken zu einem Zopf verschlungen.
Ein trauriges, aber sanftes Lächeln hatte sie im Gesicht.
Mein Zorn verrauchte.
Sie hatte mir eine Hand entgegen gestreckt, ohne Zögern ergriff ich sie. Wir sahen uns tief in die Augen.
" Ich liebe dich, Skye "
Diese Wörter, so rau und zerbrechlich. Ihr Lächeln verblasste. Sie schüttelte den Kopf.
Wir sahen uns an.
Wir warteten.
Warteten.
Doch nichts geschah.
Wir gingen hinfort, Hand in Hand.
Sagten Nichts.
Ein ewiges Schweigen.
Eine Träne suchte sich den Weg in die Freiheit.
Wir gingen zu einer Klippe. Unter uns kämpfte das Meer mit dem Wind, über uns leuchteten Sterne und der Mond. Der volle Mond.
Hand in Hand standen wir da, betrachteten die nächtliche Szene.
Ein ewiges Schweigen.
Unsere Tränen wurden ein Teil des Meeres.
Wir sprachen nicht.
Wir sahen uns nicht an.
Aber hatte ich es nicht so gewollt?