Kurzgeschichte
Datestress oder Sexängste

D A T E S T R E S S

oder Sexängste             

Hilfe, ich habe am Wochenende ein Date. Panik steigt in mir auf. Was ich mir seit Jahren gewünscht aber auch gefürchtet habe, nun ist es passiert. Eigentlich habe ich doch mit der Männerwelt seit 9 Jahren abgeschlossen.

Eine Freundin aus meinem Rommeeclub hatte das eingefädelt. Sie kennt diesen Herrn auch nur durch andere Bekannte. Und da sie fand, ich müsste doch, so nett wie ich sei, einen Mann haben, hat sie kurzentschlossen die Initiative ergriffen und ihm meine Telefonnummer

gegeben. Eigentlich haben doch die nettesten Frauen alle keine Männer, denke ich so bei mir. Aber ich habe mich nun darauf eingelassen und muss da durch. Und so nahm das Schicksal seinen Lauf.

Vor 5 Tagen klingelte das Telefon bei mir und ein Herr Jungblut meldete sich. Eine äußerst sympathische Stimme, die mich gleich beruhigte, dass er mir kein Abonnement  oder einen neuen Telefonvertrag verkaufen wollte. Das war doch schon mal was !! Humor hatte er wenigstens !! Und der Name war ja auch vielversprechend.

Und reden konnte er !! Er schilderte mir gleich seine Vermögensverhältnisse

bezüglich einer Vierzimmereigentumswohnung im feinen Stadtteil Schwachhausen. Er war früher Kapitän, hätte dann umgeschult. Mit seinen 74 Jahren segelt er noch in einem Segelverein. Und überhaupt sagten ihm alle, dass er viel jünger aussieht. Seine frühere Ehe sei fürchterlich gewesen und man könnte sich keine Vorstellung machen, was er da mitgemacht hätte. Und seine letzte Beziehung hätte Alkoholprobleme gehabt. Das ging dann auch nicht mehr. Na, dachte ich so bei mir, ich spucke ja auch nicht rein, aber Probleme habe ich nie damit gehabt. Im Gegenteil , ich mag gerne Wein, und abends beim Fernsehen geht dann schon

ein Fläschchen  drauf. Mit Wasser verdünnt natürlich. Aber das muss ich ihm ja noch nicht auf die Nase binden. Überhaupt kam ich zum Glück ja gar nicht zu Wort. Denn er berichtet, dass seine Überlegungen schon waren, die große Wohnung gegen eine kleinere umzutauschen. Doch mit einer Partnerin wäre es doch besser, diese zu behalten. Denn wenn es abends mal später wird, kann sie ja dort schlafen. Es hat ja so jeder seine eigenen Schlaf- und Aufstehgewohnheiten. Und wenn man zusammen schlafen will, hat er auch ein großes Bett. Denn der Sex soll ja auch nicht zu kurz kommen. Da war das gefürchtete Wort !!

Dieser letzte Satz trieb mir denn auch die Schweißtropfen auf die Stirn. Ich geriet in Stress. Sex! Das wollte ich wirklich nun gar nicht mehr. Meine innere Stimme rief mir zu : „Also los Brigitte, sag was!  Gleich ehrlich sein „  Ich wagte ihn zu unterbrechen: „Sagten Sie Sex? Heißt das, dass Sie sexuell noch aktiv sind?“ Meine Stimme klingt etwas belegt. Hoffentlich hört er das nicht raus. „Ja natürlich, das gehört doch zu einer Partnerschaft dazu“ erwiderte er gelassen. Ungeachtet meiner Frage schlug er nun ein Kaffeetrinken in einem Cafe vor, um sich mal zu beschnuppern.

Na, dachte ich, schnuppern kann man ja mal. Vielleicht lässt er sich ja auf

gelegentliche Treffs mit Essen gehen, Theater, Kino oder Konzerte ein. Ich würde ihm ja auch mal was Leckeres bei mir zu Hause kochen. Wobei dann natürlich die Gefahr wäre, dass er mir zu nahe kommen könnte. Nein! Angucken ja, aber nicht anfassen!! Und dann auch noch Sex!! Angezogen sehe ich mit meinen fast 70 Jahren ja noch recht manierlich aus, aber wehe wenn die Hüllen fallen. Diesen Anblick mag ich ja nicht mal meinem Arzt zumuten. Auch die lange Narbe am Bauch, die von einer 5 Jahre zurückliegenden Krebs OP herrührt sieht nicht sehr attraktiv aus. Ich will nicht hoffen, dass er auf die Idee kommt, mit mir noch ne wilde

Knutscherei anzufangen. Dazu müsste ich erst wieder die Haftcreme für meine Dritten, die ich normalerweise nicht brauche, wieder aktivieren. Und wenn er mir zärtlich durchs Haar streicht, könnte mein Hörgerät was mit einem Kabel  unter meinem Haar von einem zum anderen Ohr verbunden ist, seine Stabilität verlieren und raus rutschen!! Wie das wohl aussieht ! Man muss sich vorstellen, was er dann für ein Gesicht macht !Das Bauchfett, was ich mir in den letzten 9 Jahren teils aus Lust teils aus Frust angefressen habe, würde bei irgendwelchen Sexspielchen auch sehr hinderlich sein. Außerdem würde ich dann ganz schnell aus der Puste

kommen, denn durch mein übermäßiges früheres Rauchen ist mein Lunge auch nicht mehr das, was sie mal war. Und schnarchen tue ich auch noch. Aber dafür sind ja wieder die 4 Zimmer gut.

Wie kann ich ihn denn überhaupt noch in meinem übervollen Terminkalender unterbringen? Und das größte Problem, wann und wie soll ich ihm diese meine Gebrechen überhaupt beibringen? Diese Überlegungen schaffen mir seit 5 Tagen Albträume. Muss ich mir das alles wirklich noch antun? Meine Freunde raten mir, die ganze Sache entspannt angehen zu lassen. Na, die können gut reden.

Ich ertappe mich dabei, dass ich

überlege, was ich anziehe, ob ich noch zum Friseur muss und ob ich evtl. einen Visagisten zu Rate ziehe. Auch permanente Fingernägel wären wohl angebracht. Meine Eigenen brechen immer ab.

Aber nein, dann hält er mich für eine ganz Extravagante und ich muss mich für den Rest meines Lebens verstellen. Wie teuer das dann wieder für mich wäre.

Ich muss meine Fantasien jetzt zum Stillstand bringen und beschließe einfach, ich selbst zu sein. Sich zu verstellen bringt ja gar nichts. Ich werde mich entspannt in meinem Stuhl zurück lehnen und  bei Kaffee und Kuchen

seinen Ausführungen lauschen . Gebe Gott, dass ich mich nicht vor Aufregung mit irgend etwas bekleckere. Dann hat sich das Ganze sowieso erledigt. Und ich muss nach Hause gehen. Vielleicht wäre es das Beste. Ich habe meinen Seelenfrieden wieder und kann ganz in Ruhe, ohne mich zu verbiegen, glücklich und zufrieden meine restlichen alten Tage genießen.