Der Anfang meiner ersten richtigen Geschichte.... Wie viel hat sich seither verändert....
Vorwort
Ich war noch jünger, als sie kamen um mich abzuholen. Sie hörten nicht auf die Bitten meiner Eltern, sie meinten nur, ich solle mit ihnen gehen. Irgendwie hatten sie herausgefunden, dass mit mir etwas nicht stimmte, obwohl nur unsere Familie es wusste. Sie haben mich hinter sich hergeschliffen, unter lautem Protest wurde ich auf die Rückbank gesetzt und sie fuhren los, so schnell, dass die Landschaft, an der wir vorbeifuhren, verschwamm. Ich wollte schreien, um mich schlagen, doch plötzlich überkam mich eine enorme Müdigkeit und meine Augen fielen zu.
1.Kapitel
Als ich aufwachte, tat mein ganzer Körper weh und ich konnte mich kaum bewegen. Meine Augen sahen leicht verschwommen Formen, doch langsam wurden sie immer deutlicher. Ich lag in einem Krankenhausbett, inmitten eines weißen Zimmers. Lauter Schläuche hingen an mir und am ganzen Körper zogen sich frische Narben über meine Haut. Mein Herz pochte so stark, dass jeder Herzschlag in meinem Kopf widerhallte. Ich hatte Angst. Ich hoffte von ganzem Herzen, dass all dies nur ein Albtraum war. Doch bald gab ich die Hoffnung auf.
Erst jetzt hörte ich das dumpfe Ticken einer Uhr, die neben der einzigen Tür im Zimmer hing. Angespannt horchte ich Sekunde für Sekunde auf das gleichmäßige Ticken, um langsam mein Zeitgefühl zurückzugewinnen. Ich konzentrierte mich auf jeden Laut, den die Uhr von sich gab, als das Schloss der Tür aufschnappte und meine Konzentration durchbrach.
Erschrocken wollte ich hochfahren, doch der Schmerz drückte mich nieder und ein Schrei entfuhr mir. Die Tür wurde aufgeschlagen und eine Frau eilte herein. „Endlich aufgewacht?“, sprach sie zu mir, doch ich schaute sie nur misstrauisch an und gab ihr zu verstehen, dass sie mir erklären sollte, was passiert war. „Keine Angst. Wir sind nicht die, die dir das angetan haben. Hast Glück gehabt! Kei hat dich blutüberströmt auf der Straße liegen sehen und hat dich mitgenommen, obwohl dies eigentlich nicht seine Art ist. Wir haben dich behandelt, so gut es ging, aber wenn du Schmerzen hast, brauchst du es mir nur zu sagen, ich helfe gern. Wenn du dich wieder bewegen kannst und es dir besser geht, wollen wir ein paar Tests durchführen, um zu schauen, was sie dir angetan haben. Natürlich nur, wenn du willst.“ Als sie endete, war ich verwirrt.
Was war passiert in der Zeit, in der ich schlief?
Bei näherem Betrachten fiel mir auf, dass sie ganz anders aussah, als die, die mich mitgenommen hatten. Sie trug einen langen, schwarzen Mantel, unten weiter als oben, mit einer großen Kapuze, die sie schön gefaltet über ihren Rücken legte und wahrscheinlich ihr Gesicht verdecken könnte, wenn sie sie aufsetzte. Halb verdeckt von der Kapuze zog sich eine Zahl über ihren Rücken. Was diese große Eins auf dem Mantel zu bedeuten hat? „Brauchst du mehr Schmerzmittel?“, fragte sie mit besorgter und mitleidiger Stimme und drehte ihren Kopf leicht zu mir, während sie sich auf den Sessel neben meinem Krankenbett setzte. Ihre langen dunkelbraunen Haare, geziert mit geflochtenen Zöpfen, die ihren zarten Hals und ihre zierliche Kette zur Geltung brachten, glitten über ihre Schulter. „Nein danke, ich brauche nichts.“, antwortete ich ihr mit leicht zittriger Stimme, als die Tür noch einmal aufgeschlagen wurde und eine Gestalt, mit einem ähnlichen Mantel umhüllt, den Raum betrat, doch auf dem Rücken trug der Unbekannte keine Eins, sondern die Nummer Dreizehn.
„ Wow! Siehst besser aus als vorher! Hab mich wirklich geschreckt, weil du so schlimm aussahst! Leila, du bist wirklich die beste Heilerin, die es je gab!“, sprach die Gestalt, doch ich schaute den Mantelträger nur fragend an. „Was ist?“, fragte der Unbekannte, doch die Frau, die mich pflegte und die er Leila genannt hatte, antwortete anstatt meiner: „Kei, nimm deine Kapuze ab. Du machst ihr Angst.“ Er nahm seine Kapuze ab und sagte zu ihr: „Mann! Das Mädchen ist sechzehn! Hör auf sie zu behandeln, als wäre sie ein Kleinkind!“
Kei war noch keine zwanzig, seinem Aussehen nach zu urteilen, seine schwarzen Haare gingen ihm bis zu seinem Hals und seine grünen Augen schienen zu leuchten. Sein Gesicht war gleich dem eines Engels, so zierlich und unschuldig, dass er in dem Umhang ziemlich unpassend aussah, fast lächerlich, und doch umgab ihn eine Aura, die ihm Respekt verlieh. „ Danke, dass du mich gerettet hast!“, sagte ich zu ihm, doch anstatt mir zu antworten, lächelte er nur leicht, aber seine Augen strahlten vor Fröhlichkeit, was mich glücklich stimmte. Kei ging aus dem Zimmer und ich hörte seine Schritte durch die offene Tür am Gang widerhallen.
