„Karyx, was ist?“, fragte Denoli. Der Angesprochene stützte sich mit einer Hand an der Wand des Ganges ab und krümmte sich vor Schmerzen.
„Karyx?“
Karyx gab keine Antwort, blickte Denoli aber an. Er las unendlichen Schmerz darin und ein Flehen. Plötzlich ging ein Ruck durch Karyx, er richtete sich auf, es war nichts mehr vom Anfall gerade eben zu sehen. Denoli sah noch einmal genau hin. Seine Augen waren fast komplett weiß und die Pupillen so klein, dass man sie fast gar nicht sehen konnte, aber wenn man zu lange hineinsah das Gefühl hatte, in einen bodenlosen Brunnen zu schauen.
Ein weiterer Ruck ging durch Karyx und er sagte mit einer Stimme, die sich anhörte, als ob zahllose Dinota auf einmal reden würden: „Die Finoral werden ein Kind annehmen, welches nicht das ihre ist. Es wird in einer silbernen Rüstung für das Reich der Dinota kämpfen. Der Tenuatem wird kommen und uns zu alter Stärke führen. Er wird uns von den Ketten des Nebels befreien und unsere Feinde das Fürchten lehren. Er wird die Terraner, die Denebol und die Kontrakter unterwerfen. Wir müssen bereit sein. Das Biest steht bereit. Tiata ist fertig. Wir werden unser System wiederaufbauen. Wir werden jeden nach seinen Möglichkeiten ausbilden. Wir werden warten. Wir werden siegen.“
Karyx sackte in sich zusammen. Inzwischen waren andere Dinota gekommen und standen ratlos neben Denoli und seinem Freund.
„Karyx, was ist los?“
„Das Gehirn kontrolliert alles. Es wird den Geist des Tenuatem zu uns schicken um uns zu befreien. Es gibt eine unkontrollierbare Unregelmäßigkeit. Der Nebel muss zurück in den Riss. Das Biest steht bereit. Tiata ist fertig. Wir werden unser System wiederaufbauen. Wir werden Syxon besiegen. Sein Bewusstsein wird sich verflüchtigen. Er wird durch die Hand des Tenuatem sterben. Das Gehirn kontrolliert alles. Der Nebel wird scheitern.“
„Karyx? Einen Sanitäter!“
„Die Erschaffer waren hier. Wir haben ihre Technik. Sie wird nicht versagen. Wir haben Verbündete. Sie sind von den Erschaffern selbst geschickt worden. Es gibt eine unkontrollierbare Unregelmäßigkeit. Der Nebel muss zurück in den Riss. Wir werden Hilfe haben. Die Bewohner Mittelerdes werden für uns kämpfen. Die Terraner werden Technik stellen. Die Denebol werden Schiffe stellen. Die Kontrakter werden Soldaten stellen. Sie alle werden es nicht wissen. Sie alle können es nicht wissen. Mittelerde wird fallen. Deneb wird fallen. Kontra wird fallen. Die Erde wird standhalten, der Sonius ist unterwegs. Die Schirme werden versagen. Das Biest wird ihn töten. Der Weg zur Erde ist frei. Wir werden unser System wiederaufbauen. Wir werden jeden nach seinen Möglichkeiten ausbilden. Wir werden warten. Wir werden siegen.“ Die Pupillen Karyx weiteten sich, das Blau seiner Augen kehrte zurück. Er sah die um ihn herum versammelten Dinota einen nach dem anderen an und fragte mit brüchiger Stimme: „Was ist hier los?“
7121 Jahre später…
„Skyn, du wolltest mich sehen?“ Skyn lächelte.
„Donora, ich sehe mein Ende kommen.“
„Soll ich den Medi holen?“
„Nein, lass den Medi, der wird es schon noch früh genug bemerken.“
„Wenn du tot bist.“
„Wenn ich tot bin, ja. So viele sind in der Klinik gestorben, und der Medi wird mich zweifellos ebenfalls dorthin transportieren wollen. Nein, Donora, wir Dinota sterben in unseren Häusern oder auf dem Schlachtfeld.“
„Aber Baslel…“
„Ich weis, Baslel ist in der Klink gestorben, wie Leana, Goivaire, Deroby und Faleex auch. Nein, Donora, ich will hier sterben. Aber vorher muss ich dir etwas sagen.“ Donora kam ihrer Großmutter näher.