Einige Zeit blieb es still, totenstill, doch dann erklangen erneut Schritte, zuerst leise, aber dann kamen sie immer näher, bis Kei noch einmal durch die Tür trat, mit einem großen metallenen Becher in der Hand. Er hielt ihn mir hin und sagte zu mir: „Trink, dann geht es dir besser!“ Ich wollte den Becher nehmen, aber der Schmerz pochte in meinen Adern und ließ mich aufschreien. Leila erschrak und sprach hastig: „Nicht bewegen! Die Wunden könnten aufgehen! Kei, du solltest manchmal mitdenken!“ „Tut mir leid!“, sagte Kei kleinlaut, schob die Schläuche, die an mir hingen, leicht zur Seite, half mir den Kopf zu heben und legte den Becher vorsichtig an meine Lippen. Langsam kippte er den Inhalt in meinen Mund und ich schluckte die Flüssigkeit schnell, da der bittere Geschmack Übelkeit mit sich brachte. In meinem Innersten hoffte ich, den Becher bald leer getrunken zu haben, doch das Ende war noch nicht abzusehen. Ich trank Schluck für Schluck, bemühte mich, alles in mir zu behalten, doch jede Sekunde wurde die Übelkeit schlimmer, breitete sich genüsslich in meinem Körper aus, sodass ich mich ganz darauf konzentrierte, mich zu beherrschen.
Langsam wurden die Schlucke immer kleiner, wurden zu Schlückchen, bis der Inhalt sich zu Ende neigte. Kei nahm den leeren Becher von meinen Lippen und ich atmete vor Erleichterung auf. Mein Körper entspannte sich, ich hatte es geschafft, der Trank war weg. „Du wirst dich eine Zeit lang leicht krank fühlen, doch nachher wird es dir besser gehen als je zuvor.“, sagte Kei zu mir und stellte den Becher zu Boden. „Leila, kümmere dich weiter um sie. Ich habe noch etwas zu erledigen.“, mit diesen Worten ging er aus dem Zimmer und seine Schritte verhallten im Gang.
Er hatte Recht gehabt. Mein Kopf dröhnte, meine Temperatur stieg und die Übelkeit wurde wieder stärker. Ich fühlte mich nicht nur krank, nein, ich war es auch. Leila legte ihre kühle Hand auf meine Stirn und ich atmete etwas langsamer, doch als sie sie wegnahm, war es mir wieder, als würde ich überhitzen.
„Warte, ich komme gleich zurück!“, sagte Leila, setzte sich auf und verließ das Zimmer, auch ihre Schritte hallten im Gang wieder, bis es ganz still wurde. Nun war ich ganz alleine, meine Angst kehrte zurück. Der Schmerz schien noch stärker durch meine Adern zu fließen, das Gefühl der Einsamkeit und der Hilflosigkeit übernahm alle meine Gedanken, ich war schutzlos. Ich wusste nicht, wo ich war, wer sonst noch da war, was passiert war, wie lange ich geschlafen hatte. Das Ticken der Uhr schien mir langsamer als zuvor, so als hätte die Zeit aufgehört zu fließen, als hätte sie verlernt zu vergehen. Meine Gedanken wurden immer unklarer und verwirrender, sodass ich mich langsam in mir verlor. Ich war der Einsamkeit ausgeliefert, war hilflos, verletzlich. Alles um mich herum war mir fremd, ich war mir fremd.
Ein kühles Etwas riss mich aus meinen Gedanken, Leila war zurückgekehrt, sie hatte mir ein kühles, feuchtes Tuch auf die Stirn gelegt und es half sofort. Die Kühle drückte mein Fieber herunter, meine Gedanken schienen sich wieder zu sortieren, das Dröhnen in meinem Kopf verebbte. „Geht es dir besser?“, fragte mich Leila und ich nickte zur Antwort.
Zuerst fiel mir gar nichts auf, doch mit der Zeit bemerkte ich, dass ich mich wieder bewegen konnte, es tat zwar noch ein bisschen weh, doch der größte Schmerz war gewichen. Langsam versuchte ich alles, probierte jede einzelne Bewegung aus, und tatsächlich, ich hatte die Kontrolle über meinen Körper wieder. „Du kannst dich zwar bewegen, versuche aber weiterhin im Bett zu bleiben. Du fühlst dich vielleicht besser, doch dein Körper ist noch ziemlich mitgenommen, deine Wunden müssen heilen.“, sprach Leila und drückte meinen Oberkörper leicht hinunter, um mir zu verstehen zu geben, dass ich liegen bleiben sollte.
„Ich habe noch etwas zu erledigen, also werde ich dich eine Zeit lang alleine lassen. Kann ich dir etwas bringen?“, fragte Leila, doch ich schüttelte den Kopf: „Ich brauche nichts, danke.“ Sie nickte schnell, wandte sich von mir ab und verschwand. Ich hörte ihre Schritte im Gang hallen, und eine Neugier überkam mich.
Was wohl auf der anderen Seite der Wand liegt? Doch…, nein, ich sollte mich nicht zu viel bewegen, was, wenn ich auf einmal zusammenbreche, außerdem weiß ich nicht, was mich dort erwartet, es ist einfach zu gefährlich. Aber die Neugier wuchs und wuchs, griff langsam auf meine Gedanken über, bis sie meine Angst verdrängte.
Behutsam setzte ich mich auf, doch es war zu schnell für mich in meinem jetzigen Zustand, mir wurde schummrig und mein Kopf tat weh. Ich verweilte eine Zeit lang in dieser Position, damit ich mich wieder beruhigte, und drehte mich auf die Seite, um meine Füße auf den Boden setzen zu können. Vorsichtig versuchte ich mich aufzustellen, doch alleine war ich zu schwach dazu. Ich versuchte mich vom Bettrand abzustoßen, doch es klappte nicht beim ersten Mal, auch nicht beim zweiten, das dritte war ein kompletter Reinfall, erst beim siebten oder achten kam ich hoch.
Es war schwer, das Gleichgewicht zu halten, ich fühlte mich wie ein Kleines Kind, dem man beibrachte zu laufen. Ich setzte meinen ersten Schritt, meinen zweiten, es schien gut zu funktionieren, doch dann kam die Wand ungeplant schnell auf mich zu. Haltsuchend streckte ich die Hand nach vorne, um mich an der Wand abzustützen. In letzter Sekunde fing ich mich und lehnte mich gegen die einzige Stütze, ich atmete auf, fast wäre ich gestürzt.
Langsam setzte ich Fuß vor Fuß, immerzu an die Wand gelehnt, bis ich die Tür erreichte. Mir schoss die Frage durch den Kopf, was mich wohl auf der anderen Seite erwarten würde, und die Angst kam wieder, doch die Neugier tötete alle anderen Gefühle ab. Mit eisernem Willen trat ich durch die Tür, ich erstarrte. So etwas hatte ich nicht erwartet!
Der Flur schien endlos lang, er war genauso weiß wie das Zimmer, in dem ich war. Andere Flure kreuzten den, auf dem ich stand, genau so lang, genau so weiß. Alle paar Meter befand sich eine Tür, gleich der, durch die ich getreten war. Alles war gleich, wie ein großes Labyrinth, und ich war mittendrin.
Vorsichtig tastete ich mich an der Mauer entlang, die zu meiner Linken wegging. Konzentriert setzte ich Schritt nach Schritt, versuchte mein Gleichgewicht zu halten und stützte mich dafür immerzu an der Wand ab. Ich war gerade erst ein paar Schritte gegangen, als ich die nächste Tür erreichte. Behutsam drückte ich die Türklinke hinunter, das Schloss sprang auf und die Tür öffnete sich. Neugierig lugte ich in das Zimmer und entdeckte… nichts.
Der Raum war vollkommen leer, nichts als weiße Wände und dieser Plastikboden, den es auch in Krankenhäusern gibt. Ich wandte mich ab und beschloss, die nächste Tür zu öffnen. Leicht unsicher setzte ich die Schritte, um sie erreichen zu können. Ich legte die Hand langsam auf den Türknauf, drückte sie herunter, die Tür sprang auf… nichts. Und die nächste… auch nichts. Mühsam schleppte ich mich von Tür zu Tür, doch immer fand ich das Gleiche… nichts, nur ein leerer, weißer Raum mit Krankenhausboden.
Je mehr Türen ich öffnete, desto mehr schien es mich zu verwirren. War ich die einzige hier? Außerdem hatte ich noch kein einziges Fenster gesehen. War dies alles ein Keller? Es machte mir Angst, nicht zu wissen, wo ich war, wo die anderen waren, ich wollte einfach nur zurück in mein Zimmer, weil ich mich dort sicherer fühlte als in diesem drückend leeren Flur. Vorsichtig, um nicht zu stolpern, drehte ich mich um. Ich stand einem großen Problem gegenüber. Alle Türen waren zu…
Welche führte in mein Zimmer?
Ich war verloren, ich wusste, egal, wie viele Türen ich öffnete, es würde eine Ewigkeit dauern.
Meine Verfassung half bei der Suche auch wenig, da ich mich anstrengen musste, um vorwärts zu kommen, die Türen öffneten sich auch nicht von selbst und jedes Mal, wenn ich eine öffnen wollte, verlor ich das Gleichgewicht und drohte zu stürzen. Vor Verwirrung wusste ich auch nicht mehr, welchen Weg ich gegangen war, ich riss nur vor Verzweiflung jede Tür auf, die ich erreichen konnte. Ich wurde immer schwächer und schwächer, jede Tür schien mir etwas von meiner Kraft auszusaugen, ich achtete schon gar nicht mehr auf den Inhalt der Räume, wahrscheinlich war ich an meinem Zimmer vorbei gerannt. Der Gedanke daran ließ mich noch mehr verzweifeln, der Wille weiterzumachen brach…
Ich schleuderte die nächste Tür auf, doch dieses Mal setzte ich meinen Fuß in das Zimmer, machte die Tür hinter mir zu und sank zu Boden, den Rücken an die Wand.
Das Zimmer war angenehm warm, viel zu warm, wenn man es mit den anderen Räumen verglich. Es lag auch ein ziemlich komischer Geruch in der Luft, der es mir erschwerte zu atmen, so schwer und stickig, er war auch ziemlich ekelerregend. Ich ließ den Blick durch den Raum schweifen, doch dieser Raum war nicht leer.
Mühsam richtete ich mich auf und ging in die Mitte des Zimmers. Wohin das Auge blickte sah ich… Leichen, Leichen von Haustieren, von Wildkatzen, von Menschen… Menschen … Menschen. Hatte Leila mich angelogen? Hatte Kei mich gerettet? Ich war mir nicht mehr sicher, was ich glauben sollte, ich hatte nur noch Angst, ich wollte weg, weg von hier.