„Der Tenuatem wird kommen und uns zu alter Stärke führen. Der Nebel muss zurück in den Riss!“
„Ich verstehe nicht…“
„Donora, in diesem Kristall ist der Rest der Prophezeiung! Verliere ihn nicht und gib ihn an deine Kinder weiter!“
„Warum hast du ihn nicht Olyada gegeben?“
„Deine Mutter ist leider viel zu früh gestorben. Sie kam nie in das Alter, in der die Prophezeiung weitergegeben wird. Du bist es auch noch nicht, aber wie gesagt, ich sterbe bald und muss ihn zuvor dir gegeben haben. Die Tradition verlangt es.“
„Du hast nie viel auf Traditionen gegeben. Woher der Sinneswandel?“
„Das macht nichts zur Sache. Ich vertraue dem Militärkommando einfach nicht mehr. Und jetzt geh. Du hast gleich Dienst.“ Sie lächelte Donora an als diese sich erhob und aus der Wohnung ging.
„Und da geht sie. Zusammen mit mehr Wissen“, sagte ein plötzlich aufflammendes Hologramm von Fenal.
„Ja, Fenal. Jetzt sind nur noch wir beide da. Du ein Greis, der für nicht mehr zurechnungsfähig gehalten wird…“
„… Und du ein Krüppel, der nicht mehr laufen kann. So viel ist auf Cato Neimodia schief gelaufen.“
„Ja, da haben wir Giovaire verloren. Auch wenn er ein Pirat war, hatte er seine Herzen am rechten Fleck.“
„Und in der anschließenden Verfolgung ist der Hyperraumantrieb nicht angesprungen. Nummer Achtundvierzig.“
„Du hast dir die Nummer gemerkt?“
„Ich werde nie diese Nummer vergessen. Dort ist Leana verletzt worden.“
„Und konnte nicht mehr gerettet werden. Du und Tiata habt einen Monat lang getrauert. Und als die Kabontul explodierte…“
„So viele sind zu früh gestorben. Nur wir beide und Baslel dürfen ihre Leben zu Ende leben.“
„Und meines kommt bald.“
„Wie viel Zeit gibst du dir?“
„Diese Nacht noch. Ich mache mir keine Hoffnung, morgen aufzuwachen.“
„Für Donora wird es ein Schock sein. Ich lege mich schlafen. Morgen werde ich in aller Frühe ablegen.“
„Du wirst in unser System fliegen, oder?“
„Jemand muss den Sonius töten. Die Nachricht habe ich bereits hinterlegt.“
„Die Zehn folgen dir, richtig?“
„Sie wollen mir helfen und ich kann sie nicht daran hindern. Oder willst du einen Dinota-Schlachtkreuzer daran hindern, in den Kampf zu fliegen?“
„Ich kenne sie nur zu gut. Gute Nacht, Kapitän Fenal.“
„Gute Nacht, Erster Offizier Skyn.“
14562 Jahre später…
„Wie lautet die Prophezeiung? Fenal, du hast diese Stunde noch gar nichts gesagt.“ Der Angesprochene sah auf, blickte den Lehrer verdutzt an und antwortete: „Die Finoral werden ein Kind annehmen, das nicht ihres ist. Es wird in einer silbernen Rüstung für die Dinota kämpfen. Der Tenuatem wird kommen und uns zu alter Stärke führen. Er wird uns von den Fesseln des Nebels befreien und unsere Feinde Angst lehren. Er wird die Terraner, die Denebol und die Kontrakter unterjochen. Wir müssen bereit sein. Das Biest ist bereit. Tiata ist fertig. Wir werden unsere Systeme wiederaufbauen. Wir werden jeden ausbilden. Wir werden warten. Wir werden siegen.
Das Gehirn kontrolliert alles. Es wird den Tenuatem zu uns schicken um uns zu befreien. Es gibt eine Unregelmäßigkeit. Der Nebel muss zurück in den Spalt. Das Biest steht bereit. Tiata ist fertig gestellt. Wir werden unser System wiederaufbauen. Wir werden Syxon töten. Sein Geist wird sich verflüchtigen. Er wird durch den Tenuatem sterben. Das Gehirn kontrolliert alles. Der Nebel wird scheitern.