Ich wackelte zur Tür zurück, drückte die Klinke nach unten, doch das Schloss sprang nicht auf.
Ich war eingeschlossen, alleine, mit den Leichen. Angst, panische Angst, genau das hatte ich jetzt, und der Geruch der Verwesung schien mich langsam zu betäuben. Ich schlug gegen die Tür, doch es war sinnlos, denn dahinter lag nur der leere, weiße Gang, einsam und verlassen.
Der Gestank der Leichen schmerzte in der Nase, mir wurde übel, der Atem versagte, ich bekam nur schwer Luft.
Röchelnd ging ich zu Boden, streckte meinen Arm nach der Klinke aus, versuchte noch einmal die Tür zu öffnen, doch vor Erschöpfung sank meine Hand nur schlaff zu Boden, ich hatte keine Kraft mehr. Ich lag da, knapp vor der Tür, nahe des rettenden Ganges und doch noch weit von der Rettung entfernt, ich war verloren.
Die Luft schien immer stickiger zu werden, der Atem versagte mir komplett. Meine Hände schnellten an den Hals, der Sauerstoffmangel zog mich langsam ins Dunkle, ich würde sterben, alleine, in einem Zimmer voller Leichen, ich würde so werden wie sie.
Das letzte was ich sah, war, dass die Tür aufgeschlagen wurde und Kei auf mich zustürzte, dann wurde alles schwarz…
2.Kapitel
Ich wachte in meinem Zimmer auf, mein Kopf schien fast zu explodieren. Der Becher, den Kei mir gebracht hatte, stand dort, wo er ihn hingestellt hatte, die Schläuche hingen wieder an mir, so, wie sie vorher an mir gehangen waren. Hatte ich alles nur geträumt? Ich hatte sie doch gesehen, die Leichen, ich hatte sie doch gerochen, alles war so echt. Kann ein Traum so nah an der Wirklichkeit sein? Kann man in einem Traum auch Gerüche wahrnehmen, auch wenn man sie bisher nichtgekannt hat?
Es machte mir Angst, nicht zu wissen, was Traum oder Wirklichkeit war, es war verwirrend, es machte einfach keinen Sinn.
Eine Tür nahe der meinen wurde zugeschlagen und laute Stimmen hallten im Gang wieder: „ Kei! Sei vernünftig! Sie ist eine Gefahr für die Organisation! Ich sage dir, sie wird unser Ende sein!“ Die Stimme klang wie das Grollen des Donners, sie war mir fremd, und doch schien mich der Verdacht nicht loszulassen, dass er mit „sie“, mich gemeint hatte. „Hör auf, Neosy! Sie kann nichts dafür! Sie hat es sich nicht ausgesucht! Sie trifft keinerlei Schuld! Kai hat sie mit hineingezogen! Hör auf, sie wegen ihm zu verurteilen!“ Ich erkannte sie sofort, seine Stimme, ich würde sie überall erkennen, denn er war es, der mich gerettet hatte. „Es ist egal, was Kai damit zu tun hat! Sie stellt eine Gefahr für die Organisation dar!“ Neosy beharrte drauf, so, wie ein kleines Kind es tat, wenn es nicht wahrhaben wollte, dass es im Unrecht war. „Jedes zweite Wort, das aus deinem Mund kommt, ist „Gefahr“ oder „Organisation“, außerdem bin ich die Dreizehn und du nur die Elf!“ „Aber sie ist eine Gefahr…“, fing Neosy an, leicht beleidigt, seiner Stimme nach zu urteilen, doch Kei schnitt ihm das Wort ab: „Sie steht unter meinem Schutz! Tu ihr etwas an und du bist tot! Das ist mein voller Ernst!“ Dann hörte ich Schritte näher kommen und Kei betrat das Zimmer. „Geht es dir besser? Puh, fast wärst du erstickt!“
Er kam auf mich zu, einen anderen metallenen Becher in der Hand. Ich rückte leicht zur Seite, ich wollte nicht noch einmal so etwas Unangenehmes durchmachen. Er bemerkte es schnell und sagte zu mir: „Keine Angst, ist nur Wasser.“ Es beruhigte mich leicht, doch was mir am meisten Angst machte, war er, nicht der Becher, denn er stand irgendwie in Verbindung mit den Leichen.
Kei stellte den Becher zu Boden und griff langsam zu meinen Schläuchen, machte sie oben los, dann schließlich auch unten. Als er mich streifte, zuckte ich zusammen, seine Hand schnellte zurück, er schaute mich mit großen Augen an. Ich konnte die Verwirrung von seinem Gesicht ablesen, doch auch die Enttäuschung.
Schweigend eilte er aus dem Zimmer und seine Schritte verhallten im Gang.
Ich wusste nicht wieso, doch der Anblick seines traurigen Gesichtes bereitete mir Schmerzen, Kei hatte mich immerhin gerettet, als ich dringend Hilfe brauchte. Doch nun war ich alleine im Zimmer, ich hatte ihm wehgetan, ihm, dem ich so viel zu verdanken hatte.
Ich versuchte den Becher hochzuheben, doch er rutschte mir aus der Hand und fiel klirrend zu Boden, das Wasser verteilte sich im ganzen Zimmer.
Wieder hallten Schritte im Gang, aber diesmal trat eine in einen Mantel gehüllte Person ein, die die Nummer Zwölf trug. Der Unbekannte zog die Kapuze zurück und der Atem blieb mir weg: Es war eine wunderschöne Frau, um die fünfundzwanzig herum, mit langem, gewellten, schwarzen Haar, blutroten Lippen und Augen, so tief und blau wie der Ozean.
„Ich habe gehört, wie etwas gefallen ist und bin gleich gekommen.“ Sie sah zum Becher und dem verschütteten Inhalt. „Soll ich dir einen neuen bringen?“ „N-nein d-danke.“, stotterte ich nur. „Oh! Ich hab vergessen mich vorzustellen! Ich bin Samira, wenn du Hilfe brauchst, bin ich immer für dich da. Und, wie heißt du?“ Sie redete schnell, doch die Frage, die sie mir stellte, verwunderte mich. Noch niemand hatte mich nach meinem Namen gefragt. „Ich heiße Esmee…“, begann ich, doch sie fiel mir ins Wort: „Wie alt bist du?“ „Sechzehn.“, antwortete ich leicht verärgert. „Wir werden gute Freundinnen werden, Esmee!“, verabschiedete sich Samira und tänzelte aus dem Raum. „Komische Person!“, dachte ich mir, als Leila eintrat.
„Die Dreizehn erwartet dich!“
Noch nie hatte ich Leila so förmlich reden hören, erst recht verwunderte mich, dass sie „Dreizehn“ sagte, anstatt „Kei“. Leila half mir auf und führte mich aus dem Zimmer. Wir gingen mehrere Gänge entlang, es überraschte mich, wie gut sie sich hier auskannte; wo doch alles gleich war. Eine Weile lang blieb sie still, doch nach einiger Zeit brach sie das Schweigen: „Ich halte das nicht mehr aus! Sag doch was! Du wirst einfach gerufen und hast keine Fragen? Mann! Ich fühl mich, als würde ich dich zu deiner Hinrichtung bringen!“ „Beruhige dich, Leila! Ich weiß nicht, was passiert ist, und wenn ich ehrlich bin, möchte ich es gar nicht wissen. Wenn Kei mich zu sich ruft, sollte ich kommen, nicht weil ich unter ihm stehen würde, sondern es ein guter Zeitvertreib ist. Ich kenne mich hier nicht aus und weiß auch nicht, wo ich überhaupt bin oder was das alles ist, jedenfalls sehe ich in ihm eine Antwort auf alle meine Fragen.“
Meine Worte schienen sie nicht im Geringsten zu beruhigen, sondern sie eher noch unsicherer zu machen. Sie blickte öfters nervös zu mir, doch wenn unsere Blicke sich trafen, drehte sie ihren Kopf sofort weg, sie wich mir aus.
Wir waren schon lange gegangen, doch noch immer waren die Gänge gleich geblieben, so, als gingen wir die ganze Zeit im Kreis.
Leila führte mich durch den Wirrwarr aus Zimmern, bis sie vor einer Tür halt machte. Sie trat zur Seite, damit ich eintreten konnte. „Tritt ein…“, sagte sie. „Tritt ein und sprich erst, wenn du dazu aufgefordert wirst. Das Wort der Dreizehn ist Gesetz, widersetze dich ihm und du wirst gelehrt ihm zu gehorchen.“
Leila sprach ernster denn je, ich merkte sofort, dass dies eine Mahnung war, um mich vor Fehltritten zu schützen. Ich nickte ihr zu und öffnete die Tür, die mit einem lauten Quietschen aufsprang. Schweigend trat ich auf den Flur, der sich vor mir erstreckte, hinter mir schloss sich die Tür und der Schlüssel wurde umgedreht, ich war eingeschlossen.
Die Wände waren weiß, wie alle anderen, doch der Boden war aus pechschwarzem Holz. Der Flur schien endlos lang, die Wände schienen am Ende zusammenzulaufen und alles zu zerquetschen, was dazwischen gerät.
Ich ging weiter, oder besser gesagt, ich nahm den einzigen Weg, den ich gehen konnte. Da die Mauern nahe beieinander lagen, konnte ich mich auf beiden Seiten abstützen, da ich müde war nach dem langen Marsch vom Zimmer bis hierher. Ich weiß nicht, wie lange ich gegangen war, doch die Tür war nun nicht mehr in Sichtweite. Vorne und hinten schienen die Wände ineinander zu verschmelzen und ich verlor jegliche Orientierung. Wie konnte der Flur so lange geradeaus gehen, ohne Kreuzung, ohne Biegung? War dies doch kein Keller?
Ich ging weiter geradeaus, versuchte nicht zu viel nachzudenken, um nicht noch verwirrter zu werden. Kam ich überhaupt vorwärts? Ich war mir nicht sicher und fing an zu laufen, doch der Schmerz der Wunden, der durch die Überanstrengung wieder hervorgerufen wurde, ließ mich kurz danach langsamer werden, meine Verfassung schien sich drastisch zu verschlechtern.
Mit dem Rest meiner Kraft zog ich mich an der Wand entlang, als ich bemerkte, dass diese langsam, aber doch, schwarz wurde. Je weiter ich vordrang, desto dunkler wurde es, bis es gar keinen hellen Fleck mehr gab.
Ich ließ das Licht hinter mir und öffnete mein Herz der Dunkelheit.
Es machte mir keine Angst im Dunkeln zu sein, doch die Verwirrung, die Orientierungslosigkeit, ließen mich kaum klar denken.
Ich ging weiter, tastete mich an den Wänden entlang, bis der Gang allmählich breiter wurde. Es war schwer, mein Gleichgewicht zu halten, weil ich mich nur an einer Seite abstützen konnte. Meine Kraft versagte, ich stürzte.