Die Erschaffer waren hier. Wir besitzen ihre Technik. Sie wird nicht versagen. Wir haben Verbündete. Sie sind von den Erschaffern selbst geschickt worden. Es gibt eine Unregelmäßigkeit. Der Nebel muss zurück in den Riss. Wir werden Hilfe haben. Die Siedler Mittelerdes werden für uns kämpfen. Die Terraner werden Technik bringen. Die Denebol werden Schiffe stellen. Die Kontrakter werden Soldaten stellen. Sie werden es nicht wissen. Mittelerde wird fallen. Deneb wird fallen. Kontra wird fallen. Die Erde wird standhalten, der Sonius ist auf dem Weg. Die Schirme werden zerstört. Das Biest wird ihn töten. Der Weg zur Erde ist frei. Wir werden unsere Systeme wiederaufbauen. Wir werden jeden ausbilden. Wir warten. Wir werden siegen.“
„Sehr gut! Zwar waren ein paar Patzer dabei, aber die lassen sich nicht vermeiden. Wenn ihr nach vorne guckt, seht ihr, wie derjenige, der die Prophezeiung überbracht hat, sie erlebt hat. Mag das jemand vorlesen?“ Ein paar meldeten sich und der Lehrer nahm ein Mädchen dran, von dem Fenal glaubte, dass es der Arbeiterkaste angehörte. Er schnaubte. Was für eine Beleidigung für ihn, ihn, einen Kasonta, mit jemanden aus der Arbeiterkaste in eine Klasse zu stecken! Fenal war stolz auf seine blauen Haare, die schon aus der Entfernung zeigten, dass er der Kriegerkaste angehörte. Zylon stieß ihn an und zeigte nach vorne. Der Lehrer sah ihn an.
„Fenal, willst du nicht mehr über die Prophezeiung erfahren? Deine Eltern meinten, dass du sehr interessiert an ihr seiest. Fina, liest du weiter?“ Das Mädchen nickte und las weiter vor.
Es war wahr, Fenal interessierte sich für die Prophezeiung, aber die Informationen über sie hatte er schon längst im Netz gelesen.
Endlich kam das Zeichen, dass die Stunde vorbei war. Fenal deaktivierte seinen Tisch und stand auf wie der Rest der Klasse. Auf die Worte des Lehrers hörte niemand mehr.
„Hey Fenal, kommst’e mit zum Geyras? Asonia macht mit, dann hast’e mal ’nen würdigen Gegner!“, sagte Zylon auf dem Gang zu ihm.
„Nee, lass mal, ich teste heute mal die Flugsysteme meiner Rüstung. Ein paar Mal war ich schon drin, war auch ganz lustig und so, aber die Flugsysteme hab ich bisher nicht anbekommen.“
„Du Glückspilz, nur weil du ’n Kastona bist hast’e schon ’ne Rüstung. Darf ich die mal sehen?“
„Später, mein Vater will, dass ich Punkt zwei auf der Matte stehe und so, aber nachher kann ich ja zu euch rüber kommen.“
„Zieh dann aber mal deine Rüstung an!“
„Sicher! Vielleicht kann ich mit dem Teil dann auch schon fliegen.“
„Klasse! Na dann, sehen uns dann später!“
60 Jahre später…
Das Baby schrie und direkt darauf sagte der Medi: „Es ist ein Junge.“ Geolix sah seiner Gefährtin ins Gesicht. Sie sah aus, als würde sie jeden Augenblick einschlafen. Er konnte sie verstehen. Fünf Stunden Wehen mussten für sie eine Ewigkeit gewesen sein…
Der Medibot kam mit seinem Sohn in einem Handtuch zu ihm rübergeschwebt. Geolix stand auf und nahm ihn in den Arm. Der Kleine sah ein wenig verwirrt aus.
„Terada…?“, sagte er und drehte sich zu seiner Gefährtin. Sie war eingeschlafen.
„Sir, wir sollten ihren Sohn untersuchen“, kam die sanfte Stimme des Medibot.
„Ja, sicher. Wo ist gleich die Schale?“
„Hier, Sir. Wenn sie wollen, lege ich ihn hinein.“
„Das tue ich lieber selber.“ Geolix wollte seinen Sohn noch ein wenig im Arm haben.