Ich wollte mich an der Mauer abstützen, um hochzukommen, doch meine Hand griff ins Leere. Ich zog mich auf die andere Seite und griff auch dort nach einer Wand, doch ich fand wieder nichts, egal wie weit ich mich vortastete, es war nichts da.
Plötzlich hörte ich Schritte, sie schienen weit, doch sie hallten von allen Seiten wieder. Es kam jemand, dessen war ich mir sicher, doch, von wo?
Die Schritte kamen immer näher und sie hallten wider, überall, es dröhnte in den Ohren. Ich hatte Angst, Angst vor dem, was sich näherte. Wer war da? Woher kam er oder sie? Die Fragen ließen mich nicht los, sie trieben mich in den Wahnsinn, während die Schritte immer näher kamen.
Ich lag am Boden, zusammengekauert, verängstigt. Die Schritte hörten auf zu hallen, der Unbekannte stand direkt neben mir, doch ich konnte sein Gesicht nicht sehen. Er bückte sich herunter, ich spürte seinen Atem an meinem Ohr vorbeistreifen, es fühlte sich so an, als würde sein Blick mich durchbohren. Ich spürte, wie er seine Hände um mich schlang und mich hochhob, doch dann hatte ich keine Kraft mehr, meine Augen fielen zu…
3.Kapitel
Als ich aufwachte war mir schwindelig zumute, meine Lider waren schwer vor Müdigkeit, trotz dem Schlaf. Ich lag auf einem großen Bett, etwas zu groß meinem Geschmack nach, eingehüllt in eine weiche, schwarze Decke, daneben stand er… er, natürlich. Wen hatte ich denn sonst erwartet? Der schwache Schein der Kerze tänzelte über sein Gesicht, sodass ich es sehen konnte, doch der Ausdruck, der darauf lag, war nicht zu lesen, er verschloss ihn vor mir, um weder Gedanken noch Gefühle preiszugeben.
Kei stand wie angewurzelt neben dem Bett und starrte mich an, ich starrte zurück.
Eine Weile verweilten wir, wo wir waren, doch dann regte er sich und setzte sich an den Rand des Bettes, aber er schaute nicht mehr mich an, sondern blickte in die Dunkelheit, die uns umgab, da das Licht der einzigen Lichtquelle, der Kerze, nur mein Bett beleuchtete und es wie eine einsame Insel im Meer aussehen ließ.
„I-i-ich… ähm…a-also…“, stammelte er. „W-wie soll ich es sagen…also…“ Es wurde still, doch der Satz hing noch in der Luft und weckte mein Interesse. „Ähm… also, wie anfangen?... Ich gehöre einer Organisation an … nein… i-ich habe eine Organisation gegründet, mit einem bestimmten Ziel… äh…“ Immer wieder geriet Kei ins stocken, es war schwer ihm zuzuhören, wegen der Pausen, die er machte, da er nachdachte. „Du hast eine Organisation gegründet, so viel hab ich verstanden.“, sagte ich, um ihm ein bisschen auf die Sprünge zu helfen. „Wie viele Mitglieder habt ihr? Welches Ziel? Wie wollt ihr es erreichen? Und, natürlich, wer ist das höchste Mitglied in der Nahrungskette?“ Ich wusste nicht genau, wieso ich diese Fragen stellte, wahrscheinlich waren sie die ersten, die mir durch den Kopf schossen, doch Kei schien mein Interesse leicht zu beunruhigen, aber er antwortete mir: „Es gibt dreizehn Mitglieder, die Zahlen auf ihrem Rücken tragen dürfen, die so genannten „Numbers“, der Rest der Mitglieder agiert unter der Aufsicht der Numbers, oder eher gesagt: zwölf Numbers besitzen ihnen zugeteilte Gruppen anderer Mitglieder, die unter ihnen stehen. Jede dieser Gruppen hat andere Aufgaben zu erfüllen, je nach Stärke und Können der zugewiesenen Mitglieder.
“ Wieso zwölf Gruppen? Es gibt doch dreizehn Numbers, oder?“, unterbrach ich Kei, der die Erklärung gleich fortsetzte:
„Die höchste Nummer, die Dreizehn, also ich, vereint alle Numbers und ihre Gruppen und steht an der Spitze der Organisation, denn auch wir Numbers sind nach Stärke eingeteilt.
So ist die Eins, also Leila, schwächer als die Dreizehn, das bin wiederum ich. Leilas Gruppe, also die erste Gruppe, ist schwächer als die von Samira, der Zwölf, ich glaube. du kennst sie bereits.
Aber, Spaß beiseite! Ich habe dich wegen etwas Wichtigem herrufen lassen. Ein Number hat dich als Gefahr für die Organisation wahrgenommen. Obwohl Bedrohungen ausgeschaltet werden, habe ich vorgeschlagen…“, Kei schaute mich an: „dich in meiner Nähe zu behalten, dort, wo du uns niemals verraten könntest, und diesem Vorschlag wurde zugestimmt. Ich muss dich also bitten, nicht herumzuwandern, sondern brav in deinem Bettchen zu bleiben, okay?“
Ich nickte ihm zu, doch eines kam mir seltsam vor: wieso machte er sich den Aufwand, auf mich aufzupassen, wenn er mich umbringen könnte, um so uneingeschränkt arbeiten zu können? ^0 Die Frage schien mir wichtig und so stellte ich sie ihm: „Wieso tust du das?“ Doch kaum hatte ich geendet, presste er seine Lippen auf die meinigen. Ehe ich wusste, was geschehen war, flüsterte er mir ins Ohr: „Deswegen!“ Und schon war er in der Dunkelheit verschwunden.