„So… Und so…“
„Ich beginne mit den Scans“, meinte der Medibot, „Ihr Sohn wiegt sieben Komma drei acht Kilogramm, ist 45 Zentimeter groß und alle Organe funktionieren ausgezeichnet. In einer Woche wird man sehen können, welcher Kaste er angehören wird.“
„Es ist seltsam, ihr Sohn hat silberne Augen“, sagte der Arzt zu Geolix und Terada.
„Es bedeutet doch nichts schlimmes, oder?“, fragte Terada ängstlich.
„Eventuell, wir sind uns nicht sicher. Es ist aber auch möglich, dass er einen Gendefekt hat und nie farbige Augen bekommt. Wir würden ihn gerne zur Beochtung hier behalten, um sichergehen zu können, was er hat. Wenn sich seine Augenfarbe bis nächste Woche nicht geändert hat, räumen wir ihm nur geringe Chancen ein.“ Terada schluchzte und legte ihren Kopf an die Schulter von Geolix der seinen Arm um sie legte und den Arzt ansah und fragte: „Können wir etwas für ihn holen?“
„Sicher, er ist ihr Sohn. Solange es die Instrumente nicht behindert, können sie ihm alles bringen was sie wollen.“ Geolix nickte und stand mit Terada auf.
„Es ist der Erste Gleiterabsturz seit zehn Jahrtausenden. Als wäre es nicht schlimm genug, haben die beiden Insassen des abgestürtzten Gleiters ein ein Woche altes Kind zurückgelassen welches nun keine Familie mehr hat.“ Fenal schaltete den Sender aus. Das 64 jährige Oberhaupt der Finoral erhob sich.
„Denetrol, wo ist dieses Kind?“, fragte er.
„Soweit ich weis in dem Sinoratis. Warum fragen sie, Sire?“, antwortete sein Butler.
„Es ist der Erste Gleiterabsturz seit zehntausend Jahren. Es wäre gut, wenn das Oberhaupt der Finoral dieses Kind besuchen würde.“
„Ich verstehe, Sire. Ich werde den Gleiter holen.“
„Fenal, ich wusste nicht, dass sie kommen wollten. Hätten sie sich angekündigt…“, begrüßte der Leiter des Krankenhauses Fenal.
„Sparen sie sich diese Floskeln. Wissen sie, wo dieses Kind ist, dessen Eltern vorhin gestorben sind?“, fragte Fenal.
„Ähm, ja, ja Sire“, antwortete dieser sichtlich verwirrt, „Sicher weis ich das. Wenn sie wollen, führe ich sie zu ihm.“ Fenal spürte, dass der Mann keine Ahnung hatte, wo sich das Kind befand, sodass er sich den Weg markieren lassen musste, wodurch er sich eine paar mal um die eigene Achse drehte bevor er zielstrebig losging. Nach fünf Minuten Weg standen sie vor einer Tür.
„Hier ist es. Aber bevor sie hineingehen, Sire, sollten sie wissen, dass das Kind silberne Augen hat, obwohl es bereits eine Woche alt ist“, sagte der Leiter.
„Ich habe weitaus schlimmeres gesehen, als einen Säugling, der noch keine Augenfarbe hat“, erwiderte Fenal. Der Leiter blickte betreten zu Boden und öffnete ihm die Tür. Es war ein schönes Zimmer. Fenal hatte ein beklemmendes Gefühl, als er die Betten sah. Ein kleines, in dem der Säugling lag, und direkt daneben ein großes, welches für die Eltern gedacht war. Er ging an das Bett in dem der Kleine lag. Er fühlte sich unwillkürlich an den Tag zurückversetzt an dem Denoba geboren wurde. Plötzlich schrie der kleine Dinota. Fenal wachte aus seinen Gedanken auf, beugte sich und nahm den Kleinen in den Arm. Nachdem er sich beruhigt hatte fragte Fenal: „Wie heißt er?“
„Xiatus, Sire“, kam die melodische Stimme eines Medibots.
„Xiatus also.“ Fenal war sich nicht sicher, was er jetzt tun sollte. Er hatte sich ohne Nachdenken in Schlachten geworfen, sich mehrmals dem Tod gestellt, hatte stehts gewusst, was er tun sollte… Nur jetzt nicht.
„Vielleicht…“, sagte Fenal und spann einen Gedanken, dessen Ende er nicht sehen konnte.