Ich saß auf dem Bett, fassungslos, aber glücklich, unsagbar glücklich.
Es war mir, als wäre das alles ein Traum, ein Albtraum, der anfing sich zu verändern.
Der Hunger, der mich zu quälen begann, holte mich auf den Boden der Tatsachen zurück, ich konnte mich nicht erinnern, etwas gegessen zu haben seit ich hier war. Ich ließ meinen Blick über meine Umgebung schweifen, oder eher gesagt über die Dunkelheit, die meine Augen nicht zu durchdringen vermochten, als sich meine Blicke an die Kerze hefteten
Ein Kichern entfuhr mir, denn neben dem Licht lagen ein Apfel, gefüllte Brötchen, eine Flasche Wasser und sogar eine Tafel Schokolade, er hatte an alles gedacht.
Gierig griff ich zu den Brötchen und schlang sie hinunter, es tat gut, wieder etwas im Magen zu haben. Sie schmeckten nicht schlecht, doch der Geschmack war gewöhnungsbedürftig und ich spülte ihn mit Wasser herunter. Obwohl die Brötchen klein waren, sättigten sie mich nach nur wenigen Bissen.
Ich streckte mich und legte mich bequem quer übers Bett, schnappte mir den Apfel und biss herzhaft hinein. Nachdenklich blickte ich in die Dunkelheit. Was war dies alles wirklich? Ein Keller? Oder etwa doch ein Traum?
Ich biss noch einmal in den saftigen Apfel, als ich eine Stimme hinter mir hörte: „Schmeckts?“ Auch ohne mich umzudrehen, wusste ich, wer es war. „Danke für das Essen, hat gut geschmeckt.“ Kei fing an zu lachen und brabbelte dabei: „Hat es dir wirklich geschmeckt? Also so was ist selten! Alle anderen beschweren sich über das Essen. Kochen kann hier niemand!“
Ich biss noch einmal in den Apfel, es war erstaunlich, wie süß er war.
„Womit waren die Brötchen eigentlich gefüllt?“, fragte ich ihn, doch er antwortete mir nicht gleich, da sein Lachanfall nach meiner Frage noch schlimmer geworden war. Was fand er nur so witzig?
Als er sich wieder fing, sagte Kei: „Glaub mir, das willst du gar nicht wissen! Man schmeckt nicht im Annäherndsten heraus, was drinnen ist, eher gesagt, keiner weiß das genau. Jeder gibt das rein, was er glaubt, das drinnen ist, so ist jedes Teigbällchen anders.
Hättest du eine bessere Idee? Kannst du kochen?“
Nun fing ich an zu lachen. Was hatte ich da gegessen? Wie kann man nur so wenig Ahnung von Nahrung haben?
„Ich bin vielleicht keine perfekte Köchin, doch ich könnte mich verpflegen. Ihr könntet doch stink normale Wurst- oder Käsebrote machen. Sag nicht, das kennst du nicht?“
Zu meinem erstaunen fragte er mich: „Was soll bitte Wurst sein? Was Käse? Und was ist bitte Brot?“
Ich erstarrte, wollte er sich über mich lustig machen? Oder war das sein voller Ernst?
„Du weißt nicht, was das alles ist?“, fragte ich ihn leicht stotternd vor erstaunen und drehte mich zu ihm, um sein Gesicht zu sehen. Kei blickte mich nur fragend an, er wusste es wirklich nicht.
„Wie nennt man diese gefüllten Dinger?“ Ich zeigte auf sie Brötchen, um ihm zu zeigen, was ich meinte. „Das sind Teigbällchen. Die, die du gegessen hast, waren in einen Trank getaucht, der Energie gibt, deswegen nennen wir diese Energie- Teigbällchen. Es gibt aber noch viele andere Arten davon, wie zum Beispiel tödliche oder wiederbelebende, heilende und verjüngende, welche, die dich altern lassen und noch vieles mehr. Sag mir, wenn du etwas Spezielles brauchst, ich bringe sie dir.“„Lieber nicht! Ich würde lieber selbst welche machen, damit ich wenigstens weiß, was darin ist.“
Kei schaute mich an, der Schock war ihm ins Gesicht geschrieben. Ich brauchte einen Moment, bis ich begriff, was ihn so verunsicherte.
„Keine Angst! Ich werde nicht weglaufen!“, beruhigte ich ihn und er antwortete mit einem Lächeln. Kei fuhr mir mit seiner großen warmen Hand durch dir Haare und verschwand wieder in der Dunkelheit.
Ich hatte nicht bemerkt, wie müde ich bereits geworden war und legte meinen Kopf auf meine Arme und Schloss die Augen. Es dauerte eine Zeit, doch der Schlaf übermannte mich schließlich, meine Lieder wurden schwer und ich versank in den Tiefen der Traumwelt.
4 Kapitel
Ich war noch nie gewesen, wo ich mich jetzt befand, und doch schien mir dieser Ort vertraulich.
Die offene Pforte, die nun vor mir lag, war aus dunklem Holz geschnitzt, geziert mit farbenfrohen Mustern.
Langsam trat ich durch das große Tor und blickte auf die Landschaft, die sich vor mir erstreckte.
Die bunten Häuser lagen friedlich und still da, und formten ein kleines Dorf, das, unberührt von der Zeit, wie ein abgelegenes Dörfchen aus der Vergangenheit aussah.
Etwas unsicher streifte ich durch mehrere Gassen, die die Hauptstraße kreuzten und ich fühlte mich immer unwohler.
Eine Gefahr lauerte ganz nahe, so, als könnte ich sie fast schon ergreifen.
Ich ging weiter, immer weiter, doch die Gefahr schien immer präsent, so, als würde sie mir folgen, doch nicht nur das, sie holte mich Stück für Stück ein. Drohte mich einzuholen.
Ängstlich fing ich an zu laufen, aber, als ich das Tor wieder erreichte, blieb ich stehen. Ich hatte nicht gemerkt, dass ich im Kreis gelaufen war.
Erstaunt blickte ich über das Dorf, ich erschrak.
Alles war still, wie es vorher schon gewesen war, doch mein Unbehagen war berechtigt, denn am Rande des Horizonts erblickte ich einen Panda, größer und gefährlicher als alles, was ich jemals gesehen hatte.
Die Erde bebte, als sein langer, ungewöhnlich langer, Schwanz über den Boden peitschte, bei jedem Knurren fegte der Wind über das Land und jeder Schritt ließ ein Grollen ertönen, lauter und wütender als der Donner.
Langsam kam das Untier auf mich zu, zertrümmerte, zermalmte, zerbröselte die umstehenden Häuser, bis es letztendlich vor mir stand.
Der Panda war größer, als ich zu träumen gewagt hatte, das riesige offene Maul stank nach Tod und Verwesung, einem Geruch, den man niemals hätte riechen wollen.
Ich wollte weg, doch der Anblick der spitzen, scharfen Zähne, von denen die Spucke tropfte, ließ mich wie angewurzelt stehen bleiben.
Hilflos starrte ich den Panda an, der seinen Kopf zu mir neigte. Ich kniff die Augen zu, wartete, dass er mich angriff, dass er mich mit seinen scharfen Klauen packte und sein Zähne in mich hineinbohrte.
Der Gestank seines Maules kam immer näher, ich zitterte am ganzen Leibe und wartete, wartete auf mein Ende.
Sekunden verstrichen, wurden zu Minuten, nichts geschah, weder ich, noch der Panda bewegten sich.
Ich öffnete die Augen, war ich tot?
Doch alles lag so vor mir, wie es war, und der Panda verneigte sich vor mir, wie Menschen es vor einem Gott machten.
5 Kapitel
Als ich meine Augen aufschlug, war ich von kompletter Finsternis umhüllt. Die Kerze war nun ausgebrannt und kalt, das Bett schien mir größer als zuvor.
Langsam rutschte ich an den Rand, um aufzustehen, als das Bett plötzlich endete und ich zu Boden fiel.
Am Fuße der Matratze brach Gelächter aus.
Etwas benommen drehte ich mich in die Richtung, aus der das Lachen kam, doch ich konnte nichts sehen. Zwar wusste ich, dass Kei da war, doch es mischte sich eine andere Stimme unter seine, die ich bisher niemals gehört hatte.
Eine Flamme blitzte auf, brannte zuerst leicht, bis das Licht langsam immer heller wurde und den Vorhang aus Dunkelheit beiseite schob.
Ich blickte erstaunt auf und fing an den komisch wirkenden Mann an Keis Seite zu inspizieren.
Er hatte hellblaue lange Haare, die nach allen Seiten wegstanden und die büschelweise an den Spitzen mit Bändern zusammengebunden waren, an denen kleine silberne Glöckchen hingen. Seine Augen hatten die Farben von Himbeeren und schienen weit in die Ferne zu blicken.
, Dies ist Kon, unsere Nummer drei. Er wird sich ab jetzt um dich kümmern und dich überallhin begleiten. Sieh ihn als deinen Beschützer.", sagte Kei zu mir, doch Kon nickte nur leicht zum Gruß, seine Augen schienen ins Leere zu blicken.
Ich richtete mich auf, als Kei mich plötzlich zu sich winkte. Hellwach vor Aufregung ging ich zu ihm und Kon Blick veränderte sich, er schien wieder mit den Gedanken bei uns zu sein.
Eine Zeit lang regte sich keiner von uns und es wurde ganz still, eine Spannung lag jedoch in der Luft.
„Ich werde euch nun alleine lassen, hab noch zu tun!“, sagte Kei und war schon in der Dunkelheit verschwunden.
Kon blickte mich an, verwirrt und erstaunt zugleich, so, als hätte er mich die ganze Zeit über nicht bemerkt.
„Komm mit.“, sagte er zu mir, wendete sich ab und ging weg, mit dem licht in der Hand.
Leicht überrempelt folgte ich ihm und es dauerte nicht lange, bis wir ein Tor passierten.
Staunend blieb ich stehen, ich konnte es nicht fassen. Reihenweise waren Stangen befestigt, an denen die schönsten Kleider hingen, wie Blätter an einem Baum.
Kon schien nicht bemerkt zu haben, dass ich stehen geblieben war, denn der Schein der Kerze erhellte mich nur noch schleierhaft.
Schnellen Schrittes versuchte ich ihn einzuholen, doch je näher ich ihm kam, desto weiter schien er entfernt.
So entschied ich stehen zu bleiben und darauf zu warten, bis er mein Fehlen bemerkte.
Doch ich konnte so lange warten, wie ich wollte, er schien mich vergessen zu haben.
Nun stand ich in der Dunkelheit, ganz alleine, der Schein der Kerze war verschwunden.